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Aus dem Taubergrund, 5. Juni. Der badischen Bezirksstadt Boxberg wurde am letzten Samstag aus Veranlassung der Jndustrieschul- ausstellung die Ehre eines Besuchs der Groß­herzogin von Baden zu teil. Nach der Be­grüßung durch Stadtpfarrer Walther wurde im Schulhause von der Großherzogin ein Rundgang durch die Ausstellung der 29 Gemeinden des Bezirks vorgenommen, worauf dieselbe das von den Mitgliedern des Spinnvereins veranstaltete Fest besuchte. Einem poetischen Willkommgruß des Dekans Schenk von Unterschüpf folgte das von demselben verfaßte Festspiel .die alte und die neue Zeit". Den Schluß bildete die Ueber- reichung des 1. Spinnpreises an die beste von den 48 Spinnerinnen aus 6 Gemeinden an ein Mädchen von Boxberg durch die Großherzogin in Gestalt eines prächtigen Spinnrades. Nach Besichtigung des Spitals, der altehrwürdigen romanischen Johanniterkirche in Wülchingen so­wie der kath. Kirche in Boxberg gönnte sich die hohe Frau noch Ruhe im ev. Stadtpfarrhause, wo dieselbe mit dem Gefolge den Thee kinnahm. (Frau Stadtpfarrer Walther ist Neuenbürgerin, nämlich die Tochter Anna des Oberamtsarztcs a. D. Fischer).

Wieblingen, 6. Juni. Die 14jährige Gleichen Benz von hier, welche aushilfsweise zur häuslichen Arbeit bei Ludwig Treiber heran­gezogen worden war, schüttete Petroleum ins Feuer. Es erfolgte eine Explosion, so daß das Mädchen bald in Hellen Flammen stand und bis zur Unkenntlichkeit verbrannte. Noch lebend wurde das Mädchen ins Universitätskrankenhaus nach Heidelberg verbracht, wo es alsbald seinen gräßlichen Leiden erlag. Dieser neue schreckliche Fall möge doch allen zur Warnung dienen, ja kein Erdöl zum Anzünden des Feuers zu verwenden.

Aus dem Sundgau, 5. Juni. Die ersten blühenden Roggenähren wurden bereits gefunden. Das deutet auf eine zeitige Ernte hin, denn die Landleute rechnen von Beginn der Blüte noch sechs Wochen bis zum Schnitte. Die Landwirte hoffen allgemein auf eine gute Roggenernte; die Frucht ist vielversprechend, die Halme sind hoch und die Aehren lang.

Württemberg.

Stuttgart, 6. Juni. Am Sonntag den 8. Juni werden bei dem Huldigungszug vor Sr. Majestät die Forstwarte in Uniform am Ende des Festzuges geschlossen vorbeimarschieren.

Stuttgart, 6. Juni. Die Direktion der Stuttgarter Straßenbahnen hat Beschwerde bei der K. Stadtdirektion gegen die seitens des Stadtpolizeiamts verfügte Betriebseinstellung zwischen 12 und 2 Uhr mittags erhoben und den zuständigen Behörden Nachweise über die sorgfältige Ausbildung und Prüfung des Fahr­personals geliefert. Auf den beiden Strecken Prag-Westend und Berg-Heslach ist der 6 Mi­nutenbetrieb wieder eingeführt. Die Rundbahn hat noch 12 Minutenbetrieb. Morgen soll auch die Traubenstraßenlinie wieder in Betrieb ge­nommen werden.

Tübingen, 5. Juni. Vor der hiesigen Strafkammer hatte sich heute eine vielköpfige Diebesbande, die schon feit Jahresfrist ihr un­sauberes Handwerk im badischen und bayerischen Oberland, in Oesterreich, zuletzt in Hechingen und den angrenzenden württembergischen Plätzen betrieb, zu verantworten. Auf der Anklagebank saßen 2 Dirnen, Anna Sieger aus Außersihl, Schweiz, und Marie Wittmann aus Dachau in Bayern, und deren Zuhälter, der Kaufmann Lorenz Kappus aus Höchstädt und der Schneider Rudolf Lohmiller von Vierlingen, OA. Horb. Geraubt und gestohlen hat diese Bande alles, was nicht nagelfest war. Die ganze Bande war mit Waffen und reichlichem Brechwerkzeug ver­sehen. Die Mannsleute verübten die Einbruchs­diebstähle meist bei Nacht in der raffiniertesten Weise, die Dirnen hielten Wache. Den Tag über hielt sich die Bande in Wäldern auf und verzehrte dort ihre Beute. Einem Wirt in der Gegend von Hechingen haben die zwei Burschen auf die nachhaltigste Weise bei Nacht sein Wirt» schaftslokal besucht und neben 12 vollen Kisten Cigarren eine Menge Lebensmittel und Geld mitgenommen. Oftmals wurden die unsauberen

Gesellen bei ihren nächtlichen Ausfällen gestört, so daß sie in der Eile manches ihrer Brech­werkzeuge zurücklassen mußten. In Rottenburg a. N. endlich wurde die Bande aufgegriffen. Lohmiller, ein geriebener Gauner und alter Zuchthäusler, bekannte sich nach anfänglichem Leugnen als den Häuptling der Bande. An Vorstrafen stehen ihm die anderen Angeklagten nicht viel nach. Der Gerichtshof erkannte gegen Lohmiller auf 4 Jahre Zuchthaus, gegen Kappus auf 1 Jahr Gefängnis. Die Singer und Wittmann erhielten wegen Begünstigung je 1 Monat Gefängnis. Hierauf verabschiedete sich die Bande mit dem ZurufAuf Wiedersehen!"

Herrenberg, 4. Juni. Die Haushaltungs­schule in hiesiger Stadt, die einst im Jahr 1881 durch den landwirtschaftl. Gauverband besonders für Ausbildung der Töchter von Landwirten im alten Hofkameralamtsgebäude gegründet worden war, wird nun leider nach 21jährigem erfolg­reichem Bestand mit dem 15. Sept. d. I. cin- gehen. Die Ursache ist in den schlechten sozialen Verhältnissen bei unseren Landwirten zu suchen, die bei der Dienstbotennot ihre Töchter nicht mehr entbehren können oder auch die nicht hohe Ausgabe doch scheuen. Für unsere Stadt ist der Verlust dieser Anstalt sehr zu bedauern. Die verdiente Vorsteherin, Amtmannswitwe Seubert, wäre übrigens aus Gesundheitsgründen diesen Herbst ohnedies um ihre Entlassung ein­gekommen.

Ausland.

Die ersten Versuche des Präsidenten Loubet, einen Ersatzmann für den mit seinem gesamten Kabinett zurückgetretenen bisherigen Minister­präsidenten Waldeck-Rousseau zu finden, sind gescheitert. Bourgeois, der Führer der Radikalen, wie Brisson, der Führer der gemäßig­ten Republikaner, lehnten den Auftrag zur Bild­ung des neuen Kabinetts ab, nunmehr gilt der radikale Senator Combes als derkommende Mann". Jedenfalls wird das künftige französ. Ministerium eine entschieden radikale Färbung aufweisen.

Paris, 5. Juni. Wie derMatin" meldet, wurde entgiltig festgestellt, daß der gesetzmäßige Reservefonds der VersicherungsgesellschaftAll­gemeine Familienkasse" ein Defizit von 24 Millionen aufweist. Das Syndikat der großen Versicherungsgesellschaften unternahm Schritte, um den Reservefonds zu vervollständigen, doch sollen die Schritte erfolglos geblieben sein. Der Direktor der Allgemeinen Familienkasse, Odier, und sein Sohn sind seit gestern flüchtig.

London, 5. Juni. Kitcheners Beförderung zum Viscount (Vizegrafen), sowie die Schenkung von 1 Million Mark werden bei den Ministeriellen ebenso wie von der Opposition fast durchweg als im Vergleich zu den Ergebnissen und zu den Ehren, die Lord Roberts gespendet wurden, als ziemlich knickerig bezeichnet. Maßgebend war wohl neben Sparsamkeitsrücksichten die Erwäg­ung, daß Kitchener ohnehin schon außergewöhn­lich schnell befördert worden ist. Er wurde erst 1896 Generalmajor und hat inzwischen mit der neuen Beförderung den vollen Generalsrang und zwei Stufen Peerage erklommen und dazu zwei Dotationen von 30000 und 50000 Pfund er­halten. Er zählt erst 52 Jahre, hat somit die beste Aussicht auf weitere Ehren und Beförder­ungen. Seine Rückkehr aus Südafrika ist nicht vor August zu erwarten. Das dortige Kom­mando wird alsdann geteilt werden.

Vermischtes.

Bretten, 6. Juni. Durch Umwerfen einer Kanne mit siedendem Kaffee erlitt ein Kind eines hiesigen Geschäftsmanns derartige Brandwunden, daß der Tod nach unsäglichen Schmerzen ein­getreten ist.

Gaugenwald, 5. Juni. Nicht Jägerlatein, sondern Thatsache ist es, daß Gutsbesitzer und Jagdinhaber Stein vorgestern das seltene Jagd- lück hatte, mit einem gutgezielten Schuß 3 Reh- öcke zu erlegen.

Ein Arbeiter in Vollmarstein a. d. Ruhr hat innerhalb der letzten 2 Jahre 6 Kinder er­halten: zweimal Drillinge. Der Mann war

von dem Außergewöhnlichen dieses Segens so überzeugt, daß er sich hinsetzte und auf einer Postkarte dem Kaiser Mitteilung machte. Zugleich lud er ihn zur Patenschaft ein.

Mutmaßliches Wetter am 8. und 9. Juni

Für Sonntag und Montag ist bei ziemlich warmer Temperatur neben zeitweiliger Aufheiterung mehrfach bewölktes und auch zu vereinzelten kurzen Nieder­schlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

Nkiirße Nachrichten TctkMiu«?

Mannheim, 6. Juni. Die heute vormittag veranstaltete Huldigungsfeier der Mannheimer Schuljugend vor dem Großherzogspaare ge. staltete sich äußerst stimmungsvoll. Die Schirl,, rinnen und Knaben sämtlicher Schulanstalte», etwa 18000 an der Zahl, zogen unter den Klängen von Musikkapellen, von ihren Lehrern und Lehrerinnen geführt, vor dem Baldachin, unter dem der Großherzog, die Großherzogin und der Erbgroßherzog mit seiner Gemahlin Aufstellung genommen hatten, vorüber. Die Schülerinnen waren mit Blumen, Kränzen und Schärpen in den Landesfarben geschmückt. Um 11 Uhr erfolgte dann die feierliche Er­öffnung der Kunstausstellung des Altertums- Vereins durch den Großherzog. Sodann folgte ein Rundgang durch die Ausstellung.

Mannheim, 6. Juni. Der Großherzog besuchte heute nachmittag die landwirtschaftliche Ausstellung und sodann die heute eröffnete 2. inter­nationale Hundeausstellung, während die Frau Großherzogin mit der Erbgroßherzogin den groß­herzoglichen Instituten einen Besuch abstattete.

Hamburg, 6. Juni. Am westafrikanischen Handel beteiligte Firmen hielten heute hier eine Versammlung ab und riefen zur Wahrung ge­meinsamer Interessen einen Verein ins Leben, der den NamenVerein westafrikanischer Kalis­leut" führt. Dem Verein treten sofort 25 der ersten an diesem Handel beteiligten Firmen Hamburgs und Bremens bei.

Paris, 6. Juni. Deputiertenkammer. Bei der endgiltigen Wahl des Präsidenten wird Bourgeois mit 326 von 503 Stimmen bei 10k Stimmenthaltungen zum Präsidenten gewählt.

Paris, 6. Juni. Der Schah von Persien hat für die infolge des Unglücks auf Martinique Notleidenden 10000 Fr. gespendet.

London, 6. Juni. Das Oberhaus nahm die zweite Lesung der Anleihebill an. Im Lauf der Debatte sagte der Viscount Goschen, der Erfolg der Anleihe und ihr hoher Kurs nach einem erschöpfenden Kriege beleuchten die außer­ordentliche Finanzkraft des Landes und zeigen, wie sich der Kredit des Landes und die Ver­waltung seiner Finanzen gehoben haben. Lord Salisbury bemerkte darauf, es sei erfreulich, aus dem Munde einer so hervorragenden Autorität auf diesem Gebiete zu erfahren, daß die Finanz­lage des Landes durch die Maßnahmen ln Finanzverwaltung nicht beeinträchtigt, sondern vielmehr gebessert worden sei.

London, 6. Juni. Abordnungen der aus­ländischen Regimenter, deren Chef der König ist, sind eingeladen worden, der Krönungsfeier bei- zuwohnen. Man nimmt an, daß sie an dem Zuge teilnehmen, der am Tage nach der Krönung die Hauptstraßen durchziehen wird.

London, 6. Juni. Kitchener meldet aus Pretoria vom 6. Juni: Kommissare in ver­schiedenen Bezirken melden, daß gestern 1154 Mann die Waffen niedergelegt haben. Die Kommissare hielten nach der Uebergabe eine An­sprache an die Buren, welche drei herzliche Hurrahs auf die Königin ausbrachten. Es bestehen best­mögliche Beziehungen. Nirgends zeigen sich Schwierigkeiten.

Pretoria, 6. Juni. (Reutermeldung.) Christian Dewet ist vorgestern von Pretoria m Kredefort eingetroffen. Er besuchte dort das Konzentrationslager und forderte seine Landsleute auf, England zu zeigen, was für gute Kolonisten die Buren abgeben könnten.

London, 6. Juni. Heute vormittag brach auf der Chatamer Werft Feuer aus, das einen Schaden von mehreren 1000 Pf. Sterl. anrichtete.

LM" Mit einer Beilage. MT

Redaktton, Druck und Berlag von C. Meeh in Neuenbürg