vermischtes.
Wie spricht Kaiser Wilhelm II?
Jeder Redner, welcher Erfolge bei seinen Zuhörern erzielen will, muß Temperament besitzen und cs kann gesagt werden, daß Kaiser Wilhelm II. ein recht lebhaftes Temperament aufzuweisen vermag. Wer die verschiedenen und verschiedenartigen Reden und Ansprachen des Monarchen durchlieft — eine gute Sammlung findet sich in der Retlam'schen Universal-Biblio- thek in Leipzig und in dem Verlage von E. S. Mittler L Sohn, Berlin — der wird zugestehen, daß Klarheit und Sicherheit in den Kaiserlichen Reden ausgeprägt ist. Darüber besteht wohl kein Zweisel, daß die Zünd- krast der Reden des deutschen Kaisers vornehmlich in der Geschlossenheit der Stimmung und Prägnanz des Gedankengangs wurzelt.
Auch diejenigen, welche nicht unmittelbare Zuhörer der Kaiserreden sind, kommen auf ihre Kosten beim Lesen dieser Reden, da man aus ihnen stets Anregung zum Nachdenken und geistiges Verarbeitungsmaterial schöpfen wird. Es macht einiges Vergnügen, die besonders konstitutionell angehauchte Presse Grimassen bei der Berichterstattung von Kaiserreden schneiden und in Zuckungen verfallen zu sehen, wenn der Herr Reichskanzler die Kaiserlichen Ansprachen, wie üblich und eigentlich selbstverständlich, nicht gegengezeichnet hat.
Fürst Bismarck, der redegewaltige Heros des deutschen Volkes, besaß seine Wirkungskraft durch sein überall bethätigtes Prinzip: „Biegen oder brechen!" Die Redeanschauung von Kaiser Wilhelm II. scheint gegenwärtig in einer anderen Richtung zu liegen. In der ersten Zeit, wo er öffentlich sprach, trat die Schärfe, der starke Imperativ, charakteristisch hervor, hier und da vielleicht zu stark pointiert, aber doch überzeugungs- sroh und keine Ilnschlüssigkeit duldend. Wer jedoch einen zehnjährigen Redezeitraum betrachtet, wer das Charakteristische und Wesentliche aus den Kaiserreden der früheren und jetzigen Zeit herausschült, der wird zugestchen müssen, daß zweifellos die stolze, hoheitsvolle Persönlichkeit noch vorhanden ist, daß aber eine mildere, man möchte säst sagen weichherzigere Stimmung gegenüber der früheren Grundanschauung, durch die meisten Kaiserlichen Reden der Gegenwart hindurchgeht.
Wer die gegenwärtige Anschauungsweise des deutschen Kaisers in seinen Reden betrachtet, der wird finden, daß sich dieselbe in keiner Weise mit dem Bis- marckschen Grundzug „biegen oder brechen" identificiert, sondern ihren Schwerpunkt im Zeichen der Versöhnung, im Zauberquelle des liebenswürdigen, nationalen Empfindens und im Betonen des stark machenden Einigkeitsgedanken findet. Wie auS den Kaiserlichen Reden der Gegenwart so oftmals das echte Deutschtum m seiner reichen GcmütStiese erkennbar wird, wie das bittere „muß" in harmonischer Schöne durch landes- vätcrliche Güte verklärt erscheint, so hat sich auch in dem äußeren Gepräge der Kaiserreden eine gewisse Wandelung vollzogen. In früherer Zeit erschien mir die Kaiserliche Redeweise militärisch geformt und durch einen vielleicht nicht gewollten, aber doch hier und da hervortretenden kategorischen Befehl gekennzeichnet. Es hat mich außerordentlich überrascht, bei der letzthin gehörten Kaiserrede zu bemerken, wie sich allmählich dieser militärische Tonfall zu einer abgerundeten pro- sessoralen Vortragsweise abgeklärt hat. Man kann sicher sein, daß unter allen Umständen diese prosessorale Bortragssorm einen stärkeren Eindruck machen wird, als die militärische Redeweise, umsomehr als ein gut beobachtender Stenograph bei der Fülle von Reden, die ihm vorgesetzt werden, ein beachtenswerterer Kritiker von Reden sein wird, als der einfache Zuhörer.
Eins jedoch fällt nach wie vor bei den Reden unseres Monarchen aus: Kaiser Wilhelm II. spricht etwas ungleichmäßig. Die Fülle von zuströmrnden Gedanken bringt den hohen Redner dazu, sein im allgemeinen mäßiges und gutes Sprechtempo manchmal in hitziger Weise zu steigern und dieser Umstand wird in vielen Fällen dem Zuhörer das Nachfolgen des Gedankenganges erschweren. Bei einem übermäßig gesteigerten Sprechtempo kann die volle Auffassung des Gesprochenen gerade an der besten Stelle verloren gehen und man Hilst dem Kaiserwort gewiß eine erhöhter^ Zündkraft schaffen, wenn man auf diesen Punkt aufmerksam macht.
Geheimrat Dr. Slaby von der Technischen Hochschule in Charlottenburg darf man in oratorischer Beziehung zu den besten Meistern rechnen, die wir in Deutschland überhaupt haben (man vergl Kurzschristliche Blätter Jahrgang 1901, zu beziehen zum Preise von 2 durch das stenographische Bureau Gabelsberger in Charlottenburg 1) und da ist es denn erfreulich zu wissen, daß der deutsche Kaiser die guten Redner ganz besonders liebt, obgleich sich doch nach dem bekannten Naturgesetz nur das Ungleiche anziehen soll. Gehemirat Slaby spricht, wie einstens der große Redner auf dem Ministersessel, Dr. v. Miquel, gesprochen hat: frisch und stimmungsvoll, sein Vortrag bildet eine harmonische Znsammenwirkung von quellender Sprechschnelligkeit und zugleich von bewundernswürdiger Gleichmäßigkeit. Wer nun gern vergleichen will, dem sei empsohlen, gelegentlich einen Vortrag von Geheimrat Dr. Slaby und von Geheimrat Dr. Paasche anzuhören. Wem der Redegalopp des Letzteren in seiner Hast gefällt, der wird sich vielleicht auch aus der Ungleichmäßigkeit der Kaiserreden nichts machen, aus den gewöhnlichen Sterblichen dürste aber zweifellos die gleichmäßig gesprochene Rede des Herrschers, gut pointiert, die größere Wirkung ausüben!
Karl Hempel.
Erlischt eine Lebensversicherung infolge unverschuldeten Unterlassens der Prämienzahlung? Das Reichsgericht hat kürzlich eine für weite Kreise und in Sonderheit für die große Zähl derer, die bei einer Versicherungsgesellschaft ihr Leben versichert haben, überaus wichtige Entscheidung gefällt und dabei nachstehenden Rechtssatz aufgestellt. „Die Bestimmung einer Lebensversicherungs-Police, daß die nicht pünktliche Zahlung der Prämien den Verlust aller Ansprüche an die beklagte Versicherungsgesellschaft zur Folge habe, kann ohne Rechtsirrtum dahin ausgelegt werden, daß die Verwirkung nicht ein treten sollte, wenn die Nichtzahlung innerhalb der vertragsmäßigen Frist eine unverschuldete war." Diese hier vom Reichsgericht vertretene Ansicht wird in den weiten Kreisen der Versicherten reichen Beifall finden, da nur zu häufig bisher trotz jahrelangen Einzahlens der Prämien durch ein „unverschuldetes Verschulden" das Erlöschen der Versicherung und damit der Verlust aller Ansprüche aus dem Versicherungsverträge herbeigeführt worden ist.
JnEllwangenim württembergischen Jagst- kreis starb jüngst ein altes Fräulein, das dem Landfrieden nicht getraut und deshalb ihr aus 78000 bestehendes Vermögen in einer Hutschachtel verborgen hatte. Die Koupons der Wertpapiere waren seit Jahren nicht erhoben worden und deshalb zum Teil verfallen, zum Aerger der hierüber nicht lachenden Erben.
Leipzig, 29. Mai. Einen Prozeß um eine Million Mark hat soeben, wie die Blätter berichten, die hiesige Universität gewonnen. Wie seiner Zeit gemeldet, hatte Hofrat Theodor Puschmann in Wien, nachdem er in Leipzig seine Studien beendet, sich verheiratet und dabei ein wechselseitiges Testament in Uebereinstimmung mit seiner Gattin gemacht, wonach das nachzulassende Vermögen nach dem Tode des überlebenden Gatten der Universität Leipzig zusallen sollte. Seine Frau starb nach ihm, im Juli vorigen Jahres. Nunmehr aber fochten die Anverwandten des Erblassers das Testament an und klagten bei den Wiener Gerichten auf Herausgabe der Erbschaft. Das Urteil ist jetzt ergangen: die Verwandten sind mit ihren Ansprüchen abgewiesen worden und die Universität Leipzig erhält das hinterlassene Vermögen, das, wie gesagt, über eine Million beträgt.
Leipzig, 2. Juni. Eine aufregende Szene spielte sich gestern in einer Hoswohnung in Leipzig-Reudnitz ab. Daselbst hatten die beiden Knaben des Kellners Schmidt im Alter von 5 und 7'/» Jahren in Abwesenheit der Eltern sich die Petroleumkanne verschafft nnd deren Inhalt in das Feuer der Küchenmaschine gegossen. Hierbei explodierte die Kanne, die Flammen schlugen zurück und setzten die Kleider der unglücklichen Kinder in Flammen. Der Anblick der Aermsten war herzzerreißend: sie waren über und über mit Brandwunden gefährlichster Art bedeckt, da ihnen die Kleider total vom Leibe herabgebrannt waren. Der Rettungswagen schaffte die kaum noch kenntlichen Kinder nach dem städtischen Krankenhause, wo sie schon nach wenigen Minuten verstärken.
Ueber eine interessante Operation wird folgendes aus Braunschweig mitgeteilt: Vor einigen Tagen wurde von dem Spezialarzt für Nasen und Halskrankheiten Herrn Dr. med. Schlegel einem 15jährigen Knaben aus der Nase ein kleiner Hosenknopf entfernt, der elf Jahre in dem engen Raum stak. Im Alter von 4 Jahren hatte der Knabe mit dem Knopfe gespielt und ihn nach Kinderart in die Nase gesteckt. Damals war der Vater mit seinem Söhnchen zu einem Praktischen Arzte gegangen, der aber den Knopf nicht finden konnte und daher das Vorhanden sein des Knopfes bezweifelte. Und doch litt seit der Zeit der Knabe an übelriechendem Schleim und Nasenbeschwerden. Dieser Tage faßte der Vater im Scherz den Knaben an der Nase, wodurch letztere stark anschwoll. Dr. med. Schlegel, zu Rate gezogen, durchleuchtete den Nasenraum und entdeckte den Eindringling, der sofort geschickt auf operativem Wege entfernt wurde. Der Knabe befindet sich nunmehr wohl und munter, alle früheren Beschwerden find gewichen.
In manchen Orten auf dem Land kommt der Unfug vor, daß bei besonderen Anlässen den Pferden Wein unter den Hafer gegossen wird. So war es dieser Tage auch bei der Hochzeit eines Großgrundbesitzers in Hürtig. h eim im Elsaß. Als nun einige Hochzeitsteilnehmer spazieren fuhren, rannten die aufgeregten Pferde mit dem Wagen in einen Steinhaufen, so daß verschiedene Hochzeitsgäste und das Brautpaar schwere Verletzungen erlitten.
Spruchweisheit auf Tellern und Hausgerät.
In früherer Zeit pflegte man gern nicht nur sei« Haus, sondern auch Geräte im Hause mit allerlei Versen und Sprüchen zu verzieren, eine Sitte, die man noch vereinzelt aus dem Lande trifft. Besonders in den Leutestuben sind Schüsseln mit Inschriften iefi beliebt. Kommt ein Handelsmann mit Schüsseln^ den Hof, so kaufen Knechte und Mädchen mit Vorlitz eine solche mit Inschrift, erst in zweiter Linie komm. Blumen oder Früchte oder andere Verzierungen ir Betracht.
Daß in den einfach-schlichten Worten manche schm Wahrheit vorhanden war, läßt sich nicht bestreiten; anderseits finden sich auch manche etwas drastisch, Sprüche darunter. So las man z. B. auf Schüsseln folgende Lehren.
Ein gut Gewissen Ist im Alter ein guter Bissen, oder: Genügen ist ein reicher Tisch.
Unverdrossen und allgemach Wird verricht't die schwerste Sach'!"
Widerrede, Murren und Zorn Ueber Tisch sich nicht gehorn (gehören).
Dit und dat — trocken und natt Geseg'n uns Gott!
Glück und Unglück Ist alle Morgen mein Frühstück.
Ein Herz soll haben daran Freud',
Sein Brot zu essen mit Dankbarkeit.
Gott der Schöpfer War der erste Töpfer.
In einem größern Napf, der zum Anrichten b,< stimmt war, standen die Worte:
Wenn ich Schweinebraten schmeck',
Ich mein Messer nicht einsteck'.
Und in einem andern die Mahnung:
Man setzt sich gar oft zum Essen Und ißt und trinkt sich satt,
Eins wird dabei vergessen,
Daß Gott die Speis' bescheret hat.
Weiter heißt es:
Ein zufrieden, ruhig Herz Und ein froh Gemüte Stammen von dem Himmel her Und von Gottes Güte.
Ganz realistisch heißt es in einer andern irdene» Schale:
Geräucherter Speck und Sauerkraut Füllt manchem Schelmen seine Haut.
Viel verbreiteter als auf Tellern, Schüsseln und Näpfen sind die Inschriften auf Gläsern. Kelchen und Pokalen, die sich vielfach , aber durchaus nicht immer auf den Inhalt beziehen:
Ein frommes Weib und süßen Wem Und ein Gewissen gut und rein.
Da man aß und trank,
Da war rch gerne mang. (Altdeutsch.) Wasserkrug — macht alt und klug.
Ich will in diesen heißen Zeiten Mein Zünglein in die Schwemme reiten.
Uebel kommt geritten Und geht fort mit Schritten.
Wer seine Zunge hat in Gewalt,
Der wird in Ehren grau und alt.
Auf einem alldeutschen Salzgesässe ließt man dn Worte:
Ich bin nicht süß, ich bin nicht sauer —
Mich kann entbehren nicht König, nicht Bauer.
Aus diesen wenigen Beispielen ist zu sehen, daß manche Lebensweisheit, daneben Scherz und HunM ihren Ausdruck aus Geräten iand, welche tagtäglich da den Mahlzeiten benutzt wurden oder werden Me», anscheinend, um die Leser nnd Esser zu belehren und zu erheitern, oder auch, um guten Rat zu erteilen.
fZarter Wink.j A.: „So, Dein Chef ha> Dich auch mit einem Geburtstagsgeschenk überrascht?" —.Bureaubeamter: „Ja, mit eine« Schlafrock, dessen Innenseite die Worte enthalt „Schlafe zu Hause!"
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Der Todestag eines bedeutenden prenW" Generals läßt sich mit Hilfe der folgenden gaben bestimmen.
Vermehrt man die 200fache Datumszahl B die 150fache Monatszahl, so erhält man o> Jahreszahl. Vermindert man die 500 W Monatszahl um die 220fache Datumszahl, ff erhält man ebenfalls die Jahreszahl. Wessen Todestag ist gemeint? ^
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.