London, 22. Mai. Außer der Thatsache, daß die Burenführer seit Sonntag wieder in Prätoria weilen und Lord Milner erst Dienstag dort eingetroffen ist, hat die Censur bisher über den Verlaus der Versammlung in Vereeniging nichts durchpassieren lassen. Hier herrscht in Zeirungskreisen darüber nicht geringe Verblüfftheit, während vielfach die Ansicht herrscht, die Vereeniginger Versammlung sei zu Ende, wird anderseits angenommen, der neuerliche Besuch der Führer sei als Episode aufzufassen und bedeute einen letzten Versuch, weitere Zugeständnisse unter Hinweis auf die vorläufige Uneinigkeit der Vereeniginger Versammlung durchzudrücken.
Pätoria, 21. Mar 6 von der Konferenz in Vereeniging gewählte Abgesandte, darunter Mitglieder beider Regierungen, sind mit Delarey, Dewet und 8 Sekretären am Sonntag hier angekommen und wohnen in einem Hause neben Kitchener und Milner, die gestern hier ankamen.
Wnlerhattender Heil.
Eine Geistererscheinung.
Kriminalnovelle von Geheimrat Dr. Lange.
— 1 . —
„Eine Dame, Herr Kriminalkommissar!"
„Wie heißt sie?"
„Sie will sich nur dem Herrn Kriminalkommissar selbst nennen!"
„Lassen Sie sie hereinkommen!"
„Zu Befehl!"
Wenn ich auch damals noch nicht soviel Routine hatte wie heute, das wußte ich damals schon, daß Affairen mit Damen, die sich nicht nennen mögen, nicht zu den angenehmsten gehören.
Die Dame überreichte mir ihre Karte; nennen wir sie Frau Doktor Meißner. „Ich komme in einer sehr eigentümlichen Angelegenheit zu Ihnen, Herr Kriminalkommissär!" begann sie.
„Bitte, um was handelt es sich?"
„Ich werde seit einiger Zeit durch Geistererscheinungen beunruhigt."
.Ah!"
„Sie lächeln so ungläubig, aber die Sache verhält sich so, wie ich sage!"
„Eine Art Spuk von Resau?"
„Nein, die Sache ist viel ernster!"
„Bitte, erzählen Sie!"
„Vor ungefähr 6 Jahren hatte ich mich verheiratet. Mein Mann gab vor,michschwärmerisch zu lieben."
„Warum sollte das nur eine Vorspiegelung gewesen sein?" Sie hatte sich entschleiert; unter einem etwas koketten modernen Hütchen schaute mir ein reizendes Gesicht entgegen.
„Es mag sein, daß er mich damals geliebt hat; jedenfalls aber war diese Liebe nicht von langer Dauer," antwortete sie. „Kaum waren wir verheiratet, so kümmerte er sich beinahe gar nicht mehr um mich, nur um seine Bücher."
„Welchem Zweig des Studiums hat sich Ihr Herr Gemahl gewidmet?"
„Den Naturwissenschaften spez. der Schmetterlingskunde. Seine Schmetterlinge, die er sich bis von Brasilien kommen ließ und über die er ein großes Buch schreiben wollte, gingen ihm über alles. Auf die Vergrößerung seiner Sammlung verwendete er einen nicht unbedeutenden Teil seines Einkommens."
„Das Vermögen stammte von Ihnen?"
„Nein, von seiner Seite," antwortete sie leicht errötend. „Ich hatte nur meine Aussteuer. Ich hätte als junge Frau gerne Bälle und Gesellschaften besucht, wozu ich vorher wenig Gelegenheit gehabt hatte . . ."
„Ein sehr natürlicher Wunsch!"
„Nicht wahr? Aber er erfüllte mir ihn nicht. Ab und zu gab er Wohl meinen Wünschen nach, oft aber setzte er denselben ein starres „Nein" entgegen. Es kam darüber zu Mißhelligkeiten, die immer häufiger wurden, uns das Leben fast unerträglich machten. Da, eines Tages, war mein Mann verschwunden und bald darauf bekam ich die Nachricht, daß seine Leiche, deren Kopf durch einen Schuß zertrümmert war, in einem Gebüsch am Ufer der Havel aufgesunden worden fei. Welch' bösartigen Charakter mein Mann hatte, können Sie daraus entnehmen,
daß er vorher zu unserem Banquier gegangen war und unser gesamtes Guthaben dort erhoben hatte. Jedenfalls vernichtete er es vor seinem Tode, denn bei der Leiche fand man nur eine geringe Summe vor."
„Der Tote konnte auch ausgxraubt worden sein!"
„Schwerlich, dann hätte man ihm wohl nicht das Portemonnaie mit einigen Goldstücken, seine wertvolle Uhr und seine Ringe, unter ihnen einen teueren Brillantenring, gelassen. Immerhin reichte unser Besitz an Immobilien, die er ja nicht so rasch hatte zu Gelde machen können, dazu hin, mir eine sorgenfreie Existenz zu sichern. Kraft eines von ihm noch vor unserer Eheschließung gemachten Testaments war ich seine Erbin, da unsere Ehe kinderlos geblieben war. Ich führte seither ein zurückgezogenes Leben und war im allgemeinen glücklich und zufrieden bis vor etwa einem Jahre. Da trat mir eines abends, als ich eben die Gartenpforte der von mir bewohnten Villa öffnen wollte — der Geist meines Mannes entgegen!"
„Haben Sie sich da nicht getäuscht?"
„Ich würde es selbst glauben, wenn seitdem die Erscheinung sich nicht wiederholt hätte, zuerst seltener, dann häufiger. Auch meine Köchin, die seit unserer Hochzeit bei mir ist, hat ihn gesehen und erkannt!"
„Gnädige Frau, ich glaube nicht an solche Geistererscheinungen. Wenn nicht die ganze Sache auf erregte Phantasie zurückzuführen ist . . ."
„Keinesfalls!" unterbrach sie mich.
„So liegt der Geistererscheinung irgend ein sehr greifbares Motiv zu Grunde," fuhr ich fort. „Sind sie in letzter Zeit bestohlen worden?"
„Nein, überhaupt noch nicht."
„Haben Sie sich vielleicht mit dem Gedanken getragen, sich wieder zu verheiraten und hat jemand ein Interesse daran, dies zu verhindern?"
„Daß ich jenen Gedanken gehegt habe, kann ich nicht leugnen. Ich bin erst 25 Jahre alt. Aber ein: bestimmtere Gestalt hat er bis jetzt nicht angenommen; ich fand noch niemand, zu dem ich nach so üblen Erfahrungen volles Vertrauen hätte."
„Wer erbt Ihr Vermögen, falls Sie sich nicht wieder verheiraten?"
„Meine Schwester."
„Wo lebt diese?"
„In Breslau, als Frau eines Arztes."
„In guten Verhältnissen?"
„Sie sind nicht gerade reich, aber mein Schwager hat eine gute Praxis, deren Ertrag höher ist, als die Bedürfnisse der Familie."
„Immerhin ist dort vielleicht der Schlüssel zu dem Rätsel zu suchen."
„Das glaube ich nicht. Es ist der Geist meines Mannes, der mir jetzt fast allabendlich erscheint und mich fast zu Tode ängstigt."
„Gnädige Frau sehen recht blühend und gesund aus!"
„Das ist wohl nur die momentane Erregung," sagte sie in leichter Verlegenheit. „Aber ich habe auch einen Beweis, daß meines Mannes Geist es ist, der mich heimsucht!"
„Welchen?"
„Als ich gestern abends vom Theater nach Hause kam, lag auf meinem Nachttisch — ein Totenkopf!"
„Ein Totenkopf? Da sind Sie Wohl heftig erschrocken?"
„Gewiß!"
„Aber wie schließen Sie hieraus darauf, daß es der Geist Ihres Gatten gewesen sei, der dieses sonderbare Depositum auf Ihrem Nachttisch machte?"
„Die Thüren waren fest verschlossen, kein anderer als ein Geist kann hineingekommen sein."
„Und der Totenkopf? Der konnte doch unmöglich auch auf Geisterart hineingelangt sein? Ein solcher hat doch einen ziemlichen Umfang."
„Ah, Sie haben mich mißverstanden. Es war kein wirklicher Totenkopf, sondern ein Exemplar des Schmetterlings, den man so nennt."
„Das ist etwas anderes. Vielleicht ist das Tierchen durch das offene Fenster hereingeflogen?"
^Fortsetzung folgt.!
Vermischtes.
In Mönchberg bei Herrenberg entwendete der Polizeidiener aus der Rauchkammer des Lindenwirts Bratwürste, wobei er von der Magd des Hauses bemerkt wurde. Der gute Wächter der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sieht nun seiner Bestrafung und Absetzung entgegen.
In Heidenheim erhängte sich ein I4jäh^ Junge im Hause seiner Eltern aus Verdruß darüber, daß er bei einem Maler in die Lehre kommen sollte.
Aulendorf, 21. Mai. Zwei biedere Land, leute, Vater und Sohn, wollten nach Weingarten reisen, verfehlten aber hier den Zug und mußte» übernachten. Ein entsetzliches Gepolter in ihre« Zimmer veranlaßt den Hausknecht, nach ihn«, zu schauen und er fand sie, auf Stühlen stehend, wie sie sich mit voller Lungenkraft abmühte» das elektrische Licht auszublasen. '
Deizisau, 21. Mai. Der Sturm, welcher am Pfingstsonntag mittag wütete, hat unser»! Storchenpaar übel mitgespielt, indem er das ganze Nest mit 3 Jungen vollständig weggerissen hat, zum großen Kummer der Alten, welche jetzt sehr betrübt herumfliegen.
Einen guten Nachbarn muß man schätzen, deshalb hat ein Mainzer Gärtner seine!» Nachbarn, mit dem er lange Jahre in Frieden lebte, zum Erben eingesetzt. 15 000 ^ von dem ansehnlichen.Vermögen fallen dem Hospital, fonds zu. Auch ein anderes Mainzer Vermacht, nis ist zu loben. Der verstorbene Privatmann Adolf Jung in Mainz, früherer Direktor der ! Mainzer Aktienbrauerei, hat dem dortigen Gewerbeverein 10 000 vermacht. ^
(Wie tief der Mensch in die Erde eindringen ! kann.) Trotzdem die Erdwärme mit der Tiefe ! so weit zunimmt, daß ein Aufenthalt, geschweige > denn eine Thätigkeit, in sehr tiefen Bauwerken eine fast unerträgliche Aufgabe bietet, so haben neuerdings Minen-Jngenieure mehrfach versichert, daß Mittel zur Ausbeutung von Erzlagern, gleichviel in welcher Tiefe sie liegen, gefunden werden können, wenn ihre Bearbeitung nur gewinnbringend sei. Wohl die tiefsten Bergwerke besitzt gegenwärtig Südafrika in den Goldfelden, am Witwatersrand. Bis jetzt ist eine Tiefe von 6000 Fuß erreicht worden. Um in diesen Abgründen noch eine Förderung zu ermöglichen, mußten besondre Maschinen zum Aufwinden der Taue hergestellt werden, die das fast 2000 m lange Tau in 1^? Minuten auf- und abwickeln. Die Bergbau-Ingenieure in Transvaal sind aber auch mit diesem außerordentlichen Erfolge noch nicht zufrieden. Kurz vor dem Kriege wurden auf einer Versammlung südafrikanischer Ingenieure zwei Vorschläge gemacht, von denen der eine die Bearbeitung der Goldminen bis auf 10000, der andre sogar bis auf 12000 Fuß ermögliche» soll. Erst jenseits 12 000 Fuß Tiefe, deren Be- > trag etwa der Höhe der größten AlpengiM gleich ist, soll ein Bergbau für den Menscher wegen zu hoher Temperatur ausgeschlossen sei». Nach der Meinung des Ingenieurs Dates wück - es möglich sein, in einer Tiefe von 10000 Fuß ; 2000 Arbeiter zu beschäftigen, denen durch besondere Maschinen in jeder Minute 140000 Kubikmeter Atemluft zugesührt werden müßten. '
sNach der Untersuchung.) „Ja, mein Lieber, Sie haben ein „Bierherz" und dürfen von nun ab kein Bier mehr trinken!" — „War net übel;
. . . Zu was Hab' ich denn nachher mei' Bier- ^ Herz?"
(Aus der Schule.) Lehrer: „Was weiß Du mir von Kaiser Karl V. zu sagen?" - Schüler: „In seinem Reich war's alle Tage Sonntag!"
Mutmaßliches Weiter am 24. und 25. Mai.
(Nachdruck verboten).
Ein Hochdruck von über 765 mm liegt nunmehr über Mittel- und Nordskandinavicn, ferner über ganz Großbritannien, der Nordsee, dem Deutschen Reiche links der Oder, Deutsch.Oesterreich der Schweiz und ganz Frankreich. In Westsrankreich und Cornwallis ist das Barometer sogar auf 773 mm gestiegen, lieber Galizien, Siebenbürgen und Rußland steht das Baro- Meter auf über 762 mm. Eine Depression ist nirgends mehr in Europa vorhanden. Demgemäß wird sich das Wetter am Samstag und Sonntag nur noch zeitweilig und schwach bewölkt und durchweg trocken gestalten.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg