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Christine, geführt worden ist. Der jugendliche spanische Herrscher tritt seine selbstständige Regier­ung unter kritischen Verhältnissen an, krankt doch Spanien schwer an den Folgen eines durch Jahr­hunderte hindurch fortgesetzten Mißregiments, die Staatsfinanzen lassen alles zu wünschen übrig, wirtschaftlich ist das Land auf allen Gebieten zurückgeblieben, in seiner kulturellen Entwickelung steht es auf einem sehr bescheidenen Standpunkt, nach außen ist es durch den Verlust auch des Restes seiner Kolonien auf das Niveau einer europäischen Macht dritten Ranges herabgedrückt worden, im Inneren herrschen unaufhörliche Parteikämpfe und daneben bedrohen der Carlis- mus wie die republikanische, sozialistische und anarchistische Gefahr fortgesetzt die heutige alfon- fistische Monarchie, wahrlich, die Auspicien, unter denen jetzt König Alfonso XIII. das Szepter ergreift, sind nichts weniger als erfreuliche! Schon machen die Carlisten mobil, Don Carlos hat einen Protestaufruf gegen die Krönung Alfonsos XIII. erlassen, in welchem erklärt wird, Don Carlos habe gegenwärtig seine Flagge ein­geholt, er sei aber bereit, sie im gegebenen Augen­blick selbst wieder aufzupflanzen.

In Frankreich ist der Entschluß des Kaisers Wilhelm mit gemischten Gefühlen aus­genommen. Die Aufhebung des Diktaturpara­graphen weckt neben einer gewissen süßsauern Genugthuung die Erinnerung an eine alte Wunde. Im übrigen steht das französische Volk unter dem Eindruck starker Erregungen. Die Wahlen und Stichwahlen sind allerdings glücklich vorbei. Die Regierung hat in dem Wahlfeldzuge einen stattlichen Sieg davon getragen. Die Thatsache ist, daß Waldeck-Rousseau durch den Ausgang der Wahlen eine breitere Grundlage gewonnen hat, von der aus er das Land regieren kann, ohne in der bisherigen Weise dem Sozialismus Spielraum geben zu müssen. Thatsächlich sieht der Sozialismus seine Macht geschwächt, wenn er sich auch hütet, dies offen zu gestehen. Der Präsident Loubet hat nun seine Reise nach Rußland in aller Ruhe antreten können und wird in Petersburg', nach den Mitteilungen der Blätter zu schließen, einen großartigen Empfang finden.

New-Uork, 16. Mai. Die Zerstörung von St. Vincent und der Hauptstadt Kings- town ist nach allgemeiner Ansicht nur eine Frage von Stunden. Furchtbare Explosionen folgen von Minute zu Minute, welche von starkem unterirdischem Donner begleitet sind. Die Vulkane speien noch immer kolossale Massen Rauch und Asche aus. Die vulkanischen Eruptionen haben den ganzen nördlichen Teil der Insel zerstört. Die Lavamasse dringt immer mehr vorwärts und hat bereits viele Dörfer vom Erdboden weggefegt. In Kingstown haben sich die Bewohner in die Keller geflüchtet. Nichts wie schwarze Wolken lagern über der Insel und erstrecken sich meilen­weit über das Meer. Glühende Steine und Asche verhindern die Dampfer, sich der Küste zu nähern. Zwischen St. Vincent und der nahe gelegenen Insel Santa Lucia ist das Meer mit einer dichten Aschendecke bedeckt. Im ganzen Umkreise sieht man von Lavasteinen gebildete kleine Inseln. Ferner wird berichtet, daß ein schwerer Cyklon sich den Antillen nähere.

Krieg Englands gegen die Buren.

Für den Krieg in Südafrika ist der 18. Mai von besondrer Bedeutung. An dem Tage sind die Burenführer zusammengetreten, um zu beschließen, ob rs zum Frieden kommen oder ob der Krieg fortgesetzt werden soll. Beide Parteien, Engländer und Buren, wünschen sehn­lich den Frieden. Die Kräfteabmessung hat zur Genüge gezeigt, daß keiner von ihnen Lei der Fortsetzung des Kampfes auf eine erhebliche Besserung der Lage zu rechnen hat. Die Eng­länder müssen eingesehen haben, daß sie von einer wirklichen Besiegung der tapfer» Buren­völker noch weit entfernt sind. Die Buren aber werden erkannt haben, daß sie bei ihrer geringen Zahl, dem Mangel an Kriegs- und Lebensmitteln nicht mehr die Möglichkeit haben, den Feind so erfolgreich zu schlagen, um seinen Rückzug aus dem Lande herbeizuführen. Das weitere Blut­

vergießen ist also für beide Teile zwecklos. Es kommt nur darauf an, daß von beiden Seiten ein wenig nachgegeben wird. In den Haupt­punkten sind die Parteien anscheinend bereits einig trotz der großen Worte, die des Ansehens wegen von englischer Seite noch gebraucht werden.

Pretoria, 15. Mai. Der hiesige Bericht­erstatter des Reuterschen Bureaus meldet unter Hinweis aus die heutige Vurenversammlung in Vereeniging, daß, soviel sich aus den bisherigen Verhandlungen zwischen den Burenführern und Burghers ermitteln lasse, nichts stattgefunden habe, was auf eine baldige Einstellung der Feind­seligkeiten hindeute. Die beste Friedensbürgschaft liege noch immer in thatkräftiger Fortsetzung des Krieges. Das englische Publikum solle sich nicht zu sehr darauf verlassen, daß die gegenwärtigen Beratungen auf einen baldigen Frieden deuten.

Klerksdorp, 14. Mai. Steijn wird mit seinem Sekretär auf der Reise nach Vereeniging morgen hier erwartet.

Vermischtes

Erholung im Schivarzrvuld.

(Eingesandt.)

(Nachdruck erwünscht.)

Bei dem ungeheuren Anwachsen des Frem­denstroms im Schwarzwald finden Erholungs­bedürftige dort kaum noch die zur Erholung erforderlichen Bedingungen vor. Es ist daher ein dringendes Bedürfnis, daß einzelne Häuser sich besonders für die Zwecke der Erholung ein­richten. Zu solchen Erholungshäusern würden sich namentlich Privatpensionen und Nebenhäuser von Gasthöfen eignen, und es müßten für sie etwa folgende Grundsätze gelten:

1) Das Haus muß eine ruhige Lage haben; seine Räume dürfen nicht zu eng und nicht über­füllt sein, sonst sind sie zur Erholung nicht geeignet.

2) Personen, die mit ansteckenden oder sonst lästigen Krankheiten, z. B. mit Schwind­sucht, Keuchhusten, Hautkrankheit, Gemütskrankheit u. dergl. behaftet sind, dürfen nicht ausgenommen werden.

3) Kinder werden nicht ausgenommen (weil sie immer die Ruhe stören).

4) Geräuschvolle Unterhaltungen (Tanz, Gesellschaftsspiele und dergl.) sind im Hause und in seiner unmittelbaren Umgebung nicht gestattet.

5) Musizieren ist nur in einem besonders bestimmten Musikzimmer gestattet, das so liegen muß, daß man in den Fremdenzimmern nichts oder möglichst wenig davon hört. Es darf nur während einer Vormittags- und einer Nachmittags­stunde musiziert werden. Streich- und Blas­instrumente sind ausgeschlossen.

6) Nach dem Mittagessen und abends von 10 Uhr an muß völlige Ruhe im Hause herrschen.

7) Hunde, Kanarienvögel u. dergl. werden nicht ausgenommen.

Diese Grundsätze müßten in einer Hausord­nung aufgestellt, in den Prospekten mitgeteilt und mit Strenge durchgeführt werden. Wer sich ihnen nicht fügen will, möge sich eine andere Unterkunft aufsuchen.

Wir glauben, daß Häuser mit solcher Haus­ordnung stets viel besucht sein werden. In den Zeitungsinseraten müßten diese Häuser sich be­sonders kenntlich machen, etwa durch den Beisatz: Erholungshaus mit entsprechender Hausordnung.

Herrenberg, 14. Mai. Ein merkwürdiger Fund wurde heute im Stadtpfarrhaus (früheren Helferhaus) gemacht: beim Umdecken des Dachs fanden 2 Maurer je einen prächtigen in ein Papier eingewickelten Kronenthaler aus dem Jahr 1795 mit dem Bilde des Kaisers Franz II. Die Thaler waren hoch oben am First zwischen Ziegeln und Dachsparren versteckt, vielleicht als sinnige Gabe eines damaligen Pfarrherrn für künftige Handwerksleute.

Weinsberg, 16. Mai. Als Kuriosum mag erwähnt werden, daß der hiesige Kamin­fegermeister seit einiger Zeit in niedlichem, mit 2 Ponnys bespanntem Leiterwägelchen seinem dünken" Gewerbe in den Landorten nachgeht.

Aus Baden, 14. Mai. Zur diesjährigen Berliner Mastviehausstellung stellte Baden das schwerste Tier, den Gemeindebullen von Er- matingen (Kreis Waldshut) im Gewicht von 1170 Kilo. Baden war zum allerersten Mal an der Ausstellung beteiligt und zwar mit sehr gutem Erfolg.

Wissgoldingen, 15. Mai. Eine seltene , Entdeckung machte vorgestern der Kaminfeger ! im Pfarrhaus dahier. Er traf nämlich unter dem Giebel des Daches das Nest eines Hühner- Habichts mit zwei Jungen, die noch nicht flügge sind, nebst einem Ei an. Der Habicht, ein Prachtexemplar des Xstur pu1umburiu8 zieht ganz ungeniert zum obersten kleinen Dachladen ein und aus. Diese Kühnheit dürfte dieser Habicht sonst selten an den Tag legen.

Mutmaßliches Wetter am 18. und 19. Mai.

(Nachdruck verboten).

Vor der Wesermündung liegt nunmehr ein kleiner Luftwirbel von 745 mm, über der ganzen Nordsee Nordholland und Nordwestdeutschland ein solcher von 750 mm, ebenso am nördlichen Ausgang des irischen Kanals. Der Hochdruck in der Umgebung des Weißen Meeres ist auf nahezu Mittel abgeflacht worden. Da. gegen behauptet sich über Spanien und Südfrankreich ein Hochdruck von 765 mm. Demgemäß ist für Sonn- tag und Montag bei ziemlich milder Temperatur mehr- fach gewitterhaft bewölktes und auch zu vereinzelten Störungen geneigtes Wetter in Aussicht zu nehmen.

Neueste Nachrichten«. Telegramme.

Wiesbaden, 16. Mai. Der Kaiser richtete an Präsident Roosevelt in englischer Sprache ein Telegramm, in welchem er mitteilt, daß er beabsichtige, den Verein. Staaten eine Bronzestatue Friedrichs des Großen zum Geschenk zu machen, die in Washington zu errichten wäre. Möge diese Gabe angesehen werden als ein dauerndes Zeichen der innigen Beziehungen, welche zwischen unfern beiden großen Nationen mit Erfolg gepflegt und entwickelt worden sind. Wilhelm I. 1i. Auf das Tele­gramm des Kaisers antwortete Präsident Roose­velt mit einem Telegramm in deutscher Sprache, welches lautet: Kaiser Wilhelm, Wiesbaden. Ich bin tief empfänglich für Ihr großartiges und freundliches Anerbieten. Gewiß wird es unserem Volke das größte Vergnügen bereiten, aus Ihren Händen eine Statue des berühmten Herrschers und Soldaten, eines der größten Männer aller Zeiten, Friedrichs des Großen, zu erhalten, und eine besondere Angemessenheit liegt darin, daß seine Statue in der Stadt Washington, der Hauptstadt der Republik, auf deren Geburt er mit so freundlichem Interesse schaute, errichtet werden soll. Die Gabe wird hier sicherlich an­gesehen werden als ein erneutes Zeichen der Freundschaft zwischen den beiden Nationen. Wir hoffen und glauben fest, daß diese Freundschaft in den kommenden Jahren noch stärker und fester werden wird. Es ist ein Zeichen für die Wohlfahrt des ganzen Menschengeschlechtes, daß am Anfang dieses Jahrhunderts das amerikanische und deutsche Volk in dem Sinne herzlicher Freund­schaft Zusammenarbeiten. Theodore Roosevelt.

Wiesbaden, 16. Mai. Der König von Schweden und Norwegen, der nachmittags das Rathaus besucht hatte, wurde zur kaiserlichen Abendtafel im kaiserlichen Wagen mit einem Leibjäger abgeholt. Der Kaiser empfing den König im Vestibüle des Schlosses. Abends wohnte der Kaiser dem 6. Festspielabend bei.

Paris, 16. Mai. Der Minister der Kolo­nien macht bekannt, daß Maßregeln getroffen seien, um aufs schnellste die Verproviantierung von Martinique sicherzustellen. Bedeutende Sendungen seien von den Nachbarkolonien ge­macht worden. Ferner würden unverzüglich amerikanische Transportschiffe in Fort der France eintreffen, die Lebensmittel brächten, die für die Verpflegung von 150000 Personen während drei Wochen ausreichen.

Mit einer vierseitigen Beilage.

WU- Am Pfingstmontag erscheint kein Blatt.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.