und verlangte die gerichtliche Verfolgung des Anarchistenblattes. Die schweizerische Bundesregierung aber weigerte sich darauf einzugehen und verlangte zuerst einen ausdrücklichen Strafantrag der italienischen Regierung. Darauf aber antwortete der italienische Gesandte mit einer scharfen Note, welche die Bundesregierung dem letzteren einfach zurückgab. Nun ist der Konflikt da und wenn er auch Wohl kaum zum Krieg führen wird, so dürfte die Schweiz eine derartige Beschützung der italienischen Anarchisten doch zu bereuen haben; denn darüber besteht wohl kaum ein Zweifel, daß die Verbündeten Italiens, Deutschland und Oesterreich, welch' letzteres durch die Ermordung der Kaiserin Elisabeth die Wirkungen des schweizerischen Asylrechts für alle politischen Spitzbuben schmerzlich zu empfinden hatte, Italien unterstützen werden. Wegen Nichtbefolgung einer behördlichen Anordnung wurde inzwischen allerdings der Herausgeber des Genfer Anarchistenblattes verhaftet, aber das ist noch lange keine Genugthunng und kein rechtlich denkender Mensch kann es Italien verargen, wenn es gegen eine Duldung, ja Förderung des Anarchismus in der Schweiz energisch Front macht. So weit geht die Freiheit keines einzigen Staates, daß er anarchistische Pläne zur Ermordung von fremden Staatsoberhäuptern unterstützen darf.
Bern, 15. April. Der Bundesrat ließ heute der Bundesversammlung eine Botschaft betr. den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen der Schweiz und Italien zugehen. Die Botschaft führt die bereits bekannten Thatsachen auf und schließt folgendermaßen: Wir bedauern aufrichtig, daß die diplomatischen Beziehungen zwischen unserem Lande und dem Nachbarstaate, mit dem uns alte Freundschaft und gemeinsame Interessen verbinden, abgebrochen sind, aber wir sind überzeugt, daß der Abbruch der Beziehungen in keiner Weise durch unser Verschulden veranlaßt worden ist.
Das englische Defizit für das laufende Jahr beträgt 900 Millionen Mark; Korn- und Mehlzölle sollen zur Deckung mit 52 Millionen Mark herangezogen werden.
Krieg Englands gegen die Buren.
London, 17. April. Eine Depesche Kit- cheners aus Pretoria 16. ds. besagt: General Jan Hamilton berichtet, daß er am 12. und 13. April 61 Gefangene gemacht habe. Die Kolonne des Obersten Rochefort, die mit Hamilton gemeinsam operiert, überraschte nachts bei Schweizerenecke ein Burenlager, nahm 55 Mann gefangen und erbeutete Wagen und Kriegsvorräte.
Ueber den Stand der zur Zeit in Pretoria spielenden Friedensverhandlungen zwischen England und den Buren ist noch immer nichts Genaues zu erfahren, obschon es nicht an mancherlei Gerüchten fehlt. Doch erklärte der Marineminister Lord Hamilton neuerdings in einer zu Acton gehaltenen Rede abermals, wie jüngst schon der Premierminister Salisbury, es dürfte auch nicht das kleinste Teilchen von Unabhängigkeit den Buren gelassen werden, ob aber letztere in der That zur völligen Opferung ihrer Unabhängigkeit bereit sind, das möchte doch zu bezweifeln sein! In London wird jetzt fast täglich Kabinetsrat abgehalten, auch empfing König Eduard in den letzten Tagen wiederholt Salisbury und Chamberlain. Die zur teilweisen Deckung des britischen Defizits in London aufgelegte Anleihe von 32 Millionen Pfund Sterl. ist mindestens zehnfach überzeichnet worden.
Als eine Folgeerscheinung der südafrikanischen Wirren stellt sich der Uebergang Englands zum Schutzzoll-System dar. Neuerdings wurde dort ein Zoll auf Korn und Mehl eingeführt. Durch die Wiedereinführung von Kornzöllen bricht England mit dem freihändlerischem Prinzip und erschüttert geradezu die Grundlagen des Freihandels-Systems. Bei ihrer Agitation gegen die Belastung unentbehrlicher Lebensmittel durch Zölle werden sich die deutschen Freihändler künftig auf das Vorbild Englands nicht mehr berufen können.
vermischtes.
(Spazierengehen.) Eine der köstlichsten Muskel-Uebungen, sagt ein bekannter Arzt, ist das Spazierengehen. Und doch, wie viele Menschen gehen nie spazieren; denn sich von den Beinen aus dem Büreau oder der Werkstatt in die Kneipe und von der Kneipe nach Hause tragen zu lassen, das heißt nicht spazieren gehen. Und der große Wandrer Seume, der von Grimma bis nach Syrakus wanderte, ruft aus: Es ginge alles besser, wenn man mehr ginge! Wie manche kranke oder schwache Brust könnte genesen, wenn die deutschen Männer und Jünglinge, statt hinter dem Bierkruge zu hocken, zu kannegießern oder Skat zu spielen, hinaus wandelten in Wald und Feld. Im engen Kreise verengt sich der Sinn, freier Blick macht freien Geist, schließt das Herz auf für alles Gute und Edle. Wer es nicht an sich selbst erlebt hat, der glaubt es kaum, wie viel besser durchschnittlich das Wetter zum Wandern in Wirklichkeit ist, als es, aus der Stube betrachtet, scheint; er glaubt auch nicht, wie leicht dauernder Regen, der durch prächtige Luft und schöne Aussichten entschädigt, von dem mutig dagegen Anschreitenden überwunden wird und daß gerade in der Ueberwindung von solchen Schwierigkeiten ein besondrer Reiz liegt. Bei der Einkehr draußen wird mäßig gegessen und getrunken. Die übermäßige Füllung des Magens hemmt die Bewegung des Zwerchfells und so wieder das freie Atmen. Vor allen Dingen ist vor einer reichlichen Zufuhr von Flüssigkeiten zu warnen, weil durch die dadurch erzeugte stärkere Füllung der Gefäße die Herzarbeit vergrößert wird.
Heilbronn, 17. April. Eine Reise um die Welt für 10 ^ hat eine württ. Weltpostkarte gemacht, welche am 1. Nov. 1901 nach Kiaut- schau von Heilbronn zur Post gegeben wurde. Sie traf laut Poststempel am 9. Dezember in Tsingtau ein und ging von da, weil der Adressat inzwischen nach San Franzisko verzogen war, über Japan nach San Franzisko weiter. Poststempel „Japan" 18. Dez., San Franzisko an 10. Januar 1902. Hier blieb die Karte, weil der Adressat nicht aufzufinden, bis 25. März 1902 liegen und ging dann von ba, der Zeit nach über New-Aork, an den Absender zurück, wo sie heute am 17. April glücklich wieder einlief.
Kirchheim a. R., 14. April. Ein eigenartiger Hauskauf wurde dahier im Gasthof zur Bretzge abgeschlossen. Es verkaufte nämlich Metzger Linse von Aufhausen sein Wohnhaus dort an Maurer Johann Holzner von hier und zwar den ersten Dachsparren um 1 den zweiten um das Doppelte u. s. f. Da nun das ganze Haus 12 Dachsparren aufweist, belief sich die Summe des Kaufschillings auf ganze 20 48 ^f, so daß Wohl der Verkäufer von
dem Handel nicht sonderlich erfreut sein wird. Hätte das Haus so viel Dachsparren gehabt, als das bekannte Pferd Hufnägel, dann wäre die Rechnung anders ausgefallen.
Schirmeck, 16. April. Vorige Woche wurden einer von hier gebürtigen Dame im Eisenbahnkoupä während der Fahrt von Lunc- ville nach Nancy 40 000 Franken gestohlen, die sie in ihrem Armtäschchen, welches am Arm hing und das ihr abgeschnitten wurde, aufbewahrt hatte.
Aus dem Schulb ezirk Lauchheim, 15. April. Die „Jagstztg." schreibt: Der Herr Schulinspektor gibt bei der Prüfung einen Aufsatz über den Regenbogen. Nachdem derselbe durchgesprochen, sagt er: „So, das schreibt ihr jetzt. Wenn ihr noch mehr darüber schreiben könnt, wird es mich freuen. Verpaßt aber nicht, am Schluß hinzufügen, daß der Regenbogen uns an das große Strafgericht erinnert, das in der Sündflut über die Menschen gekommen ist." Gehorchend dem Befehl schreibt am Schluß seines Aufsatzes ein „begabter" Jüngling, eingedenk der schweren Zeiten, die er in den letzten Wochen durchzumachen hatte, wortgetreu: „Es gibt Sonnenregenbogen, Mondregenbogen und unseren Lehrer Regenbogen (so heißt der neue Lehrer.) Derselbe erinnert an das fürchterliche Strafgericht, das über uns gekommen ist!"
Eine hübsche Bismarckanekdote wird von einem Freund der „Tgl. Rdsch." erzählt- Zu Lebzeiten Bismarcks gab es unter den Bergleuten der Grafschaft Mansfeld einen, der eine entfernte Aehnlichkeit mit dem großen Reichskanzler besaß und darob nicht wenig stolz war. Eines Sonntag nachmittags saß er in einem Wirtshaus zu Hettstädt mit einigen Kameraden vom Schacht und renommierte mit dieser seiner Aehnlichkeit: „Ich wäre aber au Bismarken alle ähnlicher," sagte er, „nu fäl'n mer bloß noch drei Pfund, denn bin ich au so schwär, wie Bismarck." „Na, die fäl'n der awer sicher an'm Jehärne (Gehirn)," antwortete einer der Zuhörer.
Die „Geschäftswehr", Organ des Württ. Schutzvereins für Handel und Gewerbe teilt mit daß über die Firma M. Billigheimer' Branntwein-Brennerei in Karlsruhe schon mehrfache Beschwerden zugegangen sind. Die Firma läßt durch ihre Reisenden die Wirte besuchen, überläßt denselben einen „Gratis-Auto- maten" zum Ausschank von Spirituosen, wogegen dieselben zur Abnahme von größeren Quantitäten verpflichtet werden. Mündlich sei wiederholt von den Reisenden versichert worden, die bestellte Ware könne in beliebiger Zeit bezogen werden im Bestellschein werde aber als Frist 1 Jahr eingetragen und werde der Wirt nach Ablauf eines solchen auf Abnahme verklagt. Es schweben zur Zeit mehrere Prozesse — von hiesigen und auswärtigen Wirten. Noch ist zu bemerken daß die von Billigheimer gelieferten Automaten sehr bald reparaturbedürftig bezw. unbrauchbar werden. Zst das heutige Geschlecht entartet?
Professor v. Pettenkofer, der berühmte Münchener Hygieniker, hat diese Frage verneint. Zum Beweise, daß die heutigen Menschen hinter denen früherer Zeiten nicht zurückstehen, führte er u. a. auch die Schilderungen Homers an, denen zufolge die damaligen Helden viel kleiner und schwächer waren als wir. Wenn man m Burgen und Museen die Rüstungen der Ritter des Mittelalters steht, so erscheinen sie zwar riesig, in Wirklichkeit aber passen unsere Soldaten nicht mehr hinein. Als bei der Hochzeitsreise der Königin Viktoria von England die schottischen Edelleute ihr ein nationales Fest in möglich echtem Aufzug geben wollten, erwiesen sich zur allgemeinen Ueberraschung die in den Schlössern verwahrten Kleidungsstücke und Rüstungen für Männer und Frauen als zu klein. Ebenso ging in den sechziger Jahren ein österreichischer Graf, eine zwar stattliche aber keineswegs besonders große Gestalt, eine Wette ein, daß ihm keine der zahlreichen Rüstungen in der berühmten Ambraser Sammlung, ausgenommen die des dortigen „Riesen", groß genug sei, und gewann die Welte. Damit stimmen auch die Messungen des Anthropologen Ammon überein, der in Baden Messungen über die körperlichen Größenverhaltnisse zu verschiedensten Zeiten vorgenommen hat und aus Grund seiner Forschungen das Ergebnis feststellte, daß von 184t> bis 1878 die Wehrpflichtigen durchschnittlich ritz 1—1,5 cm größer geworden sind. Also kam von einem körperlichen Rückgänge, von einer Entartung der Menschheit wohl nicht die Rede sein, wie so oft behauptet wird. V.
(Passende Gelegeuheit.j Studiosus: „Sind Sie jetzt hier, Jean?" — Kellner: „Nein, nur zur Aushilfe!" — Studiosus: „Das Paßt ja famos! Da helfen Sie mir nur gleich mit 1ü Mark aus!"
(Unter jungen Hausfrauen.) „Ja, sag' mal Lisa, sinds Sparsamkeits-Rücksichten, die dich bestimmen, jetzt selbst zu kochen?" — „»Gewiß, Ella! Seit ich selbst koche, ißt mein Mann nicht halb so viel wie früher.""
Wechselrätsel.
Eine der Opern bin ich, die ein Meister der Töne geschaffen. .
Aendert man Kopf mir und Fuß, bin ich Deutschland ein Fluß.
Mutmaßliches Wetter am 20. und 2l. April.
Für Sonntag und Montag ist zwar mehrfach n ' liges, aber in der Hauptsache trockenes und auch 2 weilig aufgeheitertes Wetter bei ziemlich m Temperatur in Aussicht zu nehmen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.