Zur Einsegnung.
Ein GedrnMatt für die Konfirmanden.
Wenn heute Dich die Glocken rufen,
Lausch', Kind, aus ihren selt'nen Klang,
Der Dich umbraust auf ernstem Gang Zu Deines Herrgotts Altarstusen,
Zum Lichte will er Stunden heben,
Die Dir im Herzen still geruht,
Daß Du erkennst: wie oft im Leben
Dich schirmte Gott, Du junges Blut! . . .
Denn aus der Kindheit holdem Garten Mußt Du hinaus bald in die Welt,
Wo keine Mutterhand Dich hält Und harte Straßen aus Dich warten.
Dort trifft Dich wohl mit jähem Strahle Auch einst des Schicksals blinde Wut:
Doch macht's Dich fest gleich edlem Stahle,
Drum furcht' Dich nicht, Du junges Blut!
Nach düst'ren Tagen wird es heiter;
Aus stilles Weh folgt laute Lust:
Der gold'nen Weisheit stets bewußt,
Geh mutig Deines Weges weiter!
Und wo Du Meister triffst, da lausche Und lerne, daß die rasche Flut Der Jugend nutzlos nicht verrausche:
Reg' Deine Kraft, Du junges Blut!
Nur wenn Dir aus den bunten Bahnen Des Lebens der Versucher naht,
Gieb ihm nicht Raum auf Deinem Pfad;
Dein zagend Herz wird laut Dich mahnen!
Wie er auch lockt, laß Dich nicht sangen;
Denk' an des Vaters treue Hut Und an der Mutter stilles Bangen:
Bleib' fromm und rein, Du junges Blut!
Doch trifft Dich Feiertagsgeläute In fernem Land: zum trauten Glück Der Kindheit schwebe drauf zurück,
Und zu dem hehren Sonntag heute! . . .
An Deiner Heimat Glocken denke,
Und fühle Trost und schöpfe Mut:
Wie weit Dein Schicksal Dich auch lenke,
Gott schirmt Dich Weiler, junges Blut!
— (Nachdruck verboten.) — A. R.
Unterhaltender Heil.
Ein Dämon.
Kriminal-Novelle von Ernst v. Waldow.
— 22 . —
Willfried blieb am Bette seines Pflegevaters zurück, die beiden Männer betraten das frühere Wohngemach der Familie, welches jetzt durch die schwarze Dekorierung und den Sarg, der auf seinem dunklen Gerüste im Hintergründe des Zimmers stand, einen düsteren Charakter erhielt.
Die Wachskerzen brannten noch flackernd auf dem Tische und warfen ihr Licht auf die dunkle Gestalt der knieenden Frau.
Der Gerichtsrat näherte sich und ersuchte in ernstem Tone seine Gefangene, sich zu erheben und ihm auf einige Fragen Antwort zu geben.
Frau Marie rührte sich nicht, Sternau legte die Hand auf ihre Schulter, der Körper zuckte, aber sie antwortete nicht. Er neigte sich zu ihr herab und suchte das gesenkte Haupt zu erheben, ein Ausruf des Schrecks brachte Doktor Will bald an seine Seite.
Mit vereinten Kräften richteten jetzt beide die hingesunkene Gestalt in die Höhe. Maries Antlitz ward von Todeszuckungen entstellt, der Blick ihres starren Auges fiel jetzt auf das Kruzifix, sie schauerte noch einmal heftig zusammen, über ihre Lippen ging der Hauch einiger unverständlicher Laute — war es ein Name, ein Gebet? wer hätte es sagen können; dann schlossen sich die Augen und heftige Zuckungen bewegten den Körper.
„Sie hat sich selbst gerichtet," murmelte erschüttert der Gerichtsrat.
Doktor Wilt aber bückte sich nach einem kleinen, glänzenden Gegenstände und denselben vom Boden aufhebend, rief er:
„Die Unselige hat sich vergiftet, hier diese Phiole hat sie geleert. Gebe Gott, daß noch so viel der Flüssigkeit vorhanden ist, um bestimmen zu können, mit welcher Substanz sie Gesundheit und Leben der Menschen vernichtete, dann ist es möglich, ihrem verderblichen Treiben mit Erfolg entgegenzuwirken; denn es ist höchst wahrscheinlich, daß diese Frau dasselbe Gift, welches jetzt ihr schuldbeladenes Leben enden wird, schon früher besessen und verwendet hat."
„So wird sie sterben, ohne ein Bekenntnis abgelegt, ohne sich mit Gott versöhnt zu haben," sagte Sternau bewegt.
„Der ewige Richter wolle ihrer Seele gnädig sein — vielleicht schon, ehe diese Kerzen abgebrannt sind, steht sie vor Gott!" erwiderte ernst der alle Arzt.
In der eben verlassenen Wohnung zu Döbling, die Frau von Wallenberg mit so viel froher Zuversicht betreten, durchwachten auch zwei Menschen die Nacht und erst als der Morgen zu grauen begann, senkte sich der Schlummer auf die Augenlider der wieder vereinigten Freundinnen herab.
Eugenie Sternau hatte es sich nicht nehmen lassen, ihren Vater zu begleiten, und sie war, ohne daß Frau Marie eine Ahnung hatte, an der erstaunten Gertrud vorbei und gleich in Katharinens Schlafzimmer geeilt.
Nachdem die Stiefmutter das Haus verlassen, hatte Gertruds Wehklagen die schlummernde Katharine aus ihrem leichten Schlafe geweckt. Eugeniens Arme umschlangen die Ueberraschte und schon die ersten Worte der Freundin, welche ihr verkündeten, daß der Vater wieder zum Leben erwacht, daß der finstere Verdacht, das Verbrechen verübt zu haben, von ihr genommen sei, übten eine wunderbare Wirkung auf die Leidende. Körper und Geist erholte sich sichtlich und es war, als streife der
letztere mit Anstrengung die Fesseln ab. welche ihn bisher in Banden gehalten.
Katharine bestürmte die Freundin mit einer Flut von Fragen und Eugenie widerstand diesen Bitten nicht lange.
^ Und so berichtete den Eugenie, wie sie
Willfried und ihren Vater vergebens bestürmt hätte, Katharine der Obhut ihrer Stiefmutter zu entziehen, wie man sie in ihrem Zimmer eingeschlossen habe, um sie von einem gewagten Schritte abzuhalten.
Als sie nun in dieser Verzweiflung in
ihrem Stübchen gesessen und der Entfernten gedacht habe, hört sie Lärm und verworrene Stimmen, Ausrufe, eilende Schritte lassen sich von der Treppe her vernehmen.
Bald darauf tritt die Mutter bei ihr ein, und nachdem sie das gefangene Töchterlein mit Thränen umarmt hat, berichtet sie ihr die unerhörte, schier unglaubliche Neuigkeit:
„Leopold von Wallenberg ist von den Toten erstanden, er hat Zeugnis abgelegt gegen sein heuchlerisches Weib, und Marie des versuchten Gattenmordes beschuldigt."
Dies hatte der alte Kuno in aller Eile dem Gerichtsrat gemeldet, der darob fast zur Bildsäule erstarrt war. Der treue Diener weinte Freudenthränen und dankte Gott, der seinen Herrn noch im letzten Augenblicke vor einem furchtbaren Geschick bewahrt hatte. Denn schon waren alle Vorbereitungen getroffen worden, damit die Obduktion, wie bestimmt gewesen, stattfinden könne, schon setzte der Arzt das Messer an, die Brust der vermeintlichen Leiche zu öffnen — da sprengten Todesangst und Verzweiflung die ehernen Banden, welche Wallenbergs Lebensgeister gefangen hielten, die starren Finger der rechten Hand zuckten fast unmerklich, wie dies schon einmal gesehen war, als die Mörderin ihrem Opfer genaht.
Damals hatte niemand auf dieses Zeichen geachtet als die Schuldige selbst und die abergläubische Gertrud, welche denn auch bald eine Auslegung in ihrem Sinne dafür gefunden hatte, während Marie das Ganze für eine Augentäuschung hielt, verursacht durch die Furcht und ihr böses Gewissen.
Diesmal Halle der scharfe Blick des Arztes die kleine Bewegung gesehen; das Messer weit von sich schleudernd, begann Doktor Wilt durch alle Mittel, welche die Wissenschaft ihm an die Hand gab, den schwachglimmenden Lebensfunken noch mehr zu entfachen. Und während er noch schaudernd vor dem möglichen Unheil, welches sein Secirmesser hätte anrichten können, die Trüglichkeit des menschlichen Wissens beklagte, gelang es nach Stunden rastloser Mühen seinen und Willfrieds Anstrengungen, den Scheintoten ins Leben zurückzurufen.
Langsam öffneten sich die Augen wieder,
die man zugedrückt und nun für ewig geschlossen gewähnt hatte, langsam öffneten sich auch die Lippen, welche die Mörderin hatte verstummen lassen wollen für ewig, auf daß keine Anklage gegen sie über dieselben dringe. — Es war nur ein weher, zitternder Hauch, der sich über diese bebenden Lippen stahl, da die Mattigkeit des so wunderbar dem Tode Entrissenen noch zu groß war; aber nach und nach wurde der Hauch zu verständlichen Lauten, zu leisen Worten, die eine furchtbare Anklage aussprachen.
„Mein Kind — rettet mein Kind aus Mörderhänden!" flehte der Kranke, dem die Vaterangst um die Tochter mehr Kraft verlieh als die Getränke und Stärkungsmittel Doktor Wilts.
Die Männer lauschten mit Entsetzen der Ezählung Wallenbergs von den Begebenheiten jener Mordnacht und Kuno eilte auf Willfrieds Befehl sogleich zum Gerichtsrat Sternau.
Im Rate der Männer wurde darauf beschlossen, daß nicht Willfried, sondern der Gerichtsrat nach Wien fahren solle, um die Verbrecherin zurückzuführen und Katharine zu befreien.
Willfried bat, wenigstens in Sternaus Begleitung die Fahrt zu unternehmen und Katharine unter seinen Schutz zu nehmen. Als später jedoch Eugenie, die jubelnd die Freudenbotschaft vernommen, darauf bestand, der Freundin die erste Mitteilung zu machen, trat der junge Mann gern zurück. Erstens, sah er ein, daß Eugenie der Leidenden die aufregende Nachricht am vorsichtigsten würde vermitteln können, zweitens fühlte er sich dem jungen Mädchen gegenüber ein wenig beschämt, weil er ihre Warnungen und Bitten heute früh so kurz abgewiesen hatte.
Es war daher nur recht und billig, daß Eugenie den Lohn für ihren bewiesenen Scharfblick erntete; sagte doch der eigene Vater, indem er mit anerkennendem Kopfnicken auf die Achsel des Töchterchens klopfte: „Brav, brav, hat eine feine Spürnase, die Kleine da, ist ewig schade drum, daß es kein Bub' ist, hätte einen tüchtigen Juristen abgegeben."
Dies alles, was wir hier in Kürze berichtet und noch viel mehr erzählte Eugenie der lauschenden Freundin und die Stunden der Nacht entflohen den beiden Mädchen, die bald lachten, bald weinten, aber doch am meisten plauderten, mit Windeseile.
Dafür schliefen sie denn auch bis in den lichten Morgen hinein und als sie erwachten, stahlen die Sonnenstrahlen sich durch die Spalten der Jalousien.
Vom Oberamt Blaubeuren, 11. April. Der „Oberländer" weiß folgendes köstliche Stückchen aus einem Pfarrdorfe unseres Oberamts zu berichten: Der Pfarrer gab am Karfreitag dem Mesner den Auftrag, dem Chordirigenten zu sagen, er solle vor der Predigt das Lied anftimmen: „Bei finstrer Nacht zur ersten Wacht". Diensteifrig eilte der Mesner auf die Orgelempore und richtete seinen Auftrag folgendermaßen aus: Herr Lehrer, der Herr Pfarrer hat g'sait, Sie sollet vor der Predigt dös Lied siuga lau: „Steh ich in finstrer Mitternacht". Wenig hätte gefehlt, so wäre die Karfreitagsstimmung der Andächtigen in Heiterkeit verwandelt worden.
Im Frankfurter Generalanzeiger vom 26. März 1902 befindet sich im Auszug aus dem Standesregister folgendes interessante Aufgebot: Süßmann Zwetschgenstiel, Geschäftsreisender, mit Blume Affenkraut, Leide wohnhaft dahier. Diese sonderbaren botanischen Name» stammen aus der Zeit, da in Oesterreich du Polnischen Israeliten gezwungen wurden, bestimmte Familiennamen zu führen. Zu diese« Zwecke erhielten sie nach der Laune der deutschen Beamten, denen die Israeliten verhaßt waren, nicht bloß auffallende Namen wie Veilchenblut, Nelkenstiel, Rosenduft usw., sondern auch niederträchtige, wie Kaualgeruch, Hundegeburt, Saukopf usw. Aus jener Zeit der Namengebung stammen zweifellos auch die obigen lieblichen Namen Zwetschgenstiel und Affeukraut. _
Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh m Neuenbürg.