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Wnteryattender Heil.
Ein Dämon.
Kriminal-Novelle von Ernst v. Waldow.
— 15 . —
Katharine, die vor sich hinbrütend völlig anteillos in der Wagenecke zusammengekauert gesessen, erhob das bleiche Antlitz und wandte sich dem Fenster zu. Als sie Eugenik Sternau erkannte, belebte ein Freudenschimmer ihre, ach, so veränderten Züge; auch in dem Blick des vorher noch so starren Auges leuchtete etwas auf; hastig, aber leise, ließ sie das Wagenfenster herab und bog den Kopf heraus, sie hatte in dem Moment ganz entschieden ein Verständnis ihrer Lage, so sagte sich auch Eugenie.
„Kann ich Dir helfen?" flüsterte jetzt das junge Mädchen und in diesen wenigen Worten lag der ganze Unglaube an Katharinens Wahnsinn ausgedrückt.
Die Kranke schien dies zu fühlen, denn sie reichte der Freundin die schmale Hand; bald versank sie jedoch wieder in den apathischen Zustand und sagte düster:
„Mir ist nicht mehr zu helfen."
„Thorheit," erwiderte Eugenie lebhaft, „nimm alle Deine Geisteskräfte, Deine Energie zusammen, sonst unterliegst Du in diesem Kampfe! Du bist ja nicht irrsinnig, warst es nie — sie reden es Dir nur ein. Ich glaube ebensowenig daran, als daß Du eine Vatermörderin wärest."
Katharine zuckte zusammen, als habe ein elektrischer Schlag sie getroffen, dayn hob sie die Rechte feierlich wie zum Schwur, und während schwere Thränen ihren Augen entrannen, sprach sie langsam:
N „So wahr mir Gott helfen soll in meiner letzten Stunde: ich bin unschuldig an dem Tode meines Vaters; der Ewige wird einst die Mörder entlarven und richten — in dem Glauben, in der Hoffnung sterbe ich."
Eugenie war tief erschüttert, dennoch ließ sich das mutige Mädchen nicht von der Rührung überwältigen; sie wußte es, daß die Minuten kostbar seien und sie wollte dieselben nicht ungenützt verstreichen lassen; deshalb sagte sie, die Hand der Freundin innig drückend:
„Ich glaube Dir, habe nie an Dir ge- zweifelt, aber Du mußt den Mut nicht sinken lassen, so verzweifelt Deine Lage auch zu sein scheint; nur wenn Du selbst Dich giebst, bist Du verloren. Noch besitzest Du ja Freunde, die Dir helfen, Dich aus der Macht jener Frau befreien können; Willfried —"
Katharine unterbrach die Sprecherin mit einer Geberde, ein unendlich trauriges Lächeln verzog ihre blassen Züge, dann sprach sie zitternd:
„O, nenne seinen Namen nicht — er, gerade er hält mich für schuldig an dem Morde."
„Aber warum hast Du nicht versucht, Dich zu rechtfertigen, warum ließest Du ihn in dem falschen Glauben?"
Das junge Mädchen schüttelte traurig das Haupt.
„Ich that alles, ihn zu überzeugen, aber auch er denkt, daß ich die That in einem Anfall von Geistesverwirrung begangen habe — er verdammt mich nicht, im Gegenteil, er bedauert mich schmerzlich — aber er hält mich doch fähig, dieses unnatürliche Verbrechen geplant und ausgeführt zu haben."
„Du bist ja aber nicht von Sinnen —"
„Still!" flüsterte Katharine mit scheuem Seitenblick, „still, urteile nicht voreilig; Wohl bin ich zuweilen Anfällen unterworfen, die furchtbar sind. Mir kommen wilde Gedanken, seltsame Vorstellungen, ich möchte schreien, toben, und dann wieder weil, weit fortlaufen, so weit mich meine Füße tragen können. In jener Nacht, wo mein armer Vater ermordet ward, war es ebenso. Ich erwachte und da ich Durst empfand, leerte ich fast den ganzen Inhalt des Glases, das auf meinem Nachttische stand, weil zuweilen das beruhigende Getränk das nach einer Vorschrift Doktor Wilts bereitet wird, mir Linderung brachte. Aber diesmal verschlimmerte es nur meine Unruhe, ich
erinnere mich nicht mehr deutlich an jede Einzelheit, nur das weiß ich, daß eine furchtbare Unruhe mich erfaßte. Ich glaubte mich verfolgt und wollte zu Willfried fliehen, damit er mich schützen möge; ehe ich aber noch meinen Vorsatz ausgeführt, erfaßte mich eine unsagbare Angst um meinen Vater. Ich eilte in sein Schlafgemach, sah, wie der alte Kuno über ihn gebeugt stand, die Hand an dem Halse des Liegenden — ich kam zu spät mein Vater war der Mörderhand zum Opfer gefallen — die Sinne verwirrten sich mir — ich glaube jetzt selbst, daß ich zuweilen den Verstand verliere."
„Entsetzlich!" stieß Eugenie hervor; sie haue in angstvoller Spannung jedem Worte der Freundin gelauscht, nur ein Gedanke beherrschte sie, ein gewaltiger Entschluß reifte in ihrer Seele, sie wollte die Unschuldige retten, die Mörderin entlarven. —
Aber wenn hier geholfen werden sollte, so mußte es sogleich geschehen, ehe noch die Verbrecherin das ihr völlig wehrlos überlassene Opfer ganz in ihre Macht bekam. War Katharine erst, fern dem Vaterhause, völlig in der Gewalt ihrer Stiefmutter, dann kam alle Hilfe zu spät, dann war sie auf immer verloren.
Ohne auch nur durch ein Wort ihr Vorhaben anzudeuten, eilte Eugenie, als sie sah, daß eben Frau Marie nach einem letzten, mit Willfried gewechselten Händedruck sich näherte, um den Wagen herum und trat der Witwe, die gesenkten Blickes sich dem Schlage näherte, ganz unerwartet entgegen.
Es lag etwas in der Haltuug des Mädchens, in dem Ausdruck ihrer Züge, das Frau von Wallenberg stutzen ließ. Sie wollte eben die schmalen Lippen zu einer Frage öffnen, als Eugenie Sternau, ohne Frau Marie zu beachten, Willfried zurief:
„Herr Sellentin, lassen Sie es nicht geschehen, daß man eine Unschuldige gleich einer Verbrecherin vor Ihren Augen fortschleppt und sie einem furchtbaren Schicksal überantwortet!"
Frau Marie hob das Haupt, ihre Wangen, eben noch zart gerötet durch das lange andauernde Zwiegespräch mit dem jungen Manne, erblaßten und aus ihren Augen schoß ein Blitz auf die Feindin, die ihr so Plötzlich erstanden war. Schnell gefaßt jedoch, wandte sie sich von dem Wagen ab und ihrem Pflegesohne zu und sagte nach einem Seufzer in ruhigem Tone:
„Die Teilnahme an dem Schicksal Ihrer Freundin ließ Sie Wohl in Ihrer Besorgnis um deren ferneres Loos zu weit gehen, Fräulein Sternau! Beruhigen Sie sich, Katharine ist in den besten Händen, es wird alles geschehen, um —"
„Um die Unglückliche völlig um den Verstand zu bringen," unterbrach das junge Mädchen mit großer Bitterkeit; „wir wissen aus unzähligen Beispielen, auf welche Weise man lästige Personen beseitigt, wenn man es nicht wagt, offen an sie Hand zu legen; man steckt sie in ein Irrenhaus — und wenn dann durch tausenderlei teuflische Raffinements das Licht des Geistes eines solchen Unglücklichen wirklich zu erlöschen beginnt, dann hat man sein Ziel erreicht, ohne mit dem Strafgericht in Berührung gekommen zu sein."
„Sie haben wohl zu viel Romane gelesen," lächelte die Witwe, scheinbar unbewegt. „Fragen Sie doch Ihren verehrten Herrn Papa um Rat in solchen Dingen, er würde Ihr seltsames, unpassendes Benehmen schwerlich billigen."
Eugenie war zu erregt, um diese Nadelstiche besonders schmerzlich zu empfinden, sie ergriff Willfrieds Hand, der befremdet dem Streite der beiden Frauen gelauscht und sprach in beschwörendem Tone:
„Retten Sie Katharine, Ihre Geliebte, Ihre Braut; lassen Sie es nicht zu, daß sie von Ihrer Seite gerissen, Ihrem Schutze entzogen wird! — Soll Katharine gleich ihrem armen Vater enden?"
„Fräulein Sternau," stammelte Willfried ganz verwirrt, „ich weiß in der That nicht, wie ich Ihre Worte, Ihre versteckten Anklagen, ja Angriffe deuten soll! Sie scheinen ganz ver-
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gessen zu haben, wie teuer uns allen Katha- rinens Leben ist und, daß wir auch nicht Az Mindeste beschließen oder gar thun würden, un, das Wohl des lieben Mädchens zu gefährden.'
„Von Ihnen glaube ich dies ja auch", s^ Eugenie im Tone der Ueberzeugung; aber Sie haben sich überreden lassen, gehen von falschen Voraussetzungen aus. Katharine ist nicht wahnsinnig, ist nicht die Mörderin ihres Vaters!"
„Sprechen Sie wenigstens leise, mein Frön- lein", erwiderte Frau Marie kalt, „Sie regen die Kranke auf; wenn sie hören würde, von was hier die Rede ist, könnte sie vielleicht einen ihrer schlimmen Anfälle bekommen."
„Beruhigen Sie sich, Frau v. Wallenberg", entgegnete hoch aufgerichtet das junge Mädchen während sie die ihr so überlegene Gegnerin mit einem stolzen Blicke maß; Katharina wird jetzt keinen ihrer Anfälle bekommen, sie hat ja nicht vorher ein Glas Wasser getrunken, das Ihr, Sorge ihr darreichte.
Das „Pforzh. N. Tagbl." schreibt: Wie leicht ein Redakteur sich eine Beleidigungsklage zuziehen kann, beweist der folgende zur Verhand- lung stehende Fall. Der Redakteur des Tag- blaus, Weber, hatte gelegentlich einer frühem Verhandlung gegen den Kutschcreibesitzer Koppler diesen als „Hauderer" bezeichnet und zwar in der gut gemeinten Absicht, den wegen Hausfriedensbruch angeklagten Kappler zu schone« statt zu beleidigen, denn der Ausdruck Hauderer wird im Rheinland, der Heimat des Redakteur? offiziell an Stelle des hier üblichen Kutschereibesitzers, Fuhrhalters rc. angewandt, während er hier gar nicht bekannt ist. In jedem Adreßbuch, auf jedem Firmenschild ist „Hauderer" im Rheinland zu finden. Herr Kappler ließ sich aber von „guten Freunden" eine beleidigende Definition des Wortes „Hauderer" geben und halte nichts eiligeres zu lhun, als gegen unfern Redakteur Beleidigungsklage zu erheben. Folge: Freisprechung des Angeklagten, Redakteur Weber, und Tragung der Kosten seitens des Antragstellers.
Wandsbeck (Holstein). Am hiesigen Gymnasium hat ein blinder Abiturient, namens Max Prieß, im 22. Lebensjahr die Reifeprüfung bestanden. Nach dem Besuch der Volksschule war er bei einem Maschinenbauer in die Lehre getreten und hatte dort kurz vor Beendigung der Lehrzeit das Unglück, durch eine Verletzung das Augenlicht zu verlieren. Ohne sich hiedurch entmutigen zu lassen, beschloß er, sich einem gelehrten Beruf zu widmen, da er darin als Blinder eher sein Fortkommen zu finden glaubt. Er besuchte die Hamburger Blindenanstalt und brachte es durch rastlosen Fleiß so weit, daß er sich der Gymnasialreifeprüfung mit Auszeichnung unterziehen konnte. Seine schriftlichen Arbeiten machte er mit der Schreibmaschine. Die schriftliche Prüfung in der Mathematik wurde ihm beim Abiturienten - Examen erlassen. Er wird jetzt Philologie studieren, um Oberlehrer zu werden.
Wir haben kürzlich berichtet, daß der Schmiedmeister Gustav Kohls in Graudenz beider Rückkehr von einer Reise seine Gesellen beschäftigt fand, für die englische Armee angekaufte Pferde zu beschlagen. Sofort befahl er, die Eisen herunterzureißen, da er keine Pferde für die Engländer beschlagen wolle. Dieser Vorgang ist auf einer Postkarte im Verlage von M. Wosien festgehalten. Die Karte mit dem Bildr des Schmiedmeisters wird zu Gunsten der Unter- stützuugskafse für die Buren in den Handel gebracht.
(Letztes Mittel.) Vegetarianer (der Kannibalen in die Hände gerät, eine Broschüre zeigend): „Meine Herren, lesen Sie erst diese Broschüre über die Nützlichkeit der vegetarianischen Lebensweise!"
(Modern.) Herr: „Sagen Sie, Johann, ich bin nicht zu sprechen, vor lauter Lebensversicherungsagenten ist man ja seines Lebens nicht mehr sicher!"
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