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meiner ganzen Kraft zu öffnen vermochte. Als es mir endlich gelungen war, sah ich ein Gewölbe vor mir, dessen Eingang sie war. Stelle Dir mein grenzenloses Entsetzen vor, als ich Plötzlich den Sarg erblickte von welchem in dem Fluche die Rede ist. Er war lang, schmal und mit großen Nägeln beschlagen. Ich war wie gelähmt vor Schrecken; aber als ich aufblickte, erfror mir beinahe das Blut in den Adern. Langsam, ganz langsam, wie von einer unsichbaren Macht geführt, begann die schwere Thür sich zu schließen; immer schneller wurde die Bewegung und zuletzt flog sie mit einem lamen Krach zu, der durch das ganze Gewölbe widerhallte. Außer mir vor Entsetzen floh ich aus dem Gewölbe und der Kapelle und eilte in mein Zimmer zurück.
Jetzt weiß ich, daß die Geschichte von dem furchtbaren Fluch auf Wahrheit beruht und daß meines Vaters Geist in der Kapelle ist, um die Thür zu bewachen und um sie geschlossen zu halten, denn ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Wenn Du diese Zeilen liest, so wisse, daß ich dort an seiner Stelle stehe.
Ich bitte Dich deshalb von ganzem Herzen, — verheirate Dich nicht, damit Du diesen furchtbaren Fluch nicht auf Nachkommen vererbst. Laß die Familie aussterben, wenn Du den Mut dazu hast. Ich weiß, daß ich viel von Dir verlange; aber was Du auch thun magst, komm zu mir hinab. Wenn ich kann, will ich Dir ein Zeichen geben. Komm zu mir, ehe mein Leib bestattet ist und bevor Leib und Seele zu fern von einander sind. Lebe Wohl, mein Sohn! Dein Dich liebender Vater Henry Clinton.
^Fortsetzung folgt.)
Mehr Nati.onal-Gefühl. In seinem lesenswerten Reisebuche „Irrfahrten" wendet sich der bekannte Afrika-Reisende Dr. Vallentin gegen eine deutsche Unsitte. Leider hatte ich, schreibt der Verfasser, während meines Aufenthalts in Singapore auch Gelegenheit, unangenehme Beobachtungen zu machen, und zwar betrafen diese den Deutschen im Auslande. Schon vieles ist hierüber geschrieben und dabei getadelt worden, daß der Deutsche seine Nationalität in der Fremde rasch aufgiebt. In Amerika wird er Amerikaner, in den englischen Kolonien, wenn nicht ganz, so doch zum größten Teil, Engländer. Niemals dagegen wird es dem Sohne Albions einfallen, seine Nationalität zu verleugnen, und nie wird er seine Muttersprache so leicht „vergessen", wie es der Deutsche thut. Selbst unter erschwerenden Umständen — in den deutschen Kolonien oder auf einem deutschen Schiffe mitten unter Deutschen — verschmäht der Brite es, ein anderes, als ein englisches Wort anzuwenden. „Wenn Ihr mit mir sprechen wollt, so lernt englisch!" Und der gutmütige Deutsche lernt dann auch tapfer englisch, wendet es überall an und vergißt dabei recht häufig seine eigene Sprache; ja nicht nur dieses. Er spricht, denkt und fühlt mit der Zeit englisch. Wenn allerdings in dieser Hinsicht große Firmen und Geschäfte mit bösem Beispiel vorangehen, so ist es dem einzelnen Manne im Auslande nicht zu sehr zu verargen, daß er jenen folgt. Ich erwähne nur die Gewohnheit, auf unfern Dampfern die Bezeichnungen für fast alle Einrichtungen der englischen Sprache zu entlehnen, wie stwvarä, stwvaräess, luncb, ckinner usw.; selbst die Speisekarten werden englisch gedruckt. In den Kolonien ist es nun noch viel ärger; da sagt man nicht: „Der Postdampfer kommt", sondern die „mail" kommt". Da ist nicht ein Geschäftslokat geöffnet, sondern die „oküce". „Ich wohne", sagte mir ein Herr, „nicht in der Stadt, sondern draußen auf dem „kill"," statt einfach auf dem „Hügel" zu sagen. Da kennt man nicht die Leiter eines Unternehmens, sondern nur den „Manager", ebenso nur den „dark". Es giebt keine Rennen, sondern nur „raees". Und so weiter. — Man könnte noch viele andere Beispiele anführen. Auf unserm Schiffe war ein schlanker Jüngling, der allgemein für ein Engländer gehalten wurde, da er nur mit Engländern verkehrte, nur englisch sprach und auch sonst ganz englisches Gebühren an den Tag legte — und doch war er ein Hamburger. Gegen
Schluß der Fahrt wurde eine kleine Festlichkeit an Bord gegeben. Vorträge, Gesang, Musikstücke füllten den Abend nach dem Essen aus. Unter anderm trug denn auch jener junge Mann ein Gedicht vor, aber nicht etwa deutsch für uns Deutsche auf dem deutschen Schiff, nein! den Mitreisenden Engländern zu Liebe in englischer Sprache. Da war denn doch ein wenig stark! Leider giebt es viele Landsleute, die durch ein ähnliches Benehmen das Deutschtum bei den Angehörigen anderer Nationen in Mißkredit bringen.
(Von einem Hirsch zerfleischt.) Der Häusler Kruhl aus Ullersdorf bei Jänkendorf in der Oberlausitz begab sich dieser Tage nach dem dortigen Hirschpark, um die Hirsche zu füttern. Als er sich wieder entfernen wollte, wurde er von einem ausnehmend starken Hirsche verfolgt und schließlich angefallen, wobei dem jAermsten nicht nur das Gesicht vollständig zerfleischt, sondern ihm auch die ganze rechte Seite des Körpers in schrecklicher Weise zerrissen wurde. Dem schon bejahrten Manne gelang es unter den größten Anstrengungen, zum Teil auf Händen u. Füßen kriechend, sich aus dem Bereiche des wütenden Tieres nach einem nahegelegenen Fußsteig zu schleppen, wo ihn nach Verlauf von etwa drei Stunden eine des Wegs kommende Frau in bewußtlosem Zustand auffand. Der Schwerverletzte wurde mittels Fuhrwerks nach seiner Wohnung geschafft, doch konnte ihm ein sofort herbeigerufener Arzt keine Hilfe mehr bringen; schon am andern Morgen gab er unter den fürchterlichsten Qualen seinen Geist aus.
Aus Baden, 10. Nov. Ein heiteres Nachspiel ans dem Manöver gab es in Gochsheim (A. Bretten), wo das 6. badische Infanterie- Regiment aus Konstanz längere Zeit im Quartier lag und im besten Verhältnis mit der Einwohnerschaft lebte. Daß die strammen Krieger nicht teilnahmslos an den' schmucken Mädchen vorübergingen, hatte jedoch die Eifersucht der Burschen erweckt, um so mehr als bis jetzt noch viele Briefe und Postkarten einlaufen. Im Brettener „Sonntagsblatt" erschien nun zur Kirchweih« eine Einladung an auswärtige Mädchen, indem man die einheimischen an die Konstanzer Soldaten verwies und dabei bemerkte, der Briefbote von Gochsheim habe sich die Stiefelsohlen durchgelaufen, nur um die Konstanzer Korrespondenz zu bewältigen. Die Kunde drang auch nach Konstanz, und die Folge war, daß der Briefbote von dort ein Paar schöne neue Stiefel erhielt, „gewidmet von den dankbaren Konstanzer Soldaten".
Hamburg, 10. Nov. Die Polizei verhaftete hier einen 14jährigen Knaben aus Nordhausen, der seiner Mutter mit 800 ^ durchgegangen war, um nach Transvval zu gehen und gegen die Engländer zu kämpfen. Er bewaffnete sich bis an die Zähne und machte sich beritten. Als das Geld ausging, wollte er das Pferd verkaufen, wobei er der Polizei in die Hände fiel.
Aus dem Taubergrunde. Ein lustiges Stücklein von einer musikalischen Geis wird dem dlbg. Tgbl. erzählt. Kaufte da kürzlich ein äuerlein von einem israelitischen Handelsmann eine Geis mit der Gewährschaft „für alle Fehler", um Ersatz der Muttermilch für seinen Neugeborenen zu haben. Das Tier, übrigens eine Prachtgeis, war jedoch im Turnen so geübt, daß, wenn man auf der rechten Seite zu melken anfing, im Nu die melkende Person auf der linken Seite saß und umgekehrt; die Geis ließ sich einfach nicht melken. Der Mann, nebenbei ein Musiker, holte hierauf seine Ziehharmonika und begann die lustige Melodie: „ Wenn der Schneider g'heirat't hat, so wird er kopuliert rc." zu spielen, und siehe da, die Geis stand wie eine Mauer, hielt ihren Rest Futter noch im Maul und ließ sich anstandslos melken. Seitdem hat's mit dem Melken keinen Anstand mehr, so lange die Musik nicht fehlt.
Aus der Schweiz, 11. Novbr. Wie himmlisch schön der heurige „Martinisommer"
gewesen, davon berichtet die „Neue Zürch. Ztg.' aus der Luzerner Gegend: „Pilatus hell" w« in den letzten Tagen nicht mehr nötig anzukünden, da seit einiger Zeit der Nebel vei- schwunden und der klaren Martinisonne das Fch geräumt hat. Am letzten Sonntag war ein Leben auf dem Pilatus, der sonst um diese Zeit lies verschneit und vereist zu sein Pflegt, daß mm sich um 3 Monate zurückversetzt glaubte; 12 z Personen in 4 Züge verteilt, benützten die Bahn, j und eine Karawane von annähernd 80 Personen machte die Reise zu Fuß hinaus, um die unvergleichlich schöne Aussicht zu genießen.
Paris, 29. Okt. Die Mode macht Heuer ganz absunderliche Sprünge. Die Form der Herb st mäntel scheint endgiltig festgesetzt zu sein; der sackartige, bis über die Kniee reichende Paletot mit engen Aermeln hat den Sieg davon getragen, und zwar in violettem, rotem, aber meistens in beigefarbenem Tuche. Wie aus einem Futteral heraus, entrollt sich der weite Rock aus diesem sehr wenig anmutigen Kleidungsstücke, und wenn die Trägerin ihn noch dazu schleppen läßt, so denkt man unwillkürlich an eine wandelnde Straßenbürste mit langem Stil. Ein ganz langer Mantel, der sich nur zum Fahren eignet, lockte eine bewundernde Menge an ein Schaufenster. Er ist aus beigefarbenem Tuche gearbeitet, und den unteren Deil bedeckt ein breites, rautenartiges Gebilde aus schwarzer Chenille, das in Fransen über den Rand des Mantels hinaushängt und dessen Knotenpunkte durch kleine Stahlverzierungen zusammen gehalren werden. Ueber einen Fuß lange Chenilleenden, die ebenfalls in Fransen auslaufen, hängen von den Schultern und tief auf den Rücken herab, während Guirlanden von Fransen an den Vorderbahnen sich herabwinden. Den Ueberziehern macht man keine Schultern mehr, sondern man läßt den Aermel unmittelbar an dem Kragen beginnen. Pelz und Federn sind die Losung der Wintermode. Aus Pelz und Federn macht man ganze Hüte. Düstere Eulen, die mit blinkenden Augen in das grelle Tageslicht hinausschauen, zarte Paradiesvögel, schillernde Pfauen und bunte Fasanen sieht man im Verein mit. Spitzen und Band zu eigenartigen, aber durchaus nicht kleidsamen Kopfbedeckungen verarbeitet.
(Mittel gegen Zahnschmerz.) Man nehme zwei Drachmen Alaun und zerstoße ihn zu ganz feinem Pulver, ferner eine Unze Sprit-Nitri- Aether, mische es zerronnen in einem gut zu verschließenden Gläschen und hebe es zum Gebrauch auf. Der Gebrauch geschieht, daß man damit etwas Watte befeuchtet und diese an oder in den Zahn legt. — Ein gewöhnliches Hausmittel bei leichterem Zahnweh ist dieses, daß man etwas Salz in ein leinenes Tüchlein legt, in kaltes Wasser taucht, und an die Nase gehalten, recht kräftig einzieht. Auch soll sehr gut sein ein längliches Stückchen geräucherten Speck in das Ohr der leidenden Seite zu stecken und 24 Stunden darinnen zu lassen.
(Auch eine Verteidigung.) Der kleine Fritz kommt aus der Schule nach Hause und hat wieder einmal das Schreibheft voller Tintenflecke. Der Vater hält strenges Gericht, doch das Söhnchen bringt eine Verteidigung vor. „Papa", ruft er, diesmal bin ich ganz unschuldig. Neben mir sitzt ein kleiner Neger, der hat heute aus der Nase geblutet.
(Abgewinkt.) Er: „Ich beabsichtige mein ganzes Leben einzig und allein dem Ziele zu weihen, eine Frau glücklich zu machen." — Sie: „Aha! Dann haben Sie sich also entschlossen, Junggeselle zu bleiben!"
( Durch die Blume.) Die bekannte alte Dame: „Haben Sie nicht was für mich zu lesen, Herr Schwiegersohn?" — Schwiegersohn: „Gern, liebe Mama. Vielleicht etwas Reise-Lektüre gefällig?"
(Falsche Renommage.) Mama: „Aber Eugen, Deine Censur ist ja wieder ganz miserabel!" — Eugen: So!? und der Lehrer hat mir doch gesagt, die sei viel zu gut für mich!"
Redallrou, Druck und Verlag von L. Meeh tu Neuenbürg.