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Unterhaltender Heil.

Die findige Post.

Humoreske von T. Re buh.

(Schlüße

Zu der Verabredung imRing" fuhr ich mit denselben Gefühlen, wie ich sie als Sekundaner hegte, wenn ich unvorbereitet in die französische Stunde ging. Ich fühlte, ich würde mich un­sagbar blamieren: Ein junger Mann läßt sich von Braut und Schwiegkrmama vor der Hochzeit vorschreiben, wie und wo er auswärts mnen freien Tag zubringt! Ich konnte mir leb­haft vorstellen, wie Berthold mit dem ihm eigenen Kopfnicken, das linke Auge zugekniffen, Wort für Wort betonte:

Armer, armer Kerl! Du hast den Reccord erreicht. Schon vor der Vermählung ein Pan­toffelheld, der sich durch einen erzwungenen Schwur gebunden glaubt!"

Aber brauchte ich ihm von dem feierlichen Versprechen zu erzählen? Ich konnie Ausflüchte machen. Doch zwischen uns sollte Wahrheit sein.

Berthold traf ich schon an der Takte d'hote und wir speisten ausgezeichnet. Beim Kaffee er­öffnet ich ihm alles der Wahrheil gemäß. Er schwieg eine Weile und fragte dann:

Setze den Fall, ein Abbruzzen-Räuber hätte Dich ausgeplündert und Dich schwören lassen, keiner Behörde davon Anzeige zu machen. Würdest Du das halten?"

Aber erlaube mal..." fiel ich ein.

Du möchtest mir verkünden," fuhr er un­beirrt fort,daß Deine verehrte Frau Schwieger­mama und Dein süßes Bräutchen keine italieni­schen Briganten sind. Ich sage Dir: sie sind viel schlimmer als diese. Der Brigant begnügt sich mit Geld und Geldeswert, Deine tyrannischen Damen jedoch wollen Dir das heiligste mensch­liche Gut, die Freiheit rauben."

Alles recht schön, mein,Lieber. Aber selbst wenn ich durch die Stärke Deiner Gründe ge­schlagen wäre, es geht'üicht an. Toni erwartet täglich einen Brief vop mir. Sie weiß, daß die nächsten vom Sonntag und Montag aus Lands­berg kommen", erwiderte ich.

Beim Gott Merkur, Deine Damen sind klug. Wo logierst Du in Landsberg?"

Ich war noch nie dort, kenne also die Hotelverhältnisse nicht, vielleicht kannst Du mir ems empfehlen."

Berthold zog ein Buch, blätterte in dem Hotelverzeichnis und sagte:

Hotel Ratskeller. Besitzer W. Karnbach."

Darauf entwickelte er einen wahrhaft teuf­lischen Plan: Ich sollte auf der Stelle einen vom Sonntag, den 18., datierten Brief an meine Braut schreiben, kouvertieren, adressieren und frankieren. Diesen wollen wir an Herrn W. Karnbach, Landsberg, senden, zugleich mit einer Karte, worin der Herr Hotelbesitzer gebeten wird, den eingeschlossenen Brief am Sonntag' abend in Landsberg zur Post geben zu lassen. Der Absender würde am Montag bei ihm Wohnung nehmen.

Das gute Diner hatte mir Mut eingehaucht; dazu kam die Aussicht, einen Samstag und einen Sonntag als freier Mann mit dem Intimus in der Reichshauptstadt zuzubringen, wo wir zwei Jugendjahre hindurch Freud und Leid geteilt hatten. Wer will den ersten Stein auf mich werfen, wenn ich sage, daß ich wankend wurde? Meine Schwiegermama und durch sie ver­führt, natürlich meine Toni, wollten mich tyrannisieren.

Auf nach Berlin!" entschied ich.Wann fährt der Zug?"

In zwei Stunden," lächelte Berthold und drückte meine Hand.

Schnell verfaßte ich zwei zärtliche Schreiben an meine Braut, das eine von Cottbus, das andere von Landsberg datiert. Dieser wurde in der von Sebald vorgeschlagenen Weise an Herrn Hotelbesitzer W. Karnbach in Landsberg ge­sandt, jener dem Cottbuser Briefkasten anvertraut.

Um sechs Uhr waren wir in Berlin, allwo wir zwei fröhliche oder seien wir offen ausgelassene Abende verbrachten.

Am Montag vormittag auf dem Lands­berger Bahnhofe. Ich rufe unter die Schar der wartenden Hoteldiener:

Hotel Ratskeller."

Als niemand auf meine Worte reagiert, wiederhole ich verdeutscht:

Gasthaus zum Ratskeller."

Unter dem allgemeinen Lächeln seiner Ge­fährten antwortet endlich einer:

Giebt's ja gar nicht."

Das scheint ja eine schöne Bescherung zu sein! Ich ziehe mich flugs in den Wartesaal zu­rück und frage das dem Kursbuch angeheftete Hotelverzeichnis um Auskunft. Mein Gott, es giebt ja eine ganze Reihe Landsbergs, woran weder Berthold noch ich gedacht hatten! Da steht auch: Landsberg, Bezirk Halle an der Saale, Hotel Ratskeller, Besitzer W. Karnbach empfiehlt sich den Herren Reisenden. Dies Landsberg, wohin ich geraten, führte den Beinamen: An der Warthe.

Da ich auf der Adresse meines Briefes vom Samstag keine nähere Bezeichnung hinzugefügt hatte, ruhte er vermutlich in dem Papierkorbe eines Postbureaus. Oder Podbielskis Jünger hatten den Brief in ihrer vielgerühmten Findig­keit nach Landsberg bei Halle expediert, weil nur dort ein Herr W. Karnbach ein Hotel zum Ratskeller besitzt.

Durch die Qualen der Ungewißheit hierüber ward die Fortsetzung meiner Reise zum Dornen­weg und mit beschwertem Gewissen fuhr ich in den Bahnhof meines Wohnortes ein. Wenn nur nicht Toni ihrer Mama etwas erzählt hat!

Aber es herrschte nur eitel Freude und Wonne über meine Rückkehr, und keine Miene verriet, daß man um meinen Wortbruch wußte.

Als ich mit meiner Braut allein war, brachte sie eine Landkarte herbei und sprach:

Sieh, Schatz, hier habe ich mit roter Tinte Deine Reiseroute eingezeichnet. Unpraktisch seid ihr Männer aber doch. Schau einmal. Von Cottbus bis beinahe nach Halle zurück und dann den langen Weg nach Stettin."

Aber liebes Kind", entgegnete ich,diese Reihenfolge war nötig."

Du, über Berlin bist Du ja doch gekom­men!" flüsterte sie, damit es die Mama im Nebenzimmer nicht höre.

Ja, mein Täubchen, das habe ich erst am andern Morgen gemerkt. Bei der Nachtfahrt habe ich im Schlafwagen so fest in Morpheus Armen geruht, daß ich von dem großen Berlin gar nichts gewahr wurde."

Ach, ich bin so froh, daß Du wieder da bist." Sie küßte mich.

Uebermorgen haben wir Hochzeit. Jchswerde meiner Frau erzählen, daß ich sie als Braut ein ganz klein wenig belogen habe, und daß man in Berlin nicht schlafend von einem Bahnhof zum andern gelangt. Schwiegermama darf aber nichts erfahren!

Die Findigkeit der Post werde ich fortan gegen jeden Angriff verteidigen. Sie hat wirklich gewußt, daß von allen Landsberg nur das bei Halle ein Hotel zum Ratskeller aufzuweisen hat, mit Herrn W. Karnbach als Besitzer, der aber noch heute auf meinen Besuch wartet.

Paris, 28. Okt. Die Regelung der Erb­schaft der Baronin Hirsch hat dem französischen Fiskus, wie derFigaro" mitteilt, zwölf Millonen Franken eingetragen, die in Banknoten eingezahlt wurden.

sDer gebildete Schutzmann.)Wenn Sie nicht sofort das Singen unterlassen, arretiere ich Sie!"Ach was!Singe, wem Gesang gegeben!" heißt es im Uhland!"Sie sind aber hier in Deutschland und nicht in Uhland!"

jAu!jWoran ist der Schriftsteller Flappsky eigentlich so Plötzlich gestorben."Es soll ihm ein Gedanke durch den Kopf geschossen sein."

(Höchste Galanterie.j Fräulein:Ach, wenn ich nur wüßte, wie morgen das Wetter ist!" Verehrer:O wie gerne wär' ich jetzt ein Laub­frosch, um Ihnen das bestimmt sagen zu können!"

Mutmaßliches Wetter am 1. bis 3. Nov.

l Nachdruck verboten.;

Der Lustwirbel im Norden und Nordwesten ist in Mittelnorwegen aus 755 mm vertieft worden und hat den Hochdruck über Mitteleuropa vollends ausgelöst. Ueber Italien liegt noch ein Hochdruck von 765 mm über der Balkanhalbinsel ein solcher von 770 mm, wo­durch bei uns eine fast sommerlich warme Temperatur entstanden ist. Für Mittwoch und Donnerstag ist vor­wiegend bewölktes und auch zu vereinzelten Niederschlägen geneigtes Wetter zu erwarten.

Am 2. und 3. Nov.

Ueber Italien behauptet sich ein Hochdruck von 765 mm; über der Batlanhalbinscl ein solcher von 770 mm und ersterer dringt über Europa herüber nord- wärts vor, nachdem der skandinavische Lustwirbel seine Hauptkraft erlchöpft und nun 10 mm in seinem Dreh- Punkt abgeflacht worden ist. Für Donnerstag und Freitag ist fortgesetzt milde Temperatur, aber nur noch zeitweilig bewölktes und fast ausnahmslos trockenes Wetter zu erwarten.

Telegramme.

Baden-Baden, 31. Okt. Der Kaiser und die Kaiserin von Rußland trafen in Begleitung des großherzoglichen Paares von Hessen um 12.30 Uhr hier ein und wurden am Bahnhof von den großherzoglichen und erbgroß­herzoglichen Herrschaften, dem Großherzog von Oldenburg und dem Großfürsten Michael Michai- lowitsch empfangen. Die Herrschaften begaben sich ins Schloß, wo Fürsten- und Marschalltafel stattfindet. Die Rückreise nach Darmstadt (Schloß Wolfsgarten) erfolgte um 3.40 nachmittags.

Baden-Baden, 31. Okt. Das russische Kaiserpaar verließ heute 3,40 Uhr nach herzlicher Verabschiedung vom Großherzog Baden-Baden.

Schillingsfürst, 31. Okt. .Reichskanzler Fürst Hohenlohe ist gestern Abend von Baden-Baden hier eingetroffen.

Berlin, 31. Okt. Die Staatsanwaltschaft hat gegen das im Prozeß gegen denKlub der Harmlosen" freisprechende Erkenntnis der Straf­kammer Revision eingelegt.

London, 31. Oktbr. Gestern ist bei Ladysmith eine größere Schlacht zwischen den britischen Truppen und den Buren geschlagen worden. Eine Depesche desStandard" aus Ladysmith vom 30. d. M. meldet: Man erwartete, daß das Zentrum den Hauptstoß auszuhalten haben werde. Aber der Rückzug der Buren änderte den Plan des Generals White. Der rechte Flügel wurde stark ins Gefecht gezogen und mußte vom Zentrum unterstützt werden.

London, 31. Okt. General White meldet an das Kriegsministerium aus Ladysmith unterm 30. Oktober: Eine von General White ausgesandte britische Kolonne, bestehend aus irischen Füsilieren, einem Bataillon des Gloncester Re­gimentes und einer Gebirgsbatterie, die zur Deckung der linken Flanke auf einem Hügel Auf­stellung nehmen sollte, mußte nach beträchtlichen Verlusten kapitulieren. Die gefangene Ko­lonne bestand aus 42 Offizieren und 2000 Mann. General White fügte seiner Meldung bei:Ich bin allein verantwortlich; die Stellung war unhaltbar."

London, 31. Okt. Das schwere Unglück, welches den englischen Truppen bei Ladysmith widerfahren ist, ruft in London und in ganz England ungeheure Aufregung hervor. Das Kriegsministerium telegraphierte an den General Buller, daß in etwa 10 Tagen neun Bataillone und eine Gebirgsbatterie zum Ersatz der erlittenen Verluste nach Südafrika abgehen würden. General Bullers Ankunft, den heute bei seinem glänzenden Empfang in Kapstadt die Unglückspost erreichte, ist angesichts der schmerzlichen Kunde das einzig beruhigende Element. General White, der in den letzten zehn Tagen unter schwierigen Verhältnissen einen ungleichen Kampf gekämpft hatte, wird vom Publikum milder beurteilt, als von manchen seiner Kameraden, deren scharfe kritische Bemerkungen, wie hier angedeutet wurde, dahingingen, er sei den Anforderungen der eigentümlichen Lage nicht gewachsen. Er reiht sich heute der Zahl derjenigen an, die das Wort bestätigen, Südafrika sei das Grab berühmter Namen.

London, 31. Oktbr. Es bestätigt sich, daß General Buller heute Nacht in Kapstadt eingetroffen ist.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.