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die Sozialdemokraten beteiligt und auch eine erhebliche Anzahl von Wahlmännern durch- aebracht; ob dieselbe indessen genügen wird, der sozialdemokratischen Partei den Besitz der vier Mandate zu sichern, welche sie in den diesmaligen Landtagswahlen zu verteidigen hatten, das muß mindestens noch dahingestellt bleiben.

Berlin, 27. Sept. Der Lokalanz. erfährt aus München: Der Schaden der Stadt durch Hochwasser beziffert sich bisher auf 4fts Mill.

Am Donnerstag früh brach in dem Etablisse­ment der Danziger Oelmühle Großfeuer aus. 6 Dampfspritzen waren thätig; auch die kaiserliche Werft leistete wirksame Hilfe. Mittags war das Feuer gedämpft. Die Oelmühle selbst und ein Oelschuppen wurden mit großer An­strengung gerettet. Die Getreidemühle, die Stärke­fabrik und ein Magazingebäude sind verbrannt. Der Schaden beträgt nach der Danziger Ztg. 1'/2 Millionen Mark.

Württemberg.

Im Regierungsblatt Nr. 27 ist die neue Gerichtsvollzieher-Ordnung erschienen. Dieselbe ist außer wenigen Aendcrungen mit der Gerichtsvollzieher-Ordnung von 1879 gleich­lautend, was in weiten Kreisen bedauert wird. Man hatte erwartet, daß daS württembergische Gerichtsvollzieherwesen in befriedigender Weise organisiert würde.

Die einheimische Politik wird zur Zeit von den Wahlen im Oberamt Crailsheim und im fünften Reichstagswahlkreis beherrscht; die elftere, bei der es sich um eine Ersatzwahl in den Land­tag handelt und die am 25. Oktober stattfindet, haben wir mit ihren bisherigen auffallenden Erscheinungen bereits besprochen. Die auf den 27. Oktober festgesetzte Reichstagswahl wird voraussichtlich zu einem harten Kampf führen. Die Volkspartei hat für beide Wahlgänge noch keinen Kandidaten aufgestellt. Das Resultat der beiden Wahlen wird, nicht mit Unrecht, als be­deutsam für die vielleicht schon Ende des kom­menden Jahres stattfindenden Neuwahlen zum Landtag angesehen.

Eßlingen, 29. Sept. (Reichstagsersatz­wahl.) Die Kandidatenfrage seitens der Volks­partei ist erledigt. Als Kandidat wurde der Gemeinderat und Werkmeister Albert Brinz- inger aus Eßlingen aufgestellt. Nachdem gestern in Nürtingen eine Vertrauensmännerversammlung abgehalten worden, wurde beschlossen, Herrn Brinzinger um die Abnahme der Kandidatur zu bitten, wozu sich derselbe nun bewegen ließ.

Stuttgart, 27. Sept. Verleihung des landw. Septemberpreises. Der König hat aus den zur Prämierung hervorragender landwirtsch. Leistungen ausgesetzten Mitteln dem Landwirt und Schultheiß Eberhardt Kayser in Hegnach, Oberamts Waiblingen, in Anerkennung seiner erfolgreichen Bemühungen um Hebung der landw. Zustände in seiner Gemeinde, sowie der sehr guten Führung seines eigenen Betriebs einen Preis von 500 ^ nebst silberner Denk­münze und dem Landwirt und Gemeindepfleger Fidel Schmid aus Wilfingen, Oberamts Mün- singen, in Anerkennung seines gut geführten Betriebs und mannigfacher Verbesserungen seines Hofguts einen Preis von 300 nebst silberner Denkmünze verliehen.

Dischingen, 29. Septbr. Der Kocher­zeitung zufolge wurde bei dem gestern mittag niedergegangenen Gewitter ein Mann auf dem Felde von dem Blitz erschlagen.

Obstpreiszcttel vom 29. Sept.

Fellbach, 29. Sept. Heute kamen auf hiesigem Bahnhof 2 Waggon Mostobst zum Verkauf zu 5 80 ^ und 6 «kL per Ztr.

Eßlingen, 26. Sept. Die Zufuhr auf dem hiesigen Güterbahnhof an Mostobst beträgt 25 Wagen; Preis 5 50 bis 6 pr. Ztr.

Untertürkheim, 29. Sept. Heute find 3 Wagen ital. und 1 Wagen östreich. Obst zugesührt; Preis 5 20 >> resp. 5 60 per Ztr.

Ausland.

Zur Entwirrung der gänzlich zerfahrenen parlamentarischen Lage in Oesterreich tauchte in der dortigen Presse ein Name nach dem andern als Retter in der Not auf. Zuletzt sollte Fürst Mfred Lichtenstein derjenige sein, welchem

man die schwierige Aufgabe zufallen ließ, die Politik des Donaustaates zu leiten.So kanns doch nicht länger fortgehen", lautete nach Wiener Blättern eine Aeußerung des Kaisers Franz Joseph, welche derselbe auf seiner letzten Fahrt zu den Manövern beim Empfang auf dem Bahn­hof in Linz gethan habe. Inzwischen hat nun Graf Thun, da er die ihm gestellten Aufgaben so gut es eben ging erledigte, abgedankt. Nach ihm wird sich niemand im österreichisch-ungarischen Staate zurücksehnen. Auf den kommenden Mann ist man, und zwar nicht nur in Oesterreich, sehr begierig. Wir im deutschen Reiche können nur aufrichtig wünschen, daß es demselben gelingen möge, das Ei des Kolumbus ausfindig zu machen und dem von Parteileidenschaften durchwühlten Staate die ersehnte Ruhe zu geben.

Es bestätigt sich, daß in den ersten Oktober­tagen der Train für ein Armeekorps aus dem Lager von Aldershot nach Südafrika abgeht. Chamberlains Organ, dieBirmingham Post", macht Andeutungen, nach denen der Uebergang der Delagoa-Bai in englischen Besitz demnächst zu erwarten wäre. Doch wird von Lissabon aus bestritten, daß Portugal die Bai abzutreten bereit sei. In Kapstadt herrscht große Besorg­nis über die Haltung der Eingeborenen des Betschuanalandes und der Matabele. Letztere sind bewaffnet und scheinen zum Kriege bereit zu sein. Ein Regiment reitender Artillerie ist nach der Grenze abgegangen.

Auch Indien soll ein Soldaten- Ko n tin- gent zur Unterjochung der Buren stellen. Es werden bereits die Namen der einzelnen Regi­menter genannt, die nach Afrika geschickt werden sollen, durchweg brittische Truppen, 5 Jnfanterie- und 4 Kavallerie-Regimenter, im ganzen also etwa 6000 Mann. Zieht sich der Kampf in die Länge, so werden voraussichtlich gerade aus Indien noch größere Truppennachschübe nach Südafrika angehen. Die indische Regierung sollte sich freilich die Kämpfe von 1897 und die erst letzthin stattgehabten Unruhen zur Mahnung nehmen, Vorderindien nicht allzusehr von Weißen Truppen zu entblößen.

Ueber die Regelung der samoanischen Kriegsentschädigung haben sich jetzt Deutsch­land und England, wie New-Aorker Blätter zu melden wissen, geeinigt; mit Nordamerika sollen die betreffenden Verhandlungen noch schweben. In Apia herrscht gegenwärtig zwar völlige Ruhe, doch wird der Ausbruch neuer Unruhen befürchtet.

Admiral Dewey, der Sieger von Cavite, ist nach Beendigung seines Aufenthaltes in Europa in New-Jork eingetroffen. Ihm zu Ehren waren dort ganz außerordentliche Veran­staltungen getroffen worden, da jeder Aaukee in Admiral Dewey einen neuen nationalen Heros erblickt; vorerst bleiben indessen die Meldungen über den Empfang Dewey's in der Metropole der Vereinigten Staaten noch abzuwarten.

Vermischtes.

Berlin, 23. Sept. Eine fast unglaubliche Geschichte von einem dreisten Schwindler lesen wir imBerl. Tageblatt." Sie lautet: Der falsche Militärarzt, der längere Zeit als vr. msä. Ernst Schröder in der Familie des Baumeisters Schulz verkehrte und mit dessen Gesellschafterin, Mina Thews, ein Liebesverhältnis anknüpfte, stand am Donnerstag, aus der Haft vorgeführt, in der Person des 32jährigen Arbeiters Wilhelm Holzhüter vor Gericht unter der Anklage des Heiratsschwindels, Beilegung des Doktortitels und unberechtigte Tragung einer militärischen Uniform. In einem Zigarrengeschäft in der Perlebergerstraße, wo er Einkäufe machte, nannte er sich Dr. Schröder. Er lernte dort Fräulein Thews kennen. Sie fand Gefallen an dem sehr gewandt auftretenden Mann und lud ihn zum Besuch nach Wannsee in die Villa des Bau­meisters Schulz ein, wo Holzhüter bald in der Familie ein- und ausging und als der erklärte Bräutigam des Fräulein Thews, dem er nach und nach 500 ^ abschwindelte, galt. Die Heirat wußte er hinauszuschieben, weil er erst als Militärarzt bei den Potsdamer Leibgarde­husaren dienen müßte." In dieser Uniform er­

schien er wiederholt und düpierte durch sein Auftreten sogar 2 Aerzte, die mit ihm kamerad­schaftlich verkehrten und ihn zu Patienten Mit­nahmen. Holzhüter wurde zu 3 Monaten Ge­fängnis und 1 Monat Haft verurteilt.

Be rlin, 28.Sept. Witterungsbericht von R. Falb. Es sind keineswegs normale Zustände, welche das Wetter des September in diesem Jahre beherrschten. In den Sommer­monaten oder auch im Oktober würden diese an­haltenden Niederschläge den erfahrenen Fach­mann weniger befremden. Denn auch mit dem Hinweis auf das Aequinoktium löst sich das Rätsel nicht, da dieses doch in der Regel nicht den ganzen Monat beeinflußt. Als nächste Ur­sache muß man allerdings die zahlreichen De­pressionen bezeichnen, welche seit Anfang dieses Monats aus dem Atlantischen Ozean von Nord­westen heranrückten. Allein ihre Häufigkeit ist im September nicht normal. Nach unser An­sicht liegt die Ursache höchstwahrscheinlich in einer Zunahme der Temperatur des Golfstroms, wo­durch die Bildung der Minima über demselben befördert wird. Dafür würde auch das in den letzten Wochen auffallend lange Verweilen der Depression über Südskandinavien und der Nord­see sprechen. Wir fielen in diesem Monate aus einer Depression in die andere. Jetzt haben wir wieder nur für wenige Tage Hoffnung auf Besserung. Der 4. Oktober ist ein kritischer Termin II. Ordnung. Im günstigsten Falle verspätet er sich um etwa 2 Tage. Darauf ist leidlich gutes Wetter bis zum 16. zu erwarten. Der 18. ist ein kritischer Termin I. Ordnung, der mit einer Verfrühung von 2 Tagen durch stärkere Niederschläge zur Geltung kommen dürfte. Stellenweise sind um diese Zeit auch Gewitter wahrscheinlich. Die Temperatur geht bedeutend zurück. Im Hochgebirge treten Schneefälle ein.

Mutmaßliches Wetter am 1. und 2. Oktober.

«Nachdruck verboten.)

Der angekündigte neue Luftwirbel aus Nordwesten bedeckt mit 755 mm Irland und die westliche Hälfte von England und Schottland. Ueber fast ganz Skandi­navien liegt ein gleicher Luftwirbel, während in der Nordsee das Barometer auf nahezu mittel gestiegen ist. In ganz Rußland mit Ausnahme der westlichen Pro­vinzen liegt ein Hochdruck von 765 mm und darüber. Ueber Oberitalien und Dalmatien zeigen sich mäßige Depressionen von wenig unter Mittel. Für Sonntag und Montag ist bei mäßig kühler Temperatur großenteils trockenes und auch vorwiegend heiteres Wetter in Aus­sicht zu nehmen.

Telegramme.

Rominten, 29. Septbr. Der Kaiser nahm gestern den Vortrag des Staatssekretärs Tirpitz sowie des Vertreters des Auswärtigem Amtes entgegen. Die Pürsche verlief bei herr­lichem Wetter günstig, der Kaiser erlegte einen Kapitalhirsch, einen Achtender und einen Zwölf­ender.

Wien, 29. Septbr. Nach Mitteilungen der heute vom Kaiser empfangenen deutschen Parteiführer Funke, Pergelt, Hochenburger und Lueger soll er diesen ebenfalls die Notwendigkeit der Einsetzung eines Beamtenministeriums dar- gethan haben, indem er sagte, man könne nicht gegen die Deutschen regieren, welche die ersten Kulturträger und größten Steuerzahler seien. Es müsse Ordnung geschaffen und im Parlament Positive Arbeit geleistet werden. Die erste Amts­handlung des neuen Ministeriums werde die Aufhebung der Sprachenverordnungen sein.

London, 29. Septbr. Das Reutersche Bureau meldet aus Kapstadt von gestern: Nach einem Telegramm aus Prätoria hielten beide Räte gestern Abend eine geheime Sitzung ab, der Krüger und die Mitglieder der Regier­ung beiwohnten. In der Sitzung wurde die Antwort Transvaals auf die letzte Depesche Chamberlains beraten. Die Antwort wird, dem Vernehmen nach, in sehr festem Tone abgefaßt und heute dem britischen Agenten zugestellt werden.

Pretoria, 29. Sept. Die Regierung erließ betreffend die Maß-

nahmenMD^Dhe im Kriegsfälle zu beachtendem werden.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.