„Verheiratet schon seit drei Jahren!" erklärte der Doktor.
„Und Kinder?" erkundigte sich der Andere.
„Herrgott muß man denn gleich einen Schock Kinder haben, wenn man drei Jahre verheiratet ist?" ereiserte sich Goslich.
„Nein doch, nein doch!" murmelte sein Jugendfreund. „So habt Ihr erst eins, aber ein strammes, nicht?"
Der Doktor schwieg eine ganze Weile. Dann stieß er es beinahe fauchend heraus, so- daß sein Begleiter vor Schreck einen Schritt zur Seite wich: „Gar keins haben wir! Damit Du's endlich weißt!"
„So, so! Ich dachte nur, weil Du vorhin von Kindererziehung ..."
„Das bezog sich auf die Zukunft oder war ein allgemeines Bedenken! Wie Du willst! Aber nun komm hier links herüber in die Schänke „zur Traube," damit wir endlich was zu trinken kriegen."
Es dauerte nicht lange, so saßen sie hinter einer schönen langhalsigen Flasche, die aus einem blanken Eiskübel ragte und stießen an und schmiedeten Pläne, wie sie die Jugend und das Alter, vor allem aber die holde Weiblichkeit Giebelhausens — Frau Doktor Goslich ausgenommen — zum Radfahren verlocken könnten. Und bei der zweiten Flasche kam endlich eine Idee zum Vorschein, die Beiden nicht nur höchst glücklich und erfolgreich, sondern auch riesig amüsant vorkam.
„Wenn sie nur erst eine sehen, dann kommen sie schon hintenher!" lächelte der Doktor überlegen. „Ein gutes Beispiel erweckt Nacheiferung. Das hat schon Schiller gesagt oder Göthe, wiewohl die armen Kerle alle beide nicht radfahren konnten. Da müßt ich die liebe Eitelkeit und Uebertrumpfungswut nicht kennen."
Erst nach Mitternacht trennten sie sich.
„Also auf Wiedersehen morgen abend auf der Lindenpromenade, Fräulein Willi!" sagte der Doktor und schüttelte dem Andern die Hand. „Daß Du aber chik aus siehst, das rate ich Dir, sonst fällt's mir gar nicht ein, mit Dir anzu- baiüieln!"
„Selbstverständlich," lachte Willi. „Gute Nacht, Edgar!"
^Fortsetzung folgt.)
In neuerer Zeit wird in Zeitungen und auf anderem Wege der Versuch gemacht, deutsche ländliche Arbeiter nach Schweden anzuwerben. Nach vorliegenden Erfahrungen ist es, wie die „Berliner Korrespondenz" schreibt, ratsam, solche Anerbietungen mit Vorsicht aufzunehmen; jedenfalls sollten sich auf ein Arbeitsverhältnis in schwedischen Landwirtschaftsbetrieben nur Leute einlassen, mit denen ordnungsmäßige Einzelkontrakte und nicht sogenannte Massenkontrakte abgeschlossen sind.
(Die Vollmacht des Reisenden.) Der Reisende eines großen Berliner Hauses hatte in München von drei Kunden größere Geldbeträge einkassiert und die ihm anvertrauten Summen auf einer lustigen Rheinfahrt verjubelt. Als die Kunden, die nur einen Monat Ziel hatten, gemahnt wurden, kam die Veruntreuung ans Licht. Nun forderte der Prinzipal zum zweitenmale von ihnen Zahlung, weil sie nicht befugt gewesen seien, an den Reisenden zu zahlen. Es kam darüber zur Klage und zwar, weil Berlin als Erfüllungsort festgesetzt war, vor dem dortigen Landgericht. Der verklagte Münchener Kunde wurde dem Klageantrag gemäß verurteilt. Es wäre seine Pflicht gewesen, so besagt das Urteil, zu prüfen, ob der Reisende Vollmacht zur Empfangnahme des Geldes hatte. Da er dies versäumt hat, so ist er durch die geleistete Zahlung nicht entlastet.
Albert stieß einen Schrei aus und sank in seinen Stuhl zurück. Das Telegramm entfiel seiner bebenden Hand. Seine Augen standen weit offen, sein Gesicht war kreidebleich und dicke Schweißtropfen standen ihm auf der Stirn. Die Leute im Kontor flüsterten miteinander. „Ein Herzleiden?" fragte der Eine. „Nein, der Alte wird wohl Zahlungsschwierigkeiten haben," sagte ein Anderer. „Ich habe so etwas
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gehört. Wir werden uns nach einer anderen Stelle umsehen müssen." — „An die Arbeit! Er kommt wieder zu sich." Der Kaufmann trocknete sich die Stirn, seufzte verzweifelt, nahm das Papier von der Erde auf, stampfte mit dem Fuße, als ob er alle seine Entschlossenheit sammeln wollte, legte das Telegramm auf den Schreibtisch und zwang sich, die bittere Botschaft noch einmal zu lesen. Sie lautete: „Liebster Albert! — Bitte, schicke mir sofort die Taille zu meinem Grosgrain-Anzug. Du wirst schon wissen, welche ich meine; sie hat vorn Aufschläge und auf dem Rücken ein Muster in Kettenstich. Sie liegt in dem unteren Koffer in dem Schrank neben dem Hinterzimmer, unter Deinem Winterüberzieher. Ist sie da nicht, so muß sie in der versiegelten Schachtel auf dem breiten Brett des Schrankes im Vorderzimmer sein. Solltest Du sie da auch nicht finden, so ist sie anderswo. Die Kofferschlüssel liegen in der zweiten Garderobenschieblade, wenn sie nicht im Toilettentisch liegen; vielleicht liegen sie auch in einer Vase auf dem Kamin. Packe die Taille so ein, daß sie ja nicht gedrückt wird. Oh! Albert, bitte, sei nicht böse. Deine Dich liebende Frau."
(Rätsel.) Der Philosoph Descartes glaubte sich von einem Schattenwesen verfolgt, das ihn beständig zwang, die Wahrheit zu erforschen und zu sagen. Der englische Dichter Pope hatte einst in Gegenwart eines Freundes eine Erscheinung, die diesen nicht wenig erschreckte. Pope glaubte einen Arm zu sehen, der aus der Wand hervorwuchs. Goethe erzählt, daß er einst sein eigenes Ebenbild erblickte, als ob dieses auf ihn herankäme. Byron glaubte wiederholt, Geister-Erscheinungen zu sehen, und Ben Johnson betrachtete einmal eine ganze Nacht seine große Zehe, um welcbe herum er beständig Tar- taren, Türken und Abendländer, die miteinander kämpften, erblickte. Beethoven, der in seinen letzten Lebensjahren ganz taub war, behauptete, wenn er spazieren gehe, seine Symphonien deutlich zu hören, so als ob sie wirklich aufgeführt würden. Der Maler Spinello machte seinem Leben ein Ende aus Furcht vor den Dämonen seines Bildes „Der Fall der Engel", die er immer um sich sah. Die Zähigkeit und sichere Ruhe, mit der Oliver Cromwell sein Ziel verfolgte, erklärte er damit, daß ihm einst eine schattenhafte Frauengestalt erschienen war, die ihm zurief, daß er eines Tages der größte Mann in England sein werde.
(Wie man früher Schulden machte.) Im grauen Altertum, als es noch keine Pfandleiher und Genossenschafts-Banken gab, um auf leichte Weise Geld „in den Säckel" zu thun, Pflegte man die dafür zu hinterlegende Sicherheit, je nach den Völkern und Ländern, auf die verschiedenste Weise beizubringen. Bei den alten Egyptern welche in Geldsachen sehr vorsichtig gewesen sind durfte man ganz bestimmt auf Kredit rechnen wenn man die Leiche seines Vaters gewissermaßen als heiligstes Faustpfand hinterlegte. Wenn ein Schuldner zur festgesetzten Zeit das Zahlen vergaß, so war er in den Augen seiner Mitmenschen rettungslos und unwiderruflich geächtet. — Im Mittelalter gab man vielfach den eigenen Schnurrbart als Pfandstück hin, und wie mancher tapfere Landsknecht hat sich auf diese männliche Zierde nicht klingende Münze verschafft. Auch hier gilt die Nichteinlösung als ehrlos. Heute dagegen genügt eine einfache Unterschrift meistens, um den Gläubiger zu beruhigen und verhältnismäßig sicherzustellen. Man kann daraus wohl am besten ermessen, welche Ungeheuern Fortschritte im Laufe der Jahrtausende das menschliche Vertrauen gemacht hat. Was ist ein einfacher Namenszug im Vergleich zu dem egyptischen Mumienpfand, wodurch der Schuldner gewissermaßen durch das Teuerste, was es für ihn diesseits und jenseits gab, für die Rückzahlung haftpflichtig gemacht ward? In der guten, alten Zeit" hätte man für eine Unterschrift höchstens einem regierenden Fürsten etwas geborgt.
(Erster Gedanke.) Herr und Frau Müller besichtigen im Panoptikum eine Negertruppe. — Frau: „Ob die Leute in ihrer Heimat auch so
barfuß umherlaufen wie hier?" — Mann „Gewiß, genau so!" — Frau: „Dann beneide ich die Frauen." — Mann: „Wieso?" - Frau: „ Weil sie für ihre Männer keine Striinchse zu stopfen brauchen."
(Einfaches Mittel.) „Du hast ein neues Kleid, Käte?" — „Ja, ich kam einem frisch angestrichenen Zaun zu nahe, da war mein KlÄ ruiniert, und mein Mann mußte mir ein neues kaufen." — „Ach, sage mir, wo der Zaun ist.-
(Bitter.) Verehrer: „Sag' mal, Karlcheii, glaubst Du, daß Deine Schwester mich gern hat?' — Karlchen: „Ich weiß nicht. Gestern hat sie mir zwanzig Pfennig gegeben, ich solle die H eine halbe Stunde vorstellen."
Zur Ernte 1899.
Verklungen ist der Wachtel Schlag ,
Und im Verblühen sind die Rosen; f
Miid' flattern durch den Blütenhag Die Falter schon, die ruhelosen ... '
Vom Apfelbaume, nickt die Last s
Der Früchte mit den roten Wangen:
Es greift der Herbst, der rauhe Gast,
Schon nach dem Szepter voll Verlangen!
Die Sichel klang im Aehrenfeld . ..
Heuduft stieg aus dem Wiesenthale ...
Treu stand auf Wacht am Himmelszelt Die Sonne, die mit heißem Strahle Das Korn zur Reife still gebracht! ...
Das Volk der Schnitter und der Heuer,
Es mühte oft sich bis zur Nacht,
Bis all der Segen in der Scheuer!
Nun ruht des Jahres goldner Lohn Wohl unter deinem Dach geborgen;
Leicht ist dein Herz; längst sind entstehn Die sommerlichen Weitersorgen ...
Und auch der Winzer blickt getrost Hinaui zur nimmermüden Sonne,
Die mit den edlen Trauben kost
Und sie erfüllt mit künst'ger Wonne! . ..
So hebt denn Eure Herzen auf Zu ihm, der Sonnenschein und Regen Gespendet in der Tage Lauf,
Um Eurer Halme Frucht zu Pflegen;
Der, wenn sich Wetter ausgetürmt,
Die Flur Euch schützte vor Gefahren;
Der Haus und Hof, ob's blitzt und stürmt, § Den Seinen treulich wird bewahren!
Und ihm zu danken, pflegt das Korn,
Das er ln Eure Herzen senkte;
Laßt es im Unkraut nicht und Dorn Ersticken! ... Was der Herr Euch schenkte ! So überreich: o nützt es gut,
Gebt gern stets denen, die da darben! ...
Und voller Himmelssegen ruht
Dann schon aus Euren nächsten Garben! ...
Alwin Römer.
Mutmaßliches Wetter am 23. bis 25. August, j
«Nachdruck verboten.) !
Nachdem der letzte Luftwirbel von der mittlereil Ostsee nach dem nördlichen Rußland weitergewandert t ist, beherrscht der von Westen gekommene Hochdruck! die Wetterlage von fast ganz Europa. Ueber Italien liegen noch gewitterige Depressionen, welche dauernd ^ kühle Nächte und zeitweilig Bewölkung verursachen: ! für Mittwoch und Donnerstag ist aber fortgesetzt trockenes und auch mehrfach aufheitcrndcs Wetter in Aussicht zu nehmen.
Am 24. und 25. August.
Ueber Mitteleuropa behauptet sich noch immer ein ziemlich kräftiger Hochdruck. Von Island ist zwar eine Depression gegen die obere Nordsee im Anzug, welche aber nur langsam Terrain gewinnt. In Italien ist das Barometer wieder gestiegen, weshalb die kühlen Nächte sich etwas milder gestalten. Für Donnerstag und Freitag ist fortgesetzt trockenes und auch vorwiegend heißes Wetter zu erwarten.
Telegramme.
Berlin, 22. Aug. Der Staatssekretär des Auswärtigen Graf v. Bülow ist hierher zurückgekehrt.
Hamburg, 22. August. Der „Hamb.
Corresp." schreibt: Wenn immer wieder verlangt
wird, die deutsche Regierung möge Urkunden veröffentlichen, die die Unschuld von Dreyfns beweisen sollen, so ist darauf zu erwidern, daß Urkunden dieser Art nicht vorhanden sind, weil Deutschland mit Dreyfus nie und nirgends etwas zu thun gehabt hat.
Paris, 22. Aug. Wie verlautet, beabsichtigt der österreichische Militärattache Oberst Schneider eine Klage wegen Fälschung und wegen Gebrauchs von Fälschungen einzureichen.
Redattio», Druck und Verlag von T. Meeh i» Neueubü r g.