ms ist erwacht, und wenn einmal beim Deutschen eine Idee, ein Gedanke Funken gefangen hat, so wird er auch bald zu lodernden Flamme. So wird cs auch hier sein. Das deutsche Volk ist wie ein edles Vollblutpferd, es duldet nicht, daß ihm einer an die Gurten herankommt, sondern will seinen Platz vornen behaupten." Am Sonn­tage empfing der Kaiser bei Brunsbüttel an Bord derHohenzollern" eine Deputation von 245 Offizieren der ehemaligen hannoverschen Armee, welche ihm ein Ehrengeschenk überbrachte zum Andenken an den 24. Januar, wo der Kaiser die alte hannoversche Armee durch Neubelebung ihrer Traditionen auszeichnete. Das Ehrengeschenk ist eine nahezu zwei Meter hohe mattsilberne Nachbildung der Waterloo-Säule in Hannover.

Der Reichstaghat wegen der Verlängerung des Handelsabkommens mit England, da ein neuer Handelsvertrag noch nicht zustandegekommen ist, der Reichsregierung die von ihr gewünschte Vollmacht vorläufig auf ein Jahr erteilt. Bei dieser Debatte sind von einigen Rednern den Engländern einige Wahrheiten gesagt worden, die große Mehrheit des Reichstags aber bewahrte eine vornehme Mäßigung, welche von den engl. Blättern dankbar anerkannt wird. England hat inzwischen auch neue Vorschläge bezgl. eines künftigen Handelsvertrags nach Berlin gelangen lassen. Man darf zu der Leitung der deutschen Politik das Vertrauen haben, daß sie für die Handelsinteressen Deutschlands ebenso eintreten werde, wie für unsere Rechte auf den Samoa­inseln, worüber Staatssekretär v. Bülow neuer­dings recht beruhigende Mitteilungen gemacht hat.

Im Reichstag fand am 19. d. M. die dritte Beratung des Gesetz-Entwurfs über die Handelsbeziehungen zum britischen Reiche statt. Einige Bemerkungen, die der Abg. Liebermann v. Sonnenberg (dtsch. Rp.) bei dieser Gelegen­heit über die Vorgänge auf Samoa machte, ver- anlaßten den Staatssekretär des Auswärtigen, v. Bülow zu der Erklärung, daß für Schädig­ungen und Kränkungen deutscher Staatsbürger auf Samoa Entschädigung und Genugthuung mit aller Energie verlangt werden würde. Der Ge­setzentwurf wurde schließlich mit einem Zusatz- Antrage des Abg. Frhr. Hehl zu Hernsheim (natl.) einer Kommission überwiesen. Darauf begann die erste Beratung des Gesetz-Entwurfs zum Schutze des Arbeits-Verhältnisses. Der Reichskanzler, Fürst Hohenlohe-Schillings­fürst, leitete die Debatte mit einer kurzen Dar­legung der Gründe ein, welche für die verbün­deten Regierungen bei Einbringung der Vorlage maßgebend gewesen sind. Staatssekretär Graf v. Posadowsky rechtfertigte den Inhalt des Gesetzes in eingehender Weise. Er schilderte, wie die Sozialdemokratie einen Staat im Staate bildeten und darauf ausgingen, sich diktatorischer Gewalt über die gesamte Arbeiterschaft zu be­mächtigen, und schloß mit der Hoffnung, daß Las Bürgertum diese Gefahr erkennen und sich fest zeigen werde. Nach ihm bekämpfte Abg. Bebel (Soz.) den Entwurf in langer Rede. Alsdann wurde ein Vertagungs-Antrag angenommen. Bei der Weiterberatung des Gesetzentwurfs ruft Präsident Graf Ballestrem den Abg. Bebel wegen seiner gestrigen Aeußerung, das Zustande­kommen der Vorlage werde dem deutschen Reiche zur Schmach und Schande gereichen, zur Ord­nung. Abg. v. Levetzow (kons.) tritt für die Vorlage ein. Abg. Lieber (Ztr.) spricht sich dagegen aus. Seine Partei wolle für die Kom­missionsberatung stimmen, aber nur, um die auf­gerollte Frage der Koalitionsfreiheit zur Wahr- heit zu machen. Abg. Bass ermann (natl.) fuhrt aus, seine Partei sei monarchisch gesinnt, ste sei eine überzeugte Anhängerin der jetzigen Gesellschaftsform, halte es aber für richtig, das Gesetz abzulehnen. Grade in Anerkenntnis der Gefahr des Wachsens der Sozialdemokratie sei me Einbringung eines solchen Gesetzes falsch, die Sozialdemokratie sei die einzige Partei, die Freude Uoer die Einbringung des Gesetzes empfinde, sollte die Regierung um dieser Vorlage willen oeu Reichstag auflösen, so würde sie nicht bloß ie ganze Arbeiterschaft, sondern auch weite Kreise oer bürgerlichen Parteien gegen sich haben. Ich E es für richtig, im kommenden Herbst sofort Plenum die Vorlage möglichst rasch äbzu-

lehnen. Staatssekretär Dr. Nieberding: Die Anwendung des groben Unfug-Paragraphen er­folgt zumeist durch die Schöffengerichte, weil das allgemeine Rechtsgefühl hier eine Lücke em­pfindet. Abg. Dr. Arendt (Reichsp.) polemi­siert gegen die Abgg. Wassermann, Dr. Lieber und Bebel; Redner wird häufig von heftig lärm­enden Sozialdemokraten unterbrochen.

Berlin, 22. Juni, nachm. Für Verweisung des Gesetzes zum Schutz der Arbeitswilligen an eine Kommission stimmten nur die beiden konservativen Parteien und 12 Nationalliberale; die Verweisung an eine Kommission ist daher ab gelehnt und damit die Ablehnung der Vorlage entschieden.

Bei Berghaupten unweit Offenburg sind kürzlich größere Lager von guter und brauch­barer Anthracitkohle aufgedeckt worden. Der Landesgeologe Professor Dr. Sauer-Heidel­berg, der die Berghauptener Stollen in Augen­schein genommen hat, sagt, daß im Bereiche der gesamten südwestdeutschen Ecke, einschließlich der Schweiz, Baden allein abbauwürdige Steinkohlen­lager besitzt, diese aber auch nur an einer Stelle, nämlich bei Berghaupten-Diersburg. Damit gewinne dieses vereinzelte Vorkommen eine hervorragend wirtschaftliche Bedeutung, welche noch dadurch erhöht werde, daß die Kohle selbst zwei für die Anforderungen der Gegenwart be­sonders schätzenswerte Eigenschaften besitzt, daß sie erstens anthracistisch, zweitens frei bis arm an Schwefelverbindungen ist. Sie ermögliche demnach eine rauchfreie Verbrennung und ent­wickle auch keine schweflige Säure, die bekannt­lich im Fabrikbetrieb die Kesselanlage stark schädigt. Bei dem stets zunehmenden Kohlenmangel und der Wahrscheinlichkeit, daß die Zechenverwaltungen im Saar- und Ruhrgebiete ihren Aufträgen bald nicht mehr nachzukommen vermögen, erregen die genannten Funde natürlicherweise allgemeines Interesse.

Württemberg.

Stutgart, 22. Juni. Die Beeidigung und Amtseinsetzung des neugewählten Stadt­schultheißen Gauß hat heute Vormittag in gemeinschaftlicher Sitzung der bürgerl. Kollegien stattgefunden.

Stuttgart, 21. Juni. In der Kammer der Abgeordneten ist nun das Volksschul­lehrergesetz nach teilweise recht lebhaften Debatten gemäß den noch weitere Verbesserungen des Gesetzentwurfs bringenden Anträgen der Kommission angenommen worden. Die Trennung des Mesnerdienstes vom Schuldienst wurde prinzipiell ausgesprochen; nur diejenigen Lehrer, welche seither den Mesnerdienst besorgten, dürfen ihn am gleichen Ort auf etwaigen Wunsch behalten. Nach dieser Uebergangszeit aber kann ein Lehrer den Mesnerdienst nur mit spezieller Genehmigung der Oberschulbehörde übernehmen. Auf katholischer Seite hatte man gewünscht, daß es jedem Lehrer frei stehen soll, ob er diesen Mesnerdienst mit Nebeneinkünften übernehmen wolle oder nicht.

Stuttgart, 21. Juni. Dem Vernehmen nach hat sich der württ. Städtetag dahin geeinigt, bei der Anpassung der Lehrergehalte an das neue Schulgesetz gemeinsam vorzugehen. Es würde demnach in all den Städten Stuttgart, Cannstatt, Eßlingen, Heilbronn, Ulm u. s. w., in denen die Gehaltssätze der Lehrer nach dem sogenannten Altersklassen-Gehaltsshstem schon bisher dieselben waren, auch künftig dieselbe Gehaltsskala Geltung haben.

Hall, 21. Juni. Unsere Stadt rüstet sich, in würdiger Weise das bevorstehende Brenz- Fest zu feiern. Am Samstag dem Geburtstag des württ. Reformators, der 1522 bis 1546 in hiesiger Stadt eine für Kirche und Schule gleich segensreiche Wirksamkeit entfaltet hat, soll feier­licher Kirchgang unter Beteiligung der älteren Schuljugend in die Michaelskirche stattfinden und nach der Predigt unter dem Geläute der Glocken von St. Michael und St. Katharina der Festzug sich an den gegenüber der Michaelskirche gelegenen freien und hochgelegenen Platz begeben, auf den das Brenzhaus zu stehen kommen soll, um dort die feierliche Grundsteinlegung vorzunehmen. Mittags soll ein Festessen und abends die Auf­

führung des Brenz-Festspiels von Pfr. Gommel stattfinden. Für Sonntag nachmittag ist eine Wiederholung des Festspiels in Aussicht ge­nommen, das bei früheren Aufführungen eine starke Zugkraft bewiesen hat. Das Komite zur Erbauung eines Brenzhauses, das mit den, be­sonders der Jugend zu gut kommenden Zwecken eines evang. Vereinshauses die Ehrung unseres Reformators durch Aufstellung einer Büste von Brenz und Erstellung eines Jedermann zugäng­lichen, Schriften, Bilder und Andenken von Brenz enthaltenden Lesezimmers (Brenz-Museum) ver­bindet, hofft, daß ihm durch Zuwendung des von der Oberkirchenbehörde empfohlenen Kirchenopfers des nächsten Sonntags und von Sammlungen gelegentlich der Schulfeier eine kräftige Unter­stützung zu teil werden werde, deren es im hohen Grade bedürftig ist. Wie man hört, sind da und dort auch in Gymnasien Sammlungen gelegent­lich der Brenz-Feier in Aussicht genommen und möge dieses Vorgehen vielfache Nachahmung finden. (S. M.)

Stuttgart. Der Stand unserer Wein­berge ist heute gut und die allgemeine Blüte des Rebstocks steht vor der Thüre. In den be­vorzugten Berglagen ist die Blüte der Früh­sorten schon in vollem Gang. Der Johannis­feiertag (24. Juni) gilt im allgemeinen bei den Weingärtnern als der normale Tag der Trauben­blüte. Das würde Heuer so ziemlich stimmen. Wir sprechen aber, offen gesagt, nicht gerne von großen Hoffnungen für den Weinstock, aus Furcht, die Sache zubeschreien", das Wetter zu ver­derben. Der Weinstock braucht eben nicht bloß zur Zeit der Blüte, sondern auch noch nachher viel gutes, sommerliches Wetter (wie zuletzt das Jahr 1897 gelehrt hat, wo die Reben frühzeitig und herrlich verblühten, die späteren Monate aber alles verdarben.) Warten wir also ab, ob der Himmel dem Weinstock günstig bleibt, was unseren, in den letzten Jahren so schwer geprüften Winzern wahrlich zu gönnen wäre. Zu bemerken ist noch, daß es anfangs schien, als werde der heurige Ertrag nur ein geringer sein, wie sich aber jetzt zeigt, haben die Weinstöcke ziemlich viel Trauben.

Spaichingen, 21. Juni. Der Lemberg­turm ist nunmehr fertiggestellt. Der höchste Punkt der Alb hat jetzt einen Aussichtsturm.

Ausland.

Von der Friedenskonferenz im Haag erfährt man neuerdings, daß nun doch ein fakultativ ständiges Schiedsgericht durch die bei der holländischen Regierung beglaubigten Gesandten der europäischen Mächte gebildet werden könne.

Haag, 21. Juni. Aus gut unterrichteter Quelle erfahren wir, daß Rußland in den nächsten Tagen einen endgiltigen Abrüstungsantrag in der Konferenz einbringen wird. England werde diesem Antrag beistimmen unter der Bedingung, daß er einstimmig angenommen werde.

Haag, 21. Juni. Leon Bourgeois, Vor­sitzender der dritten Kommission der Friedens­konferenz, hat gestern vor seiner Abreise nach Paris einigen Mitgliedern gegenüber erklärt, daß er in zwei Tagen wieder im Haag zu sein hoffe, da er den Auftrag, ein neues Kabinet zu bilden, nicht annehmen werde.

Unterhaltender Heil.

Privat-Eigentum.

Eine lustige Geschichte aus der Sommerfrische.

Bon Alwin Römer.

^Fortsetzung.^

Die nächste halbe Stunde ging es ihm er­träglich. Abgesehen von den neugierigen Fliegen, die geologische Forschungsreisen in seine Ohr­muschel und andere Gebiete der Nachbarschaft unternahmen, störte ihn nichts. Leider aber hatte er vergessen, sein Fenster wieder zu schließen, und da bis zum Morgen desselbigen Tages eine alte Dame mit einem jungen Fräulein in diesem Zimmer gewohnt hatten, deren gezähmter Zeisig gewöhnt war, zum Fenster aus- und einzufliegen, so geschah es Plötzlich, daß der kleine gefiederte Kerl mit schrillem Gezwitscher auf dem Tische vor des Baumeisters Antlitz herumhüpfte und sich offen­bar nicht genug in Verwunderung darüber thun