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den Kopf wie zum Zeichen der Einwilligung unmerklich senkte.
Hollah! in diesem Augenblicke haben die Beiden einen Pakt geschlossen! dachte der Kommissar ingrimmig, unausgesetzt bald den bleich und erschöpft dastehenden Rechtsanwalt, bald den hartgesottenen Verbrecher beobachtend, der zuversichtlich guten Mutes frech und dreist um sich blickte.
„ Nicht wabr, Sie haben mir dafür 20000 Mark versprochen und in einem Check auf die Nationalbank auch ausgezahlt?" frug er Wilser direkt, ehe der Kommissar ihn daran zu hindern vermocht hatte.
Die Anrede des Menschen schien für Arthur etwas ungemein Widerwärtiges in sich zu schließen; dieser wurde rot und blaß im Gesicht. Alsdann, unfähig einen Laut hervorzubringen, nickte er nur mit dem Kopfe.
„Ihr lügt Beide!" brummte der Kommissar ganz leise vor sich hin.
Im selben Augenblicke wurde die Thür geöffnet und die Helmspitze eines Schutzmannes tauchte auf.
Wachtel näherte sich der Thür und tauschte einige Worte mit dem Beamten aus; dann trat er auf Bock zu, der inzwischen in dem vor ihm liegenden Aktenbündel geblättert hatte und eben eine neue Frage an die Verhafteten richten wollte.
„Nun, was giebt's?" frug er gereizt, als sich der Kommissar an sein Ohr niederbeugte.
„Ich habe mir vorhin erlaubt, die Witwe Schwarz, die Zimmerherrin Schneidewin's, durch Vermittlung des nächsten Reviers, das ich telephonisch angerufen, sofort hieher kommen zu lassen — der Wagen mit der Frau ist eben augefahren und diese wartet im Vorzimmer."
„Aber aus welchem Grunde?" frug Bock ungehalten.
Aber der Kommissar hatte dem Schutzmann schon ein Zeichen gegeben, die Harrende eintreten zu lassen.
Als die Witwe ihren bisherigen Mieter erblickte, vermochte sie einen leisen Schrei nicht zu unterdrücken. Aber der Kommissar hatte sie schon bei der Hand gefaßt und führte sie zum Untersuchungsrichter. Zugleich schob er die auf dem Tisch liegenden, blutbefleckten Beinkleider näher heran.
„Schauen Sie doch 'mal diese Hosen an," sagte er. „Wem gehören die?"
Ein Wutschrei entfuhr in diesem Augenblicke den Lippen Schneidewin's; dieser mochte Wohl die Absicht des Kommissars ahnen. Der Verbrecher ballte die Fäuste und nahm eine Miene an, als ob er sich auf die Wirtin stürzen wollte.
Aber ein gebieterischer Blick Wachtel's zwang ihn, sehr gegen den eigenen Willen, zum Stillverhalten.
„Unterstehen Sie sich!" sagte der Kommissar und wendete sich zur Witwe zurück.
Diese hatte das blutbefleckte Kleidungsstück inzwischen zaghaft angefaßt und widerwillig betrachtet.
„Das Beinkleid gehört dem da!" sagte sie dann, durch eine Achselbewegung auf Schneide- win deutend.
„Sie lügt!" zischte der sich bedroht Sehende. „Sagen Sie selbst, daß sie lügt! wendete er sich blitzschnell an Arthur, der ganz apathisch dastand.
Aber schon war der Kommissar mit drohender Miene zwischen Beide getreten.
„Keinen Laut mehr!" sagte er bedeutsam.
„Ich lüge nicht!" meinte Frau Schwarz nun gereizt. „Ich kenne die Hose genau — ich habe sie ja täglich geputzt; der Schneidewin trug sie alle Tage, sie war sein ein und alles, und bis ich sie geputzt hatte, mußte er im Bett stecken bleiben — und warten Sie mal," unterbrach sie sich, an den Fingern abzählend. „Am dreizehnten war's, da wollt ich das Beinkleid wieder aus der Stube holen — aber der Schneidewin meinte, er habe es zu sehr zerrissen, er müsse es einem Schneider bringen — und dann gab er mir durch die Thür Geld, und ich mußte, was ich konnte, nach dem Kleider-Baron laufen und ihm dort eine neue Hose kaufen — die Paßte auch gleich und er hat sie jetzt noch an!"
In ohnmächtiger Wut knirschte Schneidewin, seine Faust ballend, mit den Zähnen.
Der Kommissar aber trat blitzenden Auges auf ihn zu und starrte ihn mit durchbohrendem Blicke an.
„Wollen Sie jetzt Ihr dummes, einfältiges Lügensystem nicht lieber aufgeben und gestehen?" frug er mit schneidendem Hohn.
Arthur stand noch immer mit müder, zerstreuter Miene da; es hatte den Anschein, als ob er von den Vorgängen rings um ihn nichts verstände oder doch wenigstens nicht auf dieselben achtete.
^Fortsetzung folgt.)
Verschönerungsvereine existieren gegenwärtig in der großen Mehrzahl der deutschen Städte, deren Leistungen um so höhere Anerkennung verdienen, als das Geschehene zumeist mit nur ganz geringen Mitteln hergestellt worden ist. Mancher Platz ist durch Baum- und Strauchanlagen oder sonstigen gärtnerischen Schmuck verschönt, die Promenaden geebnet und mit Ruhebänken versehen worden, auch an der Einrichtung von Springbrunnen und dergl. mehr mangelt es nicht. Zu dieser Maienzeit entzückt natürlich ganz besonders der pflanzliche Schmuck, der reicher oder schlichter, je nach den vorhandenen Mitteln, angelegt worden ist. Bei diesen Anlagen, die das Auge erfreuen und das Herz entzücken, mangelt nach unserer Meinung aber eins, namentlich im Interesse unserer Heranwachsenden Jugend, dem mit geringfügigen Mitteln abzuhelfen wäre. Die Namen der Bäume und Ziersträucher sind in den wenigsten Fällen angegeben: ihre Kenntnis ist aber dringend geboten, nicht etwa bloß im wissenschaftlichen Interesse, sondern auch in dem der Freude an diesen Bäumen, Sträucher und Blumen selbst. In Berlin giebt es einen dem Andenken des großen Naturforschers, Alexander von Humboldt, gewidmeten Hain, der auch dessen Namen trägt, in dem aus einfachen, Weißen Blechtafeln die Namen der heimischen, wie ausländischen Gewächse in deutlich sichtbarer Schrift angegeben sind. Der Hain ist auch nur eine Jedermann zugängliche Anlage, wie so viele andere; daß man in ihm aber die Namen kennen und z. B. einen Ahorn- von einem Haselnußbaum unterscheiden lernt, das hebt ihn über das Alltägliche hinaus. Nachahmung, die schnell zur Herbeiführung einer größeren Mannigfaltigkeit in der Ausschmückung führen würde, kann daher nur warm empfohlen werden.
Basel, 25. Mai. Ein heiteres Stückchen, das als Illustration zu der eben stattfindenden Abrüstungskonferenz dienen könnte, ereignete sich am Samstag vor Pfingsten, abends nach 7 Uhr, in Basel. Der „Konst. Ztg." wird darüber geschrieben: Vier deutscheSoldaten, drei Infanteristen und ein Kavallerist, ließen sich in einer Droschke in der Stadt herumführen. Auf ihrem Wege begegnete ihnen ein französischer Soldat in schmucker Uniform, den die Deutschen zum Mitfahren einluden. Die Einladung wurde angenommen. Vor der Brauerei Warteck ließen die Vaterlandsverteidiger anhalten und zur Besiegelung ihres Freundschaftsbundes Vier herausbringen. Als jeder ein Glas in der Hand hatte, drehte sich der Franzose um und stieß mit den Deutschen unter dem Ausruf „Vivo I'allianes!" kräftig an. Die umstehende Menschenmenge brach dabei in laute Hochrufe aus.
Die Flucht einer Harems-Königin. Ein merkwürdiger Vorfall wird aus der Märchenstadt am Goldenen Horn berichtet. Die schöne Zulfahra, eine Favoritin des Sultans, dürfte Wohl die erste Türkin sein, der es gelang, die stets wachsamen Eunuchen zu hintergehen und unbemerkt aus dem Mdiz Kiosk zu entweichen. Das unerhörte geschah während der allgemeinen Aufregung, die das soeben beendete Fest „Leilath el Kodret" verursacht hatte. Wie man bis jetzt feststellen konnte, ist es ein kühner Brite gewesen, der die schöne Haremsdame so zu bethören wußte, daß sie der furchtbaren Gefahr des Entdecktwerdens trotzte und sich von ihm entführen ließ. Die Sache ist so außerordentlich schlau eingefädelt
worden, daß die geriebensten Spione des Sultans nicht herauszufinden vermögen, auf welche Weise die Flucht bewerkstelligt wurde, geschweige denn wo sich Zulfahra gegenwärtig befindet. Soviel aber wird mit Gewißheit angenommen, daß wenigstens einer aus der Ennuchengarde die Hand im Spiel gehabt hat. Da man den Schuldigen aber nicht entdecken kann, werden auf Befehl des Sultans sämtliche Eunuchen des Palastes eine Woche hindurch täglich gepeitscht und bei Brot und Wasserdiät außerdem noch eingekerkert gehalten. Abdul Hamid empfindet den Verlust eines Weibes, und wäre es selbst seine Lieblingsgattin gewesen, nicht besonders schmerzlich, aber er fühlt sich in hohem Maße beunruhigt, indem er nicht mit Unrecht voraussetzt, daß diese erfolgreich ausgeführte Flucht zur Nachahmung reizen dürfte. Die Idee, daß eine seiner holden Gemahlinnen Gefallen an einem Andersgläubigen finden könnte, ist dem Beherrscher der Türken kaum jemals gekommen, daß aber gar eine bevorzugte Schöne des Harems um eines Barbaren willen das Oberhaupt der Anhänger Allah s verlassen würde, erscheint diesem noch jetzt, wo das Niedagewesene bereits geschehen ist, als etwas gänzlich Unfaßbares. Die grausame Strafe, die den Emmchen zu Teil geworden ist, wird die armen Kerle Wohl für lange Zeit davon abhalten, bei derartigen romantischen Unternehmen hilfreiche Hand zu leisten.
(Kindermund.) Karlchen (auf einen Papagei zeigend): „Ach, das ist ein hübscher Vogel!" — Mama: „Ja, er ist auch sehr artig; er heult nicht wie Du!" — Karlchen: „Ja, dem wird auch nicht alle Tage der Hals gewaschen!"
(Der Pantoffelheld.) Fährt meine Frau aus, Elise?" — „Ja, gnädiger Herr!" — „Weißt Du nicht, fahre Ich mit?"
Telegramme.
Haag, 30. Mai. In der gestrigen Sitzung der Zweiten Kommission regten die russischen Vertreter die Abschaffung der „Dumdum"- Geschossean. Die britischen Vertreter erklärten, daß England darauf nicht eingehen könne.
Paris, 30. Mai. Nach zuverlässigen Mitteilungen ist das Kolonialministerium im Verein mit den militärischen Behörden gegenwärtig damit beschäftigt, alle Vorkehrungen zu treffen, um die Rückkehr des Dreyfus nach Frankreich sofort nach dem Spruche des Kafsationshofes in die Wege zu leiten. Es geht daraus hervor, daß man auch in diesen amtlichen Kreisen nicht mehr an der Bewilligung der Revision zweifelt. Die Militärbehörde besteht darauf, daß Dreyfus als Gefangener zurückgebracht wird. Formell ist sie dabei im Recht, denn wenn auch das Urteil des Kriegsgerichts auf Degradierung und Verbannung durch den Kaffationshof aufgehoben wird, so bleibt doch die Anklage auf Landesverrat gegen den Hauptmann Dreyfus noch immer bestehen, und Dreyfus kehrt nicht als Freigesprochener, sondern als Angeschuldigter von der Teufelsinsel in die Heimat zurück. Anders läge die Sache, wenn das Urteil des Kassations- Hofes einfach auf Aufhebung des kriegsgerichtlichen Urteils (ohne Verweisung an ein neues Kriegsgericht) lauten würde. In diesem Falle wäre Dreyfus sofort frei.
Toulon, 30. Mai. Der Bürgermeister von Toulon hat einen Aufruf anschlagen lassen, worin er die Bürger auffordert, freudigst die Franzosen zu begrüßen, die mit Marchand die Forschungsreise durch Afrika gemacht und auf diese Weise sich die Anerkennung aller Nationen erzwungen haben. Der Gemeinderat hat 30 000 Franken für den Empfang bewilligt. Es ist die Weisung ergangen, Marchand mittels Sonderzuges nach Paris reisen zu lassen, wo er um 4 Uhr morgens eintreffen soll. Man will hierdurch offenbar Straßenkundgebungen vermeiden.
BestelliliW Ws -eil „WWer"
für den Monat Juni
wollen noch bei den Poststellen und Postboten gemacht werden. In Neuenbürg abonniert man in der Geschäftsstelle d. Bl.
Rebattio«, Druck und Berlag vo» L. M««h tu Reuenbürg.