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gar verwandt? — ich will's gestehen, ich suchte 'n bischen den Abend über zu lauschen — aber sie sprachen ganz leise, man konnte nichts hören
— nur kurz bevor er wegging, da hörte man so'n Geschrei — als ob einer geschlagen wurde
— aber genau konnte man's auch nicht hören
— und dann riß er die Vorsaalthür auf und stürmte wie ein Wilder die Treppe hinunter."
„Eben der Doktor Wilser?" forschte der Untersuchungsrichter.
„Der und kein Anderer!" beteuerte Frau Lehmann.
„Wurde er von dem alten Wilser hier begleitet oder schlug er die Thür selbst hinter sich zu?" forschte Bock wieder.
„Nein, er ging allein aus'm Zimmer, das will ich beschwören! berichtete die kleine Frau eifrig. „Zwischen dem Korridor hier und dem unsrigen ist nur eine dünne Fachwand — da hört man jedes Wort, was da gesprochen wird
— aber er lief ganz allein — es muß dunkel auf dem Korridor gewesen sein, denn plötzlich schrie er leise, als ob er sich gestoßen habe — dann ging die Thür auf — und weg war er!"
„Ob der Scheidende die Thür geschlossen hat, das vermochten Sie nicht wahrzunehmen?" flug Wachtel dazwischen.
Frau Lehmann schüttelte den Kopf.
„Ich wollte unsere Thür nicht mehr auf- machen — es brannte noch im Treppenhause Licht, da hätte er mich sehen können und für neugierig will man doch nicht gelten — aber heute früh war die Thür offen — ich dachte der alte Wilser sei hinuntergegangen und werde gleich wiederkommen, an so 'was Schreckliches dachte ich nicht!"
Sie verspürte gute Lust, im Verein mit Frau Schmidt ein erneutes Lamento anzustimmen, aber mit barscher Stimme unterbrach sie Bock.
„Wann war's, als der angebliche Doktor Wilser forlging?" frug er.
„Gleich zehn Uhr Abends war's, ich sah zufällig auf die Uhr."
„Hat sonst Jemand rm Haus ihn kommen oder fortgehen sehen?"
„Ich," meinte Frau Schmidt vortretend. „Ich wollte gerade das Thor schließen, als er sich an mir vorbei auf die Straße drückte."
„Kennen Sie denn den Rechtsanwalt auch persönlich?" frug Wachtel.
„Nicht doch, aber er war ein junger Mann mit blondem Vollbart — er gehörte nicht ins Haus —"
„War's der?" frug der Untersuchungsrichter, in plötzlichem Entschluß beiden Frauen das geöffnete Medaillon vorhaltend.
Beide stießen einen Ausruf aus.
„Der und kein anderer!" beharrten sie. „Das beschwören wir gern!"
„Fiel Ihnen im Wesen des Rechtsanwalts irgend was auf?" frug der Untersuchungsrichter nach einer Pause die Vizewirtin.
„Nicht daß ich wüßte," meinte diese achselzuckend. „Mir lag der Schlaf schon in den Augen — ich ärgerte mich nur, daß er sich so ungehobelt benahm."
„Nahmen Sie vielleicht Blutspuren an seinen Kleidern wahr?" forschte Bock wieder.
„Nein," kopfschüttelte Frau Schmid. „So was hätte ich bemerkt, es war ja ziemlich hell im Hausflur."
„Der Thäter hat schwerlich Blutspuren davongetragen, warf der Arzt mit gedämpfter Stimme ein. „Er vollführte, wie ich bereits erläuterte, den tätlichen Schnitt vom Rücken des Opfers aus; der Blutstrom schoß nach vorn und benetzte den Mörder nicht."
„Dann muß der Sterbende aber doch die Kraft benutzt haben, den Namen seines Mörders zu schreiben." meinte der Kommissar.
„Das ist ausgeschlossen!" widersprach der Arzt. „Der Tod trat auf der Stelle ein."
„Aber es ist doch widersinnig anzunehmen, daß der Schuldige seinen eigenen Namen mit dem Blute seines Opfers aufzeichnen und sich dadurch selbst an's Messer bringen wird!" rief Wachtel erregt.
Der Arzt zuckte die Achseln.
„Ich habe die Ehre, Herrn Wilser zu kennen,"
sagte er dann. „Er ist ein Ehrenmann im schönsten Sinne des Wortes und sicherlich keines Verbrechens fähig!"
Keiner der beiden Beamten gab ihm eine Antwort, dieselben flüsterten eine Weile mit einander.
Dann wendete sich der Untersuchungsrichter wieder an den Arzt.
„Mit welchem Instrument mag die That vollbracht worden sein?"
„Jedenfalls mit einem haarscharfen Rasiermesser," entgegnete der Gefragte, ohne sich einen Augenblick zu besinnen. „Dafür spricht der glatte Wundrand."
Der Kommissar machte sich, auf einen Wink seines Vorgesetzten, mit einigen Unterbeamten bereits daran, sowohl das Zimmer, als eine an dieses stoßende fensterlose Kammer, die ihren einzigen Zugang nur von der Stube hatte, sorgsam zu durchsuchen.
Bock wendete sich wieder an die Vizewirtin.
„Berichten Sie mir etwas über die Lebensgewohnheiten des Verstorbenen," sagte er aufmunternd. „Was für ein Mann war er — gesellig oder lebte er zurückgezogen — empfing er viele Besucher oder —"
„Nichts von alledem," entgegnete Frau Schmidt, an ihrer Schürze zupfend. „Er war ein braver Mann, das muß man ihm nachsagen — ein pünktlicher Zahler — sprechen mochte er nicht viel — er hielt sich ganz allein in seiner Wohnstube — sein einziger Freund war sein Hund, ein großer Neufundländer — ein schreckliches Tier, das einen am liebsten zerrriß, wenn man seinen Herrn nur schief anblickte — ja, wo ist denn der Hund geblieben?" unterbrach sie sich, die Hände zusammenschlagend. „Daß Hektor uns in die Wohnung gelassen hat!"
„Hier liegt er!" erscholl aus der anstoßenden Kammer die Stimme des Kommissars.
Hastig traten alle in das Nebengelaß.
Ihre Blicke fielen auf einen vor dem verendet auf dem Boden liegenden riesigen Hund; der Arzt überzeugte sich alsbald, daß das gewaltige Tier auf dieselbe Weise und wahrscheinlich auch mit demselben Instrument um's Leben gebracht worden war, wie sein unglücklicher Herr.
„Aber das Rasiermesser fehlt — hier ist ein leerer Messerbehälter" — er deutete auf den Tisch — „der Mörder hat die Waffe mit sich genommen."
„Haben Sie schon die Kästen und Schubladen untersucht?" frug der Untersuchungsrichter. „Man muß doch einen Anhalt gewinnen."
„Ich fürchte, wir haben bereits Gewißheit!" „Aber ich durchsuchte Alles — der Thäter hat fein säuberlich ausgeräumt — auch nicht das geringste Schriftstück ist vorhanden — selbst die Taschen des Toten enthalten absolut nichts Wesentliches, außer Uhr, Geldbeutel mit unbedeutendem Inhalt, Taschenmesser —"
^Fortsetzung folgt.)
Den Bewohnern von Nidda und Umgegend wurde ein eigenartiges Schauspiel geboten. Es wurde die Verschiebung, bezw. Auswechslung der alten über die Nidda führenden 30 Meter langen Eisenbahnbrücke mit einer neuen vorgenommen. Die alte etwa 60 000 Kilogr. schwere Eisenbahnbrücke mußte durch eine neue ersetzt werden; letztere im Gewicht von etwa 80000 Kilogramm war vorläufig auf einem Holzgerüst neben der vorhandenen Brücke aufgebaut. Die Auswechslung beider Brücken auf eine Entfernung von sechs Metern war in 45 Minuten beendet. Das Schauspiel hatte Hunderte von Zuschauern herbeigelockt.
Eine billige Düngung von Obstbäumen. In der neuen Nummer des Praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau wird von einer leicht zu bewirkenden billigen Stickstoffdüngung der Obstbäume berichtet. Dem Freiherrn von der Borch in Holzhausen bei Nicheim in Westfalen fiel es auf, daß unter seinen Obstbäumen einzelne sich durch besonders grünes Laub, üppiges Wachstum und reichlichen Fruchtansatz auszeichneten, ohne daß er sich anfangs die Ursache erklären konnte, denn die Obst
bäume waren sämtlich zu gleicher Zeit aus der gleichen Baumschule bezogen. Bei genauerem Nachforschen fand er, daß regelmäßig unter den kräftigeren Obstbäumen die „ausdauernde Lupine" wuchs, die der Wind vom nahen Walde unter den Bäumen ausgesäet hatte. Herr von der Borch hat auf Grund dieser Beobachtung sorgfältige Versuche gemacht und ist zur wichtigen Entdeckung gekommen, daß Impinus pereunis so ist ihr botanischer Name, die unter Obst- bäumen wächst, dauernd einen außerordentlich günstigen Einfluß auf das Wachstum der Bäume hat. Wer sich näher für diese billige und bequeme Düngung interessiert, lasse sich die betreffende Nummer des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau von dem Geschäftsamt in Frankfurt a. O. kommen — sie wird gern auf Wunsch umsonst zugeschickt.
(Folgendes Geschichtchen) aus dem Leben Mark Twains finden wir in Wiener Blättern erzählt: Der amerikanische Humorist veranstaltet eine Reihe von Vorträgen in Neuseeland. Eines Tages sprach er über die „Prohibition," das ist jenes Gesetz, das den Verkauf alkoholischer Getränke verbietet. Mark Twain erklärte zwar, daß er ein Anhänger dieser Maßregel sei, aber er mußte anerkennen, daß sie auch ihre unangenehmen Seiten habe, und gab als Beweis dessen Nachstehendes zum Besten: Es sind mehrere Jahre her, daß ein braver Bursche aus dem Westen in eine Stadt kam, für die das Prohibitions-Gesetz galt. Er fragte nach einem Wirtshause, aber man sagte ihm, er werde nirgends wo anders etwas zu trinken bekommen, als bei dem Apotheker. Der brave Bursche ging also zum Apotheker und setzte diesem sein Verlangen auseinander. Der aber erklärte: „Ohne Rezept eines Arztes kann ich Ihnen kein Getränk verabfolgen." Der Unglückliche entgegnete: „Ich sterbe vor Durst und habe keine Zeit, einen Arzt zu suchen." Dann kann ich Ihnen nicht helfen," lautete die Antwort, „ich darf alkoholische Getränke bloß in dringenden Fällen verabreichen und speziell nur, wenn Jemand von einer Giftschlange gebissen wurde." „Wo ist eine solche Schlange aufzutreiben?" fragte der vom Durst Gequälte. Der Apotheker gab ihm die Adresse derselben und der Bursche eilte fort. Aber bald kam er wieder, Verzweiflung im Gesichte. „ Nun?" rief der Apotheker. „Gnade!" jammerte der Andere, „die Schlange kann nicht mehr beißen vor Ueberanstrengung und ist oben drein aus Wochen hinaus bestellt."
(Ein Schlauberger.> „Wollen Sie wirklich Ihr ganzes Gepäck allein nach Hause schleppen?" — „Gewiß! Meine Frau soll mir nicht wieder den Vorwurf machen, daß ich mit leeren Händen von der Reise zurückkomme!"
(Falsch verstanden.s . . . .: „Herr . . .
., sehen Sie Sich 'mal dieses Gemälde
von „Hünten" genauer an, das ist famos. . .
. . . „Ich muß Ihnen ganz offen sagen, Herr Baron, ich bin zwar kein Kenner, aber mir gefällt das Bild von vorn viel besser."
(Höhere Protzerei.) Vater (zu seiner Tochter): „Was, aus Liebe willst Du Dich heiraten lassen, wo Du Dir den aussuchen kannst, der die meisten Schulden hat!"
Telegramme.
Berlin, 13. April. Der Kaiser machte heute Vormittag nach dem Vortrage des Staatssekretärs v. Bülow einen Besuch beim Reichskanzler, um ihm nachträglich persönlich seine Glückwünsche zum 80. Geburtstage auszusprechen.
Breslau, 13. April. Der König von Württemberg trifft am 1. Mai zum Besuch des Herzogs Nikolaus von Württemberg in Karlsruh (Oberschlesien) ein.
KstellmM ms den „EnMer"
für das zweite Huartat
können noch bei den Poststellen und Postboten gemacht werden. In Neuenbürg abonniert man in der Geschäftsstelle d. Bl.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeh tu Neuenbürg.