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Die „Württ. Volksztg." hat anläßlich des Geburtstages des Fürsten Bismarck in mehreren volkstümlichen Beiträgen ausgeführt, wie die große Erschütterung der deutschen Volksseele durch den Hingang des eisernen Kanzlers auch in der Dichtung nach einem Ausdruck rang. Das Blatt ist nun in der Lage, ein Beispiel, wie mächtig der Abschied dieses Gewaltigen von der Erde das Gemüt des Volkes ergriffen hat, in Folgendem mitzuteilen. Im Schwarzwald, im Thale der Enz, lebt und arbeitet ein wackerer schwäbischer Schlossermeister. Schon manches Opfer hat er in stiller Weihestunde der Muse der Dichtkunst dargebracht. Und als aus dem Sachsenwalde die Trauerkunde von Bismarcks Tode durch alle Lande lief, da lieh der einfache Mann seinem Patriotischen Schmerze in folgenden Versen Worte, die auch dxn Lesern des „Enzthälers" nicht vorenthalten werden dürfen:
Die Rieseneiche im Sachsenwalde.
Im Sachsenwald stand eine Eich',
Gewaltig, hoch und stark,
Wie keine sonst im Deutschen Reich;
Wohl traf sie auch manch' fetter Streich,
Doch niemals bis ins Mark.
Wie hat's im Wipfel des Koloß So mächtig einst gerauscht,
Daß d'rob der alte Barbaroß'
Aus seinem Schlaf im Zauberschloß Erwachend ihm gelauscht.
Dies seltsam Rauschen mir erklär'
Geschwind, du kleiner Zwerg:
„Ich bring Euch gute Botschaft, Herr,
Die Raben kreisen nimmermehr Um den Kyffhäuserberg.
Der deutsche Aar, der heimatlos Einst flog von Forst zu Forst,
Fand endlich in der Aeste Schoß Von einer Eiche, riesig groß,
Nun Schutz für seinen Horst.
Mit schwerem Flügelschlag hat er Die Rabenbrut betäubt,
Und keck der Alten freches Heer,
Will's Gott! aus Nimmerwiederkehr In alle Welt zerstäubt.
Darauf der Adler wieder kühn Sich in die Lüfte schwang. —
Dies ist, Gebieter, nun der Sinn Von jenem Rauschen, das vorhin Zu Eurem Ohre drang."
„Mein Sohn, du bringst mir frohe Mär'; Erfüllt ist nun mein Traum;
Gerettet ist nun Deutschlands Ehr Und meines Bleibens nimmermehr In diesem Kerkerraum." —
Dem Worte folgt die Thal zugleich;
Denn mit ihm stieg empor,
Verjüngt, erneut, dem Phönix gleich,
Im Strahlenglanz das Deutsche Reich,
So schön, wie nie zuvor.
Das Sehnen, das der Väter Schar Schon still im Busen trug,
Ist nun gestillt, der deutsche Aar,
In ferne Welten nimmt er gar Stolz heute seinen Flug. —;
Doch jene Eiche, die so groß,
Einst alle überragt,
Sie teilte alles Jrdschen Los:
Sie sank, auch noch im Fallen groß,
Vom Wurm der Zeit benagt.
Drum geht heut durch den Sachsenwald Ein Rauschen trauervoll,
Im deutschen Volk es widerhallt,
Das ihm mit seiner Thräne zahlt Des Dankes letzten Zoll.
Wenn gleich sein Schatten unten schwand,
Was er gewirkt, gethan Als Werkzeug einst in Gotteshand An unserm deutschen Vaterland Vergißt kein deutscher Mann.
So ruh nun wohl, du großer Held!
Auch du bist nun dahin,
Bist auch in jener bessern Welt Nun deinem Kaiser zugesellt,
Sein größter Paladin.
Ludwig Schwarz.
Unterhaltender Heil.
Um den Kopf!
Kriminalroman von Georg Höcker. ^Fortsetzung.^
Kalte Wut faßte Arthur bei diesem schrecklichen Hohn an. Man sah es seinen straff werdenden Gesichtsmuskelu an, daß er sich macht
voll beherrschen mußte, um nicht der Versuchung nachzugeben und den elenden Menschen, der ihn noch obendrein zu verhöhnen lvagte, durch einen Fauststreich niederzuschlagen.
Aber nicht umsonst war der junge Rechtsanwalt ein geschulter Jurist; er wußte sich zu bezwingen.
„Natürlich glaube ich von Ihren Andeutungen vorläufig nicht das Geringste," sagte er, kühl bis an das Herz hinan. „Ich weiß noch nicht, ob ich nicht besser thue, die schmutzige Erpressergeschichte — denn um eine solche handelt es sich zweifelsohne — der Behörde zu übergeben — jedenfalls können Sie mir die Adresse meines angeblichen Vaters zurücklassen."
„Mit dem größten Vergnügen, entgegnete der Andere mit listigem Augenzwinkern. „Davor sind wir sicher, daß Sie uns die Polizei auf die Hacken Hetzen, — Ihr Papa wird's Ihnen schon beweisen, daß Sie sein Sohn und Erbe sind — hähä — er verlangt weiter nichts, als daß Sie sich zu ihm bemühen — natürlich ohne Zeugen, denn da würde er nicht mit der Wahrheit Herausrücken, da hat er einen zu großen Respekt vor dem Scharfsinn des Herrn Rechtsanwalts, der möchte ihm da irgend eine kniffige Falle stellen — aber unter 4 Augen will er dem Herrn Alles offenbaren — und der Rechtsanwalt möchte auch dafür sorgen, daß der Papa etwas zu knabbern hat — so für'n Anfang würden 10000 Mark Wohl zulangen."
„Die Adresse wünsche ich zu wissen, nichts weiter!" unterbrach ihn Arthur schroff, der seine äußerliche Ruhe zurückgewonnen hatte.
Bergstraße Nummer 146, vier Treppen hoch, die rechte Flurthür — Sie können gar nicht fehlgehen. Zum Ueberfluß steht noch der Name draußen Franz Wilser — so hieß Ihr Vater doch, he?"
„Hinaus!" donnerte der Rechtsanwalt und wies nach der Thür.
„Ich gehe schon freiwillig," meinte der Verkommene schnippisch. Ich werde Papa n auch hübsch grüßen — und nur das Baare nicht vergessen, aus der Sohnesliebe macht sich der ehrwürdige Alte weniger — hähä!"
Damit ging der Bringer solch schreckvoller Neuigkeiten; Arthur Wilser aber brach, kaum daß sich hinter jenem die Thür geschlossen, wie vernichtet auf seinem Lehnstuhl nieder.
Ein Schwindel hatte ihn überkommen, der ihm schier das Herzblut stocken machte.
„Großer Gott — mein Vater — lebt — nun ist Alles, Alles aus!" stöhnte er endlich, beide Hände vor das Angesicht schlagend.
Lange Zeit hindurch saß er unbeweglich, wie zur Marmorstatue erstarrt da. Nur das tiefwehe Stöhnen, welches über seine Lippen glitt, verriet den in ihm pulsierenden Sturm der Leidenschaft.
„Mein Vater lebt!" ächzte er dann wieder.
Wie in maßloser Wut ballte er die Fäuste und blickte wild um sich, als ob er sich auf einen unsichtbaren Gegner stürzen und diesen zerschmettern wollte.
Wie die Fanfaren des jüngsten Gerichts tönten ihm nun die Worte in die Ohren, welche der Vater seiner angebeteten Braut vorhin zu ihm gesprochen hatte; dazwischen hinein aber gellten die höhnischen, frechen Aeußerungen des Bevollmächtigten jenes Mannes, der sich für seinen Vater ausgab.
Eine innerliche Stimme sagte es Arthur, daß jener verkommene Mensch nicht log: sein Vater lebte!
Aber was für ein Vater war es, der ihm da so unvermutet von den Toten auferstanden war! Nach den Andeutungen seines Komplizen hatte er den größten Teil seines Lebens hinter Zuchthausmauern geschmachtet! Heimgekehrt war er nur, um schmachvolle Erpressung an seinen nächsten Blutsverwandten auszuüben!
Arthur erhob sich, ruhelos schritt er auf und nieder.
Er war zu sehr Mann, um sich haltlos der machtvoll Wider sein Herz leckenden Verzweiflung hinzugeben. Ach, er liebte seine teure Mutter über Alles; er wußte es schon zu dieser Stunde, daß die ehrwürdige Matrone, ohnehin durch Krankheit aller Art leiblich geschwächt, diesen
fürchterlichen Schicksalsschlag nicht überleben würde.
Aber wie stand es mit seiner Braut? — Ach, immer von neuem kehrten die Worte des alten Warnstorf in sein Gedächtnis zurück, die er vorhin noch mit glücklichem Lächeln anzuhören vermocht und die nun mit der Schwere eines vernichtenden Schicksalschlages ihm an's Ohr heranbrausten.
Wie konnte er in Zukunft vor seinem Schwiegervater bestehen?! War es nicht seine Pflicht, dem so stolz an seiner makelreinen Ehre hängenden Manne alles schonungslos zu künden?
Aber was dann?
Arthur wußte es, daß ihm selben Augenblicke, wo er des verkommenen Vaters Heimkunft entdeckte, ihm die heißgeliebte Braut, ohne deren Besitz er sich seines Lebens Zukunft gar nicht mehr vorstellen konnte, auf ewig verloren war. Aber wie nun, wenn er schwieg? — Wurde er dadurch nicht selbst zum Ehrlosen?
Ach, so viele Fragen, so viele bange, gleich zweischneidigen Schwertern ihm in's Herz bohrende Zweifel! In dem Labyrinth gräßlicher Seelenqual, in welches er so Plötzlich geraten, wußte er nur den einen Gedanken klar anszudeuken: Schuldlos hatte er sein Lebensglück verloren! Was er vorhin noch so glückbeseligt besessen — eine unüberbrückbare Kluft trennte ihn davon!
Stunden verstrichen und Arthur ging noch immer mit über der Brust gekreuzten Armen im Zimmer auf und nieder.
Immer düsterer wurde der Gesichtsausdruck des ruhelos hin und wieder Schreitenden; ein vielleicht unheilvoller Entschluß rang sich sichtbar von seiner Seele los.
„Es bleibt mir keine Wahl! flüsterte der junge Rechtsanwalt endlich. „Bevor ich irgend einen Entschluß fassen kann, muß ich Klarheit besitzen — erst zu jenem Manne, der es wagen darf, sich meinen Vater zu nennen — und den ich, Gott verzeihe mir diese Sünde, schlimmer hassen muß, als meinen Todfeind — ist er doch der Vernichter meines Glückes!"
Er warf, sich vor den Schreibtisch setzend, hastig einige Zeilen auf ein Blatt Papier und kouvertierte diese. Dann rief er durch ein Klingelzeichen den Diener ins Zimmer.
„Diesen Brief besorgen sie ohne Verzug nach dem Landhause des Herrn Kommerzienrats Warnstorf!" sagte er so gelassen wie möglich. „Antwort ist nicht nötig."
Dann, als sich die Thür hinter dem Diener geschlossen, atmete Arthur tief auf. Er öffnete ein Schreibfach des Tisches und entnahm diesem einen Revolver, sowie einen kurzen, breiten, in einer Ledertasche steckenden Dolch.
„Zur Vorsicht," sagte er zu sich selbst. „Man kann nicht wissen, in welche Falle ich gelockt werden soll —"
Dann machte er sich ausgangsfertig; seiner entschlossenen Miene war anzusehen, daß er die Entscheidung noch am selben Abend herbeizuführen beabsichtigte.
^Fortsetzung folgt.)
Münster i. W., 30. März. Der „West! Merkur" schreibt: Eine recht zeitgemäße Frage wurde hier dieser Tage abends an einem Biertische aufgeworfen, und zwar: „Was kostet die Jäger der Stadt Münster eine Waldschnepfe?' Ein alter Herr, dem man Wohl eine ziemlich Erfahrung Zutrauen darf, gab die Antwort: „Jedes Stück 500 -/A!" Darob große Verwunderung. Der alte Herr begründete seine Antwort indes wie folgt: In Münster gehen etM 100 Jäger auf den Schnepfenstrich. In der Oslerzeit und im Herbst mögen diese sich^ das Vergnügen etwa zwanzig Mal erlauben, -veoer Jagdtag kostet ihn mindestens 5 ^ (Fahrgeld, Zehrgeld, Skatgeld). Das macht im ganzen 10000 ^ Mehr als zwanzig Schnepfen werden nicht erlegt; also kostet jede Schnepfe 500 ^ In diese Rechnung ist nicht einbegriffen Jagdpacht, Hundehaltung, Ausrüstung u. s. w. Twre Schnepfen! Dagegen sind doch die Schnepfe, die man beim Wildhändler das Stück für 4? Mark „erlegt", bedeutend billiger.
Redaktion, Druck nnd Verlag von C. Meeh tu Neuenbürg.