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Aus den „Gedanken u. Erinnerungen" des Jürgen Mismarck.
V orbemerkung.
Seit dem 29. Nov. 1898, dem Tage des Erscheinens dieses hervorragenden Werkes, hat sich die Wahrheit des Schiller'schen Worts wieder einmal bewährt: „Wenn die Könige bau'n, haben die Kärrner zu thun." Die meisten Zeitschriften und Tagesblätter haben sich mit seinem Inhalt beschäftigt, einzelne bedeutsame Abschnitte mitge- teilt, die Fülle neuer, wichtiger Aufschlüsse über Personen und Thatsachen gewürdigt, hie und da auch manches ergänzt und — freilich sehr wenig — berichtigt; denn bei einem Bismarck ist letzteres schlecht angebracht. Prof. Horst Kohl-Chemnitz schrieb einen Wegweiser durch die „Gedanken und Erinnerungen" und dieser beste Bismarck-Kenner der Gegenwart förderte damit das Verständnis des Buches ungemein. Die zwei Bände haben bereits eine Geschichte. Schon vor ihrem Erscheinen sprach ihnen ein vorlauter Pariser Kritiker jeden Wert ab: Sie enthielten nichts als Schwindel, die Erinnerungen brächten nichts, was man nicht schon wisse, auch die Gedanken seien ganz unbedeutend. Als aber das Buch zu reden anfing, schwieg der brave Mann. Ein Leipziger Verleger bemängelte in Hardens „Zukunft" die Ausstattung und den Preis des Buches und warf dem Cotta'schen Verlag vor, es sei ihm mehr darum zu thun gewesen, ein gutes Geschäft zu machen, als das Werk so auszustatten, wie es eines solchen Verfassers würdig wäre. Die Verteidigung Kröners in der „Allgemeinen Zeitung" fiel etwas schwach aus. Seither ist das Buch in die wichtigsten europäischen Sprachen übersetzt worden, und sein Inhalt ist allgemein bekannt. Eben deshalb liegt es mir ferne, hier über Bismarcks politische Erinnerungen zu sprechen; aber nahe liegt es, auf die Suche nach guten Gedanken zu gehen, und ich biete hier den Lesern des Enzthälers eine Auswahl derselben. Möge sie eben so freundlich ausgenommen werden, wie die aus den Reden des großen Toten! -ü-
Bei den rein preußischen Zivil-Diplomaten, welche der Wirkung militärischer Disziplin gar nicht oder unzureichend unterlegen hatten, habe ich in der Regel eine zu starke Neigung zur Kritik, zum Besserwissen, zur Opvosition und zu persönlichen Empfindlichkeiten gefunden, verstärkt durch die Unzufriedenheit, wenn ein Standesgenosse ihm über den Kopf wächst oder außerhalb der militärischen Verhältnisse sein Vorgesetzter wird.
Es ist, als ob unsere Staatsmänner wie die Bäume in den Baumichulen zu voller Wurzelbildung der Versetzung bedürften.
Zur Charakterisierung des Herrn Prätorius (Rat am Aachener Stadtgericht, als Bismarck dort Auskultator war) wurde uns jungen Leuten erzählt, daß er in den Sitzungen, wenn behufs der Abstimmungen aus einem leichten Schlummer geweckt, zu sagen pflegte: „Ich stimme wie der Kollegs Tempelhos", und gelegent- lich darauf aufmerksam gemacht werden mußte, daß Herr Tempelhof nicht anwesend sei.
Es liegt in der menschlichen Natur, daß man von jeder Einrichtung die Dornen stärker empfindet als di e Rosen, und daß die Elfteren gegen das zur Zeit Bestehende verstimmen.
Das Osterfest.
Feierlicher Glockenklang läutet das frohe Fest des Frühlings und der Auferstehung ein. Was Lieder und Gedichte in ergreifenden Worten und Tönen vom Frühlinge Preisen, was des Menschen Herz beim Wiedererwachen der Natur sehnsuchtsvoll schwellt, drückt das Wort „Ostern" aus, welches das älteste Fest der Menschheit bezeichnet. Viele Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende, ehe das Christentum seinen Flug über die Erde genommen, erfreute sich die Menschheit an der Auferstehung der Pflanzenwelt. Sie feierte das Wiederaufleben der erstorbenen Natur, die Wiederkehr der langen, sonnendurchwärmten Tage, der linden Nächte, das Erblühen der duftigen Blumen und das Keimen der Früchte. Auf Höhen und in Thälern wurde die Gottheit gepriesen, welche den Menschen ihre Güte und Allmacht bei der Wiederkehr des Frühlings beweist. Alle christlichen Völker haben das Osterest nach dem jüdischen Passah benannt, aus
welchem elfteres hervorgegangen war. Nur die Deutschen behielten den altheidnischen Namen bei. Ostara war die Göttin des Frühlings, die von den alten Sachsen verehrt wurde. Mit dem Kultus, der ihr vor Einführung des Christentums geweiht wurde, hängen die Namen der Osterwälder, Osterberge, ferner die Gebräuche des Osterfeuers, des Osterwassers und der Ostereier zusammen. Letztere wurden der Frühlingsgöttin als Opfer dargebracht, da die Eier das erste Geschenk des Frühlings sind. Dieselben waren ein Opfer, wie ja auch das Osterlamm ein Opfer an die Gottheit war. Die ersten Christen aber legten dem Symbol eine neue Bedeutung bei, indem das Osterlamm ein Sinnbild Christi und das Ei ein Symbol der Auferstehung wurde. Im Stammsitz der Hermunduren, in Thüringen, werden noch heute die alten Gebräuche geübt. Da reitet man noch ins Osterwasser, da werden noch Osterfeuer angezündet, aber unsere raschlebige Zeit läßt solche Sitten leider immer mehr in Vergessenheit geraten, und nicht lange wird es mehr dauern, bis sich das Osterfest seiner eigentümlichen Volksgebräuche entäußert haben wird.
Neubreisach, 27. März. Man spricht von einem „Kindersegen." Und in der That sind Kinder auch der Segen einer Familie, aber ob das „Glück" noch so groß ist, wenn es einem geht, wie einem hiesigen Drechslermeister, der dem „Elf. Tagebl." zufolge dieser Tage zum 24. Mal den Gang nach dem Standesamt zum Einträgen des 24. Kindes in das Geburtsregister antreten mußte, ist doch etwas fraglich.
Aus der Schweiz, 28. März. Im Garten des Pfarrhofes von Leu! — berichtet die „N. Zürch. Ztg." — waren am 19. März an einem Rebschosse zwei vollständige Trauben zu sehen. Wenn damit das Leuk im oberen Rhone thal gemeint sein sollte, so ist das allerdings eine sehr anständige Leistung dieses sonnigen „geheizten Winters."
„Das Beschwerdebuch her!" Zu welchen Sinnestäuschungen ein Rausch führen kann, dafür lieferte ein biederer Thalbewohner des badischen Renchthales einen schlagenden Beweis. Voll des guten Weines wollte er auf der Bahn heimwärts ziehen, vorher aber noch im warmen Wartesal ein halbes Stündlein ausruhen. Er schwankte und schwankte, geriet jedoch statt in den Wartesaal in einen in der Nähe befindlichen Wassergraben. Ec legte sich destoweniger gemütlich hin und schlief auch wirklich ein. Plötzlich verspürte er jedoch die Nässe auf seiner Haut, und Vorübergehende hörten aus der Tiefe die Worte: „Das Beschwerdebuch her! Ist denn dies auch auch ein Wartesaal, da brennt nicht einmal Licht — und Wasser steht auch noch darin."
sAus einer Rede.j - Uebrigens bin ich der Ansicht, daß wir, mit einiger Umsicht und Vorsicht, Aussicht haben, unsere Absicht zu verwirklichen!"
Auflösung der Ergänzungsaufgabe in Nro. 49.
Osterlieder Hallen wieder,
Steigen jubelnd auf und nieder!
Still die Klagen um die Deinen,
Höre auf, um sie zu weinen:
Engel stehen um die Gruft,
Himmelssang tönt durch die Luft:
Christ, es giebt ein Auferstehen!
Herz, es naht ein W:edersehen!
Richtig gelöst von Nane Naumann und Aline Winter.
Aufgabe.
Eine Bauernfrau verkauft bunte Ostereier, mehr als 60, aber weniger als 160. Zuerst verkauft sie ein Drittel ihres Vorrats, alle Eier dieses Drittels zu gleichem Preise; dann ein zweites Drittel ä Stück einen Pfennig weniger als das Stück des ersten Drittels, zuletzt das dritte Drittel ä Stück zwei Pfennige weniger als jedes Stück des zweiten Drittels.
Wie viel Eier hat sie verkauft? Wie viel Pfennige erhielt sie für jedes Ei des ersten Drittels?
Telegramme.
Baden-Baden, 31. März. Der Kaiser hat an den Reichskanzler folgendes Telegramm gerichtet: Ich freue mich, Ew. durchlaucht ri,r glücklichen Vollendung Ihres 80. Geburtstages die wärmsten Glückwünsche aussprechen zu können Gott der Herr hat Sie in Ihrem Leben und in Ihrer Arbeit bisher sichtbar gesegnet. Er wolle Ihnen auch ferner Gesundheit und Kraft verleihen, damit Ihre ausgezeichneten Dienste mir und dem Vaterlande noch lange erhalten bleiben Ich weiß mich eins mit meinen hohen Verbündeten und meinem ganzen Volke, wenn ich Ihnen an Ihrem heutigen Geburtstage die Gefühle tiefempfundenen Dankes zum Ausdruck bringe für die aufopfernde Treue, mit welcher Sie als ein leuchtendes Vorbild ihres verantwortungsvollen Anwälten. Ihr wohlgeneigter Wilhelm I. R.
London, 31. März. Der Southamptoner Vergnügungsdampfer „Stella" mit 185 Reisenden und 35 Mann Besatzung an Bord ging am Donnerstag Nachmittag unter, nachdem er auf einen Casquet—Felsen nördlich von der Kanalinsel Guemsey aufgefahren war. Etwa 100 Personen, darunter sämtliche Frauen und Kinder wurden in Booten gerettet. Man befürchtet, daß alle übrigen auf dem Dampfer befindlichen Personen umgekommen sind.
BestMilgen auf de« „knzUn"
für das zweite Huartat
wollen bei den Poststellen und Postboten gemacht werden. In Neuenbürg abonniert man in der Geschäftsstelle d. Bl.
Der „Enzthäler" enthält bekanntlich die amtlichen Bekanntmachungen sämtlicher Behörden des Oberamtsbezirks Neuenbürg, sowie einzelner Behörden der umliegenden Bezirke(Holzverkäuferc.) und ist deshalb für viele Interessenten ein unentbehrliches Blatt.
Im redaktionellen Teile des „Enzthäler" werden die hervorragendsten p olitischen Ereignisse in übersichtlicher, wenn auch in gedrängter Form besprochen. Durch direkten telegraphischen Verkehr und Telephonanschluß ist der „Enzthäler" in der Lage, die wichtigsten Ereignisse rasch und zuverlässig zur Kenntnis seiner w. Leser zu bringen und die Redaktion scheut kein Opfer, dies in besonders wichtigen Fällen durch Extrablätter zu thun, wie überhaupt die politischen Nachrichten und die Verhandlung en des Reichstags und der württ. Kammer möglichst berücksichtigt werden.
Auch den übrigen Interessen und dem unterhaltenden und gemeinnützigen Teil wenden wir, wie bisher, besondere Sorgfalt zu.
Die Redaktion ist bestrebt, allen gerechten Anforderungen, welche an ein 4 mal erscheinendes Bezirksamts- und Lokalblatt gestellt werden können, Genüge zu leisten.
Wir richten deshalb an alle unsere Freunde die freundliche Bitte, mit uns dafür wirken zu wollen, daß
Der „Gnzthiiler"
in jedem Hause bekannt und heimisch werde.
In dieser Woche vor. Ostern mußten wir, des Andrangs anderweitigen Stoffes und Raummangels wegen, den „Unterhaltenden Teil" auf Weniges beschränken.
Mit der nächsten Nummer beginnen wr den spannenden Kriminalroman
„Um den Kopf" von G eorg Höcker, worauf wir unsere w. Leser und Leserinnen aufmerksam machen.
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Wed, u Meckag des Saz tHäters.
Am Ostermontag wird
kein Blatt ausgegeve«.
Redaktion, Druck und Verlag von T. Meeh in Neuenbürg.