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Verstorbenen bereits aufgestellt war. Beim Ein­zug der Trauerversammlung in den Friedhof spielte die Prem'sche Musikkapelle den Beethoven- schen Trauermarsch. Vor dem Postament ange­langt, sang zuerst der Liederkranz zum Beginn der Totenfeier das Faißt'sche Trostlied:Mag auch die Liebe weinen." Hierauf zeichnete Prof. Weit brecht von der hiesigen technischen Hoch­schule in schwungvollen Worten ein Bild der menschlichen Persönlichkeit des Toten. Alsdann sang der Stuttgarter Lehrergesangverein in gleich­falls sehr schöner Weise das LiedWiedersehen" von Fink. Hierauf sprachen Gemeinderat Gauß, Bürgerausschußobmann Kraut, Baurat Kölle, Major v. Manch, dann ein städtischer Arbeiter, hierauf Oberbürgermeister Nast von Cannstatt, Stadtbaurat Mayer, Wilh. Speemann, Oberpost­meister Steidle namens des deutschen Sänger­bundes. Prof. Blum feierte die Verdienste des Verewigten um den schwäb. Sängerbund. Es folgte Schützenmeister Föhr und Schulrat Frohn- meyer. Kränze wurden weiterhin niederaelegt namens der Stuttgarter Stadtgarde zu Pferd, dann namens des Knabenhorts durch Kaufmann Schickhardt. Ein Volksschüler trug ein schönes, zu der heutigen Feier verfaßtes Gedicht vor und überreichte der Persönlich anwesenden Witwe des Entschlafenen ein Bouquet. Der Vorstand des Verschönerungsvereins, Oberforstrat v. Fischbach folgte mit einem Kranz, sodann Hr. Oesterlen im Auftrag des literarischen Klubs und der letzte (20. Kranz) wurde durch Hrn. Schickhardt namens der weiblichen Angestellten in Handel und Ge­werbe niedergelegt. Hierauf sang der Liederkranz Sanft und ruhig ist der Schlummer", worauf die Prem fche Musikkapelle das Mendelssohn sche LiedEs ist bestimmt in Gottesrath" spielte.

Stuttgart, 27. März. Hofbankdirektor Geh. Hofrat Alb. v. Kaulla ist nach längerem Leiden gestern im 67. Lebensjahr unerwartet schnell verschieden.

Stuttgart, 27. März. Seitens der Aktiengesellschaft Jmmobilienverein ist schon vor einiger Zeit das dem Bahnhof gegenüberliegende Konrad Witwersche Anwesen mit einem Meßge­halt von ca. 18 Ar für eine Million Mark er­worben worden. Der Ankauf geschah haupt­sächlich, um hier für die Wullesche Brauerei ein Restaurationslokal in größerem Stil einzurichten ; neuerdings hat die Gesellschaft beschlossen, einen stattlichen Neubau mit einem Kostenaufwand von 600000 Mark zu errichten, wobei die Anlage eines Saalbaues für Varietetheater mit inbe­griffen ist. Zu ebener Erde sollen feine Ge­schäftsläden mit eingerichtet werden.

Cannstatt, 27. März. Heute früh wurde hier mit den Arbeiten zur Erstellung der ersten Straßenbahn-Strecke König - Karls - Brücke Kursal begonnen. Es sind sehr zahlreiche Kräfte in Thätigkeit. Außer der im Bau befindlichen neuen evangelischen Kirche auf dem Seelberg wird hier in Bälde ein weiteres Kirchlein er­stehen. Neben der bekannten Villa Seckendorf, die sehr reich an Vermächtnissen sein soll, wird in diesem Jahr für der Anstalt nahestehende Kreise ein eigener großer Betsaal erstellt werden. Der Rohbau ist zu etwa 46 000 Mark veranschlagt.

Cleebronn, 27. März. Gestern war der neuernaunte Landeskonservator Prof. Gradmann hier und besichtigte die Ausgrabungsstelle auf der westlichen Seite des Michaelsbergs, wo anläßlich der Aufführung von Vetonmauern durch Herrn Pyrotechniker Fischer, die Grundmauern des alten Schlosses Ober-Magenheim aufgedeckt worden sind. Dasselbe ist, den vielen Kohlenresten nach zu schließen, Wohl durch Feuer zerstört worden, vermutlich im 12. oder 13. Jahrhundert. Bis jetzt ausgegrabene Fundstücke sind: 1 Steigbügel, mehrere Messer und eine Klinge, die wahrschein­lich ein Hirschfänger gewesen ist, außerdem viele Reste von Tongefäßen. Es besteht die Absicht, diese Fundstücke dem historischen Museum in Stuttgart einzuverleiben.

Mergentheim, 28. März. Die bekannte Kassler Haferkakaofabrik ist in eine Aktiengesell­schaft umgewandelt worden und wird sich dem Vernehmen nach mit der Hohenlohe'schen Nähr­mittelfabrik Gerabronn vereiuigen, welche bis jetzt jenem Unternehmen ihr rühmlichst bekanntes

Hafermehl geliefert hat. Diese Vereinigung wird dem Gerabronner Unternehmen sehr zu gute kommen und von sehr günstigem Einfluß auf ihre Rentabilität sein. Dies wäre um so wünschenswerter, als sie ausschließlich landwirt­schaftliche Produkte in großem Umfange ca. 50000 Ztr. Hafer allein sollen vorigen Herbst gekauft worden sein verarbeitet und diese vorzugsweise aus dem Jagstkreise bezieht.

Wenden, 25. März. Eine sehr schwere Verletzung zog sich heute morgen der Bauer Hart mann bei Handhabung der Futterschneid­maschine zu. Während des Gangs des Göppels brachte er die rechte Hand in die Maschine, und sämtliche Finger derselben wurden ihm abge­schnitten. Auch die linke Hand wurde verletzt, so daß der bedauernswerte zeitlebens erst seit einem Jahr verheiratete Mann verkrüppelte Hände behalten wird.

Calw, 27. Marz. Gestern verschied un­erwartet schnell an einem Herzschlag Hr. Louis Dingler, alt Adlerwirt hier, in einem Alter von 65 Jahren. Der Verstorbene war nicht nur hier und im Bezirk, sondern weithin eine bekannte und beliebte Persönlichkeit. Schon durch seinen Beruf als Wirt kam er mit sehr vielen Personen in Berührung und durch seine thätigkeit als Landwirt erwarb er sich eine große Vertrauens­stellung in den landwirtschaftlichen Kreisen. Er war viele Jahre hindurch Vizevorstand des land­wirtschaftlichen Vereins, und geschäftsführender Vorstand des landwirtschaftlichen Konsumvereins.

Unterreichenbach, 28. März. Letzten Samstag wurde der hiesige Ort von einer Zigeunerbande, ca. 80 Personen, heimgesucht. Landjäger Schumacher von hier wollte die Bande aus dein Ort weisen, was ihm aber nicht so leicht gelang, denn die Zigeuner widersetzten sich seinen Anordnungen. Es ist dies die gleiche Bande, die im Durlacher und letzte Woche im Neuenbürger Amt Diebstähle verübte.

Stuttgart. sLandesproduktenbörse. Bericki vom 27. Mürz von dem Vorstand Fritz Kreglinger.) Während die Vorwoche für Weizen einen kleinen Preis­rückgang verzeichnete, kann von dieser Berichtsperiode von einer nicht unwesentlichen Erhöhung der Preise berichtet werden. Die amerikanischen sowohl wie die deutschen Märkte zeigen große Festigkeit, hauptsächlich in Folge der eingetretenen abnormen rauhen Witterung und Notierungen haben sich um ca. 5V »f gegen die Vorwoche erhöht. Die Tendenz der Jnlandsmärkte war im Allgemeinen auch eine festere. Das Geschäft an heutiger Börse war trotzdem nicht von Belang, da der plötzlich eingetretene Witterungsumschlag Zurückhaltung veranlahte. Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 29 50 bis 30 ^ Nr. 1: 27

50 bis 28 ^, Nr. 2: 26 ^ ^ bis 26

50 Nr. 3: 24 50 ^ bis 25 Nr. 4:

22 -^4 50 bis 23k4 ^ . Suppengries 29 vk4 50 q bis 30 ^ >!. Kleie 8 50

Ausland

Die französische Deputiertenkammer hat einen pompösen, aber bei näherem Licht betrachtet, geradezu lächerlichen Beschluß gefaßt. Sie will so lange beisammen bleiben, bis das Budget durchberaten ist. Würden die Parteien in der Deputiertenkammer weniger Initiativanträge, Interpellationen u. s. w. stellen, so könnte das Budget längst durchberaten sein. Ein französ. Deputierter stellte nun auch den Antrag, man solle das Jahresgehalt der Deputierten von 9000 auf 15000 Frks. aufbessern, fand aber ebenso wenig eine Mehrheit, als der Gegenantrag, das Gehalt der Deputierten auf 6000 Frks. per Jahr herabzusetzen. Neuerdings heißt es, der Kriegs­minister habe den Obersten Paty de Clam vor Gericht stellen wollen, aber der Ministerpräsident habe im Ministerrat die Mehrheit für Ablehnung dieser Forderung bekommen.

Paris, 28. März. Der Kassationshof setzte heute in geheimer Sitzung die gestern be­gonnene Prüfung des geheimen Aktenstückes des Kriegsministeriums in der Dreyfusangelegenheit fort.

Vermischtes.

Der grüne Donnerstag giebt dem Volke Gelegenheit zu allerhand sonderbaren Ge­bräuchen. Der grüne Donnerstag gilt allgemein alsder gute Donnerstag," das heißt als der

höchste Glückstag des Jahres. Im Odenwald und in der Wetterau, auch im größten Teile Norddeutschlands benutzt man ihn 'mit Vorliebe zum Säen. In Ostpreußen mußte an ihm die älteste Jungfer des Bauernguts rücklings vom Tisch springen, dann wird der Flachs recht lang. Nesseln, am Morgen des grünen Donnerstages gesammelt, halten den Blitz vom Hause ab, und wenn man an ihm fastet, bekommt man das ganze Jahr keine Zahnschmerzen. Die Nacht zum Karfreitag hat Heilkräfte. In Schwaben reichen die Burschen ihren Mädchen in dieser Nacht auf bunte Bänder gereihte Bretzeln an Stöcken in das Fenster. Nüchtern gegessen, sollen dieselben vor dem Fieber schützen. In Thüringen benutzt man die Karfreitag-Nacht hauptsächlich zu Sympathie-Kuren. In der Neumark schlägt der Bauer um Mitternacht ein Ei in Wasser und zerrührt es; aus den während der Nacht zusammengeronnenen Figuren sieht er dann am Morgen, welche Früchte dies Jahr am besten geraten. Daselbst schneidet man auch am Karfreitag vor Sonnen-Aufgang die Nägel an Händen und Füßen kreuzweise, das heißt zuerst am rechten Fuß, dann an der linken Hand, dann umgekehrt; das schützt vor Zahnweh. Hochoben im Schwarzwald ist der Glaube verbreitet, daß die Sonne am Karfreitag trauere. In der Altmark vermeidet man es am Karfreitage, in den Garten zu gehen, da es sonst Raupen giebt. In ganz Norddeutschland fürchtet man den Karfreitagsregen.DochWenns dem Herrn Christus in das Grab regnet, giebt es einen dürren Sommer. Wer am Karfreitage, gräbt, stört die Ruhe des Heilands, wer aber an ihm nicht trinkt, kann das ganze Jahr trinken, soviel er will, er bekommt nie einen Rausch." Um Wetzlar heißt es gleichfalls:Regen am Karfreitag macht die Erde durstig," und in Schwaben weiß man:Wenns am Karfreitag regnet, hilft kein anderer Regen mehr, es muß alles verdorren."

Ergänzungsaufgabe

O.t.rl..d.r h.l..n w..d.r S.e.g.n j.b.l.d a.f u.d u..d..

S.i.l d.e K.a..n u. d.e D.i..n H.r. a.f u. s.. z. w..n..

E.g.l s.eh.. u. d.. G.u.t H.m.e.ss..g t..t d.r.h d.. L..t C.r..t e. g.e.t e.n A.fe.s.ch..

H..z e. n..t e..n W..d..s...n

Telegramme.

Berlin, 29. März. Der Ausschuß zur Errichtung eines Bismarck-Archivs in Stendal erläßt in der Nationalzeitung einen Aufruf, wo­rin an alle Deutsche des Inlandes und Aus­landes die herzliche Bitte gerichtet wird, die nationale Sache durch reichliche Beiträge zu unter­stützen. Mit dem Archiv soll eine Bismarck- Bibliothek und ein Bismarck-Museum verbunden werden.

Baden-Baden, 29. März. Der Reichs­kanzler ist gestern Abend hier eingetroffen.

KopPenhagen, 29. März. Der Folkething nahm gestern mit 73 gegen 28 Stimmen eine Vorlage an, wodurch der Betrag von 100000 Kronen zur Absendung eines Kreuzers nach den ostasiatischen Gewässern bewilligt wurde. Wie verlautet, werde Prinz Waldemar das Kommando des Kreuzers übernehmen.

Washington, 29. März. Die Generäl- adjutantur veröffentlicht eine Verlustliste, wonach seit 4. Februar auf den Philippinen 157 Mann gefallen und 864 verwundet wurden.

Das heutige Blatt wird statt vor­mittags erst nachmittags ausgegeben. Die nächste Nummer erscheint am Samstag (vor Ostern) und muß so zeitig fertiggestellt sein, daß das Blatt mit den um 12 Uhr ab gehenden Land­postboten und mit dem um dieselbe Zeit ab­gehenden Zug Beförderung findet. Größere Annoncen für diese Ausgabe müssen, des h. Char- freitags wegen, schon am Gründonnerstag Mittag eingereicht sein, während kleine Inserate, welche am Samstag früh übergeben sind, noch berück­sichtigt werden können.

Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh in Neuenbürg.