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hat mich mit hoher Freude erfüllt und ich danke Ihnen sehr dafür. In Erwiderung ergreife ich gern die Gelegenheit, ein für allemal aus­zusprechen, daß die katholischen Unterthanen, wo und wann sie desselben bedürfen sollten, meines kaiserlichen Schutzes stets sicher sein werden. Der Kaiser reichte dem Pater darauf die Hand und besiegelte damit gewissermaßen die Unauf­löslichkeit des Bandes, welches die Katholiken deutscher Nationalität in Palästina fest und dauernd mit dem deutschen Vaterlande verbindet. Die falschen französischen Ansprüche, die von der kurzsichtig geleiteten vatikanischen Politik eines Rampolla unterstützt worden waren, sind damit für immer vernichtet; die Frage der Schutz­herrschaft über die deutschen Katholiken im Orient ist damit erledigt.

Berlin, 31. Okt. Zu der Meldung der Schenkung der Dormition de la Samte Vierge bemerkt dieNordd. Mg. Ztg.": Wie der Kaiser in Jaffa auf die Ansprache des Paters Schmidt den deutschen Katholiken seinen Schutz, wo und wann sie desselben bedürfen, feierlich zusicherte, so bedeutet diese Schenkung, die den Verein vom heiligen Lande in Stand setzt, auf kaiserlichem Grund und Boden ein katholisches Gotteshaus oder eine Anstalt der Charitas zu errichten, daß der Kaiser neben der Bethätigung des prote­stantischen Glaubens bei der Einweihung der Kirche zu Jerusalem doch volle Parität gelten läßt und auf der Orientfahrt als christlicher Kaiser aller Deutschen auftritt. Der Platz Dormition de la Sainte Vierge war bisher Eigen­tum einer muhammedanischen Familie, von welcher der Sultan denselben erwarb, um ihm dem deut­schen Kaiser zu schenken, der nun durch die Neberweisung desselben an die deutschen Katho­liken diesen ein ebenso hochherziges als herrliches Geschenk gemacht hat als unvergeßliches An­denken an die Palästina-Reise des Kaisers für die katholischen Deutschen.

Das Gesamtergebnis der vollzogenen Urwahlen zum preußischen Abgeordneten­hause ist noch immer ein schwankendes. Dies namentlich deshalb, weil in vielen Wahlkreisen sich die von den einzelnen Parteien ausgestellten Wahlmänner fast in gleicher Stärke gegenüber­stehen, so daß erst die Wahl der Abgeordneten selbst Klarheit in die Sache bringen kann. Das Zentrum ist, soweit sich eben die Wahlergebnisse schon übersehen lassen, in seinem parlamentarischen Besitzstände unerschütterlich geblieben, ja derselbe wird sogar noch eine kleine Vermehrung erfahren, da deni Zentrum durch den Ausgang der Wahl- männer-Wahlen im Wahlkreise Ratibor die beiden Mandate des letzteren, welche bislang im Besitz der Konservativen waren, zugefallen sind. Die Nationallib. Corresp." betrachtet bereits 78 Mandate der nationalliberalen Partei als ge­sichert, doch ist es ausgeschlossen, daß sie wieder ihre bisherige Stärke von 84 Abgeordneten erreichen wiro. Beide freisinnigen Fraktionen zusammen werden künftig im Abgeordnetenhause etwa 35 bis 40 Mann stark sein, während die zwei konservativen Fraktionen daselbst in etwas geschwächter Zahl, gleich den Nationalliberalen, erscheinen werden. Die Polen müssen zwei Mandate als verloren betrachten, diejenigen für Posen-Land und für Gnesen-Witkowo, ein neues Mandat haben sie nicht zu erringen vermocht. Wieder kommt der eine Däne, daneben wird zum ersten Male ein Antisemit im Preußischen Abgeordnetenhause auftauchen, nämlich Werner als künftiger Vertreter des Wahlkreises Hersseld- Rotenburg, ihm dürfte sich vermutlich ein Nationalsozialer hinzugesellen, Herr von Gerlach, dessen Wahl in Lingen-Bentheim als gesichert gilt. Was endlich die Sozialdemokraten an­belangt, so werden sie voraussichtlich auch im neuen Abgeordnetenhause unvertreten bleiben.

Im ganzen Deutschen Reiche sind sämtliche Ansichts-Postkarten, auf denen Festungswerke ganz oder teilweise dargestellt waren, polizeilich beschlagnahmt worden. Betroffen wurden u. a. Ansichts-Postkarten von Spandau, Koblenz, Ehrenbreitstein, Magdeburg, Mainz und König­stein a. d. Elbe.

Als am letzten Freitag abend der Postbote Fischer in Gebesee bei Erfurt nach Hause

ging, wurde er auf der Straße von einem Manne angefallen und durch Messerstiche schwer verletzt, Der Thäter ist verhaftet.

Mannheim, 31. Okt. Fn einem Coupe II. Klasse hat sich am Samstag früh ein Reisen­der in dem um 8 Uhr von Heidelberg kommen­den Main-Neckar-Bahnzug kurz vor der Einfahrt in die Station Friedrichsfeld erschossen. Der Selbstmörder ist aus Frankfurt und zählt etwa 4045 Jahre. In seinem Besitz fanden sich nur 20 -ff vor, sowie eine Fahrkarte von Heidel­berg nach Heppenheim.

Offenburg, 26. Oktober. Die schlechte Weinernte hat nicht nur für die Rebbesitzer einen großen finanziellen Ausfall zur Folge, sie zieht bei uns wenigstens noch weitere Kreise in den Bereich der Geschädigten. Offenburg hat nämlich bisher aus den Herbsterträgnissen des St. Andreas-Hospitalfonds durchschnittlich etwa 25 000 Mark für städtische Ausgaben, hauptsächlich für Armenpflege, verwenden können. In diesem Jahre wird der ganze St. Andreas- Herbst auf 8000 Mark geschätzt. Der Ausfall von 17 000 Mark ist deshalb von den Umlage­zahlern zu tragen.

Vom Kaiserstuhl. Der Wein ist so ziemlich verkauft, wenn auch noch viel edles Naß des Weitertransportes harrt. Es wurden Preise von 50, 60, sogar 70 und 73 Mk. per Ohm erziehlt, ein Preis, womit der Weinbauer Wohl zufrieden sein könnte. Leider hat aber die Quantität viel zu wünschen übrig gelassen; man rechnet einen starken Viertel-Herbst. In den Weinbergen, die vom Hagel heimgesucht waren, haben die Leute nicht so viel geerntet, wie die Taglöhner während der Arbeiten im Laufe des Sommers Trinkwein beanspruchen können.

Württemberg.

Stuttgart, 29. Okt. Aus Anlaß der Vermählung der Prinzessin Pauline und des Erbprinzen Friedrich zu Wied hatte sich am Freitag abend eine glänzende Versammlung in dem festlich geschmückten K. Leibstallreithause eingefunden, um der höchst eigenartigen Fest­aufführung der Offiziere des württemb. Armeekorps zuzusehen. Das Hauptinteresse der Zuschauer konzentrierte sich zunächst naturgemäß auf die K. Loge, wo sämtliche Fürstlichkeiten, die zur Zeit in Stuttgart weilen, anwesend waren. Zum Empfang hatte sich das Komite, sowie der Kriegsminister und der kommandierende General aufgestellt. Beim Erscheinen der hohen Herr­schaften erhob sich das Publikum, die vereinigten Musikkorps intonierten die Königshymne, die stehend angehört wurde. Nachdem der König die Erlaubnis zum Beginn des Festspiels ge­geben hatte, begann alsbald die programm­gemäße Durchführung desselben, die in glänzender Weise gelang. Huldvoll dankten der König und das Brautpaar für die am Schluß der Auf­führung dargebrachte Ovation.

Stuttgart, 29. Okt. Ein sonniger Herbst­morgen war am heutigen Hochzeitstage der Prinzessin Pauline angebrochen. In den Hauptstraßen und aus den Plätzen der Stadt wogte es schon in den frühen Morgenstunden mit Menschen; hastig kreuzten sich ungezählte Equipagen und je näher die Zeit heranrückte, in welcher die eigentlichen Festlichkeiten vor sich gehen sollten, um so gewaltiger zog sich der Menschenstrom nach dem Schlosse. Mittags 12'/» Uhr fand durch den Minister des Kgl. Hauses, Ministerpräsioent Dr. v. Mittnacht die Ziviltrauung im Wilhelmspalaste statt. Dann ging es in glänzendem Zuge nach dem großen Marmorsaale im Residenzschloß. In dem neugebauten, mit einer Krone verzierten, von 6 feurigen Rappen gezogenen Galawagen saß die Königin mit der Prinzessin-Braut. Zur Spalierbildung auf dem Wege zur Trauung waren die Gespielinnen der Prinzessin, Schüler­innen von hier und Ludwigsburg rc. erschienen. Inzwischen hatte sich der Marmorsaal bereits mit den besonders geladenen Trauzeugen gefüllt: den höchsten Würdenträgern in Zivil und Militär. Nach 1 Uhr traten die Fürstlichkeiten in den Saal ein, in welchem unter Palmbäumen ein mit den heiligen Geräten geschmückter Altar er­

richtet worden war. Vor demselben nahm das Brautpaar Platz. Die Braut hatte eine schwere Weiße Satin-Duchessetoillette angelegt, der Bräutigam erschien in der Uniform des württ Leibdragonerregiments und war geschmückt mit dem ihm zur Hochzeit verliehenen Großkreuz der württ. Krone. Nach dem einleitenden Vorspiel und einem stimmungsvollen Gesang des Schloß­kirchenchors hielt Garnisonsprediger Blum eine tiefempfundene Ansprache, die er mit den Psalm­wortenLobe den Herrn meine Seele" einleitete. Als Text hatte er Ruth 1, 16, dieselbe Stelle die bei der Vermählung des ehemaligen Prinzen Wilhelm mit der Prinzessin v. Waldeck gewählt war, unterlegt:Wo du hingehst, da will ich auch hingehen, dein Volk ist mein Volk, dein Gott ist mein Gott!" Als der Prediger davon sprach, daß der Segen der verklärten Mutter der Braut auf dem Herzensbunde des jungen Paares ruhe und als er den Schmerz der Trennung von der trauten Heimat schilderte, brachen Braut und Bräutigam in Thränen aus. Auch König und. Königin konnten sich der Rührung nicht erwähren bei dem Gedanken: Es wird leerer und stiller werden in unserem Hause, wenn nach dem Abschied der heißgeliebten Tochter ein Jung­brunnen täglicher Freude und Erquickung ver­siegt. Doch das ist Elternlos im Palast wie im schlichten Bürgerhause. Eindringlich sprach der Geistliche dem Bräutigam ins Herz, sich so zu verhalten, daß nur gute Nachrichten nach Württemberg gelangen, wo man immer fragen werde, ob unsere teure Prinzessin glücklich an der Seite ihres Gatten ist. Der Ansprache folgte die kirchliche Einsegnung. Auf die vor­geschriebene Frage des Geistlichen an das Braut­paar antworteten Beide mit einem energischen Ja." Als die Ringe gewechselt wurden, ver­kündigte feierlicher Glockenklang von allen Kirchen der Stadt und mächtiger Kanonendonner von der Höhe den vollzogenen feierlichen Akt der Vermählung. Unter den Klängen des Chorals: Befiehl du deine Wege" verließen die Hochzeits­gäste den Saal und es folgte unmittelbar die Gratulationskour im Thronsaale. Um '/-Sllhr begann das Hochzeitsmahl im Weißen Saale. Etwa 240 Gäste nahmen daran teil. Das Brautpaar saß zwischen der Königin Charlotte und dem Fürsten v. Wied, welch letzterer dm Toast auf das Brautpaar ausbrachte mit dm Worten schließend: Wir wünschen, daß der Trennungsschmerz des treuen Baterherzens ge­mildert werde, durch die Aussicht auf ein langes schönes Glück der Tochter. Gegen 4 Uhr wurde die Tafel aufgehoben und das Brautpaar fuhr Per Wagen nach Schloß Vebenhausen über die Filder. Die gestern allgemein erwartete Ver­kündigung der Verlobung der Königin von Holland mit dem Prinzen Bernhard von Weimar, einem Enkel des hiesigen Prinzen Weimar, er­folgte nicht.

Stuttgart, 31. Okt. Umfassende Sicher­heitsmaßregeln waren zum Schutze der heute vormittag wieder abgereisten holländischen König­innen getroffen, ein ungewöhnlich starkes Aufge­bot von Schutzleuten sowie Geheimpolizisten um­gab das Kgl. Residenzschloß und hielt bei der Abreise den Weg vom Schloß zum Bahnhof be­setzt. Verschiedene Gerüchte, deren Wahrheit nicht ermittelt werden kann, tvaren im Umlauf, z. B. es seien Anarchisten von auswärts angekündigt oder gar schon hier eingetroffen, welche es auf das Leben der jungen Königin von Holland ab­gesehen haben sollten. Diese Gerüchte scheinen aber mindestens sehr übertrieben gewesen zu fein, denn die junge Königin zeigte sich wiederholt in den Straßen der Stadt, machte in verschiedenen Läden Einkäufe, ging und fuhr in den Anlagen spazieren und fuhr am Sonntag auch außerhaw der Stadt spazieren, ohne von einer Eskorte be­gleitet zu sein. Nach den Genfer Erfahrungen sind freilich auch ohne spezielle Anzeichen be­drohlicher Natur Sicherheitsmaßregeln sehr am Platz und gegen die zu jeder Schandthat fähigen und bereiten Anarchisten ist die sorgsamste Be­wachung hoher Persönlichkeiten leider überall notwendig.

Fortsetzung in der Beilage.

Redaltion,^Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.