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Preußens und Deutschlands zu schmieden. Wie großartig, wie weitschauend und wie zweckmäßig diese Pläne des jungen Diplomaten gewesen sind, das ist der staunenden Welt überraschend nach­gewiesen worden; fast würde dem Beweis die Überzeugungskraft gefehlt haben, hätte nicht eine geschichtliche Urkunde nach der anderen den Sachverhalt klar ans Tageslicht gefördert. Dann kam die Ausführung, zunächst die Stärkung und Heranbildung einer mächtigen preußischen Heeres­kraft nach den Wünschen des Prinzregenten, darauf die Sprengung des deutschen Bundes, die Loslösung der rein deutschen Staaten vom Völkermischstaat Oesterreich-Ungarn, endlich der Versuch der Neubildung eines neuen deutschen, zunächst norddeutschen Staatenbundes an der Hand einer freiheitlichen, auf dem allgemeinen geheimen Wahlrecht fußenden Verfassung. Diese Lösung ist nicht ohne einen Bruderkrieg vollzogen und mangels einer besseren Lösung nicht ohne diesen gewollt worden; aber die Berechtigung dieser gewaltsamen Lösung mitBlut und Eisen" wurde schon vier Jahre darauf über jeden Zweifel erhaben hingestellt, als ganz Deutschland einig und begeistert sich erhob, einig in der Abwehr, begeistert im blutigsten Kampfe und trotz der schrecklichsten Opfer, einig und fest gekittet zum ewigen Zusammengehen und Zu­sammenhalten aller deutschen Gaue und Stämme in einem unlösbaren jugendlichen Reiche. Wenn wir heute im Genuß des lang Erstrebten und rasch Erreichten unbefangen zurückblicken, so müssen wir eingestehen, daß der Schwerpunkt, die Grundlage aller dieser Erfolge ausschließlich und allein in den gewaltigen und gewaltsamen Ent­schlüssen der Jahre 18621866, in der Erzwingung der Heeresorganisation, in der Lösung der schleswig­holsteinischen Frage, in der Trennung Deutschlands von Oesterreich zu suchen ist. Die Verantwortung für alle diese schwerwiegenden Entschlüsse hat neben feinem König stets nur allein der preuß­ische Ministerpäsident Otto v. Bismarck-Schön- hausen getragen.

Deutschland ist der Friede; Europa bestätigt es und die Welt sieht tagtäglich neue Beweise. Alle Herrscherhäuser, die in den letzten blutigen Sturmesjahren um Thron und Land gekommen sind, haben mit dem König von Preußen ihren Frieden geschlossen und den großen Fortschritt des neuen Zustandes für ihr Land und für Deutschland anerkannt. Die einzige Ausnahme, Hannover, übergehen wir hier am besten mit Stillschweigen. Oesterreichs Freundschaft war schon sechs Jahre nach dem Kriege zurückerobert; die erste Dreikaiserzusammenkunft in Berlin 1872 bewies das, und seitdem war das Bündnis der drei Ostmächte, dank des Septembervertrages 1879, dank der Ersetzung Gortschakows durch Giers, dank der Politik, die in der Skierniewice- Zusammenkunst ihren äußeren Ausdruck gesunden hat, immer enger und enger geworden. Üeberall, wo in Europa, Asien, Afrika und Italien Ver­wicklungen entstanden, überall richtete sich der erste Blick der Umschau und der letzte Blick der Rückschau nach Deutschland, nach Berlin, wo mit beispielloser Zuverlässigkeit und Uneigen­nützigkeit der deutsche Reichskanzler seines Amtes als ehrlicher Makler waltete. Ein treuer Freund seiner Freunde, ein zäher Feind seiner Gegner. Fürwahr, welchem Deutschen von frischem Sinne und wahrer, warmer Vaterlandsliebe mag nicht das Herz in der Brust voll Stolz und Begeister­ung schlagen, wenn er jene in zwanzig Jahren vollzogene, großartige Umwälzung sich vergegen­wärtigt und welcher Deutsche wüßte neben unserem Heldenkaiser einen anderen zu nennen, dem er wahreren, aufrichtigeren Dank für alles Erreichte entgegenbringen könnte, wie allein unserem ersten deutschen Reichskanzler, dem Fürsten Bismarck. Aber die auswärtigen Erfolge sind es nicht allein, die Deutschland groß und mächtig gemacht haben; mit der äußern Einig­keit ging eine innere innige Verschmelzung Hand in Hand, die, wenn auch nicht abgeschlossen, doch schon in den ersten beiden Jahrzehnten uner­wartete Erfolge erzielt hat und die sichere Bürg­schaft weiterer gedeihlicher Ausbildung bot. Wir erhielten eine einheitliche Volksvertretung auf weitester Grundlage mit einheitlichem Jndigenat, eine Verfassung, die, wenn auch nicht muster-

giltig, den Vergleich mit allen anderen frei­sinnigen Verfassungen kühn ertragen kann; wir erhielten ein einheitliches Geld-, Bank-, Gewicht- und Münzwesen, einheitliches Recht, teils fertig abgeschlossen, teils in vielverheißender Entwick­lung, eine einheitliche Ordnung der Gewerbe­verhältnisse, ein musterhaftes Heer, einen ein­heitlichen Zollstaat. Wort für Wort dieser Auf­zählung bedeutet einen großen Fortschritt, eine Errungenschaft der ersten zwanzig Jahre, und wiederum war es Fürst Bismarck, dem in erster Linie der Dank dafür gebührt. So gewaltig und umfassend, wie alle diese Gebiete sind, die einer Neuregelung bedurften- so gewaltig und umfassend waren auch die inneren Kämpfe, die die Ausbildung und Entwicklung der einzelnen Grundsätze begleiteten. Die deutsche Vielköpfig- keit und Uneinigkeit ist nie in überraschenderer Weise zutage getreten, wie bei diesen Fragen. Die wenigen Worte Kulturkampf, Zoll-, Sozial- und Kolonialpolitik, Tabak- und Branntwein­monopol und Eisenbahnverstaatlichung reden an dieser Stelle genügend. Sie sind die Angel­punkte, die es verschulden, daß die Freude an dem großartig Errungenen nur zu oft mehr in den Hintergrund trat, als es je hätte stattfinden dürfen. Man mag über alle diese Streitpunkte denken, wie man will, das Eine kann kein Deutscher heute verkennen: daß der erste, maß­gebende Gedanke, der den deutschen Reichskanzler bei seinen aufreibenden Versuchen, diese Fragen zu lösen, beseelte, ein nationaler war. Dieser nationale Gedanke war die Befestigung, die Unzerstörbarkeit des einigen deutschen Reiches zu fördern. Wir alle, die wir an der Lösung dieser Fragen mitgearbeitet, glaubten zweifellos dabei, so mannigfach auch unsere Ansichten sind, gute Patrioten, treue Vaterlandsfreunde zu sein, aber keinem wüßten wir darin so unbedingt, so zweifelsohne den ersten Preis zuzuerkennen, wie unserem ersten Staatsmanne, dem Fürsten Reichs­kanzler. Nie hat er eine Frage der Parteitaktik als berechtigt anerkannt; sein Ziel und sein Streben ging ausnahmslos höher und weiter, war immer und überall nur auf das Wohl unseres Vaterlandes gerichtet; dieses Geständnis müssen heute alle Parteien ablegen, und diese Thatsache würde allein genügen, ihm ein^n Platz im deutschen Walhall zu sichern.

Es war dem nun Heimgegangenen nicht vergönnt, seine schöpferische Kraft bis zum Ende seines Lebens im amtlichen Dienste d?s Vater­landes zu bethätigen. Nach jenen sturmvollen Märztagen des Jahres 1890 zeigte es sich erst so recht, wie tief und fest die Verehrung für des deutschen Reiches Begründer und ersten Kanzler im Herzen des deutschen Volkes wurzelte. Ein Leben voll Kampf und Ringen, gerichtet aber auf das höchste Gut der Völker, den Frieden, liegt abgeschlossen und vollendet hinter ihm. Jetzt ist er selbst zu jenem Frieden eingegangen, den die Welt nicht geben kann. Von ihm, dem großen Toten, gilt, wie nur je von einem Sterb­lichen, das Dichterwort:

Es war ein Mann, nehmt alles nur in allem:

Ihr werdet nimmer seines gleichen seh'n!

Berlin, 1. August. Der heute mit Trauer­rand erschienene Reichsanzeiger veröffentlicht ein Telegramm des Kaisers, das dieser gestern an Fürst Herbert Bismarck gesandt hat.In tiefer Trauer teilnehmend an dem Schmerz, der Sie alle um den teuren großen Toten ergriffen, be­klage ich den Verlust von Deutschlands großem Sohne, dessen treue Mitarbeiterschaft an dem großen Werke der Wiedervereinigung des Vater­landes die Freundschaft meines in Gott ruhenden Großvaters, des großen Kaisers Majestät, für das Leben erwarb und den unauslöschlichen Dank des großen deutschen Volkes für alle Zeiten. Ich werde seiner Hülle in Berlin im Dom an der Seite meiner Vorfahren die letzte Stätte bereiten." Der Kaiser ordnete lOtägige Hof­trauer und 8tägige Armee-Trauer an. Die Flaggen sämtlicher Reichs- und Staatsgebäude sind auf Halbmast zu hissen bis nach der Bei­setzung. Ein langer Artikel des Reichsanzeigers würdigt das unsterbliche Verdienst Bismarcks, an dem das Vaterland den größten Sohn ver­loren habe. Der Nachruf schließt:Wenn der

Satz wahr ist, daß Thaten erhalten werden durch den Geist und die Kraft, darin sie gegründet sind, so wird der Name Bismarck uns ein Wahr­zeichen und eine Verkündigung bleiben für alle Zeiten. Wie einst Bismarck in Frankfurt er­klärte, ein Preußen, welches der Erbschaft des großen Friedrich entsagen könne, bestehe in Europa nicht, so wird ein deutsches Reich in keiner Zu­kunft bestehen können, ohne Festhalten an dem Vermächtnis seiner Begründer, des ersten Hohen- zoller'schen Kaisers und seines großen Reichs­kanzlers".

Hamburg, 1. Aug. DieHamb. Nachr." melden aus Friedrichsruh: Die Züge des ver­ewigten Fürsten tragen den Ausdruck vollkom­menen Friedens. Am Sterbelager halten Förster die Totenwache. Mannschaften des 31. In­fanterie-Regiments in Altona und die Halber­städter Kürassiere bilden die Ehrenwache. An der Stelle, die vom Fürsten selbst zu seiner Ruhe­stätte ausersehen ist, soll ein einfaches Mausoleum errichtet werden, in welchem auch die Fürstin Bismarck beigesetzt werden soll. Die Herstellung einer solchen weihevollen Grabstätte, deren Plan bereits feststeht, wird immerhin eine gewisse Zeit erfordern, und da eine provisorische Beisetzung den Gefühlen der fürstlichen Familie widerstrebt, wird für jetzt nur eine einfache Einsegnung der Leiche durch den zuständigen Geistlichen des Ortes Brunstorf erfolgen. In einer eigenhändig Unterzeichneten letztwilligen Verfügung hat der Fürst für den Fall seines Todes angeordnet, daß er an einer bestimmten Stelle des Sachsen­waldes begraben werden will. Die Anordnung schließt: Als Grabschrift wünsche ich:Fürst Bismarck geboren am 1. April 1815, gestorben

., und den Zusatz: als treuer, deutscher

Diener Kaiser Wilhelms 1."

Berlin, 1. Aug. Als der Kaiser sein Telegramm abschickte, konnte er nicht wissen, daß der Verstorbene über seine Beisetzung und den Ort, wo er zur letzten Ruhe bestattet sein wollte, Bestimmungen getroffen Hatte, die die Beisetzung im Berliner Dom ausschließen. Seitdem hat die Familie Bismarck dem Kaiser von jenen Bestimmungen volle Kenntnis gegeben, es wird daher nichts übrig bleiben, als aus diesen Teil der Ehrung zu verzichten. Bei der großen Wärme, mit der Bismarck an seinem eliebten Sachsenwald hing, ist wohl zu verstehen, er an dem Ort zu ruhen wünscht, wohin er sich zurückzog, wenn ihn Arbeiten des Dienstes überangestrengt hatten.

Friedrichsruh, 1. August. Fürst Bismarck hat Wohl gewußt, daß sein Zustand sehr schlecht, nicht aber, daß sein Ende nahe sei. Es wird versichert, Bismarcks Züge hätten während des Sterbens und auch nach dem Tode einen vollkommen schmerzfreien, ruhigen Ausdruck gehabt. Einer der wenigen, die gestern Bismarcks Leiche gesehen, erzählte, die Züge seien zwar diejenigen eines Toten und eines Greises, aber die gesamte Gestalt habe in ihren noch immer hünenhaften Formen einer gefällten mächtigen Eiche geglichen. Als erster auswärtiger Freund Bismarcks ist Prof. v. Lenbach aus München hier eingetroffen; Graf Wilhelm Bismarck führte ihn ins Sterbezimmer. Die Leiche war noch nicht eingesargt und nur mit dem Hemd bekleidet. Die rechte Hand lag ausgestreckt da. Der Mund war halb geöffnet. Die Züge tragen einen durchaus friedlichen, sanften Ausdruck. Irgend eine Skizze oder Aufnahme hat Lenbach nicht gemacht. Der Befehl des Kaisers, die Totenmaske Bismarcks abnehmen zu lasstn, konnte nicht ausgeführt werden. Als der Be­auftragte des Professors Begas hier er­schien, mußte er unverrichteter Sache Meder ahziehen. Es ist daher keinerlei Totenmaske von Bismarck genommen worden. In Gegen­wart des Reichskanzlers fand gestern die Ber- lötung des Sarges statt.

Berlin, 2. Aug. Das Armeeverordnungs­blatt enthält einen warmen Nachruf des Kapers für den verst. Altreichskanzler und den Armee­befehl, wonach sämtliche Offiziere der Armee auf 8 Tage Trauer anzulegen haben.

Fortsetzung in der Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.