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in einem Seitenthale, fern von der großen Touristenstraße und dem Weltverkehr, kaufte der Baron ein kleines Haus mit Garten, ein anmutig, idyllisch gelegenes Grundstück, und hierher brachte er seine junge Frau.

Sie werden fortan hier wohnen, Madame, Ihre Kammerfrau bleibt bei Ihnen/ sagte er eines Tages zu ihr.Für Ihren Unterhalt werde ich in genügender Weise sorgen, mein Haus betreten Sie aber nicht wieder. Ich habe diese Bestimmungen getroffen, um den Skandal eines Ehescheidungsprozesses zu vermeiden und meinen durch Sie beschimpften Namen nicht noch mehr bloszustellen. Sollten Sie diesen Ort ohne meine Einwilligung verlassen, Madame, so fällt sofort jede Zahlung meinerseits weg."

'Dann wandte er ihr den Rücken und eine Minute später rollte der Mietwagen, welcher ihn nach der nächsten Eisenbahnstation bringen sollte, davon.

Wiederholt schrieb Hermine an ihren Gatten, aber nie erhielt sie eine Antwort auf ihre Briese. Selbst als sie ihm nach einem halben Jahr mitteilte, sie habe ihm ein Söhncken geschenkt, hatte er kein Wort der Freude ooer Versöhnung für sie, nur eine Extrageldsendung belvies ihr, daß ihr Brief in seine Hände gelangt sei.

Still und zurückgezogen lebte die Baronin von Eberstein fortan in ihrem freundlichen Land­haus, sich ganz der Erziehung ihres Sohnes widmend. Die biederen Landleute gewannen die junge, ernste Frau bald lieb und Hermine verkehrte gern und viel mit diesen einfachen Menschen, deren Zuneigung sie sich durch Wohlthun und freundliches Entgegenkommen immer mehr zu er­werben wußte. Sie hatte sich mit ihrem Schick­sale ausgesöhnt und trug kein Verlangen, in die Gesellschaft zurückzukehren: ihr einziges Glück war der kleine Waldemar, wie sie ihn dem Kalenderheiligen zu Ehren, dessen Namen sein Geburtstag trug, genannt hatte.

Der Baron aber betrat nach seiner Rückkehr die Villa nicht wieder. Alles erinnerte ihn hier an sein kurzes verlorenes Glück, das wie ein schöner, rasch entschwundener Traum hinter ihm lag, und er mied die Stätten, die einst Zeugen seiner reinsten Freuden, aber auch seines furcht­barsten Schmerzes gewesen waren. Er siedelte wieder in das alte Schloß seiner Väter über, in den kalten, massiven Steinbau, der ernst und mürrisch, wie ein grämlicher Greis unter lebens­frohen Jünglingen, zwischen den grünen Laub­bäumen stand. Diese Stimmung harmonierte mit der seinigen: er hatte mit der trügerischen Welt abgeschlossen und lebte fortan für sich allein; die trüben Erfahrungen der letzten Zeit hatten ihn zum Menschenfeind gemacht und ihn vorzeitig altern lassen.

Der einzige, der ihn hin und wieder besuchen durfte, war der Hosrat Tränkler, sonst hatte der Diener strengsten Befehl, Niemanden, wer es auch sei, vorzulassen. Tränkler hatte längst sein Amt niedergelegt und sich pensionieren lassen, um wie er sagte sein Leben noch genießen zu können. Er besaß das Vertrauen des Barons, den er richtig zu behandeln verstand; der eigent­liche Beweggrund seiner Freundschaft aber war kein anderer, als den Freiherrn über das Leben und den Aufenthaltsort Herminens auszukund­schaften. Aber so sehr er auch forschte und riet, so schlau er mit List das Geheimnis zu ergründen suchte, der Baron blieb verschwiegen wie das Grab, und nur soviel vermochte der Frager zu erfahren, daß sein ehemaliges Mündel in einem der Alpenländer weile. Und als Ebersteiu immer zurückhaltender und menschenscheuer ward, als der Hofrat Ansehen mußte, daß der Baron sich sein Geheimnis nimmermehr entreißen lassen würde, da blieb auch er weg und im Schlosse herrschte fortan eine fast unheimliche Stille und Einsamkeit.

So verging Jahr um Jahr, der Baron war vorzeitig znm Greis geworden und als er kaum zweiundsechzig zählte, hätte man ihn für achtzig halten können. Nahezu zwanzig Jahre waren verstrichen, seit er sich von seiner Gattin getrennt hatte und nicht ein einziges Mal hatte er den Versuch gemacht, sie oder seinen Sohn zu sehen. Letzterer sandte ihm zum Geburtstage und zum Jahreswechsel regelmäßig ein Glückwunschschreiben,

das einzige Lebenszeichen, welches der Baron mit einer gedruckten Visitenkarte, auf welcher er einen Gruß an den Sohn, aber niemals an die Mutter, bemerkte, erwiderte. Aber er versorgte seine Gattin reichlich mit Geld, so daß es ihr an nichts gebrach und sie ihrem Sohne alle An nehmlichkeiten des Lebens zu bieten vermochte.

Da hielt eines Tages ein Wagen vor dem Schloß und ein Herr entstieg demselben. Der alte Diener öffnete das Fenster und fragte nach seinem Begehr. Dringend verlangte der Ange­kommene den Baron zu sprechen; aber der Diener öffnete nicht, sondern zog sich zögernd vom Fenster zurück, um seinem Herrn den unerwarteten Besuch zu melden. Aus der Karte, welche der Fremde dem Lakai für den Schloßherrn übergab, war ersichtlich, daß der Herr ein Notar aus der Re­sidenz sei. Nach längerem Warten wurde der Fremde endlich eingelassen.

Ich habe Ihnen im Aufträge und laut letztwilliger Verfügung des Hosrats Tränkler eine Mitteilung zu machen," sagte der Notar nach der Begrüßung des Barons.

Ist der Hofrat tot?" fragte Letzterer rasch.

Jener nickte bestätigend.

Er hat sich selbst entleibt, man fand ihn vor wenig Tagen mit einer tätlichen Schußwunde in der Brust in seinem Zimmer liegen, die Waffe hielt er noch in der Hand," berichtete er.

Das ist ja höchst seltsam und überraschend," versetzte Eberstein mit ungeheucheltem Erstaunen, was mag den Mann zu dieser That bewogen haben?"

Es sind dies Wohl mancherlei Gründe gewesen, wie aus den hinterlassenen Papiereil hervorgeht," sagte der Fremde,und bei dem Hofrat bewährt sich wieder einmal der bekannte Ausspruch des Dichters von dem Fluch der bösen That. Schon seit langer Zeit stand der Tränkler mit einem höchst anrüchigen Subjekt, einem ehemaligen Rechts­anwalt Namens Schwarz, in Verbindung, und diese Beiden haben gemeinschaftlich mancherlei betrügerische Manipulationenausgesührt. Schwarz besitzt eine merkwürdige Geschicklichkeit, fremde Handschriften nachzuahmen, und diese Fähigkeit brachte ihn wiederholt mit dem Strafgericht in Konflikt, so daß ihm die Berechtigung, als An­walt praktizieren zu dürfen, entzogen wurde. Er setzte aber sein gefährliches Gewerbe fort, wenn auch vorsichtiger als früher, und fand in Tränkler einen willigen Genossen, der die Dienste des ehe­maligen Advokaten sehr oft in Anspruch nahm."

(Fortsetzung folgt.)

Ein eigentümlicher Boykott schwebt gegen die Stadt Sulz im Kanton Aargau. Vor sechs Monaten gab die Gemeinde ihrem Schul­lehrer, der ihr fünfzig Jahre treu gedient hatte, den Abschied, ohne ihm einen Pfennig Pension zu bewilligen. Als die Stadt einen neuen Lehrer engagieren wollte, stieß sie auf unerwartete Schwierigkeiten. Kein einziger Lehrer bewarb sich um die ausgeschriebene Stelle, auch nicht, als außer dem gesetzlichen Gehalts-Maximum eine hohe Extra-Gratifikation in Aussicht gestellt wurde. Der aargauische Lehrerverein erklärte, daß er den Boykott erst dann aufhebe, wenn dem entlassenen Lehrer eine angemessene Pension bewilligt werde. Die Gemeinde beschloß nun, gegen den Lehrerverein klagbar zu werden. Aber im ganzen Kanton findet sich kein Advokat, der geneigt wäre, die Stadt vor Gericht zu vertreten. Der Lehrerverein hat die Sympathien auf seiner Seite.

New-Aork ist bekanntlich seit Anfang dieses Jahres durch Einverleibung der Vororte mit 3388000 Einwohnern die zweHrößte Stadt der Erde geworden. Um die Thatsache zu verewigen soll auf einen der großen Plätze ein eiserner Turm erbaut werden, gegen den der Eiffelturm vollständig in den Schatten treten muß. Dieser Turm soll, wie das Berliner Patent-Bureau Gerson und Sachse schreibt, 652 Meter Höhe haben und zwölfkantig gestaltet werden. Im Innern wird sich ein Kern von dreißig Meter Durchmesser befinden, um den sich auf schraubenförmigen Ge­leise eine elektrische Bahn aus und niederbewegen wird. Diese Fahrbahn erhält eine Länge von etwa 4 Kilometern.

Eine für Rosenfreunde sehr interessante Preisausgabe veröffentlicht der praktische Ratgeber im Obst- und Gartenbau: einen alle 3 Jahre wiederkehrenden Preis von 1000 Mk für die beste deutsche Rosenneuzüchtung, die noch nicht in den Handel gebracht ist. Zunächst soll der Preis im Jahre 1900 verliehen werden, Findet sich kein geeigneter Bewerber, erhöht sich der Preis für das nächste mal aus 2000 Mark. Die Neuzüchtung bleibt volles Eigentum des Züchters und wird farbig im praktischen Rat­geber abgebildet. Wer sich für die näheren Be­dingungen interessiert, lasse sich die neueste Nummer des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau kommen, sie wird auf Wunsch um­sonst zugeschickt von dem Geschäftsamt in Frank­furt a. O.

Rosensreunde machen wir aus die neueste Nummer des praktischen Ratgebers im Obst- und Gartenbau aufmerksam, die ganz den Rosen ge­widmet ist und besonders zahlreiche Abbildungen neuerer Rosensorten enthält. Die Nummer wird auf Wunsch gern vom Geschäftsamt genannter Wochenschrift umsonst zugeschickt.

Das Verbrecheralbum der Berliner Kriminalpolizei enthielt am Schluß des Jahres 1895 in 17 Bänden 13428 nicht retouchierte Photographien von 57 Mördern, 2793 Ein­brechern, 931 Taschendieben, 521 Ladendieben, 721 Schlafstellendieben, 371 Bauernfängern, 1088 Betrügern und Hochstablern, 180 inter­nationalen Verbrechern, 541 Boden-, Kolli- und Paletotdieben, 1242 Prostituierten, 1343 Zu­hältern. 323 Päderasten, 325 Landstreichern und 1791 sonstigen Personen. Das Album ist ini Jahre 1876 angelegt worden und seither ziem­lich umfangreich geworden.

(Ein reisender Handwerksbursche) wurde wegen Paßlosigkeit vor den Richter gebracht. Sie heißen?"Eduard Ranzig."Ihr Alter?"Vierundzwanzig." - Woher?"- Aus Danzig."Gendarm! (Richter, drohend aus den Delinquenten zeigend) Fünfundzwanzig.'

sDie Frau Telegraphenassistentj (nach ei« längeren Gardinenpredigt): So, du grundschlechter Mann, was sagst jetzt? - Der Manu:Wem dui Red' nach Ulm telegraphiert worde wär, thiits grad' 213 40 ^ löschte!"

(IndividuelleAnschauung.) Fremder:Ver­zeihung, können Sie mir Wohl sagen, wo hier das Rathaus ist?" Studiosus:Das Rat­haus? Ja, das wird sich sehr wahrscheinlich überm Ratskeller befinden!"

(Wörtlich ausgedrückt.) Ein Parlaments­kandidat, der soeben eine langatmige Rede vom Stapel läßt, ruft pathetisch aus:Ja, meine Herren, ich gehe noch einen Schritt weiter!" Damit trat der Kurzsichtige in seinem Enthusiasmus über den Rand der Rednertribüne hinaus und fiel zwischen die unten sitzenden Reporter.

(Aus der Kaserne.) .Leute, ihr

seid fabelhaft dumm! Gegen euch ist ja eine Viehausstellung das reinste Gelehrtenheim."

Telegramme

Paris, 13. Juli. Esterhazy wurde gestern Abend mit seiner Maitresse, Madame Paye, ver­haftet. Senator Trarieux benachrichtigte den Justizminister, daß er Picquart ein Asyl gebe, wenn die Polizei Picquart verhaften wolle, werde sie ihn unter seinem Dache finden.

Paris, 13. Juli. In der amtlichen Mit­teilung über den Beschluß des Ministerrates, Picquart gerichtlich zu verfolgen, heißt es, die Verfolgung solle eingeleitet werden, weil Picquar unberufenen Personen Schriftstücke mitgeM habe, welche sich ans die äußere Sicherheit ^ Staates beziehen. Die nationalistischen -bla behorchten deshalb, Picquart werde wegen Hoch­verrats angeklagt.

Rom, 13. Juli. DieTribunw ver öffentlicht eine ihr abends zugegangene -Lepejw aus Kingston ohne Angabe des Datums, wo H Santiago kapituliert haben soll.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.