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, russischen Politik, sich durch solche Dinge ins Bockshorn jagen zu lassen, zumal man in Rußland gleichfalls eine recht stattliche Flotte zur Verfügung hat. Man könnte somit die angebliche englische Flottenfahrt als das ansehen, was der deutsche Student mit dem schönen Worte „ Renommirbummel" bezeichnet.
Die spanische Regierung will das Geschwader Samaras wegen der heimischen Wsten - verteidigung nach Spanien zurückberufen, die Minister sagen, die Sarlisten regten sich sehr, sobald irgendwo Ruhestörungen gemeldet werden, und glauben, daß die Amerikaner sich jetzt gegen Havanna wenden werden, sie wollen daher die Ereignisse in Havanna und Puerto-Rico ab- warten. Das zum Geschwader Samaras gehörende Kriegsschiff „Pelayo" liegt infolge Beschädigungen an der Maschine bei Jsmailije (etwa an der Mitte des Suezkanals.) (Daß die Maschinen der spanischen Schiffe sich in schrecklich verbummeltem Zustande befinden, diese Ansicht mußte man schon längst bekommen.)
Madrid, 7. Juli. Obgleich die Regierung die Depeschen anhielt, verbreitete sich schon am Montag das Gerücht von der Niederlage Cervaras in der Stadt. Die amtliche Bestätig- und verursachte eine gewaltige Bestürzung. Man klagt die Regierung an, daß sie trotz gegenteiliger Meinung mehrerer Admirale doch dem Geschwader den Befehl zur Ansfahrt gegeben habe. Server« führte den Befehl mit größten Tapferkeit aus, obgleich der Christobal Colon die vorschriftsmäßigen Geschütze groben Kalibers nicht besaß. Die Truppen sind in Madrid konsigniert.
New - ?) ork, 5. Juli. Wie hier verlautet, sollen über 20000 Dollars den Offizieren und Mannschaften des amerikanischen Santiago-Geschwaders als Ehrensold für den Seesieg über Cervera überwiesen werden.
Zara, 6. Juli. In Sinj, Trilj und Umgebung dauern die Erdstöße fort. Sieben Ortschaften im Bezirk Sinj sind schwer beschädigt. 5 Personen wurden getötet, 15 schwer und 16 leicht verwundet. Aus Agram und Laibach wurden Unterstützungen gesandt.
Unterhaltender Teil.
Das Fräulein von Harlaß.
Novelle von Waldemar Bernd t.
(Fortsetzung.)
Wieder wandte Baron seine Augen der Sprecherin zu, und es lag etwas Mißtrauen in seinen Blicken. Aber Hermiue schaute ihm so warm und innig ins Gesicht, daß sich die Züge ihres Gatten aufheiterten.
„Ich werde kommen," sagte der Hausherr rasch entschlossen, und üoch einmal einen prüfenden Blick auf die Karte werfend, fügte er lesend hinzu : „ also übermorgen früh sieben Uhr Rendevous am Herrenhause zu Rothenfels, Aufbruch zur Jagd spätestens halb acht Uhr, Jagdfrühstück am großen Teich Mittags zwölf Uhr und Diner Abends fünf Uhr im Schloß. Da kann man also bequem Abends gegen neun Uhr wieder zu Hause sein."
„Sehr bequem," bestätigte Herr von Plaß, „Ihre flotten Jucker mit dem leichten Jagdwagen bringen Sie spielend in zwei Stunden nach Rothenfels."
„Vis Abends neun Uhr bleibst Du weg, Otto?" fragte die junge Frau besorgt, „da werde ich mich recht einsam und verlasseu fühlen!"
„Stellen Sie sich das nicht so schlimm vor, gnädige Iran," warf der Rittmeister ein, „Damen - verstehen sich besser zu unterhalten als wir. Eine interessante Lektüre, etwa ein fesselnder Roman, eine leichte Handarbeit, ein Spaziergang im Freien, Durchsicht zärtlicher billet-äoux aus früherer und gegenwärtiger Zeit —"
„Die Auszählung genügt vollkommen, Herr Rittmeister, strengen Sie sich nicht weiter an," unterbrach Hermine den Offiizier, „mit Ausnahme eines Spazierganges und einer kleinen Stickerei, die mir die Zeit vertreiben sollen, werde ich auf Ihre Unterhaltungsmittel verzichten."
„Wie Sie befehlen, gnädige Frau, jedes nach seinem Geschmack; ist's nicht so, lieber Baron?"
„Wohl möglich!" antwortete Eberstein, und
dem Tone seiner Stimme war cs deutlich anzuhören, daß ihm dieses Gespräch keinesweds zusagte.
Plaß erhob sich.
„Werde mich empfehlen, meine Mission ist erfüllt," sagte er, den Säbel fester schnallend, „bin ohnedem heute Wohl nicht recht gelegen gekommen, ist Wohl die erste Wolke am Ehestands- Himmel heraufgezogen, wie?"
Er verabschiedete sich, ohne eine Antwort abzuwarten und schritt sporenklirrend davon.
Die Hände auf den Rücken gelegt, ging der Baron mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, gefolgt von den besorgten Blickeu seiner Gattin. Von Zeit zu Zeit nahm er einen Schluck Portwein, aber Hermine bemerkte recht Wohl, daß das Glas in seiner Hand leise zitterte. Dann trat er an das offene Fenster und warf einen Blick in die lachende Frühlingslandschaft hinaus, um gleich darauf seine Wanderung wieder aufs neue zu beginnen. Eine unverkennbare Erregtheit hatte sich des Mannes bemächtigt.
Hermine sprang auf und hing sich an seinen
Arm.
„Was ist Dir, Otto?" fragte sie, mit thränenfeuchten Augeu zu ihm aufblickend. „Du bist beunruhigt, verstimmt, Du verheimlichst mir etwas — darf Deine Hermine nicht wisien, tvas Dich bedrückt?" „Wie gefällt Dir der Rittmeister von Paß?„ fragte plötzlich ihr Gatte.
Die junge Frau ließ den Arm ihres Mannes los und schaute ihm mit dem Ausdruck unver- Holenen Erstaunens ins Gesicht. Sie schien die Frage nicht verstanden zu haben.
„Der Offizier scheint sich für Dich zu interessieren," fuhr der Baron fort und eine gewisse Ungeduld lag in seiner Redeweise.
„Otto!" rief Hermine vorwurfsvoll, „steht es so?"
„Herr von Plaß erweist Dir Aufmerksamkeiten, welche über das Maß konventioneller Höflichkeit hinausgehen, er kommt seit einiger Zeit öfters als sonst zu uns, er behält bei der Begrüßung und beim Abschiede Deine Hand länger als nötig in der seinigen, und er schaut Dich oft mit so seltsamen Blicken an, daß er damit verrät, was in seinem Innern vor geht. Er sch eint zu glauben, daß ich von alledem nichts bemerke, denn er wird offenbar immer dreister; er geriert sich als Hausfreund, wie sich erst heute wieder gezeigt hat, und bewegt sich auch in Deiner Gegenwart mit einer Uugeniertheit, die sich nur Jemand erlauben darf, der auf einen hohen Grad von Vertraulichkeit rechnen zu können glaubt."
Hastig, erregt, stieß Herr von Eberstein diese Worte hervor; er war vor seiner Frau stehen geblieben, während er sprach und hatte sie feste angeblickt; jetzt kehrte er ihr wieder den Rücken uud trat abermals aus Fenster.
Hermine folgte ihm und legte ihre Hand aus seine Schulter.
„Du sprachst von Vertraulichkeiten, Otto — gegen wenbenimmt sich der Rittmeister vertraulich?" fragte sie in weichem, bittenden Tone.
„Gegen wen? Du fragst noch?" versetzte Jener, sich rasch umwendend. „Genügen Dir die Beweise noch nicht, die mir meine Beobachtungen in die Hände gegeben haben; hast Du nicht selbst die Zudringlichkeiten bemerkt, die dieser Plaß sich erlaubt? Freilich muß er doch dazu ermutigt worden sein, sonst würde er dies unmöglich wagen!"
„Das ist zuviel!" rief Hermine tonlos, Dann sank sie wie gebrochen in ein Fauteuil und schlug die Hände vor das Gesicht; ein Thränenstrom entquoll ihren Augen.
Herr von Eberstein schaute bestürzt auf die Schluchzende; er fühlte, daß er zu weit gegangen war, daß er seiner Frau eine schwere Beleidigung zugefügt hatte. Und konnte er sich nicht täuschen, hatte er Herminen nicht unrecht gethan? In den etwas derben, soldatischen Manieren des Ulanenoffiziers lag vielleicht etwas, was den Baron zur Eifersucht angeregt hatte, aber war nicht seine junge Gattin doch Wohl völlig schuldlos? Er suchte nach den Momenten, die ihm einen Anhalt für seinen Verdacht geben soll — umsonst, er erinnerte sich nicht, daß Hermine jemals dem Rittmeister nur den leisesten Anlaß zu Ausschreitungen gegeben habe. Und dieser selbst — was hatte er denn geihan?
Eine tiefe Reue überkam ihn, er hätte selbst mitweinen mögen, als er die schluchzende Frau vor sich sah. Mit raschem Entschluß trat er M dem jungen Weibe heran, nahm ihr sanft die Hände vom Gesicht und schaute ihr mit einem Blick voll unendlicher Liebe in die feuchten Jürgen.
„Bergieb mir, Hermine, ich habe Dich bitter gekränkt!" sagte er in zärtlich bittendem Tone „aber meine grenzenlose Liebe zu Dir hat mich ^ zu Rücksichtslosigkeiten hingerissen, die ich tief bedauere. Kaust Du mir verzeihen, kannst Dlr vergessen?"
Neben dem Gartensalvn in der Villa Eberstein befand sich ein geräumiges Eckzimmer, der Lieblingsaufenthalt der jungen Baronin, denn von den Fenstern aus genoß man die reizendste Aussicht auf die herrlichen Blumenbeete mit ihren geschmackvollen Teppichgruppen, die weiten im schönsten Frühlingsgrün Prangenden Wieseii- flächen und die malerischen Baumparthien des sich vor den Augen ausbreitenden Parkes. Herr von Eberstein hatte seiner Gemahlin zu Liebe diesen Raum mit künstlerischer Pracht ausstatten lassen, ohne daß sich aber hier jener aufdringliche Prunk bemerkbar gemacht hätte, der das Äuge beleidigt. Was dieses Zimmer zu eurem besonders gemütlichen und traulichen gestaltete, das war ein Kanarienvogel, dieser deutsche Familienfreund, der sein hellschmetterndes, frohes Lied erschallen ließ. Kein buntgefiederter, häßlich krächzender Papagei, der im Prunkvollen, blankgepußten Messingbauer seine Grimassen schneidet und doch immer ein Fremdling in unserer Zone bleiben wird, störte die harmonische Anordnung dieses Gemaches, Wohl aber musizierte der kleine gelbe Sänger am Fenster mit den gefiederten Virtuosen draußen im Park um die Wette, und dieses freundliche Frühlingslied, umrahmt von dem frischen Grün des Lenzes, stimmte jedes unbefangene Gemüt froh und heiter.
Auch Hermine schien diese Gefühle zu teilen; sie saß am Fenster, mit einer feinen Nadclarbeit beschäftigt, und auf ihrem frischen Antlitz lagerte der Frohsinn einer sorgenlosen Jugend. Zuweilen ließ sie die Hand sinken und lauschte dem Gesanze einer Grasmücke oder dem fröhlichen Gezwitscher eines Laubschwätzers, und wenn dann dann der Kanarienvogel über ihrem Haupte mit einstimmte in das Konzert, als wolle er den Kollegen draußen zeigen, daß er es doch besser verstehe wie sie, nickt sie freundlich hinauf zu den: kleinen gelben Zimmergenossen und ein paar anerkennende oder aufmunternde Worte kamen über ihre Lippen.
(Fortsetzung folgt.)
(Die stolze Suppe. Lehrjunge: „Meistere, heut hent Se a stolze Supp kocht!" — Meisterin: „So? Warum denn?" — Lehrjunge: »Se sieht mi mit ko im Aug' an!"__
Telegramme
Paris, 7. Juli. Kaiser Wilhelm sandte aus Odde ein Beileidstelegramm an den Präsidenten Faure wegen des Unglücks, von dem die „Bourgogne" betroffen wurde. Heute Vormittag empfing der Präsident den russischen Botschafter Fürsten Urussow, welcher gleichfalls die Teilnahme feiner Regierung an der Katastrophe zum Ausdruck brachte.
London, 7. Juli. Nach einer Lloyd- Meldung aus Halifax sind 104 Fahrgäste und 61 Mann der Besatzung der „Bourgogne" gerettet. Somit dürsten insgesamt 549 Personen umgekommen sein.
' New-York, 7. Juli. Aus Mitteilungen geretteter Fahrgäste der „Bourgogne" geht hervor, daß nicht allein keinerlei Versuche gemacht worden seien, Frauen und Kinder geschweige denn irgend einen anderen Fahrgast zu retten, Indern daß die Mannschaft mit fast unglaublicher Barbarei Verfahren sei. Wohl sei der Kaps" auf seinem Posten geblieben und mit dem schm untergegangen, aber die Schiffsbesatzung Y"
sich des Rettungsbootes bemächtigt ... Fahrgäste mit Rudern und Bootshaken zu ' getrieben, während eine Anzahl italienisch Zwischendecksfahrgäste sich den Weg zu Booten mit dem Messer erzwungen h"., Unter den Fahrgästen seien mehrere De: iw gewesen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.