Aus Stadt, Bezirk und Umgebung.

Pforzheim, 17. Juni. Der gestrige Wahltag brachte viel Leben und Bewegung in unsere Stadt. Die Beteiligung war eine außerordentlich lebhafte, namentlich um die Mit­tagsstunden konnte man ganze Scharen von Wählern zu den Wahllokalen ziehen sehen. Es erhielten Frank (nat.) 725 l, Stockhorner (konserv) 1435, Gießler (Zlr.) 4328, Agster (Sz.) 1V450. Das ganze Ergebnis mit dem bedeutenden Zuwachs der sozialistischen Stimmen besonders in Pforzheim Stadt und Land wird wohl allent- halben sehr überrascht haben; nachdem nun eine Stichwahl zwischen dem nationalen und sozialist­ischen Kandidaten notwendig werden wird, liegt die Entscheidung der Frage, ob der IX. Wahl­kreis künftig durch einen Sozialdemokraten ver­treten sein soll, in der Hand des Zentrums und der Konservativen. Werden von dieser Seite, wie von Nationalliberalen alle Kräfte zusammen, genommen, so ist eine Wiederwahl unseres bis­herigen Kandidaten gesichert.

Neuenbürg,18. Juni. (Schweinemarkt.) Angeführte 45 St. Milchschweine wurden das Paar zu 2030 verkauft.

Deutsches Aeich.

Die Hoffnung der englischen Wassersport. Freunde, KaiserWilhelmin diesem Jahre wieder in Cowes zur Regatta zu sehen, scheint sich nun doch nicht zu erfüllen, da neuere Mit­teilungen besagen, daß der Kaiser noch bis Ende Juli in Norwegen verweilen wird und für den 80. Juli in Bergen ein Aufenthalt anberaumt worden ist.

Eine bemerkenswerte Wahlrede hat Graf Herbert Bismarckin seinem Wahlkreis Jerichow gehalten. Er führte darin aus, daß nach Meinung aller Patrioten die Posten der Staatssekretäre jetzt so gut besetzt seien, als nur irgend denkbar. Besonders tröstlich sei dies im Hinblick auf unsere auswärtigen Beziehungen, deren Behandlung früher manche patriotischen Sorgen verursacht hätte, die gegenwärtig aber dem berechtigten Empfinden von Vertrauen gewichen seien.

Kürzlich brachten freisinnige und demo­kratische Blätter die Mitteilung, es stünden ein. schneidende Reformen auf militärischem Gebiet in Bezug auf die Neubewaffnung ver- schiedener Waffengattungen, auf die Reorgani­sation der Feldartillerie, auf die Reorganisation des Pionierkorps, auf die Errichtung von berit­tenen Jägeradteilungen, aus die Errichtung dritter Bataillone bei den neukombinierten Jafanterieregimentern, auf die Bildung neuer Armeekorps und auf noch andere Aenderungeu bevor. Von unterrichteter militärischer Seite wird jetzt indessen entschieden bestritten, daß eine Schaffung neuer Korps, die Errichtung dritter Bataillone bei den neuen Regimentern, die Errichtung von Eskadronen berittener Jäger und die Neubewaffnung dieser oder jener Waffen- gattung geplant seien. Dagegen wird von dieser Seite bestätigt, daß eine Umgestaltung in der Organisation der Feldartillerie und eine Reorganisation der Piomerlruppe diese durch Leitung in Feld- und Festungsformation in Aussicht genommen seien.

Es kann jetzt bereits als feststehend ange­sehen werden, daß die Revision des Gesetzes über die Invalidität S-undAltersVersicher- un g dem Reichstage nach seinem Z asammentritt wird vorgelegt werden können.

Von den zur Zeit infolge Ablebens ihrer Wengen Inhaber erledigten deutschen Bischofssitzen ist derjenige von Limburg zuerst wieder besetzt worden. Das dortige Domkapitel wählte, einer Meldung derKöln, «olksztg.« zufolge, den Cistercienserabt «nlly in Marien statt im Oberwesterwald- »ns zum neuen Bischof von Limburg.

Württemberg.

Württernbergischer Landtag.

231. Sitzung.

17. Juni. Präs. Pc Met um 9-/. Uhr die Sitzung. Am g Anauzminister v. Zeyer und Dir ^pflei derer. Auf der T.-O. steht

Entwurf eines Gesetzes, betreffend die ander­weitige Festsetzung des Gesamtkontingents der Brennereien. Abg. Gröber führt aus, daß für Nichtsachverständige es äußerst schwierig sei, das Gesetz zu verstehen. Der bisherige Kon­tingent sei für Württemberg mehr wie genügend groß gewesen, so daß die jetzt im Gesetz vor- geschlagene Heruntersetzung desselben keinen Nachteil für Württemberg im Gefolge habe, und die Kammer der Vorlage zustimmen solle. B e tz . Heilbronn bespricht die ungerechte Brr- tcilung der Kontingente, welche insbesondere die Spiritus- und Essigfabrikation gegenüber den norddeutschen Fabriken schwer schädige. Redner bittet die königl. Regierung, die Wünsche der Hrilbronner Essigsabrikanten in Erwägung zu ziehen. Abg. Spieß schließt sich den Aus­führungen Gröbers an und spricht von der Tariffrage. Nach kurzer Bemerkung des Min., in der er den Ausführungen Gröbers und Spieß zustimmt, tritt man ein in Punkt 2 der T.-O,, Aenderung des Gesetzes über die Pensionsrechte der Körperschaftsbeamten und ihrer Hinter­bliebenen. Antrag Sachs u. Gen. Sachs begründet seinen Antrag und stellt für die zweite Lesung, die morgen stattfinden soll, einen weitern Antrag, die Rückwirkung des Gesetzes betreffend, in Aussicht.

Der württembergische Landtag, welcher seine Sitzungen wieder ausgenommen hat, wird sie wohl schwerlich weit in den Juli hinein fortsetzen. Ist doch der Hochsommer nach so langer, wenn auch meist vergeblicher Arbeit des Landtags für viele Abgeordnete ein triftiger Grund zur Parlamentsmüdigkeit und sogar der Kammerpräsident Payer hat in einer seiner Reichstagswahlreden einen baldigen Schluß der Landtagssttzungen mit dem Bemerken in Aussicht gestellt, daß, wenn die Verfaffungsreform nicht binnen kurzem unter Dach und Fach gebracht werde, auf lange Zeit hinein die Verfaffungsfrage nicht mehr zur parlamentarischen Erörterung kommen werde. Die Aeußerung klingt wie ein wehmütiger Mahnruf, speziell an das Zentrum, das ja das Schicksal der Verfaffungsreform in Händen hat. Nach den bisherigen Aeußerungen der Zentrumspreffe, namentlich gegen die Volks- Partei, scheint keine Absicht darüber zu bestehen, der Volkspartei zu irgend einem Erfolg zu verhelfen. Es mag allerdings in weiten Zentrums­kreisen etwas schwer gefallen sein, das zwischen den Katholiken und der Volkspartei Jahrzente benützte gemeinsame Tischtuch zu zerschneiden, aber wenn nicht alle Anzeichen trügen, scheint die Entfremdung der bisher so nah befreundeten Parteien eine gründlich ausdauernde geworden zu sein.

Zaden Reichstagswahlen in Württem­berg grebt der Schw. Merk, folgende Erläuter­ung : Wie vorauszusehen war, ist die Entscheidung, die der gestrige Wahltag gebracht hat, in den meisten Bezirken keine endgiltige geworden. Noch niemals ist in Württemberg die Zahl der Stichwahlen auch nur annähernd sogroß gewesen als bei diesem Wahlkampf. Nur in 6 von den 17 württembergische» Wahlkreisen hat sich in der Wählerschaft eine entschiedene Mehrheit zusammengefunden. Dies sind die 4 Kreise, die das Zentrum allmählich als sicher zu betrachten gelernt hat, und dann der seit Gründung des Reichs stets national vertretene 7. Wahlkreis (Neuenbürg, Calw, Nagold, Herrenberg), der auch diesmal der nationalen Sache schon beim 1. Wahlgang mit etwa 1700 Stimmen Mehrheit treu geblieben ist. Dagegen ist Stuttgart Stadt und Land, bei der letzten Wahl noch mühsam gegen den sozialdemokratischen Ansturm behauptet, diesmal sofort der Sozial­demokratie zugefallen. Die Hoffnungen der Genossin auf einenherrlichen Sieg" mit 20 000 Stimmen sind zwar nicht in Erfüllung gegangen, doch ist es ver Bürgerschaft nicht gelungen, sich für einen zweiten Wahlgang Aussichten auf einen gemeinsamen Erfolg zu sichern. Die Zahl der nationalen Wähler ist in Stuttgart gegenüber der letzten Wahl nicht unbedeutend gestiegen, dagegen ist die Demokratie stark zurückgegangen. Die Abstimmung war gegenüber dem Ernst der Sachlage eine nicht

genügende und so ist nun der Sozialdemokratie, der von vornherein von den 7000 neuen Wählern des Wahlkreises der Hauplanteil sicher war, der Sieg gelungen. Künftig wird das Bürgertum an einen Erfolg nur dann noch denken können, wenn es sich gemeinsam zusammenrafft und über diesem Ziele alle Sonderinteressen vergißt. Diese Stuttgarter Vorgänge, die Vermehrung der sozialdemokratischen Stimmen und die Verminder­ung der demokratischen Stimmen, haben sich im ganzen Lande wiederholt; sie sind daS Zeichen, unter dem die heurige Reichstagswahl steht. Auch im Lande ist zunächst eine große Zersplitter­ung sestzustellen. Kein einziger der bis­herigen demokratischen Reichstagsabgeordneten ist im 1. Wahlgang als Sieger aus der Urne hervorgegangen. Selbst Payer und Konr. Haußmann müssen in einem zweiten Wahlgang ihre Kräfte mit ihren Gegnern messen. Der Rückgang der demokr. Stimmen in diesen beiden Wahlkreisen der ersten Führer der Volks­partei ist ein ganz beträchtlicher. Payer hat rund 3000, K. Haußmann sogar rund 3700 Stimmen gegenüber der letzten Wahl verloren; der letztere besitzt jetzt selbst in seinem Landtags­wahlkreis Balingen nicht mehr die absolute Mehrheit. Nicht anders steht es im 2. Wahlkreis, wo die Stimmenzahl für den langjährigen Abgeordneten Schnaidt von 8261 aus 4604 zurückgegangen ist und wo selbst der Landtags- abzeordnete Schnaidt bei diesem Wahlergebnis in seinem eigenen Oderamt nicht einmal mehr in die Stichwahl gekommen wäre, wie ihn auch jetzt für die Rsichstagswahl der Sozialdemokrat für die Stichwahl mit dem nationalen Kandidaten Hieber, für den namentlich das O.A. Marbach eine sichere Mehrheit ergeben, aus dem Sattel gehoben hat. Aehnlich liegen die Verhältnisse noch in einer Reihe von Bezirken.

Eßlingen, 17. Juni. Die beiden Reichslagskandidaten Brodbeck und Schlegel haben je 6249 Stimmen. Nach genauer Stimmen­zählung hat sich nun gestern herausgestelll, daß der sozialistische Kandidat Schlegel erne Stimme mehr erhielt als der demokratische Kandidat Bierbrauer Brodbeck. Infolgedessen kommt Schlegel mit Reichsgerichtsrat von Geb in die Stichwahl und es ist also auch ver 5. Wahlkreis für die Volkspartei verloren.

Stuttgart, 17. Juni. Wie in früheren Jahren ist auch für dieses Jahr vom General­kommando verfügt worden, daß Mannschaften des aktiven Dienststandes zur Hilfeleistung bei der bevorstehenden Heuernte beurlaubt werden dürfen. Ein solcher Urlaub wird ausschließlich von dem detr. Regiments- re Komandeur, nicht vom Generalkommando erteilt. Heule wurde das 3. und 2. Bat. Gren. Regts. 119 durch den Regimentskommandeur in Anwesenheit der höheren Vorgesetzten besichtigt.

Stuttgart. Vom Blumenkorso liegt nunmehr die Abrechnung vor. Im ganzen wurden 53 500 Zuschauerkurten verkauft, welche mit dem Erlös aus den Wagen- und Reiterkarten und den offiziellen Postkarten die Summe von rund 13 000 ergaben. Die Unkosten beliefen sich auf annähernd 5000 so daß eia Ueber- fchnß von 8000 v-L erzielt wurde. Von dieser Summe fällt nach den Beschlüsse des Komites und des Ausschusses des Vereins für Fremden­verkehr die Hälfte dem Verein zu. Von der anderen Hälfte wurden 2000 hiesigen Wohl- thärigkeitSanstalten überwiesen, wettere Summen für einen Ehrenpreis zu den Rennen in Weil, für Fcelkouzerte lm K Schloßgarten in diesem Sommer und für Prämien an hiesige Droschken- besitzer bestimmt.

Ludwigsburg. Die riesigen Dimen­sionen, welche das Liederfest des Schwäbischen Sängerbundes annimmt, haben die Generaldirektion der Staatseifenbahnen veranlaßt, in umfassendster Weise für den Transport der Sänger und Fest­gäste Sorge zu tragen, und sie darf sich des Dankes aller Festteilnehmer und der Feststadt versichert halten. Sonntag 26. Juni bringen 15 Sonderzüge die Sänger hieher, selbst aus den entferntesten Gegenden des Landes wie von Schwenningen. Montag den 27. werden 16 Sonderzäge für die Rückfahrt bereit gestellt, so daß sich also das schwierige Geschäft der Be--