420
Pforzheim, 3. Juni. Herr Fabrikant Maisch Hof er, der Kandidat der Freisinnigen Volkspartci hat feine Kandidatur für den 9. Reichstagswahlkreis wieder zurückgezogen. Die Aussichten für Herrn Maischhofer waren, nachdem das Zentrum auch einen Kandidaten aufgestellt, allerdings nicht günstig, doch hätte Herr Maischhofer manche Stimmen erhalten.
Deutsches Aeich.
Auf die nicht undeutlichen Versuche englischer Staatsmänner und der englischen Presse, Deutschland über die Frage eines Bündnisses mit England zu sondieren, hat selbstverständlich die deutsche Diplomatie noch keine Antwort gegeben, da sie eiue solche erst auf dierekte Anfrage geben könnte. Dagegen ist in den tonangebenden deutschen Blättern die Antwort an die Engländer umso deutlicher ausgefallen, sie lautet durchweg auf ein entschiedenes und kräftiges „Nein!"
Trotz des kategorischen Dementis im „Reichsanzeiger" und in der „Nordd. Allg. Zeitung" halten einige Zentrums- und freisinnige Blätter an der ursprünglich vom bisherigen Reichstags- abgcordneten Müller-Fulda in die Welt gesetzten Behauptung fest, daß die Absicht bestehe, das bisherige Reichstags-Wahlrecht zu ändern, ja daß ein diesbezüglicher Entwurf schon ausgearbeitet vorlicge. Ueberall liegt bekanntlich dem Ankläger der Wahrheitsbeweis ob, und im vorliegenden Fall hüten sich die betreffenden Kandidaten und Blätter ängstlich, irgend einen Namen zu nennen, oder sonst einen Beweis für ihre Behauptung wenigstens zu versuchen; offenbar hat man es hier mit einem Wahlmittel zu thun, das man im gewöhnlichen Leben eine Wahllüge nennt.
Sieht man von den sich täglich mehrenden Nachrichten über die Wahlbewegung ab, so bleibt für die Berichterstattung in den deutschen Angelegenheiten herzlich wenig übrig. Zu erwähnen wäre da etwa nur, daß nach einer Münchener Meldung m den letzten Tagen ein erneuter schriftlicher Gedankenaustausch zwischen dem Kaiser und dem Prinz-Regenten von Bayern in Sachen des obersten bayerischen Militärge- richtshoses stattgefunden hat. Wie es heißt, hätte hierbei Prinz-Rcgcnt Luitpold in freundlichster Form aber bestimmt, erklärt, er könne unter seiner Regentschaft keine Aenderung in den bezüglichen Verhältnissen zulassen, er müsse an dem verfassungsmäßig gewährleisteten bayerischen Reservatrecht eines eigenen obersten Militär- gerichtshofeS festhalten. Verschiedene größere Bereinigungen tagten in der Psingstwoche auf reichsdeutschem Boden, so die Hauptversammlung des allgemeinen deutschen Schulvercins in Lübeck, die deutsche Lehrerversammlung in Breslau, der evangelisch.soziale Kongreß in Berlin, der dritte deutsch-oesterreichisch-ungarische Binnenschiffahrtsverbandstag in Nürnberg.
Hamburg, 24. Mai. Weitere Kreise dürfte die Nachricht interessieren, daß der Maschinist Petersen, welcher mit Nansen die Polarexpedition auf der „Fram" mitgemacht hat, in Hamburg ertrunken ist.
Obersulzbach. Zu Hause angekommen, legte der hiesige Ackerer F. C. ein Päckchen Sprengpulver, das er zum Sprengen von Bäumen angekaust hatte, aus den Tisch, an dem sein dreijähriges Töchterchen spielte. Das Kind nahm das Packet in die Hand und kam damit einer brennenden Cigarre, die der Vater auf den Tisch gelegt hatte (ist solche Unvorsichtigkeit möglich?!) etwas zu nahe. Ein furchtbarer Krach verkündete die Entzündung des gefährlichen Stoffes. Derselbe richtete erheblichen Schaden an dadurch, daß die eine Wand zertrümmert wurde und sämtliche Fensterscheiben in Stücke flogen. Wie durch ein Wunder blieb das Kind unversehrt, und auch der Vater, der sich in unmittelbarer Nähe befand, kam mit dem bloßen Schrecken davon.
Thorn, l. Juni. Bei dem Brande eines Hauses in der Jakobvorstadt fanden in der letzten Nacht fünf Personen den Tod in den Flammen: ein Arbeiter mit Frau und Kind und ein zweiter Arbeiter mit seinem zweijährigen Kinde. Eine Frau, die auS dem Fenster sprang, verletzte sich schwer. Die Ursache deS Feuers
wird auf Brandstiftung zurückgeführt. Untersuchung ist ringeleitet.
Ehrenvolle Auszeichnung. Aus der Rhein.-Westsäl.-Kochkunst-Ausstellung zu Elberfeld wurde der durch ihre vorzügliche Produkte rühmlichst bekannten Firma Maggi außer dem Diplom zur goldenen Medaille noch ein Ehrenpreis, bestehend in einem schweren silbernen Pokal, verliehen.
Württemberg.
Württembergischer Landtag.
228. Sitzung.
Stuttgart, 1. Juni. T.-O.: Wasserrecht. Abschnitt 6, Schlußbestimmungen. (Insbesondere die Frage behandelnd, ob die Kreisregierungen die Wasserpolizeibehörden bilden sollen, oder ob ein Zentralwassrramt geschaffen werden soll.) Henning-Urach weist in längerer Rede aus die Vorteile hin, die durch die Schaffung eines Zentralwasseramtes geboten würden. Min. v. Pesch ek tritt dieser Ansicht entgegen, indem das Zentralwasseramt eine Verzögerung in der Behandlung der bezüglichen Anlagen bedingen würde. Die Art. 98 a—o werden hierauf in der Fassung der Kommission angenommen, ebenso Art. 99—101. Art. 104, Bestimmungen über das Inkrafttreten des Gesetzes. wird hierauf angenommen und zurückgegriffen zu Art. 28, Verteilung des Wassers in Zeiten der Wasserklcmme. Es war hiezu von landwirtschaftlicher Seile die Abgabe von Wasser auch an Nichtwässerungsberechtigte angeregt worden. Die Kommission beantragt, nunmehr den Abs. 1 des Art. 28 unverändert anzunehmen, dagegen nach Art. 32 einen neuen Art. 32 a cinzufügen des Inhalts: „Ausnahmsweise kann die Bezirkspolizei den Wassernutzungsberechtigten entbehrliche Wassermengen Nicht- bewässcrungsberechtigten zur Wiesenbewässerung ohne Anspruch auf Entschädigung zuweiscn." Nachdem v. Geß. Henning und Nieder wiederholt ihre geäußerte Ansicht verteidigt, wird der Art. in der Fassung der Kommission angenommen, Art. 32 a jedoch abgelehnt. Hiemit ist das Wasserrecht durchberaten. Nächste Sitzung Dienstag 7. Juni 9 Uhr.
Stuttgart. Der vom Verein für Fremdenverkehr für den Pfingstsonntag arangierte Blumenkorso nahm einen kaum gehofften glänzenden Verlauf. Insgesamt beteiligten sich 115 Wagen an der Umfahrt und die Zuschauermcnge mag gegen 60000 gezählt haben. Um 4 Uhr bogen die Wagen der Kgl. Majestäten in die Anlagen ein, woran sich alsbald die übrigen Korso-Teilnehmer anschloßcn. Ueber die Ausschmückung der verschiedenartigen Gefährte vernahm man nur Worte höchster Anerkennung. Der Wagen des Königs war in reizenden Guirlauden aus Maiblumen und roten Röschen geziert. Prinzessin Katherina hatte die traubenartigen Glycinien mit Päonien, Frau Herzogin Werä, welche den Prinzen und die Prinzessin Albrecht zu Schaumburg-Lippe bei sich halte, Jrisguirlanden und ErisbouquetS gewählt, während das Brautpaar, Prinz Max und Herzogin Olga, in einem mit duftenden Mai- glöckchen geschmückten Wagen saß, Herzog und Herzogin Albrecht fuhren mit Frau Herzogin Philipp in einem stattlichen Viererzug, der förmlich mit Margueriten bedeckt war. ihnen folgten die Herzoge Robert und Ulrich von Württemberg, ferner die Prinzen Herrmann und Wilhelm von Sachsen-Weimar, letzterer mit Gemahlin, sowie Prinzeffin Olga-Maria. Die Die Ojsiziere der Cannstatter Artillerieabteilung erschienen in einem Sechscrgespann, das von drei Artilleristen in altwürttemb. Uniform vom Pferde aus geleitet wurde. Die beiden Ludwigs- burger Kavallerieregimenter hatten von auswärts sich sogenannte Mailcoachs kommen lassen, die aufs hübscheste geschmückt waren. Ueberall machte sich das Bestreben geltend, etwas hübsches und anmutiges zu bieten. Es ist bei einer solchen Fülle von Schönheiten unmöglich, aus alle Einzelheiten einzugehen; Pferde und Wogen waren durchweg reizend mit Bändern und Blumen geschmückt. Die Gärten mußten schonungslos geplündert werden, um das Material für Aus-
> ftattung derWagen zu gewinnen. Glücklicherweise ' hat der Mai eine unerschöpfliche Fülle von ! Blüten zur Verfügung gestellt. Reizend nahm sich eine Rosenlaude aus; Schneeball bildete den Hauptbestandteil für einen anderen Wagen; ein anderer prangte in Hortensien, ein anderer in Goldlack. Mit Wohlgefallen ruhte das Auge auf einem farbenreich geschmückten Leiterwagen, der von kräftigen Ackerpferden gezogen und von einemBauernburschen gelenktwurde. DieJnsassen, eine große Anzahl junger Mädchen, stellten allein schon die Blüten des Frühlings dar. Einfach, aber vornehm nahm sich ein Wagen aus, der mit Sträußen von Kaisernelken geschmückt war. das dunkle Blau hob sich stolz von dem Hellen Grün der Heidelbeerstaude ab; glücklich war die Verbindung mit Blutbuchenzweigen. Meistens folgten die Blumengewinde den Linien derWagen, bisweilen prangten an den Biegungen große Sträuße z. B, aus Iris, Päonia und Blutbuche. Aber auch die Räder waren verziert; die Aus- schmückung bestand an Speichen und Felgen nicht bloß aus Blüten, sondern auch aus Schleifen; selbst die Peitsche des Kutschers war mit Schleifen verziert. Reich verziert war ein Wagen mit den städtischen Farben; als Ausschmückung war gewählt die Stechpalme mit ihren jungen korallenroten Beeren, dazwischen die Eberwurz. Der bunte Mohn konnte, so früh im Jahre, mit seinen warmen Farben schon ziemlich reichlich verwendet werden. Die Toiletten der Damen entsprachen hinsichtlich der Farben vielfach den für die Ausschmückung gewählten Blumen. Die Musikkorps der hiesigen Regimenter sorgten für Unterhaltung des Publikums, dos schon von 1 Uhr ab in dichten Schaaren herbeigeströmt war.
Sluttgart, 29. Mai. Als Charakteristikum möchten wir aus dem Blumencorso, welcher heute in den königlichen Anlagen stattsand, von den zahlreichen mit Blumen reichgeschmücklen Wagen denjenigen hervorheben, in welchem der Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart saß. Derselbe war, wie die „Bad. Landesztg." meldet, mit — Disteln umgeben, wohl eine Anspielung darauf, daß der Posten eines Oberbürgermeisters nicht mit Blumenguirlanden umgeben sei.
Ulm, 2. Juni. Eine baldige Niederlegung des Festungswalles nimmt auch die kgl. würtlb. Eisenbahnverwaltung in Aussicht. Sie hat nun mit sämtlichen Privatgrundbesitzern, deren Eigentum sie zur Anlegung eines Rangier- bahnhoses im Blauihal bedarf, endgiltige Käufe abgeschlossen. Gestern wurde den Gebr. Braun, Dachpappcgeschäft.jürihrAnwesen am Bleicherhag zwischen Ulm und Söflingen von der Bahnhoskasse die Summe von 95 000 bar ausbezahlt. Außerdem erhält die Firma im Tauschweg ein Ersatzgrundstück im Wert von 40000 Von Privaten konnte nur mit dem Bierbrauereibesitzer Rau von Ulm noch kein Abkommen getroffen werden, weil er für seine Güterstücke beim Söflinger Bahnhof zu hochgespannte Forderungen stellt. Mit der Stadt Ulm, in deren Besitz sich hauptsächlich das an den westlichen Wall grenzende Areal befindet, hat die Generaldirektion gleichfalls Kausverhandlungen eingeleitet; doch dürften sich diese etwas schwieriger gestalten, weil dabei die Mohrenkopffrage ins Spiel kommt.
vermischtes.
(Jungfrsuen-Auktion.) Die Stadtgemeinde St. Goar hatte in der Zeit vom 15. bis 18. Jahrhundert alljährlich eine Einnahme von 20
bis 50 Thaler aus der Versteigerung der Jungfrauen. Am Ostermontag pflegten sich nämlich die Jungfrauen St. Goars vor dem Rathause zusammenzufinden und wurden hier durch einen städtischen Auktionator an die jungen Burschen „für den Jahrestag" versteigert d. h. die für das Höchstgebot gewonnenen Jungfrauen durften das Jahr hindurch mit ihren Erwerbern tanzen.
„Was suchen Sie denn in meinen Büchern, Kathi?" „Entschuldige S', Herr Professor - ich brauchet halt a' paar Citaterln für eine Brief a meinen Schatz!"
Mit einer Beilage. (Doppeltes Watt)
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.