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minister Salisbury am Dienstag im Ober­hause eine größere Rede gehalten, die haupt­sächlich die Besetzung Wei-Hai Wei's durch die Engländer und weiter der chinesischen Frage überhaupt galt. In dieser Rede legte Salisbury die Gründe dar. welche England veranlassen, sich ablehnend gegen eine etwaige Zerstückelung China's zu verhalten.

Salisbury über Wei-hai-wei. Im englischen Odcrhause sprach Lord Salisbury über Wei hai wei und sagte: China hatte nicht die Kraft, sich gegen die Macht Rußlands auf­zulehnen; wenn man aber weiter und in die Zukunft blickt, so glaube ich, daß von 400 Millionen Menschen Niemand behaupten kann, daß sie für immer gebrochen seien. China hat eine Regierung, von deren Verdiensten wir nicht sehr begeistert sprechen wollen, aber es hat noch eine Regierung, die einen enormen Handel möglich macht. Chinas außerordentlich große Bevölkerung ist in einem Gefühle einig, nämlich in dem Hasse gegen fremde Herrschaft. China fehlt cs an Mut, und einer meiner Verteidig, ungsgründe für die Besetzung Wei-hai-wei ist, daß sie China gegen Verzweiflung stärken und ihm den Mut geben soll, fernen Feinden Wider­stand zu leisten, wenn die Gelegenheit sich bietet. Die Gefahr, als wir die Besetzung Port Arthurs ohne entsprechende Bewegung von unserer Seite zulieben, lag darin, daß große Bevölkerungs- schichten Chinas verzweifeln und zu dem Glauben gelangen konnten, daß ihre Beherrschung durch eine Macht ihr Geschick sei, dem sie nicht entgehen könnten. Unsere Sache war es, ihnen zu sagen, daß dieses Geschick, soweit wir es verhindern könnten, nicht über sie kommen würde. Ich bin der Anstchr, daß Wei-hai-wei von großem strategischem Werte ist; noch wichtiger aber ist die Wirkung unserer Politik auf die Meinung des Ostens. Einen zweiten Vorzug bietet Wei-hai-wei als Flottenstation und als Operations­basis inmitten einer Gegend, die sehr schnell von großer Wichtigkeit werden wird. Wir vertrauen fest darauf, daß die fremden Nationen sich nicht gegenseitig hindern durch territoriale Zänkereien, die nur hinauslaufen können auf eine Vernichtung des Handels und der Industrie. Und zu diesem Endzwecke wollen wir die weitestgehende Freund­schaft pflegen mit allen den Mächten, mit denen wir in Berührung kommen mögen. (Anm. d. Red. Trotz dieses friedlichen «Schlusses enthält die Salisburysche Rede ebenso scharfe Spitzen gegen Rußland wie die Chamberlains.)

vermischtes.

Trutzlied a« den Mai 18S8.

Unholder Mai, wie reut es mich,

Daß ich ein Loblied dir gesungen!

Dein Scepter hast du (schäme dich!)

So streng und rauh bisher geschwungen. Obgleich wie ein verlor'ner Traum Zu Ende geht dein kurzes Leben,

Hast du, Entarteter, uns kaum Drei Tage Sonnenschein gegeben.

Dafür hast du uns Tag und Nacht Des Himmels Thränen fließen lassen,

Hast Sturm und Hagelschlag gebracht,

Uns kaum den Lenz genießen lassen;

Gebüsch und Bäume, dichtbelaubt,

Hast du um ihren Schmuck betrogen Und unsrer Wälder grünes Haupt Mit Nebelkappen überzogen.

Du Schelm, ich habe noch nicht ganz Den Glauben an den Mai verloren:

Ich hoffe, daß mit Hellem Glanz Dein Ruhm erstrahlt wie neugeboren,

Daß deines Daseins letztes Stück Mit Sonnenschein sich neu verbündet,

Sonst nehm' ich reuevoll zurück,

Was ich zu deinem Lob verkündet.

Rudolf Müller.

Au de Herr Mai I8S8.

Du lieber Wonnemonat Mai!

Ka'st wieder nex wia briegga?

Im Nebel, ohne Sonnaschei'

Müaßt wieder d' Bäm verblüaga.

Und regna thuat es, daß ma' bald, Könnt uf de Stroßa flaiza,

Du liebe Zeit! dabei so kalt,

Ma' muaß de Ofa heiza.

Der Erdsbod ka' des Zeigs ällsgmach Fast nemme mai erschlucka,

Und Stiefel, HLs und Regadach,

Des wurd gar nemme trucka.

Und mei'l ma, d'Sonn hätt eineglenkt, Schö' Wetter wär jetzt z'hoffa.

Ja, prosit Mahlzeit! d'Sonn äls denkt Und läßt ei'm hinna 'n offa.

Host denn, du junger Lecker, schau Aells ganz und gar vergessa,

Wia i diar vorigs Jährle hau Amol d'Levita g'lesa?

I hau der g'sait dort was se ziem,

Gelt do host könna schnupf«;

Wurscht denkt hau: äll Respekt vor deam,

Der ka' ein g'hörig stupfa.

Hau leider wieder au des Johr Mit diar e Hühale z' rupfa,

Host gmei't, de seist schau außer G'fohr,

I laß de desmal schlupfa?

Nei! nei! so kommst mer net aweg,

I laß net mit mer kegla,

Host g'wiß g'meit, i sei net so keck Die deßmol au z' verhechla.

Du Bürstle bist so überhirnt,

Lern du erst d'Nas recht Putza,

Du host schei'ts d' Madam Sonn verzürnt,

Sust thät se net so trutza.

Wenn's sell ist, no host übel thau,

Des ka' der bais ufstaußa;

D' Sonn ist a respektable Frau,

Die ka' ei'm g'hörig lausa.

Jhar grüane Bürstla wöllet hau De alte Leut zum Narra;

D' Sonn ist afanga en alte Frau,

Dui läßt net mit 'ra barra.

Doch wenn 're recht flattiera thuast Und g'hörig 's Mulle streicha,

's ka sei, se läßt se doch beim Bluesi Am Ende no erweicha.

Probiers! pack du d' Frau Sonn amol An dera schwach« Seita,

's Flattiera thuat de Weiber Wohl Jo schau seit Adams Zeit«.

's Hot könne schau em Paradies Dui Pfiffig, listig Schlanga Von Muetter Ed' dean Aepselbiß Durch Schmeichla erst erlang«.

Drum lieber Mai! wur jetzet g'scheit,

Uns äll mitnand' zum Nutz»,

Thua glei derzua, allweils no Zeit,

Aih du muaßt d' Platte putza. I-. 8eb.

Berlin. 11. Mai. Daß ein Berliner Rentner der Besitzer des goldenen Wagens des Herzogs von Reichstädt ist, dürfte wohl nur wenigen bekannt sein. In derFreis. Ztg." liest man darüber folgendes: Als der unglückliche, 1811 geborene und 1832 an der Schwindsucht verstorbene Sohn Napoleons I. und seiner Gemahlin Marie Louise von Oesterreich das Licht der Welt erblickte, schenkte die Stadt P;cis dem bereits in der Wiege zum Könige von Rom geklönten Stammhalter des damals noch allgewaltigen Corjen einen goldenen Wagen. Dieser Wagen wurde nach dem Sturze Napoleons mit vielen anderen Gegenständen aus dem Privat- besitze des Kaisers vom Könige Maximilian I. von Bayern erstanden, der ihn den Kindern seines Schwiegerjohncs, des Herzogs von Leuchtenberg, schenkte. Der Wagen ging dann noch durch verschiedene Hände, bis er in den Besitz des jetzigen Eigentümers, des Rentners Eifert in Berlin, kam. Bemerkenswert ist noch die That- sache, daß Herr v. Dreyse, der Erfinder des ZündnadelgewehrS, als junger Mann zur Zeit als er noch als armer Handwerker bei dem Hofwagenfabrikanten Napoleons arbeitete den berühmten goldenen Wagen zusammenstellen hals.

Das großeLos der Preußischen Klasscn- lotterie, das langersehnte, ist nun endlich gezogen in zwölfter Stunde, am letzten Ziehungstage ist es auf Nr. 62444 gefallen. 500 000 »lL sind kein Pappenstiel, um so mehr, wenn dieselben oder ein Teil davon Einem die launische Glücks­göttin unversehens in den Schoß wirft. Heutzutage weiß ja Jeder den Wert des Geldes, besonders des großen, zu schätzen, und so lag während des Zichungsaktes über dem Raum, in dem er stattfand, eine wahre elektrische Spannung. Als dann die Nr. 62 444 ertönte, gab es viele recht lange Gesichter, denn das große LoS wird ja nur einmal gezogen, und die meisten Lotterie­spieler lesen die Nummer, auf die es fällt, nur in der Zeitung, aber nicht auf ihrem eigenen Anteilscheine. Nach der Beendigung der Ziehung fand ein wahrer Sturm von Interessenten auf die Portiers des Gebäudes der Königlichen» General-Lotterie. Direktion statt; auch die

Direktoren wurden vielfach über den Ort. wohin der Haupttreffer gefallen, über den Namen des glücklichen Gewinners »nd des Kollekteurs interviewt," lehnten jedoch grundsätzlich jede Auskunfiserteilung ab, da die Gewinner großer Treffer erfahrungsgemäß durch Veröffentlichung ihres Namens allen möglichen Anzapfungen und Scherereien ausgesetzt sind. Nur so viel ist bekannt, daß die halbe Million in eine kleine Stadt geht. _

Falbs Witterungsbericht aus Teplitz, den 18. Mai. Die ergiebigen Nieder- schlüge, welche wir für den kritischen Termin des 6. Mai vorausgesagt, sind genau zu dieser Zeit in großer Ausdehnung und Heftigkeit ein- getreten. Zunächst machte sich dieser Termin durch ausgebreitete Gewitter vom 2. bis 4. in Görlitz, Rostock, Thüringen, Nordböhmen, im Elsaß, an der Nord- und Ostsee, Chemnitz, Berlin. Friedrichshafen, München geltend. Darauf folgten genau am 6. heftige Regen- und Wolkenbrüche mit Ueberschwemmungen, so an der Oberwcser, in Kassel, ganz Kurhessen und Westfalen. In Hildesheim regnete cs am 6. 16 Stunden, in Rostock 24 Stunden lang ununterbrochen. In beiden Städten traten lieber- schwemmungen ein. Vom 6. bis 7. nachts fiel in Göttingen nach den Aufzeichnungen des Obser­vatoriums so viel Regen, wie es seit mindestens 10 Jahren dort nicht mehr beobachtet worden war. Auch in Ober- und Mittelitalien ver­ursachten am 6. heftige Regen ausgedehnte Ueberschwemmungen. Infolge dessen ging dann die Temperatur, die am 2. und 3. schon eine recht bedeutende Höhe erreicht hatte, erheblich zurück, namentlich am 7. Meine mich am heftigsten bekämpfenden Gegner hatten für den 6. Mai für ganz Deutschlandkeine oder ge­ringe Niederschläge" prophezeit! Für die nächste Zeit ist noch eine Periode zahlreicher Gewitter in ganz Mitteleuropa zu erwarten. Die Nieder­schläge dürften um den 22. ein nicht unbedeutendes Maximum erreichen. Nach dem 23. ist besseres Weller und Abnahme der Temperatur zu er­warten. Um den 27. aber ist wieder Regen­wetter wahrscheinlich. Ebenso um den 4. Zm (kritischer Termin II. Ordnung.)

Telegramme.

Cattowitz, 20. Mai. Heute Abend stürzte in der Gocthestraße ein 3stockiger Neubau in sich zusammen. Bisher wurden 4 Schwer­verletzte aus den Trümmern hervorgezogen. Mehrere Personen wurden vermißt.

Madrid, 20. Mai. Das neue Kabinet stellt sich heute der Kammer vor. Wahrscheinlich wird Römern Robledo eine Erörterung über die letzte Minlsterkrisis veranlassen.

Key west, 20. Mai. Wie jetzt bekannt wird, sollen bei den jüngsten Gefechten bei Cienfuegos 300 Spanier getötet und mehrere Hundert verwundet worden sein. Längs der Küste sei großer Schaden angerichtet worden.

Der deutsche DampferPolaria" ist gestern

nach New-York zurückgekehrt infolge der Zurück­ziehung der Erlaubnis, die Blokade vor Havana zu passieren. ^ .

New-York, 20. Mai. Der New-Dor! Herald meldet aus Washington: Die Mariae­verwaltung erhielt heute Nacht die halbamtliche Mitteilung, daß das Geschwader des Admirals Cervera in Sontiago de Cuba angekommen ist.

Havana, 20. Mai. Zwei ameri­kanische Kriegsschiffe suchten durch eine Kanonade den Hafeneingang von Guantanamo zu erzwingen. Das spanische KanonenbootSandoval" er­widerte das Feuer und Infanterie und Marine- truppen schlugen die Landungsversuche der Amerikaner zurück. Die Spanier hatten keine Verluste. Der Feind zog sich schließlich zurück.

Die Reise des Geschwaders Cervaras

ging ohne jeden Unfall und ohne Beschädigung irgend eines Schiffes von statten. Kein feind­liches Schiff wurde angetroffen. Der Gesund« heitszustand und die Haltung der Besatzung sw" ausgezeichnet. . ,

New-York, 20. Mai. Bei dem Wirbel, sturm, welcher am letzten Mittwoch in den Staaten Iowa, Illinois und Bisconsin wuttte, sollen etwa 70 Menschen umgekommen senu

Redaktion, Druck und Verlag von E. Meeh in Reuenbürg

Mit einer «eilase.