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sachen Flüssigkeiten, Oele, fette Stoffe, abfärbende oder nicht absärbende Pulver, ferner lebende Bienen sind allgemein zur Versendung gegen die Warenprobentaxe zugelaffen. Gegen die Drucksachentaxe sind künftig auch Photo- graphie-Älbum zugelaffen, sowie bei gleichzeitiger Auflieferung von mindestens 20 Exemplaren alle auf mechanischem Wege erhaltenen Abdrücke, nicht nur der mit der Feder, sondern auch der mit der Schreibmaschine hergestellten Schriftstücke. Die Zahl der bei Drucksachen gestatteten handschrift­lichen Zusätze ist erheblich vermehrt worden. So dürfen z, B. auf Visitenkarten, Glückwünsche. Beileidsbezeugungen u. s. w nicht nur wie bisher in Buchstaben, sondern auch in Worten, höchstens fünf, niedergeschrieben werden; auf Weihnachts- und Neujahrskarten ist die Hinzufügung von Widmungen gestattet. Der zulässige Meist- betrag der Nachnahme auf Briefpost- rc. Sendungen ist von 500 Fr. auf 1000 Fr., der zulässige Meist betrag einer Postanweis­ung gleichfalls von 500 Fr. auf 1000 Fr. erhöht worden, auch hat die Tage für Post­anweisungen über 100 Fr. eine wesentliche Er- Mäßigung erfahren.Das Meistgewicht der Postpackete ist von 3 auf 5 Kilogramm erhöht worden. Diese Beschlüsse treten nach ihrer Ratifizierung durch die Regierung mit dem Januar 1899 in Kraft.

Württemberg.

Eßlingen, 5. Septbr. Der Eingabe des württembergischen Städtetagsden Einzug der künftigen allgemeinen Einkommensteuer inner­halb der Bezirke ihrer Gemeinden an staatliche Behörden übertragen zu wollen" haben sich die bürgerlichen Kollegien nicht angeschlossen, viel- mehr haben sich dieselben in Rücksicht darauf, daß der Einzug dieser Steuern auf einem alten, verfassungsmäßigen Recht bestehe, daß hiedurch Mißstände seither nicht vorgekommen seien, daß es den Gemeindebehörden durch die genaue Kenntnis der Vermögensverhältnisse ihrer Ein­wohner nötigenfalls viel eher möglich sei, im einzelnen Falle ohne Verlust für die Stadt Schonung eintreten zu lassen und daß außerdem die durch den Mehreinzug der jetzigen Ein- kommensteuer verursachte Mühe, durch eine von der Kgl. Staatsfinanzverwaltung ausgesetzte Gebühr entschädigt werde, dahin ausgesprochen, daß auch für die Zukunft der Einzug der allge­meinen Einkommensteuer durch die Gemeinden, ohne Unterschied ihrer Größe, geschehen solle, event. solle, wenn die Durchführung dieses An- trags nicht möglich sei, bei den maßgebenden Stellen der Antrag gestellt werden, den einzelnen Gemeinden die Bestimmungen darüber, ob sie diese Steuern durch den Staat oder Gemeinde einziehen lassen wollen, zu überlassen.

Eßlingen, 1. Sept. Gestern Abend zwischen 9 und 10 Uhr kam das etwa 10jährige Töchterchen des K. Sch. von Mettingen mit den Kopfhaaren einer brennenden Ecdöllampe zu nahe. Die Haare brannten im Augenblick lichterloh und das Mädchen wäre elend umge­kommen, wenn nicht auf das Schreien sein Vater hinzugekommen wäre. Derselbe löschte das brennende Haar mit den bloßen Händen, erhielt aber dabel so schwere Brandwunden, daß er schwer krank darniederliegt. Das Mädchen trug ebenfalls bedeutende Brandwunden davon.

Ellwangen, 5. Sept. Ein bedauerns­werter Unfall ereignete sich gestern morgen hier. Das 9jährige Söhnchen des verstorbenen Oder­amtsbaumeisters Lambert machte sich mit einer Pistole zu schaffen, wahrscheinlich in der Mein­ung dieselbe sei nicht geladen. Plötzlich entlud sich jedoch ein Schuß und drang dem Knaben in die Schläfe; er verschied nach einigen Stunden. Die Teilnahme mit der Mutter, die ihren ein- zigen Sohn auf diese Weise verlor, nachdem ihr erst vor wenigen Monaten der Gatte durch den Tod entrissen worden, ist allgemein.

Tuttlingen, 5. Sept. Gestern lehnte Wundarzt Diener hier sein Zweirad als er zum Mittagessen gieng, an die Außenwand seines Hauses, das in der Nähe des Marktplatzes liegt. Ein vorübergehender Strolch benutzte die Gelegenheit, setzte sich auf das Rad und machte

sich damit so schnell auf und davon, daß seine Verfolgung und die Nachforschungen nach ihm bis jetzt zu keinem Ergebnis führten.

Saulgau. 1. Septbr. Im hiesigen Gasthaus z. Dreikönig hält sich schon drei Tage ein Wunderdoktor namens I. B. Wehrle auf. Derselbe heilt durch Sympathie Bruch­leiden; er hängt seinen Patienten und deren sind es nicht wenige im Namen der 3 höchsten Personen ein Amulett aus Leinwand, an dem sich ein rotes Bändchen befindet, um den Hals, um es auf bloßer Brust zu tragen, daneben muß der Leidende 3 Vaterunser beten. Der Preis der ganzen Kar beträgt 23 vfL an­geblich fürs Inserat, da derHm Doktor" aus purer Liebe zur Menschheit für sich nichts ver­langt. Dieser Tage öffnete ein Ungläubiger trotz des Verbots des Heilkünstlers ein solches Leinwandstückchen und fand darin sorgfältig auf Pappdeckel aufgenäht die Füße einer Scheer- maus! Hoffentlich wird dem Schwindler das Handwerk gelegt.

Ausland.

Rorschach, 4. Sept. Infolge heftiger Regengüsse wächst der Rhein in gefahrdrohender Weise. Bei Au und Maxstein zeigte der Pegel vormittags 11,4 Meter. Die Ach ist bereits ausgetreten und ergießt sich über Wiesen und Felder.

Aus der Schweiz, 3. Sept. Aus Bellinzona meldet dieNeue Zür. Ztg.": Ein Gewitter, das heute die Leventina heim- suchte, unterbrach zwischen Faido und Lavorego die Gotthardbahn auf 50 Meter Länge. Das schlechte Wetter dauert fort.

Wien, 4. Sept. Der deutsche Turn­verein in Karlsbad wurde von der Behörde aufgehoben, weil er dem Abgeordneten Wolf eine Zustimmungskandgebung zugesandt hat.

Barcelona, 4. Sept. Ein Anarchist gab um Mitternacht auf der Plaza de Cataluna 2 Schüsse auf den Polizeichef Portas ab. Portas wurde schwer an der Brust verletzt. Der Mörder heißt Roman Sempan Barril und ist im Jahre 1869 in Barcelona geboren Er hielt sich in der letzten Zeit in Paris auf, von wo er vorgestern hierher zurückgekehrt ist Die Menschenmenge, welche infolge der Schüsse auf der Plaza de Cataluna zusammenstcömle, wollte den Mörder lynchen, den die Gendarmen nur mit Mühe in einen Wagen heben und auf die Polizeipräfeltur bringen konnten. Nachdem Barril die beiden Schüsse auf Portas abgefeuert hatte, versuchte er zu entfliehen, wurde jedoch von Plantada, dem obersten Polizeichef, ver- folgt, auf welchen der Flüchtling mehrere Schüsse abgab. Plantada wurde nicht verwundet. Da­gegen erhielt ein Kellner einer Bierwirtschaft, in welche der Mörder flüchtete, einen Schuß in den Schenkel. Der Polizeichef feuerte nun seiner­seits auf Barril und verhaftete denselben in der Bierwirtschaft. Portas hat versichert, Sempan Barril sei ein Mitschuldiger Angiolillos und sei von ihm vor zwei Jahren verhaftet worden, weil Barril im Theater zu Mavedades die spanische Fahne ausgepfiffen habe. Portas war mit der Ueverwachung der Anarchisten beauftragt. Im Augenblick des Attentats ging er mit dem Polizeikommissar Teseida, der an der Schulter verwundet wurde, aus dem Theater.

Athen. 4. Sept. Die Regierung erklärt, daß sie zum Dienst für die Kriegsentschädigungs­anleihe nur die Einnahmen aus der Stempelsteuer angeboren habe, wie dies von Anfang an gemeldet worden war. Das BlattAsty" veröffentlicht einen Artikel, der die Hoffnung ausspricht, daß England allein die KnegSentschädigungsanleihe garantieren werde. Der Artikel scheint die in amtlichen Kreisen vorherrschende Ansicht wider­zuspiegeln.

Havre, 4. Septbr. Felitz Faure, welcher von Herrn Dubose zur Jagd einge­laden war, erlegte 19 Hasen, 28 Feldhühner und 7 Wachteln, wovon er der Kaiserin von von Rußland 6 Hasen 12 Feldhühner und 6 Wachteln sandte.

Saint Etienne, 4. Septbr. Eine Wasserhose ging gestern Abend auf die Orte Fenillouse, Saint Galmier nieder. In dem

ersten Orte wurden sämtliche Keller unter Wasser gesetzt und erreichte dasselbe eine Höhe von 1 Meter. Der Eisenbahnzug von Saint Etienne nach Roanne hatte eine Verspätung von 2 Stunden und blieb 50 Meter vor dem Bahnhof stehen, da das Wasser das Feuer der Maschine ausgclöscht hatte.

Capstadt, 4. Septbr. Eine Petition wurde dem Volksraad von Transvaal unter­breitet, welche die Anstellung von nicht naturali­sierten Personen bei der Nationalbank untersagt. Einige Abgeordnete sprachen sich energisch gegen die Anstellung von der englischen Nationalität angehörenden Beamten aus.

Bombay, 4. Septbr. Lord George Hamilton genehmigte, eine große Expedition in die Berge von Tirah zu senden, welche das Hauptvertetdigungszentrum der Afridis sind. Zwei Kolonnen unter dem Befehle der Generäle Blood und Ellis marschieren gegen die auf­ständischen Stämme der Mohmands. Eine Kolonne geht von Swrt. die zweite von Chab» kader ab. Die Stärke derselben besteht aus 10 000 Mann.

Unterhaltender Teil.

Herzens-Adel.

Von R. B e Y e r.

I.

Geld macht nicht reich,

Es sei denn reich das Herz zugleich".

Langsamen Schrittes durchmaß der Majo­ratsherr des Gutes Steinthal, Baron Heinrich von Hohenwart, den mit seltener Pracht und Eleganz ausgestatteten Empsangssalon des Hauses, während sein Blick von Zeit zu Zeit die gold- durchwirkle Damastportiere streifte; er schien ungeduldig einen Besuch zu erwarten.

Ein hoher Fünfziger bereits, zeigte der Baron in seinem äußeren Wesen zwar Spuren der durchlebten Jahre, indessen schienen seine kräftige Gestalt, sein aufrechter Gang und die frische Farbe seines Gesichtes sich nicht in Einklang setzen zu wollen mit den Attributen des herannahenden Alters, das namentlich den edel geschnittenen Zügen und dem Haupt- und Barthaar seine unvertilgdaren Merkmale aus­geprägt hatte.

Er blieb auf einmal in der Mitte des Salons stehen, und indem er seinen Blick sinnend auf den Boden heftete, hob und senkte sich seine Brust unter einem stillen Seufzer.

In diesem Augenblick fuhr die Portiere auseinander, und der Diener, der jetzt herein­trat, nannte einen Namen, dessen Träger, ein fein gekleideter junger Mann, unmittelbar darauf erschien.

Sie entschuldigen, mein lieber Herr Mühl­feld, daß ich Sie hierher bemüht habe," sprach der Baron im freundlichen, herzgewinnenden Ton, indem er auf den jungen Mann zulrat und dessen beide Hände erfaßte.Ich empfinde das dringende Bedürfnis, bevor Tie für immer von uns gehen, noch mit Ihnen zu sprechen, so wie ein Freund zum Freunde, oder, falls es meinem Alter gestattet sein sollte, zu sagen: wie ein Vater zu seinem Sohne."

Bei den letzten Worten hatte seine Stimme einen weichen Klang angenommen und es schien, als koste es ihm Mühe, seiner Bewegung Herr zu werden.

Eine Thräne umflorte den Blick des jungen Mannes.

Nur zu fühlen, nicht auszu sprechen vermag ich das väterliche Wohlwollen, mit dem Sie mich, Herr Baron, vom ersten Tage meines Eintritts rn Ihr Haus umgeben haben," sagte er mit leise bebender Stimme;und wenn Sie selbst jetzt, da ich, schuldbewußt vor Ihnen stehend, mich als die Ursache Ihres Kummers anklagen muß, den meine"

Nichts da von «schuldbewußtsein, von grundloser Selbstanklage!" rief der Baron, ihn unterbrechend.Wenn bei den in unserer Milte entstandenen Konflikten von einer Verschuldung überhaupt die Rede sein kann, so haben wir Alle, ich, Sie und nicht minder meine Tochter, an dem Vergehen Teil. Doch bitte, nehmen Sie auf einige Augenblicke hier an meiner Seite