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des Königs von Schweden, Prinzen Karl, in feierlicher Weise stattgefundcn. Anwesend waren die königlichen Familien von Dänemark und von Schweden, die Kaiserin-MutterMariaFeodorowna von Rußland, die Prinzessin von Wales, sowie andere hohe Herrschaften. Das junge Paar ist nach Deutschland gereist.
Der spanische Ministerpräsident Azcarrag a hat erklärt, er werde hinsichtlich der kubanischen Angelegenheit dem von Canovas eingeschlagenen Wege folgen. Er habe Vertrauen zu General Weyler, dessen militärische und politische Haltung rühmenswert sei; er glaube der Aufstand nähere sich seinem Ende. Wenn die Vereinigten Staaten unbillige Forderungen stellen sollten, würde die spanische Regierung ihre Pflicht thun.
AnLerhattender Heit.
Ausgetauscht.
Humoreske von H. Ab t.
(Fortsetzung)
Auch Herr Erwin Brändel hatte eine sehr unruhige Nacht; auch ihn quälten seltsame, wunderliche Träume.
Er hatte, als er von Signora Annunciata Cornarelli zurückgekehrt war. den Koffer sofort nach dem Bahnhof zurückbefördern wollen, da gewahrte er, wie ein Stückchen der rosenfarbenen Gazewolke herausgeklemmt war. — Durch seine Nachlässigkeit durfte doch nichts beschädigt werden. Er öffnete nochmals den Koffer. Da bauschte er sich wieder auf, der rosa, silberdurchwobene Duft. Aber wie häßlich er doch vorhin in seiner Hast das hübsche Kleid, oder was es sonst sein mochte, zusammengedrückt hatte. Das mußte doch wieder geglättet werden. Erwin Brändel besaß jedoch nicht die geringste Erfahrung in der Behandlung solcher empfindsamen Dinge. Seine Glättversuche fielen so ungünstig aus, daß er sich veranlaßt, fand, daS Kleid ganz her- auszunehmen, um es von neuem zusammen« zulegen. Ein ganz eigentümliches Gefühl durch« zuckte ihn, als das federleichte Duftgebilde sich um ihn aufbauschte. Es war das erste Frauen« kleid, welches er in der Hand hielt — die ehr« würdigen Flanellüberröcke seiner alten Mutter ausgenommen — und er errötete plötzlich wie ein blöder Schulknabe.
„Welch' unverzriliche Unbescheidenheit," murmelte er und wollte das Kleid zurücklegen, so gut es eben gehen wollte — da fiel sein Blick auf ein paar winzig kleiner, goldglänzender Schuhe, von denen der eine in kecker Herausforderung den anderthalb Zoll hohen, spitzen Hacken hervorstreckte.
Herrn Erwin Brändel wurde auf einmal ganz sonderbar zu Mut. Er war sonst das Urbild eines soliden, zurückhaltenden, bescheidenen, ja, Damen gegenüber schüchternen jungen Mannes, jetzt aber ließen ihn diese lobenswerten Eigenschaften plötzlich schmählich im Stich; denn es war sicherlich weder schüchtern, noch zurückhaltend, daß er die beiden goldenen Schuhe dem Koffer entnahm und mit so tiefer Aufmerksamkeit von allen Seiten betrachtete, als sei in ihnen eine wichtige Aufgabe verborgen, welche er lösen müsse. Solch' lächerlich kleine Schuhe! Da war ja Aschenbrödels berühmter Pantoffel die reine Holzpantine dagegen. War es möglich, daß ein Fuß klein genug war, da hinein zu passen?
Und dann faßte Erwin Brändel, der bescheidene, schüchterne Erwin Brändel, das zierliche Schuhpaar und ließ dasselbe «einige Walzerschritte auf dem Tisch ausführen.
Aber plötzlich kam ihm die Besinnung zurück. Wer war das, der hier ein so frevles Spiel mit fremden Geheimnissen — den Geheimnissen einer Dame trieb? Doch nicht er, Erwin Brändel?
Schaudernd warf er die Schuhe in den Koffer zurück, legte das Kleid darauf, schlug den Deckel zu, und lag fünf Minuten später im Bett.
Daß er den Koffer wieder zur Bahn hatte bringen wollen, hatte er vollständig vergessen. Ja, was noch viel unfaßlicher, er hatte auch ^eine Geige vergessen; er sah nur ein Paar
reizende Elfenfüßchen in goldenen Schuhen vor sich hin und her tanzen und aus einer rosigen, silberüberrieselten Wolke lachte ihm ein schelmischer, brauner Lockenkopf freundlich an. und der Lockenkopf hatte rosige, schwellende Mädchenlippen und Herr Brändel, welcher seine Lippen bisher nur mit dem ehrwürdigen, wenn auch etwas zahnlosen Munde seiner Mutter in Berührung gebracht hatte, fühlte auf einmal ein brennendes Verlangen, jene rosigen Lippen zu küssen.
Der arme junge Künstler ächzte plötzlich laut auf.
Was für wahnsinnige Vorspiegelungen waren denn das nur! Er hatte sich doch noch nie in einem derartigen Zustande befunden. Wie, wenn die Aufregung der letzten Stunden ihm so ernstlich geschadet hätte, daß er krank würde?
Er versuchte die Augen zu schließen, zu schlafen; er schlief auch wirklich ein, aber im Traum sah er ein Paar zwerghaft kleiner Goldschuhe über eine Rosenwolke die unsinnigsten Sprünge machen. Und dann schob sich aus der Wolke ein lachender, reizender Kopf hervor, und eine silberhelle Stimme fragte ihn neckend:
„Du hast mein Rosengcwand verdorben — womit willst Du das wieder gut machen?"
„Ja, auch Erwin Brändel hatte eine sehr schlechte Nacht.
Am andern Morgen hatte er einen sehr kühnen Gedanken gefaßt, einen Gedanken, vor dessen Verwegenheit er erjchrack. den er aber nichtsdestoweniger festhielt: Er wollte die Eigentümerin des Rosengewandes und der goldenen Schuhe sehen! Sehr früh am Morgen war er nach dem Bahnhof gefahren, hatte dem Inspektor das verhängnisvolle Gepäckstück übergeben mit der Bitte, einen möglichst schnellen Austausch zu vermitteln. Und dann hatte er für den Fall, daß der rechtmäßige Besitzer sich persönlich melden sollte, dem Herrn Inspektor noch das sehr dringende Ersuchen an das Herz gelegt, ihn schleunigst davon zu benachrichtigen. Er werde, fügte er im Davongehen noch hinzu, in einigen Stunden wiederkommen und sich nach den Forschungsergebnissen erkundigen.
Der nächste Gang Erwin Brändels galt nunmehr dem Herrn Kapellmeister.
„Nun," ries ihm dieser aufgeräumt entgegen, „ist die verschwundene Geige wieder da?"
Herr Brändel verneinte mit einer Fassung, welche ihm selbst unerklärlich war.
„Nun, wird schon wiederkommen," beruhigte der Kapellmeister, obgleich es eigentlich gar nichts zu beruhigen gab. „Das Konzert ist doch noch ganz leidlich verlaufen. Die Cornarelli hat entzückend gesungen! Eine große Künstlerin ist und bleibt sie doch. Uebrigens kann ich Ihnen auch, Sie selbst anlangend, eine gute Botschaft geben: In drei Tagen soll im Stadthaussaale eine musikalische Aufführung stattfinden, der Hof ist da in der Regel zugegen. Ihre Mitwirkung läßt sich leicht bewerkstelligen, da Signora Cornarelli, welche einige Lieder singen sollte, wie sie mir gestern Abend noch sagte, an dem Tage unfehlbar heiser sein wird, so treten Sie dann für dieselbe ein — eine Gefälligkeit ist der andern wert. Und wenn Ihr Spiel dem Herzog gefällt — denn der behält sich in solchen Dingen immer die persönliche Entscheidung vor — es ist die Stelle des ersten Violinisten mit dem Titel eines Kammermustkus und einem sehr anständigen Gehalt bei der Hofkapelle zu besetzen. Würde Ihnen so etwas Zusagen? Da, wie Sie selbst sagen — Ihnen das Wander- Virtuosentum nicht zusagt, wäre das doch ein Anfang."
Herrn Brändel schien es, als ob ihm ein solcher Anfang ganz außerordentlich Zusagen würde, und er drückte das auch in ziemlich leb« hasten Worten aus.
„Nun, nun —" lächelte der Kapellmeister, „wir wollen das Beste hoffen. Aber vergessen Sie nicht, der Primadonna Ihren Dankbesuch abzustatten. Sie scheinen sich in der Dame plötzlich eine Fürsprecherin erworben zu haben und —" fügte er schmunzelnd noch hinzu — „ihre Fürsprache ist nicht zu verachten."
Erwin Brändel stattete seinen Dankbesuch ab. Annunciata Cornarelli empfing ihn ganz außerordentlich gnädig ; sie winkte ihn an ihre Seite auf einen Sessel, und es wurde ihm ordentlich bang zu Mut, als die großen schwarzen Augen ihn aus so unmittelbarer Nähe anflimmerten.
Die Signora war eine stattliche, schöne Erscheinung — ganz zweifelsohne, aber eine Rosenwolke und goldene Elfenschuhe würden sie doch nicht kleiden.
Herr Brändel schrak ordentlich zusammen, als er letzteres gedacht hatte, und wurde so verlegen, oaß er gar nicht mehr wagte, seinen Blick zu den schwarzen, blitzenden Augen zu erheben. —
Signora Cornarelli fand die Schüchternheit des hübschen Künstlers, in welcher sie doch natürlich nichts anderes als eine heimliche Huldigung sehen konnte, entzückend. Diese frische Unschuld wehte sie an, wie ein erquickender Waldhauch, in dem Kreise dünkelhafter Blasiertheit, welche die übrigen Herren ihrer Bekanntschaft um sich zu verbreiten pflegten.
Sie nahm sich vor. Herrn Erwin Brändel als eine Art moralischer Sommerfrische öfter bei sich zu sehen und ihr „Auf Wiedersehen!" beim Abschied klang so schmelzend und ihr Händedruck war so warm, daß ein anderer junger Mann von nicht ganz der mustergiltigen Bescheidenheit Erwin Brändels leicht auf allerhand wunderbare Einfälle hätte kommen können.
Aber der Künstler that natürlich nichts dergleichen; er fand Signora Annunciata Cornarelli sehr liebenswürdig und freundlich und eilte sodann wieder nach dem Bahnhof, um womöglich eine Nachricht überfeinen entschwundenen Koffer vorzufinden. Er hatte sich jetzt glücklich wieder überzeugt, daß nur die Angst um seine Geige ihn mit solch brennender Ungeduld erfüllte. Was sollte es wohl auch sonst sein? Ein Paar kleine, goldglänzende Damenschuhe? Lächerlich! Die konnte er ja täglich in den Schaufenstern sehen, und nie hatten seine Pulse dabei auch nur um einen vierundsechzigstel Takt rascher geschlagen. Daß er aber die Besitzerin des Koffers zu sehen wünschte, um — um ihr seine Entschuldigung dazubringen, daß er denselben geöffnet, das erforderte ja die allergewöhnlichste Höflichkeit.
(Schluß folgt.)
Ueber eine Lächerlichkeit berichtet die „Volksztg." Danach soll ein von der städtischen Verwaltung in Berlin entlassener Bureauanwärter, der früher Unteroffizier war» den Oberbürgermeister Zelle in aller Form zum Duell herausgefordert haben.
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Der „Kladderadatsch" macht in seinem wöchentlichen Briefkasten u. a. auf folgende Notiz aufmerksam: „Meßkirch. N.: Der „Oberbadische Grenzbote" (Nr. 97) erzählt eine Anekdote aus dem Jahre 1849 und schließt: „Namentlich war der Löwenwirt sehr zufrieden. Er war der Vetter des Gedankens gewesen." Sonst ist immer nur von dem Vater des Gedankens die Rede. Mit Vergnügen erfährt man, daß er auch einen Vetter hat. — Stuttgart. N.: Eigentümliche Berwandschaftsver- hältnisse müssen in Pirmasens Vorkommen. Der „Schwäbischen Tagwacht" (193) wird von dort geschrieben: „Vater und Sohn einer kleinen Schuhfabrik hier wurden erwischt, als sie nächtlicher Weile vom Lederstehlen kamen."
(Beim Kaffeekränzchen.) Dame: „Das letzte Mal müssen die Damen ja ordentlich über mich hergezogrn sein!" — Hausfrau: „Wieso?" — Dame: „Sehen Sie doch, Ihr Hündchen nimmt ja nicht einmal ein Stück Brot mehr von mir an!"
(Ein Auskunftsmittel j Mutter (zu dem kleinen Max, der morgens nicht aus dem Bette will): „Max, wer wird denn so faul sein, steh' auf und schäme dich!" — Max: „Ach, Mama, ich kann mich ja auch im Bette schämen!"
Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.