Der „Reichsanzeiger» veröffentlicht das Gesetz, betreffend die Erweiterung des Staatseisenbahnnetzes und die Beteiligung des Staates an dem Bau von Klein- bahnen, sowie an der Errichtung von Landwirt schädlichen Getreidelagerhäusern. Dis Gesetz tritt mit dem Tage der Verkündigung in Kralt.
Berlin. 13. Juni. Heute abend 6Uhr führte der von der Berliner Gewerbeausstellung her bekannte Privatluftschiffcr Woelffert in Begleitung des Mechanikers Knabe mit seinem lenkbaren Luftschiff eine Probefahrt vom Tempelhofer Felde ans. nachdem er den Ballon bei der Luftschifferabteilung gefüllt hatte. Der Ballon hatte eine beträchtliche Höhe erreicht, etwa 1000 Meter, als eine starke Detonation erfolgte. In demselben Augenblick stand der Ballon in Flammen, die Gondel löste sich von der brennenden Hülle und fiel brennend mit rasender Geschwindigkeit in der Nähe von Tempelhof zur Erde. Man fand die beiden Insassen als Leichen vor mit schweren Brandwunden bedeckt. Jedenfalls ist f der Benzinmotor durch irgend einen Zufall rx- plodicrt und hat die Katastrophe herbeigeführr. Herr Wölffert hatte die Versuche mit seinem Luftschiffe im Interesse eines Konsortiums unter- nommen, das seine Idee fördern wollte.
Aachen, 14. Juni. Gestern brannten hier die Tuchfabriken von R. Salomon, von Schneider und Burghardt und von E. Kahn, sowie die Spinnerei von Schneider u. Finger vollständig, die Spinnereien von Faviser und Lennertz teil weise nieder. Der Schaden ist auf etwa 7 Mill. Mark zu schätzen. Als Ursache des Brandes wird Selbstenizündung von Wolle vermutet. Gegen 500 Arbeiter sind brodlos geworden.
Zwickau, 14. Juni. Die Schader'jche Fabrik in Oberhohendors steht in Flammen. Der Brand wurde dadurch verursacht, daß ein Kessel explodierte. Das Maschinenhaus und die sogenannte Kohlenwäsche ist zerstört. Soweit bis jetzt festgestellt wurde, sind acht Arbeiter verletzt worden, darunter 5 schwer. Eia Mädchen, welches in der Kohlenwäsche beschäftigt war, ist verbrannt.
Karlsruhe. 13. Juni. Ein neues großes Etablissement soll in nächster Zeit tn unserer Stadt erstehen. Es handelt sich um das bisherige Gasthaus zum „W eißen Bären", welches von der Bcauereigesellschaft in Grünwinkel erworben woroen ist. Diese beabsichtigt, das ganze Anwesen niederzulegen und daselbst einen Saalbau und ein Hotel Garni „ZumFriedrichshof" zu erstellen.
Der Norddeutsche Lloyd in Bremen wird neben seiner vorjährigen Verbindung nach Norderney io diesem Jahre auch seine früher unterhaltene Linie zwischen Bremerhaven und Helgoland wieder aufnehmen. Der Norddeutsche Lloyd hat für seine Helgoländer Fahrt einen neuen Doppelschraubendampfer „Seeadler" bauen lassen. Die Linie des Norddeutschen Lloyd nach Helgoland gehörte zu einer der beliebtesten Verbindungen mit unserem jungen Eilande und dürfte auch in dieser Saison durch die Einstellung des neuen Dampfers sich rasch wieder neue Freunde gewinnen. Der „Seeadler", 50 m lang, 8 m breit und 4,6 in tief ist ein selbst für das schwerste Wetter gebauter Seedampfer I. Ranges. Das Schiff ist in gleicher Weise wie die in der Fahrt nach Norderney beschäftigten Dampfer „Najade" und „Sachs" mit allen Bequemlichkeiten, großem Promenadendeck, oberen und unteren Salons rc. ausgestattet und besitzt ungewöhnlich kräftige Maschinen von zusammen etwa 1000 Pserde- kräften, womit das Schiff eine Geschwindigkeit von ca. 15 Meilen pro Stunde erreichen soll. Ganz hervorragend sind die Sicherheitseinrichl- ungen des Schiffes, außer einem Doppelboden sind 9 wasserdichte Querschotte vorhanden, so daß bei diesem Dampfer in jeder Weise die denkbar größte Sicherheit geboten ist. Der Dampfer „Seeadler" wird mit Beginn der Saison nach den Nordseebädern am 1. Juli seine täglichen Fahrten von Bremerhaven nach und von Helgoland aufnehmen.
Die deutsche Abteilung der Weltausstellung in Brüssel wurde am Sonntag amtlich eröffnet.
Lehre« der Geschichte.
„Sowie sie offen sagen, wie sie die Zukunft zu gestalten denken, so lacht sie jeder einsichtige Arbeiter aus!» sagte der Altreichskanzler „Fürst Bismarck vomsozialdemokratischen Zukunftsstaate" im Oktober 1878 im Reichstage. Seitdem ist eine Menge Schriften erschienen, die den Unsinn und die Unmöglichkeit dieser Zukunftsgesellschast in mehr oder minder überzeugender Weise schildern. Aber nicht eine Schrift hat auch nur entfernt die unbeschreiblich verworrenen, unerträglichen und entsetzlichen Zustände des sozialdemokratischen Jdealstaates so darzustellen vermocht, wie sie zur Zeit der französischen Revolution im Jahre 1789 wirkliche Thatsachen gewesen sind.
Angeblich ins Werk gesetzt, um dem französischen Volke zu seinem Rechte zu verhelfen, hat die französische Revolution in vieler Hinsicht gerade den breiten Schichten des Volkes unberechenbaren Schaden zugefügt. Wenn je die Ideen von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die sogenannten Menschenrechte, mit Füßen getreten wurden, so geschah dieses im Jahre 1789. Es war der Wahnsinn ans Ruder gekommen.
Die Herrschaft wurde von einigen unbe- kannten Fanatikern ausgeübt. Gesetz und Recht, ohne die ein Staatswesen nicht bestehen kann, waren leere Worte Freiheit und Sicherheit der Person und des Eigentums waren beseitigt; selbst die Ehre galt nicht mehr als ein Rechts- guk, das des Schutzes wert gewesen wäre. Man widerlegte keine abweichenden Ansichten, man ließ keinem Gegner Gelegenheit zur Aeußerung. Mit Pulver und Blei, mit Strick und Fallbeil wußte man den Widerspruch zu ersticken. An Stelle des Rechtsspruchs trat der Mord ohne Richterspruch. Wer sich den jeweiligen leitenden Personen auch nur im geringsten unbequem oder verdächtig machte, hatte sein Leben verwirkt.
Auch die Machthaber selbst waren ihres Lebens nicht sicher. Biele von ihnen haben auf dem Blutgerüst geendet. ES war ihnen nicht möglich gewesen, die Wogen der Bolksleiden- schaft, die sie hervorgerufen hatten, wieder zur Ruhe zu bringen. Sie mußten andern Platz machen. Uno was waren das für Männer! Fast keiner von ihnen hatte eine einwandsfreie Vergangenheit. Was Wunder, daß durch ihr Beuprel. ihre Leidenschaft und ihre Grausamkeit die Massen mitgerissen, daß auch diese von dem Wahnsinn angesteckt wurden! Denn was war es anders als Wahnsinn, daß beschlossen wurde, Christentum und Religion avzuschaffen, den lieben Gott abzusetzen und statt seiner ein Frauenzimmer als „Göttin der Vernunft" zu verehren.
Aehnliche Zustände würden wir wieder er- leben, wenn es der Sozialdemokratie einmal gelingen follte, ihren „Zukunftsstaat" einzurichten. Wie während der französischen Revolution die führenden Männer Vorgaben, auf dem Wege der Gewalt die Zustände zu verbessern, so will heute die Sozialdemokratie die bestehende Staats- und Gesellschaftsordnung Umstürzen, um auf ihren Trümmern einen neuen Gejellschaflszustand herzustellen, in welchem eitel Glück und Zufrieden- heit herrschen. Aber, wie damals die Arbeit der Reoolutionsmänner nicht den erwarteten Erfolg hatte, sondern den entgegengesetzten, so würde auch die Sozialdemokratie, wenn sie einmal ans Ruder käme, unsägliches Unglück über die Arbeiterwelt und das gesamte Volk herauf- beschwören. Wie zur Zeit der französischen Revolution würden dann alle Bande der Sitte und Ordnung gelockert, würden Willkür, Diebstahl, -Raub und Mord an der Tagesordnung fein. Auch die Umfturzlehre und der Anarchis- mus sind nichts weiter als der in System gebrachte Wahnsinn. Hiergegen anzukämpfen ist die Pflicht eines jeden, der will, daß das Wohl der Menschheit gefördert, nicht aber vernichtet werde.
Württemberg.
Stuttgart, 12. Juni. Am Pfingst- Mittwoch unternahmen die Mitglieder des württemdergischen Landtags einen Parlamentär- ischen Ausflug, bei dem der Präsident Payer, einen bemerkenswerten Trinkspruch auf den König ausbrachte, der Viesen und den
Sprecher gleichmäßig ehrt. Er führte aus, in Württemberg herrsche verhältnismäßig Rahe und Friede, was wesentlich das Werk des Königs sei, der es treu und ehrlich mit seinem Volke meine, der ein Vorbild sei in unablässiger Für- orge für das Land und in Leutseligkeit uno in Rücksichtnahme auf die Gefühle des. Volkes. Den einzigen Lohn, den der König dafür erstrebe, bringe ihm dafür das Volk auch dar: Dankbarkeit und Vertrauen.
Stuttgart, 15. Juni. Schon am gestrigen Montag wurden Spuren von eingetretener Traubenblüte wahrgenommen. Die Heuer sehr frühe Blüte begann mit Rißling, Die Beobachtungen, die man am Trollinger gemacht, lauten viel günstiger, als am Ende des vorigen Monats angenommen werden konnte. Daß der Trollinger in dem kalten Wetter des Mai gelitten, ist freilich nicht zu verkennen. Allein die Verheerungen, die die Saftstockung angerichtet, sind nicht so bedeutend. Der eine Trollinger- stock ist fast ohne Trauben, während ein Stock daneben reichlich mit Früchten behängt ist, und wie stattlich sind diese Trauben! Wenn die Witterung, wie sie seit Samstag anhält, noch eine Woche vorherrfchenb sein wird, ist die Traudendlüte in der Hauptlache zu Ende und unter den denkbar günstigsten Umständen. (S. M.)
Handwerkerkammern in Württemberg. Nach der „Schw. Kc.-Ztg." ist Herr A. W. Bobrzyk in Reutlingen. Herausgeber der Wochenschrift das Deutsche Handwerk, in einer Audienz bei dem Staatsminister v. Pischek die Zusicherung geworden, daß in Württemberg reine, von den Handelskammern getrennte Handwerkerkammern, errichtet werden sollen, und zwar für jeden Kreis eine, im ganzen also vier.
Ulm, 14 Juni. Bei der Landesversammlung des evang. Bundes am 4. Juli im Saalbau in Ulm wird Herr Pfarrer Licenliat Thümmel aus Remscheid den Hauplvortrag Hallen über die Güter der Reformation, ihre Bedrohung und ihre Bewahrung. Als weiterer Redner wird Herr Prof. Dr. Hieber aus Stuttgart auflrelen. Die Festpredigt im Münster hält Dekan Dr. Köstlin aus Blaufelden.
Stuttgart. jLandesproduktenbörse. Bericht vom 14. Juni, von dem Vorstand Fritz Kreglinger.j Die Tendenz im Getreidegeschäft ist eine unveränderte gegenüber der Vorwoche. Amerika schließt mit behaupteten Preisen. Für effektive Ware bleibt die Nachfrage fortwährend eine gute. Landware kommt sehr wenig an den Markt bei unveränderten Preisen. Wir notieren per 100 Kilogr., frachtfrei Stuttgart, je nach Qualität und Lieferzeit: Weizen, Württemberg. 17 -4L — bis 17 -4L 25 4 -, bayr. 17 -4L 25 4! bis
17 -4L 50 -l, Ulka 17 -4L 75 4t bis 18 -4L 50 4,, Saxonska 17 -4L 50 ^ bis 18 -4L — ^, Rumänier
18 -4l — 4t bis 19 -4L — Amerikaner r8 25 -4
bis 18 -4k 75 4t, Walla-Walla 18 -4L 50 4t, Kernen, Oberländer 18 -4k 25 4!, Dinkel, gut 12 <4k — 4t, prima 12 -4L 70 4t, Roggen, russ. 13 „4L 50 4t bis 14 — 4t, Hafer, württ. 13 -4L — 4! bis 14 -4L 70 4t,
russ. 15 -4L 25 4t bis 15 -4t 50 4t, Mais, Mixed 9 -4L 30 4t, Laplata gesund 9 -4k 50 beschädigt 8 -4L 75 4t bis 9 -4L 25 4t. — Mehlpreise pr. 100 Kilogr. inkl. Sack: Mehl Nr. 0: 29 ->L 50 ^ bis 30 -4L — ^ Nr. 1: 27 -4t — 4t bis 28 -4L — 4t, Nr. 2: 25 ^k 50 4k bis 26 -4L 50 Nr. 3: 24 -4t — 4t bis 25 -4L —
Nr. 4: 21 -4L 50 4- bis 22 -4L — Suppengries 30 -4L — 4!, Kleie 8 -4L — 4t.
Ausland.
Wien, 15. Juni. Die „Neue Freie Presse" meldet aus Paris: Ja der Vorstadt Neuilly fand bei dem Jayrfestmarkt ein Theaterbrano am 13. ds. abends V»I1 Uhr stau. Eine große Panik entstand. Viele Personen wurden im Gedränge schwer verwundet. Die Tyearerbude brannte nieder, außerdem 5 andere Buden. Im Ganzen sind 30 Personen schwer verletzt uns 12 leicht verletzt worden. Man gab in der Tyealervude gerade das Ausstattungsstück „Der Brand im Bazar der Rue Jean Goujon". Mehrere Personen, zumeist Direktoren der Barackenthealer, wurden ranerhalb der Theater- bilden verletzt. 3 Soldaten, die Hilfe leisteten, erlitten gleichfalls Verwundungen. Man fürchtet, daß einige Personen den Brandwunden erliege« werden.
In Brüssel fand am Sonntag eine großartige Kundgebung zu Gunsten der Heeresreform statt. Etwa 60000 Manifestanten,