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Tübingen, 6. Novbr. Die hiesige Stu­dent enschaft wird morgen nachmittag im Festsaal des Museums eine Protestversammlung ab­halten, um Stellung zu nehmen über die Beschimpf­ung, die der englische Minister Chamberlain in seiner am 25. Oktober in Edinburg gehaltenen Rede durch den Vergleich der englischen Kriegführ­ung in Südafrika mit der deutschen 1870/71 gegen das deutsche Volk und die deutsche Kampfesweise ausgesprochen hat. Wie dieTüb. Ehr." hört, übernimmt Professor Tr. Busch das Referat.

Neckarsulm, 6. Nov. Letzten Montag verabschiedete sich im hiesigen kathol. Gesellen- verein, der Präses des Vereins, Hr. Vikar Schilling, welcher als Stadtpfarrverweser nach Calw befördert ist. Hr. Stadtpfarrer Mancher gab hiebei ein treffliches Bild über die Charakter­eigenschaften des Scheidenden, dessen Grundzug die Schweigsamkeit sei. Dennoch habe bei ihm das Schweigen gesprochen. Aus seiner Erscheinung spreche Milde/Wohlwollen und Entschiedenheit, wo ein solcher Mann auftrete kenne man seinen Cha­rakter bald. Seine Kanzelvorträge seien tiefempfunden, ansprechend und begründet gewesen und man habe ihm angemerkl, daß er den Tübinger Preis als vorzüglicher Kanzelredner geholt habe. Der Schei­dende wurde ferner gefeiert von Hrn. Oberpräzeptor Zimmermann, welcher ihm im Namen des Vereins als Zeichen besonderer Ehrung einen hüb­schen Regulateur überreichte. Tie Feier wurde verschönt durch die Sänger des Vereins unter ihrem Dirigenten Büttner.

Mannheim, 6. Nov. Geh. Komm.-Rat Heinrich Lanz, der Besitzer der bekannten Ma­schinenfabrik, hat aus seinen Privatmitteln die Summe von 50 000 gestiftet zur Unterstützung der von ihm entlassenen verheirateten Arbeiter. Unterstützungsberechtigt sind diejenigen, welche min­destens 3 Jahre in der Fabrik beschäftigt waren und denen es nicht möglich gewesen ist, anderweitige Arbeitsgelegenheit zu finden. Die Unterstützungen sollen für die Zeit vom 1. Nov. bis 1. Febr. be­zahlt werden und zwar dergestalt, daß für die Zeit der Arbeitslosigkeit pro Woche erhalten: Mann und Frau zusammen 15 die zwei ersten Kinder 4 und jedes weitere Kind 1.50 Die Unter­stützung ist rückwirkend für alle diejenigen Arbeiter, die seit dem 1. August entlassen worden sind.

Leipzig, 6. Nov. TaS Konkursgericht in Sachen der Leipziger Bank hat den Justizrat Barth, der seit dem 28. Oktober nicht zu seiner Familie zurückgekehrt ist, seiner Funktion als Konkursver­walter enthoben. An seiner Stelle ist vorläufig Rechtsanwalt Frey tag zu Leipzig auch zur Ab­wickelung der zu einem besonderen Geschäftszweig der Leipziger Bank herausgebildeten Beziehungen zu der Gesellschaft für Trebertrocknung in Kassel und ihren Anhängseln, und zum Verwalter ernannt worden.

Berlin, 7. Novbr. Gestern abend fand eine von den alten Herren des Vereins deutscher Studenten einberufene Versammlung gegen die Verleumdung Chamberlains mit Bezug auf unsere Kriegführung im Jahre 1870/71 statt, an der zahlreiche Universitäts-Professoren teilnahmen. Nach einem Vortrage des Redakteurs Bäcker wurde folgende Resolution einstimmig angenommen: Mehr als 2000 deutsche Akademiker in treuer Gemeinschaft mit ihren Professoren weisen einmütig den Ver­gleich zurück, den der englische Kolonialminister Chamberlain zwischen dem glorreichen Kriege von 1870/71 und dem ruchlosen Eroberungskriege Eng­lands in Südafrika mit seiner allem Völkerrecht Hohn sprechenden Führung zu ziehen gewagt hat. Sie weisen ihn zurück als eine rohe Beleidigung ihrer heiligsten Erinnerungen, eine Verleumdung unserer tapferen Toten und eine Beschimpfung un­serer nationalen Ehre. In einer zweiten Protest­versammlung wurde eine Resolution angenommen, in welcher energisch gegen die Schmähung Cham­berlains protestiert und der Hoffnung Ausdruck ge­geben wird, daß die deutsche Regierung gegen Cham­berlain Front machen werde.

Kiel, 3. Nov. Am Samstag nachmittag geriet das Stadttheater in furchtbare Gefahr. Kurz nach 2 Uhr loderten Flammen aus dem Re­quisitensaal hervor. An fünf verschiedenen Stellen brannten gleichzeitig die dort angehüuften Dekora­tionen. Der Feuerwehr gelang die Löschung in kurzer Zeit so weit, daß die Mannschaften den Raum betreten konnten. In seinem Blute lag dort der Requisiteur Kühler. Die Feuerwehrleute schafften den anscheinend Leblosen ins Freie. Kopf, Hals und Brust zeigten schwere Schuß- und Schnitt­wunden. Kühler liegt jetzt in hoffnungslosem Zu­stand im Krankenhaus. Wohl in einem Anfall von Geistesgestörtheit hat er den Reqnisitensaal an fünf Stellen angezündet. Nachdem die Dekorationen Feuer gefangen hatten, jagte er sich drei Kugeln in den Kopf und schnitt sich mit dem Taschenmesser zweimal tief in den Hals. Kühler ist 27 Jahre alt und unverheiratet. DaS Theater selbst hat kei­nen Schaden gelitten.

Moskau, 5. Nov. Im französischen Kon­sulat wurde ein Diebst a h l begangen. Silberzeug und Kleidungsstücke, sowie eine größere Summe Geldes fielen dem Dieb in die Hände. Der Dieb, welcher mit dem Mantel des Konsulatssckretärs, dessen Cylinderhut und Regenschirm das Konsulat beim Paradeausgang verließ, fuhr in einem Fiaker davon.

Paris, 5. Nov. Der Luftschiffer San­tos Dumont trat aus dem Aero-Klub aus, weil viele Mitglieder erklärt hatten, daß sein Luftschiff das Problem der Lenkbarkeit der Lösung in keiner Weise näher gebracht habe. Der Industrielle Deutsch kündigte an. daß er einen neuen Preis mit noch strengeren Bestimmungen stiften werde.

Paris, 7. Nov. Nach Meldungen aus Constantinopel hat der Sultan an sämtliche

Großmächte eine Protestnote gegen das Vor­gehen Frankreichs gesandt, worin er sich gegen die hieraus entspringende Verantwortlichkeit verwahrt. Die Türkei bestellte wie es heißt, in Kiel drei neue Kreuzer.

London, 4. Nov. In der heutigen Sitz­ung der Kommission zur Prüfung der Entschädig­ungsansprüche der aus Südafrika susgewiesenen Personen wurde bekannt gegeben, daß die nieder­ländische Regierung den ihr von der britischen Re­gierung angebotenen Betrag mit einigen Vorbe­halten annahm.

London, 7. Nov. Der Brief Bothas an Lord Kitchener, in welchem dieser Repres­salien ankündigt, ist vom 10. Oktober datiert und in überaus scharfen Ausdrücken abgefaßt.

London, 7. Nov. Aus New-Iork wird gemeldet, ein ganzer Häuserblock sei durch eine Feuersbrun st zerstört worden. Drei Feuerwehr­leute seien bei den Rettungsarbeitcn schwer verletzt.

Peking, 7. Nov. Li-Hung-Tschang ist gestern Abend 11 Uhr gestorben.

Derrnischlcs.

Ju der Berl. Rundschau veröffentlicht C äs ar Flaischlen auf die Zeitungsnachricht:König Eduard brachte einen Trinkspruch aus, in dem er u. a. sagte: Leider dauert der Krieg immer noch fort; aber wir beten inbrünstig um Wieder­herstellung des Friedens und der Wohl­fahrt", folgendes zeitgemäße Gedicht:

Auch wir, König Eduard, beten!

Herr Gott im Himmel hör' zu! auch wir, König Eduard, beten, nur etwas anders, als du!

Das war kein Wort eines König?, bei so viel Jammer und Pein! . . . du brauchst ja nur Frieden zu wollen, und es Wird Friede sein!

Das war kein Wort eines Königs, und besser war's, du bliebst still! . . .

Es darf nicht um Frieden bereu,

König Eduard, wer ihn nicht will!

Auch wir, König Eduard, beten!

Doch, ob Untergang oder Sieg, wir beten nicht mehr um Frieden,

König Eduard, wir beten um Krieg!

Wir beten um Krieg bis auf's Messer, um Krieg dis zum letzten Mann! . . .

Die Ehre hal's längst euch gekostet, nun komm' noch der Geldbeutel drail!'

Gottesdienste

am 23. »ach Hrinlt., 10. Nov.

Vom Turm: 342. Predigtlied: 83 Such wer da will re. 9'/- Uhr: Lormilt.-Predigt, Herr Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. 6 Uhr: Misstonsstunde mit Vorzeigung! von Licht­bildern im Vereinshaus von Hrn. Missionar Härter.

Mittwoch, 13. Nov.

10 Uhr: Betstunde im Vereinshaus.

Areitag, IS. Nov., monatl. Bußtag.

10'Uhr: Predigt im Vcreinshaus, Herr Dekan Roos.

Amtliche und Privat-Anieigkn.

Teinach.

Zwangsversteigerung.

In Fortsetzung des Zwangsversteigerungsverfahrens gegen Friedrich Zeh, früheren Gastwirt hier, kommt die unabgeteilte Hälfte an der in Nummer 76 dieses Blattes näher beschriebenen

Gastwirtschaft M goldenen Fast

in Teinach

'und den dazu gehörigen Feldgrundstücken, sowie die ideelle Hälfte an dem vorhandenen Wirtschaftsinventar am

Montag, den 11. November d. I., nachmittags 8 Uhr,

auf dem Rathaus in Teinach nach den Bestimmungen des Zwangsversteigerungs­gesetzes wiederholt zur Versteigerung.

Ten 6. November 1901.

Der Kommissär: Bezirksnotar Kurz.

> ici

Stadt Calw.

Vergebung von Ouuaröeiten.

Tie bei dem Umbau des früheren Gasthauses zur Kanne zu einem Wohngebäude vorkommenden Schreiner-, Glaser-, Schlosser-, Schmied-,

Flaschner-, Anstrich- und Tapezier-Arbeiten sollen in Accord vergeben werden.

Plan, Voranschlag und Bedingungen liegen vom nächsten Montag ab auf dem Stadtbauamt zur Einsicht auf, woselbst auch diesbezügl. Offerte in Prozenten ausgedrückt bis längstens Donnerstag, den 14. d. M., vor­mittags 9 Uhr, einzureichen sind, zu welcher Zeit auch die Eröffnung der Offerte, welcher die Bewerber anwohuen können, stattfindet.

Den 8. November 1901.

Stadtbauamt.

Hohnecker.

Revier Calmbach.

Reisig-Verkauf

am Montag, den 11. Novbr., vor­mittags 11 Uhr, aus Staatswald Kälb- ling Abt. Köppler, Moos, Streuwiese, Blindbach, Zellerholz und Kälblings- wiese:

44 Flächenlose tanneneS, fichtenes und forchenes Durchforstungs­und Reinigungsreis, geschätzt zu 8l60 Wellen (zum großen Teil Stangen, sowie Deckreis).

Calw.

Der Grabenausschlag

an der Stuttgarter-, Hirsauer- und Breiteheerstraße wird am

Montag, den 11. Nov. 1901, nachmittags 1 Uhr,

beim Gasthaus z. Schiff im öffentlichen Aufstreich verkauft.

Stadtpflege.

Schütz.

Verein siir Homöopathie und Naturheilkundc.

Heute Samstag abend 8 Uhr

Monatsversammlung

im Gasthaus zurLinde". Wegen Besprechung der Weihnachtsfeier ist zahlreiches Erscheinen erwünscht.

Der Ansschutz.