Verein (Retsiris, stdniire) war es, der von englischem Gelbe unterstützt, den Aufstand auf Kreta hervorrief und den griechischen Staat in in den Krieg mit der Türkei Hineintrieb. Wer die Führer dieses Nationalvereins sind, weiß man nicht, daß sie aber für das Kriegsunglück Griechenlands keine Verantwortung übernehmen, ist sicher. Es ging bei diesem wahnsinnig angezettelten Kriege von vornherein um Scepter und Krone. Je schlimmere Dinge über die Niederlage der griechischen Truppen bekannt werden, desto weniger ist auf eine Beruhigung des Volkes zu hoffen. Ob ein Einschreiten der Mächte der befürchteten Revolution jetzt noch wird Vorbeugen können, das ist eine Frage, die sich nicht kurzer Hand entscheiden läßt. Bei der Unfähigkeit der türkischen Flotte war von Anfang an ein Handstreich der griechischen Flotte gegen die Dardanellen oder gar Konstantinopel zu fürchten. Statt solche Thaten auszuführen, haben sich die griechischen Kriegsschiffe damit begnügt, mehr oder minder friedliche, jedenfalls sehr unwichtige Küstenstädte in Brand zu schießen. Für alle Fälle haben sich vier russische Panzerschiffe vor die Dardanellen gelegt und kreuzen dort. Auch englische Schiffe werden erwartet. — Auf der Insel Kreta glaubt der griechische Oberst Bassos nun auch solche Punkte angreifen zu dürfen, die von den Großmächten besetzt sind. Es wäre eine Ironie der Geschichte, wenn er zunächst mit den Engländern daselbst zu thun bekäme. Wenn den Griechen nicht die Besinnung ganz ausgegangen ist. so werden sie übrigens die Großmächte demnächst als Fricdensvermittler anrufen.
Unterhaltender Heil.
Falsche Spuren.
Criminal-Novelle von Ferdinand Hermann.
(Nachdruck verboten.)
I.
In der Morgendämmerung eines trüben, nebelschweren Herbsttages war es. als eine ältliche, einfach gekleidete Frau die Hausthürglocke eines niedrigen, freundlich aussehenden Häuschens, wie sie in den entlegenen Straßen der großen deutschen Handelsstadt H. vielfach angetroffen sind, in Bewegung setzte. In schmuckem Villen- styl erbaut, machte das kleine Haus mit seinem blendend weißen Mauerwerk, einen ungemein anheimelnden und traulichen Eindruck, und schon mancher Vorübergehende mochte die Bewohner dieses allerliebsten Landhäuschens um ihre anmutige Zufluchtsstätte beneidet haben.
Auch die Frau schien etwas Aehnliches zu empfinden, während sie auf Einlaß wartete und sich fröstelnd die Hände rieb. Sie hatte schon wiederholt die Glocke gezogen und noch immer hatte sich drinnen nichts gerührt.
„Ich begreife gar nicht, was das zu bedeuten hat," murmelte sie vor sich hin. „Sie pflegt doch sonst mit den Hühnern auf zu sein, und hat mich oft genug ausgescholten, wenn ich ihrer Meinung nach zu spät gekommen bin. Aber freilich, diese reichen Leute haben ihre Launen, und wir Armen müssen uns fein gehorsam dar- nach einzurichten wiffen."
Sie zog noch einmal so heftig, daß der laute Klang der Glocke bis zu ihr hinausschallte, und harrte dann geduldig darauf, daß man ihr öffnen möge. Aber Minute auf Minute entwich und drinnen im Hause blieb es still, wie in einem Grabe. Mit einer gewissen Besorgnis schüttelte die Frau den Kopf und verließ ihren Platz um die Villa zu umschreiten und von der Hinterscite noch einmal ihr Heil zu versuchen. Dort gingen die drei Fenster des Erdgeschosses auf eine hölzerne Veranda hinaus und es war somit eine Möglichkeit gegeben, in die dort belegenen Zimmer von außen her einen Blick zu gewinnen. Die Frau drückte ihr Gesicht an die Scheiben und spähte angestrengt durch die schmale Spalte zwischen den beiden Gardinenhälften ; aber auch hier gewahrte sie nichts, was ihr als eine Aufklärung der befremdlichen Erscheinung hätte dienen können und auch ihr wiederholtes Klopfen an die Glastür der Veranda blieb ohne jede Antwort.
Wie sie aber zufällig Hand auf den Drücker dieser sonst jederzeit verschlossenen Thür legte, da nahm sie zu ihrem Erstaunen wahr, daß dieselbe heute nur angelehnt war und ihrem Druck sofort nachgab.
„Das ist seit sechs Jahren das erste Mal!" meinte sie halblaut. „Sollte das Fräulein durch die Hinterthür ausgegangen sein und vergessen haben, sie zu verschließen. Bei ihrer peinlichen Vorsicht ist das ja beinahe undenkbar.
Zögernd, als müsse sie sich auf irgend eine unangenehme Ueberraschung gefaßt machen, trat sie in das ebenerdige Gartenzimmer, dessen Ausstattung und Einrichtung von denkbar größter Sauberkeit und Accuratesse waren. In dem Gemach befand sich Niemand, ebenso wie in dem anstoßenden Stübchen; als die Frau nun aber die Verbindungsthür zu dem nach vorn gelegenen Wohnzimmer geöffnet hatte, blieb sie überrascht auf der Schwelle stehen, denn auf den Anblick, welcher sich ihr hier darbot, war sie hier wahrscheinlich am wenigsten gefaßt gewesen.
Auf dem kleinen Tische inmitten des Gemaches, an welchem die Besitzerin des Hauses, eine alte, unverheiratete Dame Namens Elmira Hegemeier, in den Abendstunden zu lesen, oder sich mit einer Handarbeit zu beschäftigen pflegte, stand noch die brennende Petroleumlampe mit grünem, durchbrochenen Schirm. Sie hatte offenbar die ganze Nacht hindurch gebrannt, denn das Material war verzehrt, und die Flamme, welche einen schwefelnden Geruch ver- breitete, kämpfte eben mit dem Erlöschen. In dem großen altmodischen, mit verschlossenem dunkelgrünem Sammet überzogenen Lehnstuhle vor dem Tische saß, steif ausgestreckt und augenscheinlich in tiefem Schlafe. Fräulein Hegemeier selbst. Sie war vollständig angekleidet und ihr gelbes, faltenreiches Antlitz, das auch einen sehr freundlichen und wohlwollenden Ausdruck hatte, war von einer umfangreichen schwarzen Spitzen. Haube umrahmt, welche sie niemals abzulegen pflegte. Sie mußte von Schlummer überwältigt worden sein, während sie an einem Brief schrieb, denn ein Bogen, auf welchem nichts weiter als der Datum des gestrigen Tages stand, lag auf dem Tische, und in der schlaff herabhängenden Rechten hielt sie die Feder.
Die Aufwärterin, denn eine solche hatte man wohl in der Eingetretenen zu vermuten, hatte einen Schritt in das Zimmer gemacht und durch ein derbes Räuspern ihre Anwesenheit anzukündigen versucht. Fräulein Hegemeier hatte sich indessen auch jetzt nicht von der Stelle gerührt und unschlüssig war die Aufwärterin stehen geblieben. Sie verspürte eine seltsame Beklemmung auf der Brust und das Atmen wurde ihr merkwürdig schwer. Sie schrieb diese Erscheinung dem Dunst der Petroleumlampe zu und trat an den Tisch heran, um sie vollends zu verlöschen und um das Fräulein durch eine Berührung zu wecken. Dabei streifte sie zufällig mit ihrer Hand die auf der Stuhllehne des Sessels liegende Linke der alten Dame, und sie schauderte unwillkürlich zusammen, als sie die eisige Kälte derselben fühlte. Von einer fürchter- lichen Ahnung ergriffen, beugte sie sich nieder, um ihr schärfer ins Gesicht zu schauen, und da sie in demselben nichts Auffälliges bemerken konnte, ergriff sie die scheinbar Schlummernde am Arm und rief sie mit lauter Stimme beim Namen.
Aber es erfolgte keine Antwort, und der Arm, den die Aufwärtcrin hielt, war steif und starr. Mit einem Aufschrei des Entsetzens ließ ihn die Frau wieder fahren und lief zur Thür, um so schnell als möglch Hilfe herbeizuholen, denn sie konnte ja nun nicht länger zweifeln, daß dem Fräulein ein Unglück widerfahren sei. Das Hausihor war zwar verschlossen, aber der Schlüssel steckte von innen im Schloß, und so konnte die Aufwärterin innerhalb weniger Sekunden auf die Straße hinaus gelangen.
Der Erste, der ihr begegnete, war der Brotträger, welcher eben mit einem Korbe frischen Gebäcks herbeikam, und dem ihr verstörtes Aussehen sofort ausfiel.
„Mein Himmel, was ist Ihnen denn Ange
stoßen, Frau Mertens?" rief er aus. „Sir schauen ja aus den Augen, als ob sie ein Gespenst gesehen hätten! Brennt'S etwa bei dem alten Fräulein Hegemeier?"
Obwohl ihr das Entsetzen noch immer die Kehle zusammenschnürte, konnte die Angeredete doch der Versuchung nicht wiederstehea, ihrem Bekannten die große Neuigkeit mitzuteilen, und mit fliegendem Athem rief sie ihm zu, sie hätte das Fräulein eben tot auf ihrem Lehnstuhl angetroffen und müsse eilen, einen Arzt zu holen, da doch vielleicht noch Hilfe möglich sei.
„Das ist ja eine nette Ueberraschung!" meinte der Brotträger, ohne indessen sonderlich gerührt zu sein, denn das Fräulein zählte nicht zu seinen Kunden. „Ich habe übrigens den Wagen des Sanitätsrat Steinicken hier an der Ecke stehen sehen. Er muß da gleich aus dem Hause kommen. Wenn Sie ihn erwarten, sparen Sie sich unnütze Wege."
(Fortsetzung folgt.)
Telegramme.
Karlsrzuhe, 29. April. Tausende von Menschen wohnten bewegt der Ueberführung der Leiche des P r i n z e n W i l h e l m in die Schloßkirche bei. Der Sarg wurde von Grenadieren getragen. Bemerkt wurde die große Ergriffenheit des Großherzogs und des Prinzen Max.
Paris, 29. April. Nach einem Telegramm aus Salonik an den hiesigen „New Jork Herald" meldet der Stadthalter von Prevesa, daß die Verbindungen mit dem dortigen Hafen bald wieder hergestellt seien. Osman Pascha sagte dem Berichterstatter, er glaube an die baldige Wiederherstellung des Friedens. Sollte der Krieg fortdauern, so würde er sich an die Spitze der Truppen begeben. Die Fortsetzung des Krieges durch die Griechen wäre geradezu kindisch. In dem „Rappel" schreibt die Lanessan, man könne nicht ableugnen, daß die Siege der Türken in Griechenland dem deutschen Militärwesen als ein großer Erfolg angerechnet werden müßten, denn Deutsche hätten die türkischen Truppen ausgrbildet und geleitet (?). Für die demsche Politik, welche die Führung in der europäischen Diplomatie wieder übernommen habe, sei der Erfolg nicht minder bedeutend.
Athen, 29. April. König Georg berief den Ministerpräsidenten Delyannis in das Palais und ersuchte denselben, die Entlassung des Ministeriums einzureichen. Die Führer der Opposition Ralli, Carapano, Deligiorges, Skuludis, Soteropulo, Simopulo und Theodoki wurden beauftragt, das neue Kabinet zu bilden.
Canea. 29. April. Der deutsche Kreuzer „Kaiserin Augusta" ging heute nach dem Piräus ab
K o n st a n t i n o p e l, 29. AprU. Der deutsche Botschafter Frhr. v. Saurma-Jeltsch wurde gestern vom Sultan in Audienz empfangen.
Konstantinopel, 29. April. Nach einer Meldung des Wiener Korrespondenzbureau hätte ein hier eingetroffener Lloyd-Kapitän berichtet, daß in den Dardanellen drei türkische Kriegsschiffe und ein Torpedoboot gescheitert seien. Eine amtliche Bestätigung dieser Nachricht liegt noch ' nicht vor.'
Konstantinopel, 29. April. Eine Depesche Edhem Paschas vom 28. an den Kriegsminister meldet, daß die erste Division gegen Trikkala marschiere und Zarko besetze.
Petersburg, 29. April. Der Minister des Auswärtigen Murawiew und der österreichischungarische Minister des Auswärtigen Graf Goluchowski hatte heute Vormittag eine längere Besprechung. Später wurde Gras Goluchowski vom Zaren empfangen. Am Nachmittag hatten beide Minister nochmals eine längere Schluß- konferrenz. Die Abreise des Kaisers Franz Joses erfolgt abends 10 Uhr.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.