Eßlingen, 3. April. Die Maschinenfabrik Eßlingen, welche am 1. April ihr fünf- zigjähriges Bestehen feierte, hat in diesem Zeit- raume Erzeugnisse im Gesamtwert von 200 M'llwnen Mark hervorgebracht und nach allen Ländern geliefert. Ihre Geschichte ist daher ein Stück Geschichte der deutschen Maschinenindustrie, sp ziell der württembergischen Gewerbethätigkeit, und darum ist es dankenswert, daß der erste Direktor, Obcrbaurat A. Groß, in einer Schrift: „Fünfzig Betriebsjahre der Maschinenfabrik Eßlingen (Stuttgart, Union)." deren Entwicklung geschildert hat. Anläßlich des Jubiläums hat dre Verwaltung u. a. 50000 Mark dem Unter stützungsfonds der Arbeiter und Beamten über wiesen.
Ausland.
Der Kaiser von Oesterreich wird den Besuch des russischen Zarenpaares im vorigen Herbst in Wien nunmehr am 17. April und den folgenden Tagen durch einen Gegenbesuch in Petersburg erwidern. Auch Kaiser Franz-Josef wird, wie bis jetzt verlautet, von dem Munster des Auswärtigen, Grasen Goluchowsky, und einem diplomatischen Stab begleitet sein, wes halb mit Sicherheit anzunehmen ist, daß in Petersburg hochwichtige politische Fragen zur Verhandlung und wohl auch zum Austrag kommen werden.
Gegenüber den fortgesetzten Behauptungen französischer Blätter, nach denen der Kaiser von Rußland sich demnächst nach dem südlichen Frankreich begeben soll, veröffentlicht der russische offizielle „Nord" einen Artikel, in dem der Plan einer solchen Reise aufs Entschiedenste in Abrede gestellt wird.
Petersburg, 9. April. Französische Blätter haben gemeldet, daß die an Bord des „Sffsoi Welikt" vor Kreta am 15. März. d. I. gesprungene 30.5 ew Turmkanone, welche in der Regierungsfabrik von Obuchow gefertigt war. einen Kruppschen Kerl Verschluß hatte. Es ist nunmehr festgestellt, daß die Kanone einen Cane tschen Schraubenverschluß hatte. Die Ursachen des Springens find noch nicht festgestellt.
Die Feindseligkeiten zwischen griechischen Irregulären und türkischen Truppen sind zum offenen Ausbruch gekommen. Der größere Teil der in Grevena stationierten türkischen Division unter Hakki Pascha rückt gegen die ins türkische Gebiet Eingefallenen vor. In den Reihen der Angreifer find türkische Uniformen bemerkt worden. Die Lage wird als äußerst ernst be- trachtet. Marschall Edhem Pascha verbleibt im Hauptquartier in Erwartung weiterer Nach richten. Der Marschall hat die Divisionsgeneräle angewiesen, sich zum sofortigen Vor- gehen in Bereitschaft zu halten.
Athen, 10. April. Auf vier Punkten der griechischen und türkischen Vorposten kam es zu Scharmützeln. Die Nachricht von dem Beginn der Feindseligkeiten hat hier große Erregung hervorgerufen. Die Zahl der Insurgenten und der drei griechischen Banden beträgt 3100 Die Türken stehen zum Angriff bereit.
Konstantinopel, 10. April. Die türkische Zeitung „Sabah" veröffentlicht folgende Depesche aus Elassona: Gestern versuchten ungefähr 1000 Griechen die Grenze zu überschreiten. Die türkischen Truppen feuerten und zwangen die Griechen zum Rückzuge. Die Ver lüfte auf griechischer Seite sind beträchtlich.
Elassona, 9. Apr. Der Höchstkommandierende der türkischen Truppen in Thessalien, Edhem Pascha, erhielt aus Konstantinopel den Befehl, mit seinem Heere die griechische Grenze zu überschreiten, falls sicher festgesteUt würde, daß sich unter den griechischen Banden, welche in türkisches Gebiet eingedrungen sind, reguläre griechische Truppen befänden. Die türkischen Truppen rücken fortgesetzt gegen die griechischen Frer>charen vor, welche sich bald zwischen drei Feuern befinden werden.
In den Bereinigten Staaten von Amerika wurde Hals über Kopf die Wieder- einführung des früheren MacKinley-Schutz Zolltarifs in vollem Umfange beschlossen. Die Maßregel ist bereits in Kraft getreten und aus
l genommen von ihr sind nur solche Güter, welche am 1. April schon auf hoher See sich befanden. Die Freude über die Wahl Mac Kinley's zum Präsidenten ist der europäischen Geschäftswelt recht schnell versalzen worden.
Wie aus Washington berichtet wird, haben die Vertreter Deutschlands, Italiens und Hol lands Einspruch gegen die Tarifvorlage erhoben; andere Einsprüche würden erwartet. Der deutsche Einspruch richtet sich lediglich gegen die Differenzierung des Zuckers. Senator Chandler soll erklärt haben, daß die Annahme der Tarifvorlage gefährdet sei, wenn der Druck nach hohen Zöllen fortdauere.
Aus der Schweiz. 8. April. Der sechs- fache Selbstmord einer Familie im Dorfe Bettlach bei Solothurn hat selbstverständlich großes Aussehen erregt. Was?, hörte man sagen, giebt es solches Elend in der Schweiz, in der so gerne festefeiernden, schönen Schweiz, als lebten wir in den elendesten Quartieren von London oder Paris? Nun giebt es bekanntlich Elend und Selbstmorde überall, aber in diesem Falle war die Aufregung insofern wenigstens nicht berechtigt, als nicht Lebenssorgen das Elternpaar zu dem schrecklichen Entschluß getrieben haben, sondern Unzufriedenheit mit dem Schicksal, das ihnen nicht mehr bot und der Mangel an Mut. wenig stens den Kindern zu Liebe, den Lebenskampf, der keinem erspart ist. weiter zu kämpfen. Der Vater verdiente 6 Franken den Tag. früher so gar 10, in einer Uhrenfabrik, und die Frau 3 Die Woche vor der Thal hatte er gar nicht ge arbeitet, wie er überhaupt zu den Leuten ge hörte, die dafür halten, nicht schaffen sei lustiger als arbeiten, und die lieber befehlen möchten als gehorchen. Die Frau wird als eine enragierte Romanleserin geschildert. Also nicht Verzweiflung war das. sondern Unlust und Feigheit.
lieber ein schauderhaftes Verbrechen wird aus Aurich berichtet: Ein bei einem Malermeister Hierselbst in Dienst stehendes junges Mädchen von 18 Jahren wurde ver- haftet, weil es, um die Spuren seiner Sünde zu verwischen, sein heimlich geborenes Kind in den Ofen warf und verbrannte.
vermischtes.
Dr. von Stephan war bei Lebzeiten ein populärer Mann, das beweist die Teilnahme, die schon sein Leiden und jetzt sein Hinscheiden erfahren hat. Allenthalben spricht man von seinem Tode, und in Berlin haben mehrere Buchhandlungen sein Bild oder seine Büste zusammen mit seinen Schriften ausgestellt. Keltz und Meiners, Leipziger Straße 10. gaben eine Postkarte heraus, die auf der Rückseite das Porträt des Verstorbenen und in Faksimile den Spruch zeigt: Wo man denkt, wird's Schreiben auch nicht rosten, Wilde Menschen haben keine Posten. Dr. v. Stephan." — Dieses Vers- lein erinnert daran, daß der Würdenträger des Reiches es nicht verschmäht hat, gelegentlich — meist bei heiteren Anlässen — den Pegasus zu besteigen oder sich mit einigen witzigen Reimen in irgend einem Fremdenbuche zu verewigen.
Nach Falb käme von jetzt ab bis gegen den 17. April eine Besserung des Wetters zum Durchbruch. Um den 17., einem kritischen Termine 1. Ordnung, ist eine neuerliche Zunahme der Niederschläge und stellenweise auch das Auftreten von Schneesällen wahrscheinlich. Um den 23. dürften bei höherer Temperatur auch Gewitter eintreten. Wir müßten uns also auf weiße Ostern gefaßt machen.
(Das Inkognitos Der König von Württemberg befand sich 1857 „inkognito" in Biarritz. Die Polizei trug bei dieser Gelegenheit in das Hotelbuch ein: „Graf von Fels. Beruf: König. Wohnort: Württemberg."
(Erster Gedanke.) Rentier (verschiedene Krebse betrachtend): „Nu, was nutzen denen die Scheren, wo sie keine Coupons haben!"
Telegramme.
Berlin, 11. April. Leichenbegängnis des Staatssekretärs Dr. Stephan. Heute mittag 12'/, Uhr begann im Lichthofe des neuen
Postmuseums die Trauerfeier. Hinter dem Sarg war ein Altar erichtet. Die Gallerten und die Rotunde füllten sich mit auserlesenen Trauergästen. Man bemerkte den Erbprinz von Hohen- zollern, den Reichskanzler und die Staatssekretäre, die preußischen Slaatsminister, den Oberhofmarschall Grafen Eulenburg, verschiedene Bundes- ratsmitglieder. Admirale. Generale, den öfter- reichischen, amerikanischen und ital. Botschafter, die Unterstaatssrkcetäre der Reichsämter, das Präsidium des Reichstags, viele Reichstags- und Landtagsabgeordnete. Das Kaiserpaar betrat kurz nach 12'/, Uhr die Halle, gefolgt von dem General v. Hahnke und dem Admiral v. Senden- Bibran. Die Majestäten sprachen der Frau v. Stephan ihr Beileid aus und nahmen neben dem Katafalk Platz. Der Generalsuperintendent Dry ander hielt eine ergreifende Trauerrede. Nachdem ein Männerquarlett den Choral „Wenn ich einmal soll scheiden" vorgelragen hatte, wurde der Sarg unter den Klängen eines Jägerchors zum Wagen getragen, während das Kaiserpaar sich verabschiedete llnterdeß hatte sich der Zug in der Leipziger, und Wilhelmsstraße geordnet und begab sich von einer unzähligen Menschenmenge erwartet, nach dem Drelfaltrgkeitskirchhofe. Zahlreiche Postillone eröffneten den Zug, lOOOde von Postbeamten folgten. Höhere Postbeamte trugen die Orden des Verstorbenen. Der vierspännige Leichenwagen wurde von Postillonen geführt. Der Galawagen des Kaisers folgte. Um 2'/, Uhr kam der Zug am Kirchhofe an. Nach kurzem Gebet wurde der Sarg in die Gruft hinabgesenkt.
Schwerin, II. März. Großherzog Friedrich Franz von M cklenburg Schwerin ist gestern Abend 8 Uhr 40 Min in Cannes an Herzlähmuug verschieden. Fciedr. FranzIII, war geboren am 19. März 1851, regierte seit 15. April 1883 und war mit Großfürstin Anastasia von Rußland vermählt. Der bisherige Erbgroßherzog Friedrich Franz ist am 9. April 1882 geboren.
Schwerin, 11. April. Die Beisetzung des Großherzogs Friedrich Franz III. findet in Ludwigslust im Mausoleum statt. Die Regentschaft für den minderjährigen Thronerben Friedrich Franz IV. hat Herzog Johann Albrecht übernommen.
Paris, 11. April. Einer Meldung aus Athen zufolge fanden an mehreren Grenzpunkten Scharmützel statt. Die türkischen Truppen sind überall zurückgeschlagen worden, angeblich wegen der Ueberlegenheit der griechischen Artillerie. Die türkischen Vorposten wurden von den Griechen eingeschloffen.
Athen. 4. April. Gurem Vernehmen nach hörte das Feuer an der Grenze zwischen den Türken und griechischen Insurgenten gestern vormittag 11 Uhr auf. Die Artillerie und die Euzonen sollen sich hervorragend am Kampfe beteiligt haben.
Nach einer Depesche aus Retimo von gestern abend 10 Uhr fand in der Nähe von Candia ein Gefecht statt.
Castres, 11. April. Im Dorfe Brouffe stürzte heute während der Messe das Gewölbe der Kirche ern, mehrere Personen wurden getötet, viele verletzt.
Castres, 12. April. Es ist nunmehr festgestellt, daß bei dem Gewölbeeinsturz der Kirche in Brousse 7 Frauen und ein Mann gelötet und 30 Mädchen verwundet wurden, darunter 10 schwer.
Washington, 12. April. Nach dem Aprilbericht des Ackerbaudepartements beträgt der Durchschnittsstand des Winterweizens 81,4, des Winterroggens 88 9. Während der Stand des Weizens un Dezember beinahe als vortrefflich zu bezeichnen war, führten die späteren Fröste ein Sinken des Durchschnittsstandes um etwa 18 Prozent herbei. In einzelnen Staaten differiert der Stand des Weizens zwischen 40 wie in Jllenvis und 99 in Californien.
Washington, 12. April. Das Ackerbaudepartement schätzt den Gesamtertrag der diesjährigen Baumwollernte auf 8 535 000 Ballen, welche Schätzung jedoch noch einer Infinitiven Nachprüfung unterliegt.
Redaktion, Druck and «erlag oou L. Skeeh in Neuenbürg.