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Unterhaltender Heil.

Eine teure Festrede.

Humoreske aus früherer Zeit von A. Breyer.

(Nachdruck verboten.)

(Fortsetzung.)

Beide begaben sich in's Nebenzimmer, wo selbst die Frühstückstafel gedeckt war.

Die Bestellung derselben zeigte sich als eine derartige, daß selbst der selige Lukullus an den dort aufgetischten Erfrischungen fester und flüs­siger Art seine Helle Freude gehabt haben würde.

War also der Herr Rentmeister leiblichen Genüssen an und für sich keineswegs abhold, so besaß er, was die Freuden des Glases anbelraf, die Eigentümlichkeit, daß er sie mit jemand teilen mußte; ihm allein wollte der edle Traubensast nimmer recht munden.

So geschah es denn nicht selten, daß er, in Ermangelung eines geeigneten Zechkumpanen, seinen Leibkutscher oder beliebigen Scharwerks­mann sich vom Hof behufs Vornahme einer regelrechtenWeinprobe- hereinholte.

Jetzt saß er in Gesellschaft des jungen Lehrers am Tisch und schenkte wacker ein.

Bei siebenten Glas schien es, als habe ein prismatisch gebrochener Sonnenstrahl alle Farben des Regcnbogens über seine Nase gehaucht.

Der unverwüstliche Zecher näherte sich nun­mehr jenem Stadium, in welchem der genossene Wein gar stark auf seine Thränenfistel einzu­wirken pflegte.

Eine sanfte, lyrische Stimmung lag bereits über seinem Wesen ausgegossen.

Wissen Sie auch, mein Lieber, warum ich Ihnen die Susette nicht geben kann?- fragte er weich, indem er die Hand des Lehrers ergriff und krampfhaft drückte.Susette soll wird die Gattin eines Barons werden. Haben Sie gehört? die Gattin eines Barons!- Er fuhr sich mit der Hand über die naß gewordenen Augen. Das ist aber noch nicht Alles. Der betreffende Baron hat Jura und Kameralia studiert und zur Zeit steuert er mit vollen Segeln auf einen Minislerposten los. Meine Tochter, mein einziges Kind, soll also eine Frau Excellenz, soll die Ge­mahlin rincs Mi Mi Ministers- Hier entstürzte ein Thränenstrom seinen Augen und er konnte vor Rührung nicht weiter sprechen.

In diesem Moment ging langsam die Thür auf und ein dunkel gekleideter, großer hagerer Mann trat herein.

Derselbe mochte etwa 38 Jahre alt sein, hatte übermäßig lange Arme und Beine und einen dünnen Kranichhals, der den etwas großen Kopf kaum tragen zu können schien.

Das fleischlose Gesicht, das Backenknochen und die Nase stark hervortceten ließ, schien mit den kleinen blitzenden Augen und dem dünnge- jäten roten Kinnbärtchen dem leibhaftigen Me­phisto anzugehören.

Der seltsame Mensch stellte überhaupt eine Figur dar, bei deren Anblick man nicht recht wußte, ob man lachen oder weinen sollte.

Die Zukunfts-Excellenz mein Herr Schwiegersohn in spo!- rief der Rentmeister und sich mühsam erhebend, wankte er auf den Eingetretcnen zu und umklammerte mit Unge­stüm Lessen Nacken.Willkommen, hochverehrter Freund, herzlich willkommen!- jauchzte er und indem er, beide Beine in der Kniebeuge empor­hebend, den Baron sein ganzes Körpergewicht tragen ließ, klappte der lange, hagere Mann wie ein altes Taschenmesser zusammen und im nächsten Augenblick wälzten sich beide engver- schlungcn am Boden.

Als sie sich dann wieder aufgerafft hatten, war der Lehrer aus dem Gemach verschwunden.

Herr Spangendorf schien den Lehrer gar nicht zu vermissen, er zog seinen neuen Gast an den Tisch und hier neben sich auf einen Sessel nieder.

Die Gläser wurden gefüllt und klangen lustig aneinander.

Der Baron schien als wohlgeübter Zecher mit einer recht durstigen Kehle begabt zu.sein, denn in gewaltigen Zügen ließ er den edlen Stoff in dieunergründlichen Tiefen- seines Innern verschwinden.

Herr Spangendorf zerschmolz bereits wieder in Rührung.

So ein guter Tropfen ist doch eine wahre Wohlthat des Himmels!" schluchzte er.Wenn ich es mir bisweilen recht lebhaft zu Gemüte führe, wie gar so sündhaft und voller Bosheit die Menschenkinder sind, dann kann ichs gar nicht begreifen, daß unser Herrgott die edelste Frucht seines Paradieses, die Traube nämlich, deren Sa Sa Saft, eine Labe der Engel und Seligen-

Er drückte sein Taschentuch an die Augen, um die hervorbrechenden Thränen auszusangen, welchen Moment der Baron benutzte, die ge­leerten Gläser aus einer etwas entfernt stehen­den Flasche wieder zu füllen.

Wie wär'S, mein Teurer, wenn ich Seine Durchlaucht zu einem Schlückchen von diesem Achtvndfünfziger" cinladen thäte?- fragte der Rentmeister, sein volles Glas gegen das Sonnen- licht erhebend.Das blanke Gold, nicht wahr? Aber bitte. Herr Baron, Sie trinken ja gor nicht! Wir wandeln doch in der Gerechtigkeit, fernab vom Wege der Gottlosen, die sich im Höllentrank der Sünde berauschen. Und darum Prosit, mein Freund, mein Einziger!-

Sie stießen an und stürzten den Inhalt der Gläser in den Mund, um im nächsten Augen- blicke sich gegenseitig aus den gefüllten Backen zu besprudeln.

O, o, ein Mirakel des Satans! Der blanke Essig!- rief Herr Spangendorf, indem er zur Wasser-Karaffc stürzte, seine brennende Zunge zu kühlen.

Der Baron, der in der That die Eisigflasche, die für einige kalte Speisen bestimmt war, er­wischt hatte, verfluchte im Stillen seinen Miß­griff, der zu recht fatalen Eröterungen führen konnte.

Seltsam sonderbar!- jagte kopfschüttelnd der Rentmeister, als er wieder auf seinen Platz zurückgekehrt war. Traubensast verwandelt sich in Essig, welch' ein mysteriöses Nakurwunder!- murmelte er, das weinschwere Haupt in die Hand stützend.Wenn nur das Ereignis sich nicht als der Vorbote irgend eines Unglücks erweist!-

Hier, Herr Rentmeister, ist die Festrede, welche ich Ihnen auizusetzen versprach!- sagte der Baron, ein Röllchen aus der Tasche ziehend.

Seine Absicht war erreicht, die Gedanken Spangendorf's hatten plötzlich eine andere Richt­ung gewonnen.

Die Festrede!- rief er aufblickend.Sie haben Sie also wirklich gemacht? Wie schön von Ihnen! Bitte lassen Sie mich hören, die herrlichen Worte, mit denen ich unfern geliebten Landesvater zu begrüßen die Ehre haben werde-.

Mit vielem Pathos begann der Baron vor- zulesen:

Allerdurchlauchtigster Fürst, allergnädigster

Herr und großmächtiger Gebieter!

Mit jauchzendem Frohlocken begrüßen wir das Erwachen des heutigen Tages, an dem uns, nach dem weisen Ratschluß des Ewigen, Vas unendliche Glück zu Teil werden sollte, unfern teuren, inniggeliebten, all- und hochverehrten Fürsten von Angesicht zu Angesicht zu sehen Und jetzt ist der große, heißerfehnte Augenblick da! O, daß rch tausend Zungen hätte und eine Stimme wie Donnerrollen und Sturmge- braus, daß ich in allen Sprachen reden, mächtig rufen und gleich dem König der Wüste brüllen und von einem Pol bis zum andern gehört werden könnte!

Aber ach! als ein schwacher Mensch, der ich bin. vermag ich nur mit der Einfalt eines Kindes auf dem Mutterschooße hervorzustamnuln, aus dem tiefsten Bewußtsein meiner Unwürdig, keil, das Hohe und Erhabene, was unser Aller Seelen jetzt so gewaltig bewegt, und es zusammen» fassen in den Judelruf, der Euer Durchlaucht wie ein Chor von Posaunen und Trompeten des heiligen Zion künden möge die Empfindungen der Dankbarkeit, Liebe und Verehrung, von denen beseelt und durchdrungen wir uns hier um Eure Durchlaucht, Groß^und Klein, schaaren, in dem Jubelruf:

Heil unserm gnädigsten Fürsten und Vater!- (Fortsetzung folgt.)

Das Polizeipräsidium inBerlin hat kürz­lich eine Bekanntmachung folgenden Inhalts er- lassen:Unter dem Namen Honigsyrup ge- langt zur Zeit ein aus geringen Mengen von Rohrzuckermelisse und Stärkesyrupf bestehendes Gemisch in den Handel. Ich mache die handel­treibenden Kreise darauf aufmerksam, daß der­artige Produkte nur unter Bezeichnungen fcilgc- halten und verkauft werden düifen. welche jede ' Irrtum über die Herstellungsweise und Z' ^ sammensetzung ansschließcn. Insbesondere halte ich die Hinzufügung des WortesHonig- i. irgend einer Form bei Bezeichnung dieser Art von Syrupen für unzulässig.-

(Wie die Chinesen telegraphieren.) Hat sich der Leser schon einmal die Frage vorgelegt wie es die Chinesen mit ihrer alphabellosen Schrift fertig bringen, zu telegraphieren? Sonst so mißtrauisch und ablehnend gegenüber den Erfindungen der europäischenTeufel-, haben die Söhne des himmlischen Reiches sich doch sofort des elektrischen Telegraphen bemächtigt, dessen Vorteile hinsichtlich guter Verbindung mit den oft ungeheuer weit entfernten Punkten des inneren Reiches sie wohl zu schätzen wußten. Nun giebt es, wie gesagt, kein Alphabet der chinesischen Sprache; die geschriebenen Zeichen bedeuten jedesmal ein ganzes Wort, bisweilen Sätze, und dieser Zeichen, die sich mit den Jahrtausenden mehnen, giebt eS ca. 80000. Wie soll der chinesische Telegraph damit fertig werden? Angenommen, wir hätten einen Tasten-Telegraph vor uns, wo jede Taste, 1 cm breit, einem jener Zeichen entspräche, dann wäre die ganze Klaviatur 800 iu lang. Es mußte also ein Ausweg gefunden werden. Aus jenem großen Wortschätze wurden zunächst 10 000 der gebräuchlichsten Zeichen herausgejucht, diese in ein Wörterbuch eingetragen und fort­laufend nummeriert. Mit diesen Worten kann man so ziemlich alles ausdrücken, was im ge­wöhnlichen Leben vorkommt. Soll nun tele­graphiert werden, so drahtet der aufgebende Beamte die Nummer der betreffenden Worte, die er nach seinem Lexikon festgestellt hat, und am Empfangsorte setzt der annehmende Beamte die Zahlen wieder in Worte um. Etwas um­ständlich, aber doch unter den einmal gegebenen Verhältnissen der gangbarste Ausweg.

Eine Sitte, welche in England schon seit längerer Zeit besteht, nämlich das Reiten der Damen nach Art der Männer, scheint auch auf dem Kontingent Platz greifen zu wollen. Man sah vorige Woche in Berlin die Prinzessin -von Sachsen - Meiningen , die Schwester des Kaisers, in dieser Weise im Tiergarten ihren Spazierritt machen.

(Zur modernen Sammelwut.) A. (der eine Ansichtspostkarte von einer berühmten Persönlichkeit empfangen):Jetzt weiß ich nicht, soll ich die Karle meiner Briefmarken- Sammlung oder Grußkarten-Kollektton oder soll ich sie meiner Antographenmappe einverleiben?

(Zerstreut.) Frau Professor: Diese alten Zeitungen kann ich wohl verbrennen; Du brauchst sie ja nicht mehr! Professor: Es ist möglich, daß ich sie noch einmal gebrauche,

aber vorläufig verbrenne sie nur!

Auflösung -es Silbenrätsels in Rr. 33. Handarbeit, Cvtillon. Weinlese, Thürriegel, Artillerie,

Richtig gelöst von Rudolf Hartmann, Sensenfabrik in Neuenbürg.

Zahlenpyrami-e.

1 Die Zahlen find mit

l 2 Hilfe der folgenden An-

12 3 gaben durch Buchstaben

4 3 2 1 zu ersetzen. Der oberste

1 5 4 3 2 Buchstabe soll eine Note,

6 1 5 4 3 2 die unterste wagrechte

4 2 1 5 1 6 3 Reihe ein Geschoß be­

zeichnen. Die übrigen wagrechten Reihen aber in anderer Folge sollen ergeben: 1 ein Maß, 2. eine Wiese, 3. einen Fluß in Frank­reich. 4 eine Hafenstadt in Afrika, 5. eine Stadt in Mitteldeutschland.

Redaktion, Druck uud Verlag von L. Meeh tu Neuenbürg.