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Dienstag, den 8. Oktober 1901.
Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1. IS durch die Post bezogen im Bezirk; außer Bezirk Mk. 1i 35.
Tagesneuigkeiten.
* Calw, 7. Okt. Eine kurze, packende Geschichte de-s deutsch-französischen Krieges war es, die am gestrigen Abend in der Turnhalle durch Mitglieder des Militärs er eins unter der Direktion von Franz Manhart vorgcführt wurde. In 29 Bildern wurden KriegSfestsviele dargeboten, die sowohl einzeln als in ihrer Gcsamtwirkung eine lebendige Erinnerung an die glorreiche Zeit der Jahre 1870/71 erwecken. Die Ausführung der Spiele erforderte eine große Zahl von Männern, Jungfrauen und Mädchen; die- Zahl der Mitwirkenden beläuft sich auf 100 Personen. Zu der Darstellung wurde ein intensiver elektrischer Scheinwerfer verwendet, mittels dessen die lebenden Bilder eine wunderbare Wirkung erzielten. Die Turnhalle war lange vor der festgesetzten Zeit, schon so mit Zuschauern gefüllt, daß viele Späterkommende keinen Platz mehr fanden; der Andrang zu den Spielen war ganz gewaltig; vor Beginn der Darstellung sprach der Vorstand des Mililärvcrcins, Hr. Carl Essig, warme Worte der Begrüßung, worauf in rascher, angenehmer und reichhaltiger Abwechslung in 4 Abteilungen 29 lebende Bilder zur Aufführung kamen. Die Pausen zwischen den einzelnen Abteilungen wurden durch Vorrräge des Orchestervercins auSgcfüllr. Vor der Darstellung eines jeden Bildes wurde von Frau Direktor Manhart ein erklärender Text vorgcrrageu; die Klaviervorträge waren dem Inhalt des Textes möglichst anbequemt. Was nun die Aufführung selbst betrifft, so kamen nicht etwa nur Kriegssccncn wie „Gefangennahme eines französischen Postens" oder „Der erstgcfangene Turko" oder „Unerlaubte Requisition" zum Vorschein, sondern eigentlich mehr ergreifende ernste Scencu, wie „Abschied der Soldaten", „Samariter- dienst im Felde", „Tie drei Blutstropfen" oder „Ter toie Soldat". Besonders schönen und eindrucksvollsten Effekt erzielten die hellbelcuchteteu Bilder „König Wilhelm und Benedctli in Ems", „Germauias Wacht am Rhein", „Gefangennahme Napoleons" und „Weihnachten vor Paris". Tie Vorstellung wirkt in keiner Weise ermüdend, die Spannung wird von Bild zu Bild größer, Humor und Ernst kommen zu voller Geltung und Abwechslung, die glückliche Zusammenstellung bringt Leben und reiche Entfaltung und die Verwendung so zahlreicher Personen ermöglicht ein naturgetreues Wiedergebcu der auch durch die schönen Kostüme noch erhöhten Scenen. Wir können den Besuch der ferneren Aufführungen jedermann bestens empfehlen.
* Calw, 7. Okt. Von einem überaus schweren Un glü ck wurde die Familie von Hrn. Polizeiwachlmeister Biedermann hier betroffen. Der 17'/-jährige Sohn Heinrich halte im August das Mißgeschick von einem Neubau in Stuttgart hcrunterzustürzen und den Fuß zu brechen. Kaum geheilt begab er sich am letzten Montag wieder nach Stuttgart, um im gleichen Geschäft thätig zu sein. Er halte am Samstag vormittag an dem Neubau von Breuningcr zum Großfürsten, wo er das erstemal verunglückt war, eine Arbeit als Bauschlosser auszuführen. Hiebei brach die Leiter, auf der er stand, und der Unglückliche stürzte 4 Stockwerke
herunter. Er wurde in schrecklicher Weise zugerichtet in das Spital gebracht. Die Verletzungen waren so schwerer Art, daß er nach 2 Stunden verschied. Tic Leiche des im schönsten Alter dahingerafften und auf so traurige Art ums Leben gekommenen jungen Mann wird hieher überführt werden. Ter schwer betroffenen Familie wendet sich allgemeine Teilnahme zu.
Calw, 7. Okt. Der am 27. Sept. d. Js. auf der Straße zwischen Althengstett und Calw in bewußtlosem Zustande aufgefundene Radfahrer Joh. Georg Lutz, 23 Jahre alter Schreinergeselle von Brcitenberg, ist am Samstag, 5. Okt., abds. 7'/< Uhr an den Folgen des bei seinem Sturz vom Rad erlittenen Schädelbruchs im hiesigen Krankenhaus gestorben. Tie Leiche wird heute nach Brcitenberg überführt.
Calw. In der Kollekte von Aug. Dol - lingcr hier fiel auf LooS Nr. 52689 der Reut- linger Lotterie ein Gewinn von 1000 Mk.
sAmtlicheS aus dem Staatsanzeiger.f S e. Königl. Majestät haben am 3. d. M. geruht, den Amtsrichter Eytel von Calw, Hilfsrichter bei dem Landgericht Stuttgart, zum Landrichter bei dem Landgericht Ravensburg zu ernennen.
Weilderstadt, 4. Okt. Bei Streithändeln hat der 18jährigc Sohn des Tuchmachers Anton Müller den Maurerssohn Lutz derart mit einem Messer verletzt, daß dieser infolge der Verletzungen nach vier Tagen starb. — In selbiger Nacht hat der-Sohn des Taglöhners Schick den Hausknecht beim Rappenwirt dortsclbst ebenfalls durch einen Stich schwer verletzt. Derselbe wurde sofort ins Spital verbracht, dürfte aber mit dem Leben davonkommen.
Stuttgart, 4. Okt. Das vom Bund der Landwirte angekündigre „offene Wort an die K. S t a a t s r eg i e r u n g", das nunmehr erschienen ist, beginnt mit dem Hinweis darauf, daß seit den „unheilvollen" Handelsverträgen von 1892/94 die Nor der Landwirtschaft von Jahr zu Jahr deutlicher und stärker hervorgetreten sei. Allenthalben müsse anerkannt werden, daß das wichtigste und erste Mittel zur Hilfe für unfern Bauernstand, ja für unsere gesamte Landbevölkerung, der Schutz gegen die übermäßig starke Einfuhr vom Ausland fei. Das Flugblatt richtet dann speziell gegen die Minister des Innern und der Finanzen den Vorwurf, daß sie bei den Verhandlungen in Berlin nicht die Wünsche der königstreuen, vaterländischen, seßhaften und geordneten Bevölkerung Württembergs vertreten, sondern das gefördert haben, was die revolutionäre, internationale und deshalb vaterlandslose Sozialdemokratie wünsche, dieselbe Sozialdemokratie, die wohl Forderungen über Forderungen an die Regierung stelle, aber ihr schließlich die Mittel verweigere, den Staatshaushalt zu führen. Das Flugblatt schließt:
.Es war stets der Stolz unseres württcmb. Fürstenhauses, zu seinen Bauern zu halten — und der württ. Bauernstand hat diese treue Fürsorge mit treuer Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus vergolten. Heute handelt eS sich allen Ernstes darum, ob lieses alte Verhältnis gestört werden soll oder nicht. Industrie und Arbeiterschaft
genießen durch bedeutenden Zollschutz, dessen beträchtliche Erhöhung in Aussicht genommen ist, eine weitgehende Staatshilfe. Die Gerechtigkeit gebietet, daß auch der Landwirtschaft in gleicher Weife die Fürsorge des Staats zu teil werde, und deshalb wenden wir uns in diesem offenen Wort an unsere Regierung." —
Man wird in weiten Kreisen, die der Landwirtschaft aufzuhelfen aus Ueberzeugung gerne bereit sind, tief bedauern, daß derartige wenig königstrenen Drohungen, wie sie der Schlußsatz deS „offenen Wortes" enthält, im Namen unseres Bauernstandes ausgesprochen werden. (Schw. M.)
Stuttgart, 4. Okt. Ueber die hiesige Bankfirma Joses Schweizer berichtet das Südd. Korrespondenz-Bureau, daß dieselbe von morgen ab ihre Zahlungen wieder aufninunt, gleichzeitig aber zum Zweck der Auseinandersetzung mit den Erben des verstorbenen Teilhabers Heinrich Schweizer zunächst in Liquidation tritt. Der Firma sind von befreundeter Seite ca. 600 000 Barmittel zur Verfügung gestellt worden und es werden nicht nur sämtliche Ansprüche voll befriedigt werden können, sondern auch für die Teilhaber ein beträchtliches Vermögen übrig bleiben.
Stuttgart, 4. Okt. Auf dem Nord- bahnhof wurden heute Mostobst zugeführt: 6 Waggon aus Frankreich, 7 Waggon aus Ungarn, 2 Waggon aus Italien, 7 Waggon aus Belgien,
4 Waggon aus Oestreich, 1 Waggon aus d. Schweiz, 1 Waggon aus Hessen, zusammen 28 Waggonladungen zu je ca. 10 000 Kilo Mostäpfel, welche teilweise zu je 1000—1080 pr. 10 000 Kilo verkauft wurden. Verkauf im Kleinen die 50 Kilo
5 -//L 10 c). bis 5 80 §).
Stuttgart, 5. Okt. Die allgemeine Weinlese wird im Stuitgarl-Cannstatter Bezirk voraussichtlich auf Ende nächster Woche festgesetzt werden. Am kommenden Montag werden die Vertreter der weinbautreibenden Gemeinden des mittleren Ncckargaus sich in Cannstatt versammeln, um darüber Beschluß zu fassen. Das Frühgewächs ist in dieser Woche schon gelesen worden und hat, ohne Schlüsse auf die allgemeine Lese zu ziehen, ein kaum befriedigendes Resultat ergeben. Tic hiesige Stadtkelter soll Heuer wieder und zwar in 8 Tagen in Betrieb gesetzt werden.
Backnang, 3. Okt. Von dem verschwundenen O b er a m l ss p a r k as s i e r hat man bis jetzt keine Kunde. Er soll ein Fahrbillet nach Heilbronn genommen haben. Es wird aber vermutet, daß er in Bietigheim den Weg gegen Süden eingeschlagcn habe. Wie viel er mitgenommen hat, läßt sich bis jetzt nicht abschätzen. Lober, der ein Mann in den 30er Jahren ist, hat eine junge Frau und 2 kleine Kinder.
Unter schlechtbach OA. Welzheim, 2. Okt. Schullehrer R. hier war als Rechner der hiesigen Molkereigenossenschaft auf gestern mittag 1 Uhr zum Kassensturz durch den Genossenschaftsrevisor geladen. Als nach Eintreffen des Stellvertreters des Letzteren, Berwaltungskand. K. von Großheppach, R. nicht erschien, stellte man Nachforschungen an und fand ihn in seinem Schlafzimmer erschossen auf. Bei der sofort durch den Aufsichtsrat der Genossenschaft vorgenommenen Be-