Ilnteryattender Teil.
Heiderose.
Kriminal-Novelle von Pieter Bryburg.
(Fortsetzung.)
O Liebe, du Weihe deS Himmels, wenn unter dem Lilienbusen die Triebe zart emporkeimen, wach geküßt und zum Blühen gebracht durch den Sonnenstrahl einer keuschen Herzensneigung. O Liebe, du Gluthauch der Hölle, wenn Leidenschaft dich jäh entflammt, wenn Eifersucht ihren giftigen Stachel in das Menschen- Herz einbohrt und die Schlangengeißeln der Rache dich vorwärts treiben auf dunkler Bahn zum dunklen Ziel.
„Heiderose", die Blume der Wildnis, war von diesem sengenden Hauch der Liebe getroffen worden. Jene zarten Gefühle waren dem Herzen der Creolin fremd. Das heiße Blut ihrer als Wilde unter den Wilden ausgewachsenen Mutter rebellierte gegen jeden Zwang, aus welchen Mary Williams schon das ruhige Dahinleben in geordneten Verhältnissen empfunden haben würde. Keine Rosen erblühen an ihrem Wege unter den Tritten der holdseligen Göttin. Heiderose war zwiefach getäuscht worden.
Zuerst hatte sie geglaubt, daß man ihr den Geliebten getötet, daß er einem auf den Gold- feldern nicht seltenen Verbrechen zum Opfer gefallen oder aus Rache ermordet worden war.
Erst als sie genauer hingesehen, hatte sie erkannt, daß sie das Opfer einer geradezu täuschenden Aehnlichkeit geworden, daß es der Mörder war, den sie liebte und der nun geflohen war, nur auf seine eigene Errettung bedacht, unbekümmert um sie, die sich von ihm wiedergelicbt glaubte.
Ein unergründliches Geheimnis spannte seine verwirrenden Maschen um Heiderose aus und stürzte sie in einen Taumel widersprechendster Empfindungen. Sie sah die Dinge wie durch einen blutigen Schleier, den sie mit der Kraft der Vernunft vergebens zu zerreißen strebte.
Noch einmal aber drang der Sonnenstrahl der Liebe siegend in den zu ihren Füßen sich öffnenden Abgrund und zeigte ihr das Bild des Geliebten, in der verklärenden Reinheit, in welcher sie cs wachend und träumend immer geschaut hatte.
Eine innere Stimme sagte ihr: „Friedrich ist nicht der Mörder seines Landmannes, er ist wie jener das Opfer eines düster waltenden Verhängnisses. Der Schein ist nur gegen ihn."
In diesem Augenblick eines haltlosen Schwankens war der Versucher an sie angetreten, um sie in ihrem hoffnungsvollen Wahne zu bestärken
Daß er die Gestalt des „wilder Tom" angenommen, eines sittlich vorkommenen, zu jeder Schandthat fähigen Menschen, das freilich machte sie stutzig, wie kam er dazu, bei ihr zum Fürsprecher zu werden für einen Mann, den er selbst für den Mörder des „Deutschen" hielt und den er nach Lage der Verhältnisse gar nicht kannte? Heiderose fand auf diese quälenden Fragen keine Antwort.
Sie war ihrem ersten raschen Impulse gefolgt, den flüchtigen Geliebten außer Verfolgung zu setzen, was uur möglich war, wenn sie bekannte, daß Friedrich, den sie geliebt, und der ihm so ähnlich sehende „Deutsche", der ihr fremd war, ein und dieselbe Person waren. Sie hatte es gethan, auf das Drängen Toms hatte sie es gethan, und nun?
Hastenden Schrittes ging „Heiderose" dahin. Als sie sich außer Sichtweite des Lagers wußte, begann sie zu laufen.
Sie schlug aber nicht die Richtung nach der Außenstation „Koringa" ein, wo ihr Vater das Einödsleben eines australischen Schäfers führte. Die Station lag in der Ebene, einem nur mit Salzbusch und Scrub (Gestrüpp), bestandenen Prairielande. Sie aber strebte mit Macht den aufragenden „Schwarzen Bergen" zu.
Eine öde Schlucht in diesem Labyrinth von Sand und schwarzen Felsen war der Ort ihrer heimlichen Zusammenkünfte gewesen. Vielleicht hatte er seine Flucht dorthin gerichtet.
Vielleicht erwartete er sie schon mit Ungeduld, um sich vor ihr zu rechtfertigen und mit ihr gemeinsam weiter zu fliehen.
Besonders dieser letztere Gedanke beflügelte Heiderose's Schritte. Sie war schon bereit, an Friedrichs Unschuld zu glauben oder seine Blutthat zu rechtfertigen. Nur nicht verlassen sollte er sie, nur nicht mit einem Schlage zu nichte machen, was in ihrem Herzen so herrlich emporgeblüht war, wie eine Wunderblume aus Märchenland.
So.nahe die schroff aus der Ebene aufsteigenden Berge auch schienen, so fern lagen sie der Goldstadt Immer heißer brannte die Sonne hernieder, und Mary hatte noch Stunden einer mühseligen Wanderung vor sich. Die mächtigen Gummibäume mit ihrem kärglichen Blätterschmuck gewährten keinen Schatten. Bald trat ihr Fuß auf spitze, aus dem Boden wachsende Steine, bald versank er bis zum Knöchel in dem glühenden Sande.
Die Sonne hatte die Mittagshöhe bereits überschritten, als sie halb verschmachtet und kaum imstande, sich fortzuschleppen, bei den „Schwarzen Bergen" anlangte.
Wenn Friedrich da war, warum spähte er nicht nach ihr aus? Wenn er sich dort verborgen hielt und ihre Annäherung bemerkte, warum eilte er der Geliebten nicht entgegen? Warum begrüßte er sie nicht schon von weitem wie sonst mit dem helltönenden Ku-u-u-i? Das Herz pochte ihr zum Zerspringen. Sie griff, um sich aufrecht zu erhalten, nach dem schwarzen Stamm einer Kasuarine, durch deren Schachtelhalme ein kaum zu spürender Lufzug mit leisem Klagen strich.
Kein Vogel flatterte da auf, kein flinkes Beuteltier huschte über den glühenden Sand. Hier war alles Leben ausgestorbeu. Ewiges Schweigen umhüllte die ernsten Zeugen mächtiger Erdumwälzungen. Wie ein Riesengrabmal versunkener Welten stiegen die „Schwarzen Berge" über den Kratern empor, welche sie mit ihren Steilwänden bedeckten.
Was sie geahnt, und was sie immer noch nicht hatte glauben können, ward hier Heiderose zur Gewißheit, daß Friedrich sie verlassen hatte, die Schlucht war verödet. Aber dort, auf der Felsenbank, auf der sie so oft Abends gesessen, von blühenden Lianen umrankt, von Fächerpalmen überragt, da schimmerte ein weißer Streifen Papier unter einem darauf gelegten Steine hervor! So hatte Friedrich sich stets vom bleib benachrichtigt. Mit bebenden Händen entfaltete sie das Blatt. Im ersten Augenblick war es ihr nicht möglich, zu lesen. Die Buchstaben tanzten ihr vor den Augen. Sie ließ das Blatt sinken, erhob es wieder und las:
„Teuerste Mary!" Dies ist meine letzte Nachricht an Dich. Wir müssen uns trennen. Frage nicht warum Es ist des Schicksals Wille. Derselbe ist unabänderlich. Wende Deine Neigung einem Würdigeren zu, da ich Dich nicht fesseln durfte für's Leben. Du wirst noch einmal glücklich werden. Bleibe den Goldfeldern fern. Du bist zu gut, um dort zu Grunde zu gehen. Versuche nicht, mein Geheimnis zu lüsten. Es ist undurchdringlich. Zum letzten Mal zeichne ich als Dein Friedrich."
Starr blickte Mary auf das verhängnisvolle Blatt. Alles, nur diesen Inhalt hatte sie nicht vermutet. Er hatte sie für immer verlassen. Es war ein Abschied ohne Wiedersehen! Feige war er geflüchtet, nachdem er fein Gewissen mit einem Morde belastet hatte. Er hatte es nicht gewagt, ihr noch einmal unter die Augen zu treten, aus Furcht, von ihr erkannt zu werden, als der Schurke und der Verbrecher, der er war; aus Furcht, dann nicht die Kraft zu haben, ,sie von sich abzufchütteln. Und weg mußte sie — warum? — warum denn sonst, als um einer anderen Platz zu machen.
Einer anderen! Mary sprang auf. Was kann ein Frauenherz schwerer treffen, was tiefer verwunden, als dieser Gedanke — verlassen um einer anderen willen! — Rein, das sollte, das durfte nicht sein. Lieber wollte sie den Geliebten als Mörder bezeichnen und die Verfolger auf seine Fährte Hetzen. Dieser Brief war ein in
direktes Anerkenntnis seiner Schuld, des frevel- haften Mordes an seinem unglücklichen Landsmanns.
Hier war ein Mittel, um ihn sich zurück zu gewinnen, um ihn einer anderen abspenstig zu machen: die Furcht! Er sollte wissen, daß sie doch noch eine Macht über ihn habe, daß er sich beugen mußte, und daß sie unter Umständen bereit war, diese Macht zu üben zu seinem Ver- derben. — Ein Mädchen mit einem anderen Lebens- und Bildungsgänge als Heiderose würde Gott gedankt haben, wenn sie auf diesem Wege von der Verbindung mit einem offenbaren Verbrecher losgesprochen worden wäre. Die Tochter der Wildnis hatte gelernt, zu Schutz und Angriff rötliche Waffen zu handhaben.
Das Verbrechen war es nicht, was sie schreckte. Friedrichs Untreue beschwor die Rache- geister in ihrer Brust. Er sollte wieder der Ihre werden, oder er sollte sterben, — wenn es sein mußte von ihrer eigenen Hand.
Von diesem furchtbaren Entschluß getrieben, beeilte sich Heiderose die Schlucht zu verlassen. Ihm nach wollte sie, an Friedrichs Fersen wollte sie sich heften, ihm folgen durch die ganze Welt. Keine Ruhe sollte er vor ihr finden, wenn er auch Mittel und Wege fand, um sein Gewissen zu beschwichtigen. Hatte er den Deutschen beraubt, so sollte er seines Besitzes nicht froh werden; halte er ihn um jener anderen willen getötet, so schritt sie als Rachdämon neben ihm her, drängte sie sich zwischen ihn und das geliebte Weid! — Ihm nach! — Ja. aber wohin?!
Unwillig dampfte sie mit dem Fuße. Es war ja nicht anzunehmen, daß er die bekannten Wege nach den bewohnten Distrikten eingeschlagen, das lhat kein Verbrecher.
Zwischen den wenigen Pfaden breiteten hier weite Wüsten sich aus, mächtige Wälder und be- sonders jener undurchdringliche Eebüschwald, „Scrub" genannt, aus dem selten Jemand lebend entkam.
Blindlings vorzudringen, plan und ziellos nmherzuirrcn, wäre Wahnsinn gewesen. Daher Heiderose's banges Zögern u. wütendes Stampfen. Friedrich war spurlos verschwunden, wie jeder, der in diese Wildnis eindrang. Der Fußeindruck haftet^nicht auf dem fließenden Sande, nicht aus den nackten Felsen.
„Wohin!" stieß sie zwischen den blitzenden Zähnen hervor. „Wohin!" Plötzlich kam ihr der erlösende Gedanke. Der „Medizinmann" ihres mütterlichen Stammes sollte ihr die Wege weisen, die sie zur Rache oder zu ihrem verlorenen Glücke zu gehen hatte.
Er haßte die weißen Eroberer und neidete ihnen den Besitz des gleißenden gelben Metalls, das sie ins Land giführt hatte und darin ststhielt.
Noch einen letzten Blick sandte sie zurück, hinab in die wildromantische Schlucht, die einst ihr ganzes Glück umschlossen gehalten und die nun tot und öde zu ihren Füßen sich aufthal, wie eine offene Gruft.
Einen Augenblick stieg cs ihr feucht in die Augen. Doch rasch drängle sie die aufquellenden Thränen, die Zeugen ihrer Schwäche zurück. Die Faust drohend erhoben und eine Verwünschung auf den Lippen, eilte sie den Berg hinunter, fort, nur weiter fort, zu ruhelosem Wandern. —
(Fortsetzung folgt.)
(Ein Weltbummlerj. „Bei Ihren oftmaligen Nordlandsreisen müssen Sie doch bei den dortigen Bewohnern eine bekannte Person sein!" — „Na und ob! Sogar die Seehunde wedeln nut mit dem Schweif, wenn sie mich sehen."
(Naheliegender Zweifel.) Erster Reisender: „. . Ich warte also etwa eine Stunde >m Comptoir auf den Chef des Hauses; endlich höre ich einen Fußtritt . ." — Zweiter Reisender: „Wirklich blos gehört?"
sJm Geschäftseifer.j „Womit kann ich dienen- gnädiges Fräulein?" — „Könnt ich vielleich den Herrn Chef sprechen?» - ..Momentan nicht auf Lager. Wenn Ihnen aber mit ähnlichem gedient ist — sein Sohn befindet sich im Neben zimmer!"
Redattton, Druck und Verlag von L. Meeh tu Neuenbürg.