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der Franzosen hier frei zum Ausbruch gekommen wäre. Aber auch nach der fluchtartigen Abreise der Deutschen wrederholten sich die Straßenkundgebungen. so daß es außer Zweifel stehr, daß sich der Volksunwille in erster Reihe gegen die Sozialisten im allgemeinen wandte. Die französische Regierung hat sich denn auch beeilt, den Maire von Lille, der sich selbst zum Leiter des Kongresses gemacht und überaus taktlos benommen hatte, abzusetzen. Die Presse der gesamten gebildeten Welt wendet sich aber gegen das erbärmliche Verhalten der Liebknecht. Bebel und Singer, die in Lille in Vaterlandslosigkeit förmlich schwelgten. Man giebt den Franzosen Recht, daß sie, vom Ekel ergriffen, sich gegen Leute wandten, die schon früher ihr eigenes Vaterland verleumdet hatten und nur nach Lille gekommen waren, um ihre Vaterlandslosigkeit von neuem vor aller Welt glänzen zu lassen.
Mleryattmder Heil.
Die geheimnisvolle Schloßfrau.
Novelle von I. Nikola.
(Fortsetzung.)
Während sie so spricht, hat sie sich von ihrem Platze erhoben und steht ihm jetzt, ihre Gestalt hochaufgerichtet, mit fast feindseligem Blicke gegenüber; ihre Augen blitzen, und ein Ausdruck tiefer Nichtachtung lagert um ihre ernsten Lippen.
Dieser letzte Vorwurf ist zu viel für den stolzen Mann und fast gegen seinen Willen ent- lockt derselbe ihm das Geständniß, daß nur der Uebermut. nur die Wette, sie werde trotz ihres Hasses gegen das Männergeschlecht den Hübschesten als Erzieher für ihren Sohn wählen, ihn in ihr Haus geführt habe.
Mit bebenden Lippen und angstvollem Blick erwartet er sein Urteil, nachdem sie Alles weiß.
„Wie! zum Gegenstand einer Wette haben Sir mich gemacht?" ruft sie mit zornfunkelndem Antlitz und so verächtlichem Blick, daß er das Auge vor ihr senken muß.
„Ich war der Einzige," spricht Willmer mit weicher Stimme, der überzeugt war, Ihre Ansicht entspreche auch Ihren Worten — wie recht ich mit meiner Behauptung hatte, habe ich bewiesen. — Habe ich Sie beleidigt, gnädige Frau, so bin ich in der Thal schuldig; und dennoch bereue ich nicht, was ich gethan. Sie haben den Glauben an echte Weiblichkeit von Neuem in mir geweckt."
„Ist das eine neue Lüge?"
„Traurig schüttelt er mit dem Kopf.
„Nein," antwortet er langsam; „ich habe bisher so wenig Grund gehabt, gut von Ihrem Geschlecht zu denken, wie Sie Veranlassung haben, groß von dem meinigen zu denken. Ihr Leben hat ein Mann zu Grunde gerichtet, und mich hat eine Frau um die besten Jahre meines Daseins betrogen. — Was Sie mir auch mögen sagen wollen," fuhr er lebhafter fort, „es vermag mich kein Wort von Ihnen mehr zu demütigen, als ich mich schon lange vor mir selbst gedemütigt fühle. Mit jedem Tage, den ich länger in Ihrem Hause verweilte, kam ich mir selbst elender, erbärmlicher vor,"
„Warum blieben Sie alsdann? warum bekannten Sie mir nicht aus freien Stücken Ihre Schuld?"
„Ich konnte nicht."
Das sagt er so kalt, so ruhig, daß Frau von Eigen, ahnungslos von dem wahren Grunde, ihn wiederholt in stolzem Tone fragt:
„Warum nicht?"
„Weil — weil ich sie liebe!" stößt er leidenschaftlich hervor, indem er ihre Hand er- faßt; „edlere und bessere Männer als ich haben um der Liebe willen Schlimmeres gethan!"
Frau von Eigen tritt heftig ein paar Schritte zurück und blickt ihn furchtlos an.
„Ihre Liebe ist wie Ihre Ehre — Mangel- Haft! — Ist es eines Mannes würdig, sich durch Lug und Trug Zutritt in das Haus einer Dame zu verschaffen, und durch Falschheit und Lüge darin behaupten? — Wenn das Liebe ist, bin
ich dankbar, daß ich sie vor acht Jahren für immer aus meinem Herzen riß!"
„Hören Sie mich an — nur dieses eine Mal!" bittet er in leidenschaftlichem Tone. Mit tiefernstem Blicke schaut er ihr in die Augen und harrt mit stockendem Atem ihrer Antwort.
„Was hätten Sie mir noch zu sagen?" erwidert sie, während sie sich langsam von ihm abwendet. „Lassen Sie sich ein für alle Mal gesagt sein, daß ich an Ihrer Ehre zweifle und Ihre Liebe zurückweise."
Diese mit eisiger Kälte gesprochenen Worte erstickten den letzten Funken von Hoffnung in Willmers Brust, und ohne den Versuch, sie zurückzuhalten. bleibt er regungslos stehen, seine Augen folgten mit verzweifeltem Ausdruck der so heiß Geliebten. wie dieselbe mit stolz erhobenem Kopfe langsam das Zimmer verläßt.
Aber kaum hat die Thür sich hinter ihr geschlossen, so sinkt er in höchster Verzweiflung in seinen Stuhl zurück.
Alles ist vorüber — das Spiel ist zu Ende — und es bleibt ihm nichts übrig, als seiner Wege zu gehen. —
Noch einmal schaut er im Zimmer ringsum. Voll Wehmut bleibt sein Auge auf dem Stuhle, auf welchem sie zuletzt gesessen, auf der Stelle, auf der ihr kleiner Fuß zuletzt geruht hat, haften. Dann fällt sein Blick auf die Bücher, die ver- streut auf dem Tische liegen; hastig greift er nach einem Band Gedichte, dessen Titelblatt ihren Namen trägt; darauf löst er mit siebe» Haft zitternder Hand seine Uhr von der Kette und legt diese mit einem Zettel, auf den er hastig die wenigen Worte schreibt: „Für Lionel zum Andenken an A. Mertens" statt des Buches auf den Tisch.
Seine wenigen Effekten sind bald gepackt. Eine Stunde später überschreitet er zum letzten Mal die breiten Marmorstufen. Einen letzten Blick zurück, und er tritt hinaus in die finstere Nacht.
Die Luft ist kalt, heftiger Regen strömt hernieder, ein eisiger Wind streift seine fieberheißen Schläfen. Schon zeigt sich das erste Morgendämmern, ehe Willmer müde und durch- näßt seine Besitzung erreicht.
Viertes Kapitel.
Bleich und mit tiefen Schatten unter den Augen, die eine schlaflos durchwachte Nacht ver- raten, sitzt Frau von Elgen am nächsten Morgen am Lager ihres Lieblings.
„Wo ist Herr Mertens?" ist des Kindes erste Frage, sobald es die Augen aufschlägt.
„Du sollst ihn bald sehen," lautet der Mutter Antwort; im Stillen aber setzt sie hinzu : zum letzten Male — denn nach dem. was vorgefallen, ist seines Bleibens im Hause nicht länger
„Mama, ich habe ihm ja noch nicht dafür gedankt, daß er mir das Leben gerettet hat!"
Frau von Elgen schreckt heftig zusammen. Wie war es möglich, daß sie hieran noch mit keiner Silbe gedacht, daß sie ihm mit keinem Worte dafür gedankt, daß er das Leben ihres Knaben gerettet hatte? —
Mit einem Male ist aller Groll, aller Zorn aus ihrem Herzen geschwunden; zu Füßen hätte sie ihm sinken und ihm auf den Knieen für die Rettung ihres Knaben danken mögen! Jetzt war an ihr die Reihe, ihn um Vergebung zu bitten; aber wie? wenn er nun ebenso hart und unbarmherzig war, wie sie gestern?! —
Ihre Wangen färbten sich mit dunkler Röte, als sie der grausamen Worte gedenkt, die sie zu ihm gesagt, und wie er dieselben schweigend hingenommen hatte, ohne sie daran zu erinnern, zu welchem Danke sie ihm verpflichtet war. Sie mußte selbst zu ihm gehen und seine Verzeihung erflehen — wenigstens soll er im Frieden von ihr scheiden.
Sie geht die Treppe hinauf, sie eilt den Korridor entlang; eine bange Ahnung erfaßt sie als sie seine Zimmerlhür offen findet; zögernden Schrittes tritt sie näher — das Zimmer ist leer; sie wirft einen Blick in das offene Schlafgemach; durch die weitgeöffneten Fenster dringt die eisigkalte Nachtluft ein.
Das Belt ist unberührt; sie ruft s«^ Namen aber olles bleibt stumm. Traurig schweren H-rz-ms begiebt sie sich in ihr Zin,m„ da fällt ihr Auge auf die Uhr, sie liest die ch Bleistift hastig hingeworfenen Worte, und li«. bekümmert rollen heiße, bittere Ttnänen ihr; Wangen herab — sie Hot einen teuren Fr^nd Verloren.
(Fortsetzung folgt.)
Die Sägen-Feil- und Schränkmaschine von Sam. Rimaths in Buenos Aires (D. R. P. 88 M zeichnet sich dadurch aus, daß der Vorschub des Uiu. blattes unter Vermeidung des zu diesem Zwecke bisher gebräuchlichen Schaltgesperres im genauesten Einil,n« mit dem Zahnabstand erfolgt, selbst wenn durch wieder-' holtes Anschärfen (oder Zusammenlöten gebrochener Bandsägeblätter) Größe und Abstand der Zähne unregel. mäßig geworden sein sollten. Die Maschine arbeitet mit zwei Feilen, welche abwechselnd eingreifen. Jede Feile sitzt an einem schwingenden und hin- und hergehenden Feilenträger, welcher auch ein einfaches Getriebe abwechselnd gesenkt (d. h. in die Arbeitsstellung gebracht) und gehoben wird. Bor der Feile ist «j, in wagrechter Ebene schräg gestellter, dreikantiger Finger angebracht, welcher in einer Zahnlücke des quer zur Feile verschiebbaren Sägeblattes eingreift und dich Zahnlücke vermöge seiner Schrägstellung genau in daz! Bereich der ihm unmittelbar nachfolgenden Feile schiebt.! Das Vorschuborgan nimmt also auf die Größe und Ge-! statt des zu bearbeitenden Zahnes Rücksicht, währeiü ein Schaltgesperre, auf einen gewissen Hub eingestellt, s sozusagen blind darauf losarbeitet. — Die an du! Flanke des Gestells angebrachte Schränkvorrichtuuz bietet nichts wesentlich Neues dar.
fJa, vorher j Tochter: „Ein ganzes Jahr soll ich meinen Bräutigam nicht sehen? Das halte ich nicht aus!" — Mutter: „Wie Du jo schwatzest! Ich habe es doch auch durchwach«, müssen." — Tochter: „Ihr habt Euch doch täglich gesehen, als Ihr verlobt wäret!"- Mutter: „Ja, aber vorher, ehe wir uns kenn«! lernten, wie lange haben wir uns da nicht g« sehen!„
(Ein Rätsel.) Ein Sachse und ein Preuße geben sich gegenseitig Rätsel auf, wobei dei Preuße den Sachsen gern hineinfallen lassen möchte. Um sich zu revanchieren, fragt der Sachse: „Was für ein Landsmann ist dei Storch." — Der Preuße konnte dieses zoologische Rätsel nicht lösen, worauf der Sachse and l wartete: „Nu ja, ein Preuße. Er ist doch schwarz und weiß und hat einen — großen Schnabel.
(Sein Antrag.s Angeklagter: Ich wollt! blos noch sagen. Herr Jerichtshof, del ick u>il bei dem Jmbruch, wie ick nachher zu's Fenstel 'raussprang, 'n Loch ins Bern jerissen habe und weil mir det immer noch weh thur, möchte itl bitten, mir mildernde Umschläge zu bewilligen.
Auflösung des Homonyms in Nro. 118.
Baden.
Richtig gelöst von Hermann Gann, Verw.-Cand. in Conweiler.
Aufgabe.
Vater Klaus zählt jetzt doppelt so viel Jahre als seine beiden Söhne Johann und Fritz zusammen. Johann ist ein Jahr älter als Fch Vor 14 Jahren zählte Klaus 16 mal so viel Jahre als Johann und Fritz zusammen. M alt ist jetzt Vater Klaus und wie alt jeder dkl beiden Söhne? ,
Telegramme.
Havre, 2. Aug. Präsident Faure gab gestern zu Ehren des BizekönigS Li-Hung' Tschang ein Diner, zu welchem auch °el Minister Hanotaux geladen war.
Sofia, 2. Aug. In vergangener Nach ist ein Dynamit Anschlag gegen das Gra Stambulows verübt worden. Das Kreuz aus dem Grabe und die Einfassung sind Zerstört.
Canea, 2. Aug. Reutermeldung: Aufständischen erhielten in der letzten Mch weitere Verstärkungen aus Mesara und seu - Die Einwohner aus den Dörfern der ° Canea begeben sich in Scharen nach D ' Die Behörden sind bestrebt, einen derar g Zuzug zu verhindern, da sie durch denst Unruhen befürchten.
Redaktion, Druck und Verlag von L. Merh i» Neuenbürg.