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den religiösen Anschauungen noch vergrößern und die Nichtbeachtung einer kirchlichen Einrichtung herbeiführen könnte. Vielleicht Hütte auch im vorliegenden Fall ein anderer Weg gefunden werden können. Jedenfalls aber sollte in den beteiligten Kreisen darauf hingearbeitet werden, daß ein Verzicht auf die kirchliche Trauung keine weitere Nachahmung findet.
* Calw, 17. Sept. Die Hopfenernte hat in der letzten Woche ihren Anfang genommen und ist zum Teil schon beendet. Tie Qualität ist befriedigend, dagegen läßt die Quantität viel zu wünschen übrig. In manchen Gemeinden wird nicht die Hälfte des vorigen Ertrags geerntet. Käufe sind bis jetzt noch keine abgeschlossen worden, doch hofft man jetzt, da die jüdischen Feiertage vorüber sind, auf baldige und lebhafte Entwicklung des Hopfengeschäfts.
* Calw, 17. Sept. Heute wurden die ersten einheimischen Mostbirnen um 4 pr. Ztr. hier verkauft.
— Neubulach. (Kirche-Umbau.) Aus Anlaß des umfangreichen Umbaus der altehrwürdigen Kirche hat der große Grabstein, auf dem der Taufstein stand, zur Seite gestellt werden müssen. Ta fanden sich unter dem Grabstein verschiedene Knochen, darunter ein Schädel, ohne Ordnung gelagert, so daß es den Anschein hat, dieselben seien später in das Grab, ohne daß man tief gegraben, hineingeworsen worden. Beim Weitergraben entdeckte man in ziemlicher Tiefe ein auffallend gut erhaltenes Grab. Dasselbe war mit steinernen Platten, die sorgfältig nebeneinander gelegt waren, zugedeckt. Als man dieselben entfernte, fand man, daß die beiden Langseiten desselben gemauert waren, In der Mitte befand sich ein Sarg, dessen Bretter
kaum angefault waren, in der Form der üblichen Särge. In diesem Sarg lag nur ein starkgewobeneS, ziemlich großes Leichentuch mit etwas Staub und verschiedenen Haaren, die offenbar von einer Perücke herrührten: kein einziger Knochen fand sich im Sarge. Der Grabstein hat um das wohlerhaltene Wappen die leicht leserliche Umschrift: Im Jahr 1570 den 23. November starb der wohlehrwürdige Herr Gallus^ Grückler Kirchherr zu'Bulach 46 Jahre.
Stuttgart, 16. Sept. (Hopfenmckrkt ini städtischen Lagerhaus.) Ter heutige Markt hatte eine Zufuhr von 50 Ballen, wovon 42 Ballen abgewogen wurden. Die Verkäufe vollzogen sich schleppend und kamen nur durch Nachgiebigkeit der Eigentümnr zu stände. Es treffen mehrfach ungenügend getrocknete Hopfen ein, so daß besseres Wetter sehr zu wünschen ist. Die erzielten Preise lauten für prima 100—112 für mittel 85—100 für. gering 75—85 Nächster Markt am 23. September.
Heilbronn, 15. Sept. Die hiesige Gewerbebank ist, wie bereits gemeldet, in Zahlungsschwierigkeiten geraten. — Nach dem in einer-
Aufsichtsratssitzung am Samstag vorgelegten Status betragen die Passiven 4 500 000 denen an Aktiven 3 Millionen gegenüberstehen; letztere hauptsächlich Ausstände, die schwer einbringbar sind. — Das Heilbronner Bankhaus Herlich stellte gegen die Verpfändung, des Bankgebäudes 100000 zur Verfügung, wömit zwischen 3 und 5 Uhr sofort fällige kleine Forderungen zur Hälfte ausbezahlt wurden. — An dem Krach sind insbesondere kleinere Leute, Handwerker und Gewerbetreibende mit ihren Ersparnissen stark beteiligt. Die Direktion habe in der leichsinnigsten Weise gewirtschaftet und hinter dem Rücken des Aufsichtsrats in Goldshares spekuliert. Dabei seien 1'/» Millionen verloren gegangen. Die Direktoren Fuchs und Keefer,' sowie der Prokurist Krug sind nunmehr verhaftet. Auf der Bühne des verhafteten ersten Direktors, des Gemeinderats Fuchs, wurde der Betrag von 50 000 in einem Versteck aufgefunden, welche Fuchs beiseite geschafft hatte, um damit zu flüchten. Vorläufig wurde eine Unterbilanz von 1'/, Millionen festgestellt, sowie die traurige Thatsache, daß ein großer Teil der der Gewerbebank übergebenen Depots nach Frankfurt weiter verpfändet worden sind. Der Gesamtvcrlust der Bank dürfte 3 Mill. oder auch noch mehr betragen. Entgegen der Versicherung des Aufsichtsrats, daß alle Gläubiger befriedigt werden sollen, ist der Konkurs der Gewerbebank unvermeidlich.
Danzig, 14. Sept. Tie Ansprache des Oberbürgermeisters bei der Darreichung des Ehrentrunks vor dem ArtuShofe beantwortend, sagte der Kaiser: Ich komme soeben von einer hochbedeutsamen Begegnung mit meinem Freunde, den: Kaiser von Rußland, welche zu unserer beider vollsten Zufriedenheit verlaufen ist und durch welche wiederum die Ueberzeugung unerschütterlich befestigt wird, daß für lange Zeiten der europ äisch e Frieden für die Völker erhalten bleiben wird.
Paris, 17. Sept. Tie Stadt Dünkirchen wird dem Zaren einen kostbaren Kunstgegen- fftand zum Geschenk anbieten, nämlich eine Statuette, welche den Frieden und die Stärke versinnbildlicht und auf silbernem Sockel ruht. Dieselbe wird dem Zaren durch den Vorsitzenden des Gemeinderats überreicht werden.
Venedig, 17. Sept. In ganz Ober- und und Mittel-Italien gingen bei empfindlicher Kälte schwere Unwetter nieder. Viele Flüsse sind aus den Ufern getreten, zahlreiche Ortschaften überschwemmt. Die Traubenernte ist ernstlich gefährdet. In Frosinone wurden vier Personen von den Fluten fortgerissen und ertranken.
New-Jork, 17. Sept. Ter Anarchist Johann Most wurde gestern dem Gericht vorgeführt. Der Richter erklärte, er glaube nicht, daß der im Mostschen Blatt erschienene Hetzartikel mit
dem Verbrechen in Buffalo in Verbindung stehe. Most wurde daraufhin unter einer Bürgschaft von 500 Doll, fr e i g e l as s e n.
Buffalo, 17. Sept. Ter Mörder Mac Kinleys wurde unter der Anklage eines vorbedachten Mordes vor das Schwurgericht verwiesen. Vor dem Richter weigerte sich der Mörder gestern, ffine Verteidigung vorzubringen. Als man ihn zum Gefängnis zurückführte, konnte die Menge ihn den Händen der Beamten entreißen. Jedoch gelang es den letzteren, CzolgoSz vor der Wut der Menge zu schützen.
Zum Tode Mc Kinley's.
Die Leiche Mac Kinlehs wurde Montag früh vom Rathause in Buffalo, wo sie am Sonntag aufgebahrt war, in feierlichem Zuge, der durch seine Einfachheit und das Fehlen jeden Pompes besonders tiefen Eindruck machte. Zur Bahn gebracht. Der mit einer Flagge bedeckte Sarg wurde bei der Ueberführung von Soldaten und Marinemannschaften getragen. Kleine Abteilungen des Heeres und der Marine bildeten die Begleitung. Die Musik spielte Choräle. Die Mitglieder des Kabinetts folgten in Wagen dem Sarge zum Bahnhof. Auch die Gattin des Verstorbenen, sowie eine Anzahl Senatoren begleiteten den Zug. Der Sarg wurde in einen schwarz ausgeschlagenen Wagen gestellt. Am Fußende des Sarges nahm ein Soldat, am Kopfende ein Matrose Ausstellung. Präsident Rooscvelt geleitet die Leiche nach Washington. Nach den neuesten Bestimmungen werden Dienstag vormittag in Washington in der Rotunde des Kapitols Trauergottesdienste abgehalten, wonach die Leiche Mc Kinleh bis zum Abend in der Rotunde aufgebahrt bleibt. Abends wird die Leiche in feierlichem' Zuge nach dem Bahnhofe geleitet ; sie wird Mittwoch in Canton (Ohio) ein- treffen. — Das Vermögen Die Kinleys, das hauptsächlich die Witwe erbt, stellt, wenn auch eine ansehnliche Summe, 'doch keineswegs einen großen Besitz dar. Dem Attentäter Czolgosz wurde der Tod des Präsidenten noch nicht mitgeteilt.
Washington, 17. Sept. Der Zug mit der Leiche Mc Kinleys ist gestern abend 8°/» Uhr hier eingetroffen. Auf allen Stationen, die der Zug langsam passierte, hatten sich gewaltige Menschenmengen eingefunden, die in ehrfurchtsvoller Haltung den Zug vorüberfahren ließen.
Aekta«eLeil.
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sich heiter mit ihrem Nachbar unterhielt. Ihre Augen waren gerötet, und trotz des Lächelns lag ein Schatten auf dem schönen Gesichte. Er fand keine Gelegenheit, sie zu fragen, ob das Kind die Wahrheit gesprochen, denn Andy stand früher als die anderen vom Tische auf und ging schnell ins Dorf, um nach einer kranken Fischerfrau zu sehen, für die sie schon viel gethan hatte. In der Hütte gab es so reichliche Arbeit, daß Andy den ganzen Nachmittag über da blieb. Die Stube wurde aufgeräumt und die unsauberen Kinder gewaschen, gekämmt und reinlich angezogen, ja, Andy legte an alles selbst Hand und bereitete sogar dem heimkehrenden Hausvater seine Suppe, obgleich der Rauch in der Küche, welcher durch keinen Schornstein, sondern durch Dachfenster hinausgelassen wurde, ihr das Wasser in die Augen ttieb. Die Gaben, die sie der kranken Frau und ihren Kindern mitgebracht hatte, wurden erhöht durch die Art, in der sie ausgeteilt wurden, und die Leidende versicherte, daß sie immer geglaubt habe, nur Engel könnten so schön und gut sein, wie das Fräulein. „Der liebe Gott mags Ihnen vergelten," sagte sie, „und mag Sie nur Schönes finden lassen, wo Sie auch gehen."
Es begann zu dämmern, als Andy ihre Schützlinge verließ und den Heimweg antrat. Sie mußte durch das ganze Dorf gehen, denn der kürzere, durch den Wald führende Weg war ihr zu so später Stunde nicht sicher genug. Aus den meisten Hütten schimmerte Licht, und der sich angenehm bemerkbar machende Fischgeruch verriet, daß die Leute ihre Abendmahlzeit bereiteten. Die vor den Thüren spielenden Kinder, die gewöhnlich scheu vor jedem Fremden entflohen, fürchteten sich vor Andy nicht, sie reichte ihnen im Vorübergehen die Hand und sprach freundlich mit ihnen.
Die Kurgäste waren zum Abendessen ins Hotel gegangen, und die Diener teilten ihr mit, die gnädige Frau sei schon sehr in Sorge um das gnädige Fräulein gewesen. Sie machte rasch Toilette und eilte dann hinaus. Jetzt war es
völlig dunkel geworden, und sie fuhr erschreckt zusammen als ihr auf dem kurzen Wege zum Hotel unerwartet ein Herr entgegentrat. Sie erkannte ihn auf der Stelle — es war Nordau; seine hohe Gestalt und seine vornehmen Bewegungen unterschieden ihn von allen anderen.
Während Andy in der Fischerhütte war, waren ihre Gedanken durch die Beschäftigung, die sich ihr geboten hatte, vollständig in Anspruch genommen worden. Jetzt aber kehrte ihr die Erinnerung an die Ereignisse des Vormittags beschämend zurück und raubte ihr die Unbefangenheit. Der Graf lüftete den Hut. „Ich war eben im Begriff, Sie im Dorfe aufzusuchen. Ihre Frau Mutter ist in großer Angst, daß Ihnen etwas zugestoßen sei."
„Das thut mir leid. Ich habe mich verspätet."
Die wenigen Schritte wurden bald zurückgelegt. Es blieb keine Zeit zu einem Gespräche. Dennoch benutzte er den Moment des Alleinseins, an Andy die Frage zu richten, ob ihr Wer! der Barmherzigkeit sie ein wenig erheitert habe. „Sie sahen mittags betrübt aus, und ich hätte schwören mögen, daß Ihre Augen Thränen vergossen hatten."
„Ich war traurig in dem Gedanken, Sie durch mein Anerbieten beleidigt zu haben."
„Glauben Sie wirklich, daß ich fähig wäre. Sie so zu verkennen?"
Sie sah ihn nicht an, aber sie fühlte, daß mit diesen Worten alles ausgeglichen war zwischen ihnen beiden. Zum erstenmal hatte seine Stimme wieder jenen warmen Ton, der ihr in R ... n eigen gewesen war. Und als Nordau die Thür öffnete und stehen blieb, um Andy an sich vorüber in den Speisesaal eintreten zu lassen, da sah sie, daß seine Augen mit demselben Ausdruck auf ihr ruhten, wie damals.
(Fortsetzung folgt.)