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Da viele Residenzler wohl in ihrem Leben keinen Bienenschwarm gesehen haben, sammelte sich eine grobe Menschenmenge an, um der Mani, pulation des Schwarmfassens zuzuschauen.
Cannstatt, 9. Juli. Am oberen Neckar oder an Nebenflüssen desselben müssen gestern starke Gewitterregen niedergegangen sein. Der Neckar ist im Steigen begriffen und wälzt äußerst schmutzige Fluten in der bekannten Erbs- suppenfarbe daher.
Geislingen, 7. Juli. Eine selten er- hörte Roheit beging ein Knecht in Wiesen« steig, der der 4jährigen Tochter seines Dienst« Herrn, des Kutschers Ott. die Hand abzuhauen versuchte im Aerger darüber, daß ihn derselbe mit Rücksichtnahme auf seinen berauschten Zustand eine Fahrt nicht ausführen ließ. Das jämmerliche Geschrei des Kindes rief die Nachbarn herbei, die die vollständige Ausführung der That verhinderten. Doch trug dasselbe eine tiefe Fleischwunde davon.
Horb, 6. Juli. Am Freitag abend machte sich ein l'/ejährigcs Kind an einer gefüllten Wassergölte zu schaffen und kam mit dem Kopfe so unglücklich mit dem Wasser in Berührung, daß es erstickte. Als die Mutter heimkehrte, fand sie das Kind leblos vor der Wassergölte stehend und den Kopf in dasselbe tauchend.
Ausland.
Der französische Finanzminister Cochery hat, um das Budget ins Gleichgewicht zu bringen, der Deputiertenkammer einen Gesetzesvorschlag unterbreitet, wonach die franz. Rentenkoupons mit einer Steuer belegt werden sollen, welche jährlich ca. 18 Millionen ertragen würde. Cochery hat aber in der Deputiertenkammer scharfen Widerspruch erfahren, namentlich durch die früheren Ministerpräsidenten Ri bot und Rouvier. Letzterer, der wegen seiner Verwickelungen in den Panamaskandal als politisch halbtoter Mann galt, hat durch seine glänzende Rede gegen die Rentenbesteuerung so lebhaften Beifall nicht nur in der Kammer, sondern in ganz Frankreich gesunden, daß man glaubt, er werde bald wieder Ministerpräsident werden. Allem Anschein nach will das jetzige Kabinett den Gesetzentwurf über die Rentensteuer, wenn nicht sogleich zurückziehen, so doch auf die lange Bank schieben. Zahlreiche französische Blätter geißeln mit scharfem Spott die Vetterleswirtschaft der Republik, wobei für ganz unfähige Verwandte von Ministern und Abgeordneten völlig wertlose aber meist kostspielige neue Aemter geschaffen werden» um nur alle diese Vettern auf Staatskosten versorgen zu können. Das ist eben der Fluch des Republikanismus, daß dabei ein Land viel zu viele Herrscher bekommt, welche alle von dem Lande bezahlt sein wollen und zwar reichlich.
P är i s. 8. Juli. In der vergangenen Nacht wurde Paris von einem äußerst heftigen Gewittersturm mit Wolkenbruch und Hagel heimgesucht. Auf diese nächtliche Entladung folgte ein sehr heißer Tag. Dasselbe Wetter zeigte sich bis Lyon, Bourges uud Orleans.
Aokohama, 8. Juli. In den Präfekturen Toyamo und Schiga, an der Wüstküste von Japan, haben verheerende Ueberschwemm- ungen stattgehabt. In Toyamo allein wurden über 3000 Häuser zerstört. Die Verluste an Menschenleben sind noch nicht fcstgestellt.
Kairo, 8. Juli. Insgesamt sind gestern 377 weitere Erkrankungen und 278 Todesfälle gemeldet worden.
Zlntrryattender Teil.
Jor 100 Jahren.
Von A. Braun.
I.
„Es ist nicht mehr wie früher." klagt manch einer. „Die Geschäfte gehen schlecht, man muß nichts als zahlen und zahlen. Schlimme Zeiten sind's, früher war's denn doch ganz anders." „Sehr richtig", bemerkt vielleicht der geneigte Leser, und ein Blatt aus der Geschichte von Stadt und Amt Neuenbürg, das wir hiemit veröffentlichen, soll mit als Beweis dienen. Ein
Buch mit der Ueberschrift „OonsiAnatio über die von den Franzosen herrührenden Forderungen, welche an gemeine Stadt Neuenbürg gemacht worden äe 1796" und ein ansehnlich Aktenbündel mit Rechnungsbelegen wird uns etwas erzählen; und wenn's wahr ist, daß Zahlen sprechen, so trifft es hier zu. Zunächst einiges über die Kriegsläuften des Jahres 1796.
Im Junius lagen die „schwäbischen Creiß- truppen" bei Straßburg, um den Franzosen den Uebergang zu verwehren. General Moreau aber ließ sie dort ganz ruhig liegen und über- schritt den Rhein etwas unterhalb jener Feste (23. auf 24.), schlug die treue Wacht am Rhein zurück und machte aus den Kreistruppen Reißaustruppen. Moreau wollte sich zunächst die Schwarzwaldpässe sichern und schickte den Brigadier Laroche nach dem Kniebis ab. Hier stand auch eine württembergische Abteilung unter General v. Mylius. Die angelegte Schanze sollte vollendet werden, es hatte aber keine Eile damit, denn die Franzosen dachte man noch in weiter Ferne. Da, am 2. Juli, wurde es plötzlich recht ungemütlich. Die Feinde kamen von drei Seiten her und schossen, was das Zeug hielt. Die Schanze wurde genommen und die Verteidiger zogen nach der Freudenstadt, von der sie aber schon andern Tags „französischen Abschied" nahmen. Der von Stuttgart nach dem Kniebis entsandte General v. Hügel kam eben recht, um den Kaiserlichen den Weg gen Stuttgart zu weisen. Nun konnte Moreau mit der Hauptarmee im Rheinthal vorrücken. Erzherzog Karl von Oesterreich und Feldzeugmeister Latour sammelten ihre Truppen bei Muggensturm. Da aber die Franzosen ins Murgthal eingedrungen waren und unter Dessaix Kuppenheim, Rastatt und Gernsbach besetzt hatten, zog sich eine Abteilung Kaiserlicher hinter die Alb zurück. Erzherzog Karl traf Vorbereitungen zu einer entscheidenden Schlacht auf den 10. Juli, welche durch ein gleichzeitiges Vorgehen im Rhein-, Alb- und Enzthal geliefert werden sollte. An der Alb stand General Kaim. und in Pforzheim sammelte General v. Lindt das sächsische Korps, um im Enz- und Nagoldthal zu operieren. Moreau aber griff schon vorher an, und so kam es am 9. Juli zur Doppelschlacht bei Malsch (Rastatt) und bei Rothensol (Herrenalb). Erzherzog Karl siegte in ersterer. Viermal mußten die Franzosen aus Malsch verdrängt werden, bis die österreichische Artillerie die Reserven zum Weichen brachte und das französische Herr sich zurückzog. Auch bei Rothensol hatten die Kaiserlichen anfangs die Oberhand. Der französische General Gouvion St. Cyr schickte am 9. Juli den Brigadier Ta« ponnier von Gernsbach aus mit einer Kolonne über die Teufelsmühle nach Wildbad, während er mit den andern Truppen Loffenau besetzte, das „Käppele", den Gebirgsübergang zwischen Murg- undAlbthal, wcgnahm und den Slavoniern bei Herrenalb ein Gefecht lieferte. Das Dorf wurde von Lecourbe erobert und die Oesterreicher gegen Dobel zurückgeworfen. General Kaim hatte unterdessen den Oelberg bei Rothensol stark besetzt und erwartete die Franzosen, welche die Steige unter allen Umständen nehmen wollten. Dreimal stürmten sie vor, wurden aber jedesmal blutig zurückgeworfen. Beim vierten Angriff gelang es Lrcourbe bis zum ersten Haus in Rothensol vorzudringen, aber die hervorbrechende österreichische Reserve trieb ihn wieder ins Thal hinunter. Nun versuchten es die Franzosen mit einer Umgehung. General Lamberl stellte sich mit einigen Bataillonen verdeckt im Gaisthal auf, während General Houöl von Frauenalb aus den rechten Flöget der Oesterreicher fassen sollte. St. Cyr befahl nach- mittags 3 Uhr einen 5. Angriff. Frauenalb wurde genommen, und auch der Hauptmacht gelang es bis zum Dorf vorzudringen, allein wieder waren es die Reserven, die den Feind blutig heimschickten. In der hitzigen Verfolgung desselben verließen die Oesterreicher ihre starken Stellungen und folgten dem Feinde auf der Ferse bis ins Thal. Das war ihr Unglück. Rechts brach Lambert, links Houöl aus dem Hinterhalt. Die Oesterreicher versuchten zwar
ihre Stellungen wieder einzunehmen, allein M ihnen waren auch die Franzosen auf der Höh, angelangt. Ein wütender Kampf entspann sich Die französischen Grenadiere wankten. Lecourbe wurde gefangen und wieder befreit; aber von drei Seiten angegriffen, sah sich General KaU endlich genötigt, den Rückzug anzutreten. Die Dunkelheit deckte denselben, und ohne viel Be- lästigung nahmen die Oesterreicher in den Orten des untern Amtes Quartiere, während die Fran. zosen bis Langenalb vordrangen. Erzherzog Karl befahl nach dem unglücklichen Ausfall der Schlacht den Rückzug der gesamten Armee nach Pforzheim, wo am 11. Juli die Sammlung stattfinden sollte. Bei diesem Rückzug wurde auch Neuenbürg gerupft, denn viele Rechnungen von damals beziehen sich auf die „Retirade der Kaiserlichen und Sachsen." Letztere halten eine Zeitlang ein Lager „von der großen Wies bis zum Graben" und scheinen „gar vieles aus den Häusern »erschlafft", also geplündert zu haben. Die Gefahr nicht ahnend waren sie nach Calni- dach aufgebrochen. Der von Gernsbach nach Wildbad entsandte Taponnier hatte an diesen. Tag nach Ueberwindung großer Schwierigkeiten das Enzthal erreicht, zugleich waren andere französische Detachements über Dobel gegen das Thal vorgedrungen, so daß die Sachsen Gefahr liefen, umzingelt und gefangen zu werden. Oberamtmann Keller von Neuenbürg sprengte den Bedrohten eiligst nach und zeigte denselben auf der mitgebrachten Karte die Stellung der Feinde, die er erkundet hatte. Die Sachsen, welche die Franzosen noch weit entfernt glaubten, wurden von panischem Schrecken ergriffen und „wetteiferten im Lauffen, wobei sie alles, selbsi Kopfbedeckung und Waffen wegwarfen." Kaum hatten sie Neuenbürg in der größten Unordnung verlassen, als auch schon der französische Vortrab in der Stadt eintraf.*)
*) Anmerkung: Oberamtmann Kellers rettend: That bieb nicht unbelohnt. Ein reiches GeldgeschenI und eine lebenslängliche Rente sollte ihm von Sachsen werden, als aber das Geld eintraf, war Keller schon tot. Wegen eines Vergehens seines Amtsaktuars „des Oberamts suspendiert", starb er bald darauf (wie man sagt, an Gift.)
(Originelle Abwehr.) Im „Generalanzeiger für die Neumarkt" macht Emilie Sander Folge»« des bekannt: „Um Jrrtümern und dummen Klatschereien vorzubeugen, teile ich allen denjenigen. die sich mit Recht oder Unrecht für mich interessieren, mit, daß der Herr, welcher mich in diesen Tagen öfters in den Straßen führen wird, mein Bruder ist und kein anderer, etm ein Bräutigam oder noch Schlimmeres."
Telegramme.
Mühlhausen i. E., 9. Juli. Bei der heute Nachmittag vorgenommenen Bürger« meisterwahl wurde der seitherige altdeutsche Bürgermeister Hack im 2. Wahlgange wieder« gewählt.
Karlsruhe, 9. Juli. Wie der „Bad. Landesbote" aus Kehl meldet, wurden dar! 19 Viehtreiberstaglöhner und 7 jüdische Handels« leute wegen verschiedener Vergehen zu 2 Tagen Haft bis zu 14 Tagen Gefängnis verurteilt. Von jüdischer Seile waren sür über 400 Freibier den Angeklagten gezahlt worden.
Paris, 9. Juli. Der „Figaro" äußer sich sehr befriedigt über die amtliche Beteiligu» Deutschlands an der Pariser Weltausstellung von 1900. Dieser Beschluß sei charakteristisch für d>e Haltung Kaiser Wilhelm II. gegen' über Frankreich. Man müsse hervorheben, M sehr korrekt in internationaler Beziehung diese Haltung sei. Kaiser Wilhelm wolle nicht, daß man ihn jemals anklage, er habe irgend etwas versäumt, was dem gegenwärtigen Geschlecht die unermeßliche Wohlthat des Friedens erhalte» könne. Der „Figaro" schließt mit der Frage- „Hätten im umgekehrten Falle einer Berliner Weltausstellung unsere Hetzblätter dem Paria' ment, den Ministern und dem Präsidenten der Republik die Freiheit gelassen, zu handeln , une es Kaiser Wilhelm uns gegenüber gethain^
Redaktion, Druck uud Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.