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wiederum den Sieg errungen. Sie gilt infolge dessen für die schnellste Jacht der Welt.

Aus Madagaskar liegen wieder einmal Schreckensnachrichten vor. Eine amtliche Depesche aus Tananarivo vom 30. Mai meldet nämlich: 1500 Fahavelos steckten Antsirabe in Brand und schlossen 3 Tage hindurch eine Abteilung Milizen ein» die die Familien nor­wegischer Missionare, die sich in die Häuser ge­flüchtet hatten, schützten. Der Resident Allez begab sich mit einer Abteilung königlicher Truppen und Milizsoldaten an Ort und Stelle und ent­setzte nach lebhaftem Kampfe die Eingeschlossenen. Die Fahavelos flohen unter Zurücklassung von 200 Toten.

Die «Times" meldet aus Konstantinopel: Die sechs Botschafter warnten im Palaste davor, aus dem Aufstande aus Kreta ein Christen­gemetzel entstehen zu lassen. Der russische Ge­schäftsträger war am nachdrücklichsten in seiner Warnung und erklärte, ein Massacre würde Europa gegen die Türkei vereinigen. Die Nach- richt, auf Kreta sei der Belagerungszustand pro­klamiert worden, wird für unbegründet erklärt. Es hat sich in Athen ein Nationalkomitie ge- bildet, um alle Hilfsleistungen der Kretenser zu vereinigen.

Die Cholera in Egypten in der Ab­nahme begriffen.

Anterhattender Mt.

Ueberfahreu.

Erzählung eines Bahnwärters.

(Schluß.)

Eines Tages, als die Schulferien ange­gangen waren, kam eine ganze Schaar junger Mädchen von neun bis zehn Jahren, geführt von ihrem Lehrer. Alle waren in Hellen fest­lichen Kleidern mit bunten Schärpen ängethan, flatternde Bänder auf den leichten Strohhüten. Sie plauderten, jauchzten und sangen und kletterten leicht wie die Gazellen die Anhöhe hinauf.

Das war ein niegesehenes Schauspiel für Aschen. Freudiges Staunen leuchtete aus ihren Augen. Sie lief den Schulkindern nach und wäre am liebsten mit ihnen gezogen. Ich selbst hatte ein stilles Vergnügen an dieser Abwechse­lung im Leben des Kindes. Die Pflicht des Dienstes lenkte mich aber rasch von meiner Be- trachtung ab. In Zeit von wenigen Minuten war von der einen Seite ein gewöhnlicher Zug, von der andern gleich danach ein Extrazug zu erwarten. Der eine Zug passierte, ich stand auf meinem Posten und wartete auf den andern, der vom Walde Herkommen mußte, und dahin waren meine Augen gerichtet.

Der Zug wurde sichtbar, die Dampfpfeife pfiff. Da plötzlich, wie aus dem Boden ge­wachsen, stand Aschen auf den Schienen! Herr Gott, das war ein Schlag! Es war mir als müßt' ich gleich zusammenbrechen. Mein Kind, mein einziges Glück in Lebensgefahr! Ich fühlte wie mir alles Blut aus dem Gesicht wich. Das Herz wollte mir still stehen. Ich starrte nach dem Kinde und doch gebot mir der Dienst, nur den Zug im Auge zu haben. Einen einzigen Schrei stieß ich aus: Afraja! und hob beide Arme. Ohne zu wollen, ganz mechanisch griff ich nach der Weiche eine einzige Drehung und der Zug wäre auf das Fabrikgleis überge­gangen. Da wäre alles in tausend Trümmer geschmettert worden, aber mein Kind wäre ge­rettet gewesen. Das ging mir wie ein Blitz durch den Kops. Sollte ich das Furchtbare thun, das Leben von Hunderten aufs Spiel setzen, um ein einziges zu erhalten? War das denn möglich? Ich hätte gleich selbst mit in den Tod gehen müssen. Aber mein Liebling wäre gerettet gewesen. Meine Frau hätte dann das Kind behalten und mich verloren. Gleich­viel! Aber sollte ich der Mörder von mehr als hundert Unschuldigen sein? Sollten die Ueber- lebenden mich verfluchen? Ich hörte schon den entsetzlichen Donncrkrach, das Geschrei der Ver­unglückten. ich sah eine Wolke von Staub und Blut, und dort stand meiri Kind, frei und gerettet. Die Wahl war in meine Hand ge­

geben und die Hand zuckte mir, ohne daß ich es wollte. Es war ein Wahnsinnsgedanke, aber wäre es ein Wunder gewesen, wenn ich in dem Momente wahnsinnig geworden wäre? Ich blickte auf mein Kind, das mit seinen Händ­chen einen Haufen gepflückter Blumen ans Herz drückte» mitten auf den Schienen, und hier brauste der Zug, der in den nächsten Sekunden sie selber wie ein Blümchen knicken mußte.

Nein, ich konnte kein Verbrechen begehen ich zog meine Hand von dem Griff der Weiche, wie von einer Schlange mein Kind mußte sterben. Die strenge Pflicht forderte von mir dos Opfer, sie konnte nicht darnach fragen, ob es das Liebste se«, was ich hergeben mußte. Daß ich auf dem Posten nicht umgesallen bin wie ein Stock, begreife ich noch jetzt nicht, denn klares Bewußtsein hatte ich nicht mehr, eine dumpfe Betäubung erfaßte mich, in meinem Kopfe wirbelte und brauste es, als ob ich unter Wasser wäre.

Der Zug ging an mir vorbei, ich konnte von meinem Kinde nichts mehr sehen, ich hatte im Ohr nur noch ein dumpfes Gefühl, als müßte ich den Ton zerquetschter Glieder hören. der aber sogleich durch den schneidenden Pfiff der Dampfpfeife erstickt wurde.

Der Zug ging langsam, ganz langsam, der Führer hatte wohl mein Kind bemerkt und stoppte mit aller Kraft das gewöhnliche Spiel: wenn der Körper überfahren ist, hält der Zug. Auch der Extrazug hielt, aber erst unge- führ hundert Schritte von der Stelle entfernt, wo das Kind gestanden hatte. Ich sah mein Kind dahinter liegen, lang ausgestreckt, regungs­los. Aber mit einem Male kam Leben in das Körperchen, ich sah, wie die Glieder zappelten, wie das Kind sich wendete, sich aufrichtete, seine zum Teil verstreuten Blumen wieder zusammen- raffte und da stand es, guckte erst neugierig auf die soeben darübergegangenen Wagen, wendete sich dann nach mir her und kam flink auf mich zu.

Das war ein Augenblick, wie ich ihn nie wieder erleben mag. Ich stürzte nach meinem Kinde hin, aber mit schlotternden Knieen, halb ohnmächtig vor Freude und Schrecken. Es war mir nicht möglich, ein Wort hervorzubringen, die Zunge klebte mir am Gaumen. Als ich das Kind erreicht hatte, umklammerte ich es mit meinen Armen, aber ich sank neben ihm nieder und nun erst wirkte der ausgestandene Schrecken mit voller Gewalt auf mich ich verlor das Bewußtsein. Einige Augenblicke drangen noch viele laute Stimmen in mein Ohr, sie kamen wohl von den Passagieren, die aus den Fenstern der Wagen schrieen oder zum Teil ausgestiegen waren dann hörte ich nichts mehr.

Als ich wieder halb zur Besinnung kam, hörte ich die Stimme meiner Frau, die auf mich lossprach, und die Stimme eines Mannes. Man hielt mir etwas an den Mund und ich mußte schlucken es war Branntwein. Jetzt er­wachten meine Lebensgeister wieder, ich schlug die Augen auf: vor mir stand ein Bahnarbeiter neben meiner Frau, sie hatten mich nach dem Wächterhause getragen und hier lag ich am Boden. Ich richtete mich langsam empor, und im Momente war mir alles gegenwärtig, was ich soeben durchlebt hatte.

«Wo ist sie?" das war meine erste Frage.

Meine Frau führte Aschen aus dem Hinter­gründe vor, sie war bestürzt, weil man ihr Borwürfe gemacht hatte, und es standen ihr Thränen in den Augen. Ich faßte das Kind in meine Arme und konnte mich selbst der Thränen nicht erwehren.

Gerettet, gerettet, wie durch ein Wunder! Gott hat sie mir wiedergegeben. Ein heißes Dankgebet erfüllte meine Seele.

Nun ging's an ein Erzählen. Meine Frau sagte mir, daß sie von einer furchtbaren Unruhe getrieben ganz außer ihrer gewöhnlichen Zeit herausgekommen sei und sie sei gerade ange­langt, um mit Entsetzen zu sehen, wie ich bei unferm Kinde niedergesunken war. Zum Glück war ein Streckenarbeiter gekommen und hatte hilfreiche Hand geleistet. Erst als ich ohnmächtig geworden war. hatte das gerettete Kind einen

Schrecken bekommen und war sehr blaß geworden. Erst dann hatte sie einigermaßen das Entsetzliche des Vorkommnisses begriffen.

Was dachtest Du nur. als der Zug her­ankam?" fragte ich.Wie hast Du's gemacht? Bist Du gleich niedergefaüen? Hast Du keinen Stoß bekommen?"

Ich hab's gemacht wie der Mann aus der Fabrik", stammelte das Kind,ich Hab' mich hin- gelegt und da hat's mir gar nichts geschadet."

Nun aber ist Aschen weggebracht, daß nicht mehr so etwas Schreckliches Vorkommen kann. Wir haben sie aufs Dorf gethan, wo es keine Eisenbahn giebt, zur Mutter meiner Frau. Ich sehne mich täglich nach ihr. sie war hier im Dienst mein Sonnenschein. aber ich muß sie entbehren, denn ich möchte bei Gott nicht noch einmal ertragen, was ich bei jenem Ueberfahreu Hab' ertragen müssen.

Auflösung des Rätsels in Nro. 87.

Der Buchstabe a.

Richtig gelöst von Hermann Jauch und Anna Sanier in Höfen; Robert Gann in Conweiler.

Telegramme.

Berlin, 7. Juni. Das gestern vom Reichstag angenommene Börsengesetz tritt am 1. Januar 1897 in Kraft; die Bestimmung über die Börsensteuer tritt am 1. November 1896 und die Vorschriften über die Zulassung der Aktien eines zu einer Aktien- oder Kom- mandit - Gesellschaft umgewandelten Unter­nehmens, sowie der Anteilscheine oder Obli­gationen ausländischer Erwerbsgesellschaften am 1. Juli 1896 in Kraft. Der Abschluß börsen­mäßiger Termingeschäfte ist nur bis zum 1. Januar 1897 gestattet mit der Maßgabe, daß die bis zu diesem Tage abgeschlossenen Ge­schäfte auch bis dahin abgewickelt sein müssen.

Nürnberg, 7. Juni. Die heute hier tagende Versammlung bayr. Journalisten, Schrift­steller und Verleger beschloß die Organisation einer bayr. Berufsgenossenschaft zur Wahrung ihrer Interessen, ferner die Schaffung humani­tärer Einrichtungen für die Angehörigen ihres Berufes. Des weiteren gelangte eine Resolution zur Annahme, welche eine, den thatsächlichen Verhältnissen, unter denen die Herstellung einer Zeitung erfolgt, Rechnung tragende Rechtsprech­ung bezweckt.

Petersburg, 7. Juni. Nach dem heute erschienenen amtlichen Bericht beträgt die Zahl der Opfer auf dem Chodinskyfelde 1360 Tote und 644 Verwundete. Heute Nachmit­tag 2 Uhr wurden die Prinzen zur Verabschied­ung empfangen. Nach 4 Uhr hatten die Bot­schafter und Gesandten Abschiedsempfang.

Moskau, 7. Juni. Bei herrlichstem Wetter hielt der Kaiser in Gegenwart der Kaiserin, der Großfürsten und Großfürstinnen und der auswärtigen Fürstlichkeiten die Parade über etwa 50000 Mann auf dem Chodiaskyfelde ab. Dieselbe kommandierte Großfürst Wladimir.

Barcelona, 8. Juni. Gestern abend ex­plodierte in dem Augenblick des Eintritts einer Prozession in die Kirche Santa Maria eine Bombe. 6 Personen wurden getötet, 30 ver­wundet. In der Stadt herrscht große Panik.

Madrid, 7. Juni. 2 Dynamitpatroncn explodierten vor dem Hause eines Pfarrers in der Nähe von San Sebastian. Der Schaden ist groß; Personen wurden nicht verletzt.

Akascheh, 8. Juni. Die Derwische ver­loren in der Schlacht bei Tirket gegen 1000 Tote, darunter ihren Führer Emir Hamuda. Die Aegypter hatten 20 Tote und 80 Ver­wundete. Hunderte von Derwische wurden ge­fangen.

Suakim, 8. Juni. Reutter meldet: Wie berichtet wird, teilte Negus Menelik dem Cha- lifen Abdullah mit, er sei bereit, ihn mit Waffen und Schießvorräten gegen die Freunde Italiens zu unterstützen.

Massauah, 7. Juni. Prozeß Baratieri. Nach Abhaltung von 2 Sitzungen wurde gestern das Verhör des Generals Baratieri beendet.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeht» Neuenbürg.