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ist anders da, als in Persien, aber nicht immer besser. Seid nur ruhig. Ihr könnt sganz zu- frieden sein." DaS waren die Perser aber nicht, vielmehr machten sie ihrem Schah vom Anfang seiner Regierung das Leben recht schwer. Als Nassredin eben auf den Thron gelangt war, versuchte sein Großvezir Mirza Tahi Chan, eine Regierung der Reformen zu beginnen; er wen­dete sich mit eiserner Hand gegen die Günstlings­wirtschaft, suchte die verlotterten Finanzen in Ordnung zu bringen, die lockren Sitten am Hofe zu verbessern u.s.w. Diese Reformversuche riefen zwei Aufstände hervor, einen militärischen und einen durch die Priester in Jspahan angezettelten, Ueberall gährte und brodelte es; die Perser konnten offenbar das rasche Tempo einer durch­greifenden Reform noch nicht vertragen. Nass- redin sah das ein. ließ den thatkräftigen Groß­vezir erdrosseln und regierte von da an selbst mit dem Molto:Immer langsam voran." Das ging besser, und mit der Zeit konnten sogar manche wesentliche Neuerungen zum Vorteil des Landes durchgeführt werden. In den fünfziger Jahren wurde schon ein Mordanfall auf den Schah verübt. Die Ermordung des Schahs ist offenbar ein politisches Verbrechen gewesen, denn sie erfolgte 6 Tage vor dem 50jährigen Re- gicrungsjubiläum des Schahs. Man rechnet nämlich in Persien, wie auch in der Türkei, die Zeit nach den mohamedanischen Mondjahren, welche für den 6. Mai den Jubellag ergaben, zu dessen Begehung man sich eben rüstete. Schah Nassredin war ein stattlicher, zur Fülle neigender Mann mit bronzefarbigem Teint. Die Zahl der Gemahlinnen des asiatischen Herrschers ist unbekannt, sie muß aber nicht unbeträchtlich sein. 19 Kinder des Schahs befinden sich am Leben, die von 1850 bis 1888 das Licht der Welt erblickt haben, und zwar 6 Söhne und 13 Töchter. Zum Nachfolger wurde der Prinz Musaffcredin Mirza Vahliad ausgerufen, der am 25. März 1853 geboren und seit 1858 von Rußland und England als Thronerbe an­erkannt ist. In der Zahl seiner Kinder hat er seinem Vater schon den Vorrang abgelaufen, denn er ist bereits im Besitze von 5 Söhnen und 15 Töchtern, also ein leuchtendes Beispiel für alle zeitgenössischen Familienväter.

Die Pforte hat auf die Vorstellungen der Botschafter wegen der Ernennung eines mo­hamedanischen Kaimakams oder Gouverneur- Stellvertreters anstatt eines christlichen für Zeitun geantwortet, es handele sich nur um eine einstweilige Maßregel. Die Ernennung eines christlichen Kaimakams für Zeitun sei jetzt unthunlich, da eine solche Maßregel unter den dortigen Mohamedanern Erregung Hervorrufen könnte. Natürlich will die Pforte nach ihrer beliebigen Manier die Ernennung eines christ­lichen Kaimakams für Zeitun lediglich verschleppen.

Ha v a n n a, 2. Mai. Gomez dringt gegen Villa Clara vor. Die Aufständischen haben vier Dörfer verbrannt. Der spanische Oberbefehls­haber General Weyer sagt, daß noch 2 Jahre zur Unterdrückung des Ausstandes nötig seien. Mit den neuestenSiegen" war es also auch nichts.

Kapstadt, 2. Mai. DieTimes" meldet von hier: Der Präsident des Oranjefreistaates empfahl dem Volksrat, alle Verträge mit der Chartered Compagny aufzuheben. Die Gesell­schaft bilde eine Gefahr für das Land

AnterHattendtr HeU.

Milli's Geheimnis.

Roman von S. S. Ham er.

(Fortsetzung.)

Sabine, die sich über sein Schweigen ärgerte, sprang zornig vom Holzblock auf und übernahm die Antwort.

Da sieh'mal. so ohneguten Tag!" oder Wie geht's Euch?" hereinzuschneien und nun gar von uns Rechenschaft über Dein Weib und Krnd zu fordern! Wenn sie Dir so gar am Herzen liegen, weshalb hast Du sie Knall und Fall verlassen und Dich jahrelang nicht um sie gekümmert?! Hans hat für seine eigene Familie zu sorgen und ich werde nicht dulden"

Schweig! Sabine, schweig!" unterbrach Hans sie rauh.

Um des Himmels Willen, Bruder, erkläre mir doch, was hier vorgeht?" rief der Heimge­kehrte besorgt.

Aber Hansens Kehle war wieder wie zuge­schnürt. Desto loser ging Sabine's Zunge.

Was hier vorgeht? Milli ist fort, da ihr Mann, der die Pflicht gehabt hätte, für sie zu sorgen, sie sitzen gelassen hat, wollte sie anderen Leuten nicht zur Last fallen und ist mit ihrem Kinde nach Hamburg gezogen, um dort ihr Brot zu verdienen. Sie hat, Gott weiß warum, aufgehört, uns zu schreiben und jetzt wissen wir nicht, wo sie ist." Nachdem Frau Sabine ihrem, wie sie glaubte, gerechten Zorn Luft gemacht hatte, eilte sie, ohne die beiden Brüder eines weiteren Blickes zu würdigen, mit ihrem Kinde ins Haus.

Karl stand wie zerschmettert da. Während seiner langen Seereise war er nicht müde ge­worden , sich die freudige Ueberraschung der Seinen auszumalen, seine Phantasie hatte ihm vorgespiegelt, wie sich Milli an seinen Hals werfen, wie er dem verschämten Weibchen unter tausend heißen Küssen das Mißverständnis auf­klären würde, und nun wie ganz anders war sein Empfang.

Hans vermochte die Verzweiflung seines Bruders nicht länger mit anzusehen, näherte sich ihm und sagte, die Hand auf dessen Schulter legend:

Karl, wenn ich geahnt hätte, daß die Dinge kommen würden, wie sie gekommen sind, ich schwöre Dir, ich hätte Milli nicht ziehen lassen! Sie versprach uns, immer zu schreiben; nun sind aber meine beiden letzten Briefe mit dem Post­vermerk:Nicht zu finden" zurückgekommen . . . Aber, Bruder, wir müssen sie finden, denn sie hat mir das Versprechen abgenommen, sie so­fort zu verständigen, falls Du heimkehren solltest."

Dies schien Karl ein Beweis mehr dafür, daß Milli etwas Schlimmes begegnet sei. Frei- willig hätte sie sich niemals der Möglichkeit be­geben, Nachricht von ihm zu erhalten. Er durfte keine Zeit verlieren und wollte sofoxt wieder nach Hamburg, um zu erfahren, was zu er­fahren möglich. Mit Aufbietung seiner ganzen Willenskraft beherrschte er seine Erregung und forderte Hans auf, ihm sofort in die Wohnung der Mutter zu folgen. Sie fanden Frau West mit Vorbereitungen zum Thee beschäftigt..

Karl dürstete aber nicht nach einem Thee, sondern nach den Briefen Milli's. Vielleicht vermochten sie einen Lichtstrahl in das Dunkel seiner Seele zu werfen. Hans ging, um die an ihn gerichteten zu holen, während Frau West sechs kurze Epistel, die sie im Laufe der Zeit erhalten hatte, reichte.

Er sah zuerst auf seine Uhr, dann ordnete er die Briefe nach dem Datum des Poststempels. Die älteren steckte er ungelesen in seine Brust­tasche. nur den allerletzten, der vor vier Monaten angckommen war, überflog er. Milli berichtete darin, daß sie sich in der letzten Zeit nicht ganz wohl gefühlt und unter Ohnmachtsanfällen ge­litten habe. Maus gedeihe prächtig und werde täglich ihrem Vater ähnlicher; auch bete sie fleißig, daß dieser bald heimkommen möge.

Karl sprang auf und griff nach seinem Hut.

Wenn ich mich beeile, werde ich die Post­kutsche noch erreichen", sagte er heiser.

Du wirst doch nicht heute schon wieder wegfahren? Und noch dazu ohne mit Deiner alten Mutter auch nur einen Bissen gebrochen zu haben?"

Ich werde in diesem Hause weder essen noch trinken, so lange Milli nicht dabei ist," entgegnete er bitter.

Deine Mutter ist Dir also gar nichts, Dein Weib Alles!" klagte sie.

Meine Mutter ist mir sehr viel und auch mein Bruder" Hans trat gerade mit den Briefen einsie würden mir aber noch weit mehr geworden sein, wenn sie gegen mein Weib und mein Kind gut gewesen wären, sie behütet und beschützt hätten. Ohne Milli werde ich nie

hierher zurückkehren! Lebt wohl!" Mit stumme« Gruß stürzte er aus dem Zimmer.

XII.

Milli hatte in einem Seitengäßchen eines belebten Hamburger Viertels eine Kescheids Wohnung Zimmer und Küche gemietet Die Empfehlungsbriefe, die sie aus Eichdois mitgebracht, verhalfen ihr zu Aufträgen. frühen Morgen bis in die späte Nacht hinein ruhten die flinken Finger nicht. Damit es ihre», Kinde an nichts mangle, nährte sie selbst sich nur spärlich. Angestrengte Arbeit, ungenügend! Ernährung und ein nagender Seelenschmm vereinten sich, um den ohnedies zarten Ocganis- mus der einsamen Frau zu untergraben

Sie fühlte sich in Hamburg, wo sie einzig und allein für ihr Kind lebte, glücklicher alz ch Eichdorf, denn jetzt verbitterten ihr die offene» und versteckten Nadelstiche von Schwiegermuttei und Schwägerin das Dasein nicht mehr. Sie kämpfte tapfer gegen ihre täglich zunehmende Schwäche, aber endlich kam der Tag, an welche», sie den Kampf aufgeben mußte, die Nadel ent­sank den zitternden Fingern, mit ihrer KW war's zu Ende auch mit ihrem Gelde. W»z nun beginnen? Hans hatte ihr das Verspreche» abgenommen, zurückzukommen, wenn es ihr i» der Welt schlecht ergehen sollte. Um Gretes Willen mußte sie's thun, so schwer es ihr auch fallen mochte. Noch heute wollte sie an HanS schreiben. Aber es blieb beim Wollen.

Um jene Zeit grassierte in Hamburg der Typhus und Milli wurde davon ersaßt. Bewußt­los und phantasierend brachte man sie ins Krankenhaus. Ihre unfreundliche Wirtin weigerte sich, Grete bei sich zu behalten. Das traurige Schicksal derselben erregte Mitleid, einige mild- thätige Damen veranstalteten eine Sammlung, von deren Erlös sie das reizende Kind einer Kinderbewahranstalt in Pflege gaben.

Milli's Wirtin war auch unehrlich. Sie übersiedelte um jene Zeit in ein anderes Stadt­viertel, ohne ihre Adresse zu hinterlassen und nahm alle Habselrgkeiten der erkrankten junge» Frau mit. Als der Postbote den letzten Blies aus Elchdorf brachte, fand er das Haus leer und mußte ihn daher an den Adressaten zurück- senden lassen.

(Schluß folgt.)

Eine Papierfabrik im bayrischen Waide lieferte, wie Münchener Blättern zu entnehme», vor einigen Tagen vor eigens dazu geladenen Zeugen eine Probe rndustrieller Fixigkeit, indem früh morgens im nahen Walde Bii« gefällt, nach 2 Stunden die daraus gefertigte» Papiermassen und nach weiteren 2 Stunden Minuten die aus diesem Papier hergestellte» Zeitungen (?) vorgezeigt wurden.

Telegramme.

Rom, 4. Mai. Eine Drahtmeldung der Tribuna" aus Massauah besagt, das italienische Operationskorps, welches bei Senafe zusammen- gezogen war, setzte sich in 3 Kolonnen gegen den Feind in Bewegung. Die erste Kolonne werde voraussichtlich direkt gegen Adigrat Vor­gehen, die zweite von Adiugri nach M» marschieren, die dritte von Coatit kommend die erste Kolonne verstärken. Der Feind ist ^ Tocadaberge konzentiert, von wo er den M nach Adigrat verlege. Die Haltung der ita­lienischen Truppen ist vorzüglich.

Teheran, 4. Mai. Reuter meldet- Mussafereddi bestieg den Thron in Täbris. ^ Leiche des verstorbenen Schahs wurde emoa- samiert und wird nach Ankunft des neuen SW beigesetzt. Der Befehl, wodurch der Schah

Geschäftsleitung inzwischen dem Großvezir uo-

trägt, wurde den Prinzen, Ministern und ' amten mitgeteilt. Die Thronbesteigung Mch! fereddins wurde von dem Hauptpriester in großen Moschee verkündet. Alle Prinzen, verneure und Minister brachten dem v

ihre Huldigungen dar, worauf Milssaftte huldvollst antwortete, besonders dem Mil Mirza, dem ältesten Sohne des verftor Schahs.

Redaktion,^Druck und Verlag von C. Me eh in Neuenbürg.