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aufrichtigster Wunsch. Hierauf richtete der Kaiser eine Aniwort an den Prinzen Tschnn, welche der Reichs-Anzeiger im Wonlaut veröffentlicht und worin cs heißt: Nicht ein heiterer festlicher Anlaß, noch die Erfüllung einer einfachen HöflichkeitZ-Pflicht habe den Prinzen zu ihm, dem Kaiser geführt, son­dern ein tieftrauriger und hochernster Vorfall. Der Gesandte am Hofe des .Kaisers von China, Frei­herr von Ketteler, sei der auf höheren Befehl er­hobenen Mordwaffe eines kaiserlich chinesischen Soldaten in der Hauptstadt Chinas erlegen. Ein unerhörtes Verbrechen, welches durch Völkerrecht und Sitte aller Nationen gleich schwer gebrandmarkt wird. Er, der Kaiser, wolle gern glauben, daß der Kaiser von China persönlich dem Verbrechen und den weiteren Gewaltthaten gegen unverletzliche Ge­sandtschaften und friedliche Fremde fern gestanden hat. Um so schwerere Schuld treffe seine Ratgeber und seine Regierung. Diese möchten sich nicht dar­über täuschen, daß ihnen Entsühnung und Ver­zeihung für ihr Verschulden nicht durch die Sühne- Gesandtschaft allein ausgcwirkt werden kann, sondern nur durch ihr späteres Verhalten gemäß den Fort­schritten des Völkerrechts und der Sitte civilisierter Nationen. Wenn der Kaiser von China die Re­gierung seines großen Reiches fürderhin streng im Geiste dieser Vorschriften führe, werde auch seine Hoffnung sich erfüllen, daß die trübe Wolke der Wirrsale des vergangenen Jahres überwunden wer­den und zwischen Deutschland und China wieder wie früher dauernd friedliche und freundschaftliche Beziehungen herrschen, die den beiden Völkern und der gesamten menschlichen Civilisation zum Segen gereichen. In dem aufrichtigen Wunsche, daß dem so sein möge, heiße er, der Kaiser, den Prinzen willkommen. Die Uebertragung der gehaltenen Rede ins Deutsche bezw. Chinesische erfolgte durch den deutschen Konsul Freiherrn von Seckendorfs und den General-Leutnant Mntschang. Der Audienz wohnten bei Prinz Eitel Friedrich und die übrigen hier anwesenden Prinzen, die Staatsminister, der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes Freiherr von Richthofcn, das Haupt-Quartier und eine glänzende militärische Suite.

Berlin, 4. Sept. Dem Lokal-Anzeiger wird über den Empfang des Prinzen Tschun Leim Kaiser noch gemeldet: Vor dem Neuen Palais hatte die 2. Compagnie des Lehr-Bataillons Aufstellung genommen. Als der Prinz vorfuhr, erwies die Compagnie keinerlei Honneur, stand viel­mehr unter: Rührt Euch, ohne den Prinzen zu be­achten. Ebensowenig grüßten die Offiziere. Prinz Tschun, dessen besorgte Minen auffiel, ging raschen Schrittes in das Palais. Der Kaiser hatte im Muschelsaale auf dem Throne Platz genommen. Der Monarch war ernst, fast streng und trug den weißen Koller der Garde du Corps mit dem Ab­zeichen tiefer Trauer, auf dem Haupte den Stahl­helm. Um den Thron waren die befohlenen Herren gruppiert. Als Prinz Tschun mit dem chinesischen Gesandten den Saal betrat, winkle ihm Kaiser Wilhelm, der sich nicht erhob, kurz mit der Hand. Der Prinz näherte sich nunmehr unter tiefer Ver­beugung dem Thron und las darauf in chinesischer Sprache nicht ohne Anzeichen innerer Erregung einen auf gelbe Seide niedergeschriebenen Brief des Kaisers von China vor. Nachdem diese Ansprache verdeutscht worden war, las mit energischer Stimme Kaiser Wilhelm seine Kundgebung vor. Nach dieser Ansprache des Kaisers war die Mission des Prinzen erledigt. Kaiser Wilhelm war während des ganzen Actes sitzen geblieben. Der Prinz verließ rückwärts schreitend unter mehreren Verbeugungen den Saal. Von nun an wurde der Prinz als solcher behandelt. Als er das Palais verließ, präsentierte die Wache. Unter den Klängen der Musik und Escorte von einer Schwadron Leibgarde-Husaren wurde der junge Prinz in seine Wohnung geleitet. Im Orangerie-Gebäude angekommen kleidete sich Prinz Tschun um und machte eine Spazierfahrt durch den Park von Sanssouci und die Stadt Potsdam. Heute unternahm der Kaiser mit dem Prinzen eine Dampfer-Partie von der Matrosen-Station aus. Morgen Donnerstag ist der Prinz zur Frühstücks­tafel geladen. Er wird vorher der Kaiserin vor­gestellt werden.

Berlin, 5. Sept. Nur ein Teil der Ber­liner Morgenblätter bespricht den gestrigen Em­pfang desPrinzenTschun beim Kaiser.

Die Berliner neuesten Nachrichten schreiben: Die Kundgebung hinterlasse den Eindruck, daß die Ausführung der Sühne-Mission in würdiger und den volksrechtlichen Grundsätzen sowie den inter­nationalen Gepflogenheiten entsprechender Form statt- geiunden hat. Ter Kaiser habe keinen Zweifel darüber gelassen, daß die chinesischen Machthaber erst durch ihr zukünftiges Verhalten volle Sühne für die geschehenen Frevelthaten werden leisten können.

Bemerkenswert sei der warme Ton das vom chine­sischen Herrscher an den Kaiser gerichteten Schreibens.

Tie Staatsbürger Zeitung sagt: Die Antwort des Kaisers entspreche dem Urteil das im deutschen Volk über China bestehe. Das Blatt glaubt, daß unsere Regierung nach wie vor wird stark auftreten müssen, wenn sie friedliche und nutzbringende Be­ziehungen zum chinesischen Reiche unterhalten und ausbauen will.

Berlin, 5. Sept. Der Lokal-Anzeiger meldet aus Gumbinnen: Der Dragoner Mar­ten wurde gestern unter scharfer Bedeckung in ein auswärtiges Gefängnis transportiert. Der Ort selbst ist unbekannt.

Erneuerung der Thorgemiilde in Hirsau.

(Aus dem Schwäb. Merkur.)

k. IV. Jeder Besucher Hirsaus erinnert sich wohl der wundervollen Hirsche, die zu beiden Seiten des Eingangsthors zum Klostcrhof angemalt waren, und der beiden Wappenschilde, des württ. Herzogswappens von 1706 links und daS Hirsauer Klosterwappen rechts über dem Thore. Zeichneten sich die beiden Hirsche durch bewunderungswürdigen Mangel an Naturwahrheit aus, ohne doch heraldische Formen zu zeigen, so waren die Wappen in den Farben vollständig falsch wiedergegeben. Daß die Hirsche die Schildhalter der Wappen vorstelleu soll­ten, war nicht zu erkennen. Bei der diesen Sommer vorgenommenen Verblendung des Kameralamtsge- bäudes war die Frage nicht zu umgehen, was aus diesen Malereien werden sollte. Sprachen sich die einen Stimmen für vollständige Entfernung der­selben oder höchstens berichtigte Erneuerung der Wappenschilder aus, so hoben andere hervor, daß die Malereien von 1706 ohne Zweifel Uebermal- ungen älterer Bilder seien, und es wurden daher von den seitherigen Bildern Pausen genommen und dann der Wandbewurf sorgfältig abgekratzt, bezw. abgewaschen. In der Thal kamen nun Spuren älterer Hirsche zu Tage, von denen der rechts vom ' Thor deutlich erkennen ließ, daß er als Schild­halter gedacht sei. Eine Ueberraschung war es, daß auch das Wappen rechts das württ. Herzogswappen und zwar in den Formen der Zeit Herzog Lud­wigs oder Herzog Friedrichs war. Ta in jener Zeit wiederholt zwei Hirsche als Schildhalter des württ. Wappens wiederkehren, so mußte man schlie­ßen, daß auch das Wappen links vom Thore das württ. und nicht das Hirsauer Wappen gewesen sein werde. Leider war aber von diesem Wappen keine sichere Spur mehr aufzufinden. Als mutmaßliche Entstehungszeit dieser älteren Eemäde darf das Jahr 1595 oder 1606 angenommen werden; denn in jenem Jahr weilte dem geistlichen Lagerbuch der Pfarrei Hirsau der Hofmaler Philipp Greller da­selbst, und 1606/7 wurden die sämtlichen Wandge­mälde der Refektorien restauriert.

Es wäre nun freilich wünschenwert gewesen, die Gemälde in dieser älteren Form wiederherzn- stellen. Aber dazu waren die erhaltenen Anhalts­punkte doch zu dürftig. Namentlich über die Ver­zierung des Raums über dem Thor war gar nichts mehr zu ermitteln. Es blieb daher, wollte man nicht eine ganz neue Erfindung, wenn auch mög­lichst im Sinne der Malerei von 1595 od. 1606, Herstellen, nichts anderes übrig, als die Malerei von 1706 in verbesserter und berichtigter Form zu er­neuern. Diese Aufgabe hat nun in den letzten Wochen des August Hr. Maler Knorr von Stutt­gart mit Geschick und Geschmack gelöst. Die schild­haltenden Hirsche, die bisher in der Luft gestanden waren, erhielten eine naturwahrere Gestalt und einen festen Untergrund, indem sie nunmehr auf Rasen­boden stehen, der auf dem als Quaderbau behan­delten unteren Teil der Thormauer ruht. Die Wappen haben ihre richtige Färbung erhalten und wirken nun im neuen Glanz der Farben kräftig und schön. Der abenteuerliche Adler, der über dem Herzogshut in »erzwungener Haltung geduckt mit ausgebreiteten Flügeln ruhte, wurde weggelassen und nur das Spruchband mit der Inschrift 17. L. V. R. 2. 06. beibehalten. Das Hirschhorn

über dem Klosterwappen wurde beseitigt und durch einen Abtsstab mit gekreuztem Schlüssel und Schwert, den Symbolen der Schutzheiligen Petrus und Pau­lus, ersetzt. Als Vorbild diente hiebei ein Schluß­stein aus dem Kreuzgang, der im Bibliotheksaal in Hirsau aufbewahrt wird. In der Mitte über dem Thor wurde das Fruchtgewinde von 1706 wieder angebracht. So macht nun daS Ganze einen durch­aus befriedigenden, harmonischen Eindruck, und der kgl. Tomänendirektion gebührt aufrichtiger Dank dafür, daß durch ihre Fürsorge das Eingangsponal zu dem altehrwürdigen Klosterhof nun wieder einen würdigen und zweckentsprechenden Schmuck er­halten hat.

Zu 5,ich« i« de» Wunum.

August 1901.

Labyrinth von Gängen, Mauern,

Die Jahrhundert' überdauern,

Thoren breit und festen Thüren,

Die noch die Ruinen zieren

Türmen, die gen Himmel weisen, Pfeilern, die den Künstler, preisen.

Eine Festung auS Kapellen,

Tie sobald kein Feind soll fällen!

Da der Bau sonst voll Behagen,

Wenn nach frohem, wilden Jagen Reich beladen mit der Beute Sieghaft heimgekehrr die Meute:

Einkehr halten froh die Gäste,

Feiern fürstlich reiche Feste.

Gras bedeckt die weiten Hallen Und der Sonne Strahlen fallen Auf der Bäume dichte Dächer,

Die wie ein gar feiner Fächer Decken alte Herrlichkeit.

Vieles sahen schon die Steine,

Viel erzählen die Gebeine Von den Mönchen in den Gängen Von Gebeten und Gesängen,

Von den eifrig frommen Aebten,

Die hier schaffensfreudig lebten.

Auch von jenen bösen Zeiten Als Verwüstung hier bereitsten Welsche, wüste Kriegerschaaren,

Melac's Horde von Barbaren.

Eins bewahrte Zeit, Geschichte Vor Zerstörung und Gerichte:

Ta das Kirchlein still und fein Wie es scheint ins Thal hinein.

Weise aus dem Weltgetriebe Hin zu Gott, der ist die Liebe,

Sammle in des Glaubens Trümmern Alle Herzen, die sich kümmern,

Tröste sie in dieser Zeit,

Führ sie still zur Ewigkeit.

ökillarät.

Standesamt tzatw.

Geborene.

Hildegard Thekla Haag, Tochter des Paul Haag. Kaufmanns hier.

Max Willy Wengert, Sohn des Adolf Wengert, Strickers hier.

Anna Rosalie Sailc, Tochter des Klemens Saile, Zimmeruianns hier.

Wilhelm Johannes Weiler, Sohn des Peter Weiler, Couditors hier.

Gustav Heinrick Dürr, Sohn des Karl Dürr, Maler- und Gipserrncislers hier.

Elise Charente Widmann, Tochter des Wil­helm Äidmann, Oberamtsbaumwarls hier.

Getraute.

Jakob Grözinger, Stricker in Dießenhofen, Schweiz, und Anna Maria Naschold hier.

G e st o r b e u e.

Paul Richard Schüttle, Sohn des Wilhelm Schüttle, Jacauardwebcrs hier. 4 Wochen a.

Friedrich Paul Trestz, Sohn des Paul Tresy, Malers und Lackier? hier, 11 Monate alt.

Gottesdienste

am 14. Sonntag nach Hrkuik., 8. Sept.

Vom Turm: 272. Kirchenchor: So nimm denn meine Hände:c. Predigtlied: 84 Jesus ist kommen rc. 9 Uhr: Vormitt.-Predigt, Herr Dekan Roos. 1 Uhr: Christenlehre mit den Töchtern. 2 Uhr: Bezirks­konferenz der Jünglingsvereine im VereinShaus.

28. Aug.

29. ,.

SO. 31. .,

31.

6. Sept.

31. Ang.

31. Aug. 4. Sept.

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KD. LsckmNs

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