870

ihr eines Morgens es war Mitte März der Briefbote ein kleines Packet brachte. Sie flüchtete sich damit auf ihr Zimmer.

Du brauchst nicht durchzugehen. Milli. Ich weiß, daß heute Dein Geburtstag ist und kann mir auch denken, von wem die Gabe kommt," rief ihr die Tante lächelnd nach.

Ich werde Dir's nachher zeigen," gab Milli vom Hausflur verlegen zurück. Mit zitternden Händen öffnete sie das Pocket. Eine prächtige Gratulationskarte, Eupido darstellend, der lachend seine Pfeile abschoß, ein Herz halte er bereits durchbohrt, auf ein zweites zielte er gerade und ein niedlicher, goldener Ring, mit der Inschrift «Ewig Dein!" lagen vor ihr.

Ewig Dein!" lispelte sie, Vas Kleinod küssend.

Als sie nach einer halben Stunde verschämt der Tante ihre Geschenke zeigte, fragte diese:

Nun Kind, hast Du Dich entschieden? Nur wenn auch Dein Herz durchbohrt ist, darfst Du die hübschen Sachen behalten."

Milli war so bewegt, daß sie nicht zu ant- Worten vermochte, aber sie warf sich schluchzend der alten Frau um den Hals. Diesmal waren es Freudenlhränen, die sie vergoß und nicht, wie vor einem Jahr, Thräncn des bittersten Schmerzes.

Gott sei Dank, daß eS so gekommen ist! Jetzt laß Bergangenes vergangen sein, mein Kind, und freue Dich Deines Glückes. Karl ist ein Prachtmensch!"

Für den Nachmittag war Milli zur Frau Direktor bestellt Karl hatte dies von Frau Dobbert zu erfahren und machte sich auf den Weg, sie abzuholcn. Heute mußte sich sein Schicksal entgiltig entscheiden. Sie hatte seine Geburtstagsgeschenke angenommen das schien ihm ein günstiges Zeichen Milli ahnte nicht, was ihrer harrte. Gedankenvoll schritt sie die Allee hinab. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, sie dachte daran, wie Karl sie damals eingeholt hatte-

Guten Abend, Fräulein Milli!"

Ein leiser Schrei entschlüpfte ihren Lippen.

Habe ich Sie erschreckt?"

Ja . . . Nein!" stotterte sie verwirrt.

Lächelnd schlang er ihren Arm in den seinigen, ohne daß sie ihm wehrte. In stummem Glück schritten sie durch die prächtige Landschaft dahin. Als sie fast das Ende der Allee erreicht hatten, preßte Karl den zitternden Mädchenarm fester an sich und fragte zärtlich:

Haben Sie mein Geschenk erhalten,.Milli?"

Ja!" lispelte sie.

Hat es Ihnen nicht verraten, was zu sagen ich mich scheue? . . . Haben Sie in all der Zeit gelernt, mich ein klein wenig zu lieben?"

Ja; Sie haben mich dazu gezwungen. O Karl wie gut Sie sind!" Dabei sah sie ihm voll ins Gesicht.

Du willst also mein Weib werden?" jubelte er, sie auf offener Straße stürmisch ans Herz drückend.O, wie glücklich machst Du mich. Mädchen!"

Mutter, Mutter, Milli liebt mich uod hat mir versprochen, mein Weib zu werden!" Mit diesen Worten trat Karl spät am Abend bei Frau West ein.

Also doch!" kam es tonlos von ihren Lippen.

Mutter, wenn Du es versuchen wolltest, Milli liebevoll

Ich kann nicht! Sie raubt mir das Teuerste auf Erden. . . . Warum mußt Du ein Mädchen heiraten, von deren früherem Leben wir nichts, aber auch gar nichts erfahren haben? Die dumme Dobbert hütet ihre Zunge und sie weiß wohl warum! Daß Milli's Vater gestorben ist. hat sie erzählt, aber weder Sie, noch auch das Mädchen ist zum Begräbnis gefahren. Was müssen da für Verhältnisse in der Familie herrschen! ... Ich sage Dir nichts Gutes"

Kein Wort weiter," unterbrach Karl sie streng und machte Miene, das Zimmer zu ver­lassen. Auf halbem Weg kehrte er jedoch um und bat, seinen Arm zärtlich um den Hals seiner Mutter schlingend:

Ich bitte Dich, Mütterchen sei gut! Schau, ich fühle mich so glücklich, der Mißlon zwischen

uns thut mir weh. Du solltest mir wenigstens zu meiner Verlobung Glück wünschen."

Mein Sohn, mein geliebter Sohn, was liegt mir denn mehr am Herzen, als Dein Glück?"

Ich danke Dir. Mutter Wenn Du erst meine Milli näher kennen gelernt haben w'rst, wirst Du ihr auch gut sein müssen. Was Du bei ihr Stolz nennst, ist nichts als Schüchtern­heit. Versprich mir. daß Du in Zukunft freund lich gegen sie sein willst "

Die wahrheitsliebende alte Frau kämpfte einen harten Kampf mit sich Karl hielt sic fest umschlungen und blickte mit seinen glück­strahlenden Augen bittend zu ihr empor.

Mir zu Liebe," schmeichelte er.

Die Mutterliebe siegte.

Dir zu Liebe werde ich's versuchen."

Karl, der seit seinen Kinderjahren die Mutter nicht mehr geküßt hatte, drückte jetzt einen dankbaren Kuß auf ihre Lippen und schlüpfte mit einemGute Nacht, Mütterchen" aus dem Zimmer.

(Fortsetzung folgt.)

Falb und die Wetterkuh. In Ebers­walde erzählt man sich eine reizende Episode seit Falb's letztem Aufenthalt in Ober Oder­witz. die angeblich auf Wahrheit beruht. Der Herr Professor hatte vor seinem Vortrage noch mehrere Stunden für sich zur Verfügung. Es war so ganz und gar keinFalbwetter", und um die schöne Frühtingssonne zu genießen, mietete er eine Droschke und fuhr, als Fremder selbst bei seinem biederen Rosselenker, die schöne

Landstraße hinaus bis zum Gasthof in N.

Hier ließ er sich ein Glas Bier an den Wagen bringen. Während der Trinkpausen unterhielt er sich mit der am Wagen harrenden Wirtin. Recht schöner Tag heute."Na, 'S wird andeijch o no "Ich glaube nicht; woher wissen Sie das so ln stimmt?"Nun, ich weeß."Steht's etwa im Kalender?" Nee"Hat's in der Zeitung gestanden?" Ooch nee."Hat es etwa Falb prophe­zeit ?->Ach, dar Karle, der weeß glei goar nicht."Nun da möcht ich doch wissen, weshalb Sie so bestimmt behaupten können, daß cs heute noch regnen solle."Na, ich möchl's eegentlich ne soin, aber wenn Sie's emol groade wissen wull'n: Ich habe Se nämlich ane Kühe,

wenn die sich mit dem H.an der

Wand reibt, do rairn's no."Sooo? Hier ist Geld fürs Bier. Adieu!" Und in der Thal! Der Wagen hat die Rückfahrt noch nicht vollendet, da fängts an zutroppeln". Da dreht sich den» auch der Kutscher zu seinem Passagier um und sagt:Nu hürt All's uff di? Kuh Hot recht behalen, und der Professor Falb ne!" Bald ist man angelangt. Bei der Ablöhnung des Kutschers spricht der Passagier: Gestatten Sie noch, daß ich mich Ihnen als Professor Falb vorstelle."

Auflösung der Geographischen Arithmogryph in Nr 57.

Birmingham, Itzehoe, Saralow. Maastricht, Athen, Rotterdam, Chalons, Kopenhagen. Bismarck.

Richtig gelöst von Ernst Gottschalk m Neuenbürg; Gust. Hermann in Rothenbach.

Berfteck-Rätsel.

In jedem der nachstehenden Sätze ist ein darin verstecktes Wort zu suchen. Sind die richtigen Wörter gefunden, so ergicbt deren Zu­sammenstellung ein Citat aus Goethes Prosa.

Werner hat dasselbe Thema bearbeitet.

Minna mußte die Aepfel in die Laube tragen.

Der Baron nahm sofort von dem Bisthum Besitz

Unter vernünftigen Leuten konnte die Rauferei nicht staltfinden.

Das Spiegelbild zeigte ihm sein verhärmtes

Meine Frau ist eine geborene Hausmann.

Es waren zu viel Personen, welche mitfahren.

An den Bäumen ist jede Richtung angegeben.

Paul hat die Börse in die Tasche gesteckt.

Er ist ein junger, eingebildeter Mensch

Die Gäste zeigten sich von keiner liebenswürdigen

Seite.

sEin unangenehmer Kerl.jSchulze ist der unangenehmste Kerl beim Skat, der mir je in die Quere gekommen ist." Wieso? Wird er cklich, wenn er verliert?"Ach was! Er verliert eben nie!" sJm Seebade.sFräu> lein, wenn Sie ins Wasser sielen, und ich zögx Sie heraus -- würden Sie Ihren Lebensretter mit Ihrer Hand beglücken?"Wozu solche Umstände? Wenn Sic eine Frau über Wasser halten können, so erreichen Sic Ihr Ziel bei mir auch auf trockenem Wege."

(Dreierlei.)Mein Fräulein! Ich traue Ihnen: trauen Sie mir wieder, und bald traut uns ein Dritter!"

Telegramme.

Berlin, 15 April. In einem Beileids­telegramm der Kaiserin Friedrich an die Hinter­bliebenen des -s Zeremonicnmcisters v Schräder gab die Kaiserin auch ihrem Unwillen über das Duell Ausdruck.

Berlin, 15 April. DieNordd. Mg. Ztg." schreibt: Die Entschädigungen, welche der Congostaat in Sachen Lvthaire-Stokes an die deutsche Regierung zahlen mußte, sind be­nützt worden, um den in den deutschen Schutz­gebieten wohnhaft gewesenen Opfern Lothaire's eine angemessene Schadloshaltung zu gewähren, was auf die Eingeborenen außerordentlich günstig einwirkte, in dem dadurch die Macht der Schutzherrschaft deutlich bekundet wurde. Eingeborene und Frau Stokes sandten, nachdem sic die Schadcncrsatzstlmme erhielten, einen Herz- lich n Dankbrief an Hin. v. Wißmann, den die Nordd Allg. Ztg." in der Uebersetzung mittcilt.

Berlin, 15. April. Im Ausstellungs- park in Treptow bei Berlin verlangten die Zimmerleute, nachdrm ihnen letzten Samstag erst 75 pro Arbeitsstunde bewilligt woidcn ist, gestern 1 pro Stunde, was abgelehnt wurde.

Berlin, 15. April. Die Morgenblätter melden aus Brüssel: Von 2400 Arbeitern der Herstaler Waffenfabrik streiken 2000. Die Fabrik ist militärisch besitzt.

Stuttgart, 15 April Infolge des mutwilligen Vorgehens der auch aus fremden Elementen (nicht Fachleuten) bestehenden Lohn- kommission der streikenden Zimmerleute, trotz der bewilligten Lohnerhöhung und Verkürzung der Arbeitszeit von I I auf 10 Stunden, har der Stuttgarter Baugrwerk-Verein einstimmig be­schlossen. die Baubetriebe innerhalb des Stadt- dinklioasbezirks Stuttgart am Samstag den 18. ds. abends vollständig zu schließen und sämtliche Arbeiter, also auch die nicht streikenden Zimmer­leute, sowie alle Maurer, Steinhauer zu ent­lassen, für den Fall, daß die streikenden Zimmer­leute im Laase des Freitags die Arbeit nicht wieder aufnehmen sollten.

Wien, 15. April. Die Majestäten fuhren von der Hofoper unter brausendem Jubel zum Nordbahnhof, worauf die Kaiserin nach der herzlichsten Verabschiedung von den beiden Monarchen um 10 Uhr abfuhr. Der öster­reichische Kaiser begleitete sodann Kaiser Wilhelm zur deutschen Botschaft, wo Kaiser Wilhelm den Thee einnahm und allein zur Hofburg zurückkehrte.

Wien. 15 April. Aus Nilazzo wird gemeldet: Seit gestern Nacht wütet hier ein heftiger Schneesturm. Viele Sch ffe flüchteten hierher. Die FUder wurden arg beschädigt. Aus Cagliari werden Schiffbrüche einiger Barken gemeldet, deren Bemannung jedoch ge- rettet ist.

Ko n sta n t i n opel, 15. Apr. Der Fürst von Bulgarien wurde gestern zum türkischen Generalfeldmarschall ernannt, heute fand feier­liche Investitur und Fermanverlcsung statt- Nachmittags um 2 Uhr verabschiedete sich Fürst Ferdinand vom Sultan in cinstündiger Audienz und reiste um 4'/r Uhr an Bord derTullanie" unter Ehrenbezeugung ob. Der Sultan schenkte dem Fürsten 5 Arabcrpferde und andere Kost­barkeiten.

London, 15. April. Chamberlain erhielt eine Depesche des Gouverneurs von Hong-Kong, wonach 67 Personen in der sitzten Woche an der Beulenpest neucrkrankten; insge­samt kamen 482 Erkrankungen seit dem 1 Jan. vor.

Redaktion, Druck und Verlag von L. Meeh in Neuenbürg.