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anscheinend aus einem doppelläufigen Gewehr abgegeben, das mit Kieselsteinen geladen war. Als Thäter vermutet man einen entlassenen Arbeiter.
Leo.nberg, 19. Aug. Nachdem uns kürzlich zwei Gesangvereine aus Zuffenhausen und ein solcher aus Stuttgart besucht und in der „Krone" Quartier genommen hatten, fand sich gestern die „Concordia" aus Calw mir 53 Personen hier ein.. Nach vorausgegangenem Besuch auf der Solitude nahm der Verein im „Schwarzen Adler" das Mittagessen ein. Später gaben die „Concordia" und der hiesige „Liederkranz" eine sehr gelungene Gesangs-Unterhaltung im dicht besetzten Schweizerhaus- Garten. Die Vereine gaben ihre schönsten Lieder zum Besten unter dem lebhaftesten Beifall der Zuhörer. Die „Concordia" dirigierte Hr. Schullehrer Vintzon und der Vorstand derselben, Hr. Lutz jr., sprach in warmen Worten seinen Tank für den Empfang und die herzliche Aufnahme seitens des LiederkranzeS aus. Unter gegenseitigem Freundschaftsaustausch verließen die Calwer Freunde mit dem 8 Uhr-Zug hochbcfriedigt unsere Stadt.
(Gl.- u. W.-Gztg.)
Heimsheim. Ein ruchloses Attentat wurde Samstag nacht um 12'/- Uhr an unserm allbeliebten und hochgeehrten Herrn Stadtschultheißen verübt, resp. versucht. Es wurde nämlich im untern Zimmer des Erdgeschoßes des Wohnhauses des Herrn Stadtschultheiß eine mit Explosionsstoff gefüllte sogenannte gußeiserne Wagenbüchse mit Zündschnur versehen in unmittelbare Nähe des Zimmerofens gelegt und eS erfolgte um obige Zeit eine fürchterliche Erplosion, die im ganzen Städtchen gehört wurde. Durch diese Explosion wurden sämtliche 9 Fenster vollständig zertrümmert, ebenso wurde teilweise die Zimmerthüre und ein Tisch demoliert. Tie Ladung der Büchse bestand teils aus abgehauenen Eisenstücken und Schraubenmuttern. Unzweifelhaft war diese ruchlose Handlung darauf berechnet, den Herrn Stadtschultheißen, dessen Schlafzimmer sich unmittelbar über dem Zimmer, in welchem die Explosion erfolgte, befindet, zu töten. Der hier aufgestellte Landjäger, welcher sofort nach der erfolgten Explosion zur Stelle war, ist eifrigst bemüht, den bis jetzt unbekannten Thäter ausfindig zu machen.
Kassel, 19. Aug. In der Nacht von Samstag auf Sonntag um 10'/, Uhr kurz nach der Rückte h r des Kaiserpaares von einem Ausflug nach Dörnberg wurde auf den Posten vor dem Schloß Wilhelmshöhe aus einem Gebüsch ein Stein geschleudert, der das Schilderhaus traf. Der Posten feuerte nach vergeblichem Anruf in der Richtung des SteinwurfeS, traf jedoch niemand. Ter Angreifer war unauffindbar. Im Schlosse herrschte wegen dieses Vorkommnisses Aufregung. Anders lautende Gerüchte sind übertrieben.
Wilhelmshaven, 19. Aug. Der Stapellauf des Linienschiffs „6" fand unter dem Hurrah einer nach Tausenden zählenden Menge glücklich
statt. Seine Majestät der König von Württemberg hielt die Taufrede. Dieselbe lautete etwa folgendermaßen:
„Ich sage lebhaften Tank dem Kaiser, daß er uns mit der ehrenvollen Aufgabe betraut hat, am heutigen Tage die Taufe des Linienschiffes „E" zu vollziehen. Wir sind gern der Allerhöchsten Aufforderung gefolgt. Möge das neue deutsche Schiff seinem uud deni deutschen Namen in allen fernen Meeren und Welten Ehre machen! Wir, die wir im innersten Binnenlande leben und scheinbar mit den entlegenen Zielen von Handel, Wandel und Verkehr nicht vertraut sind, nehmen dennoch innigsten Anteil an allem, was unsere Marine betrifft. Mit höchstem Interesse sind wir der Entwicklung der Marine unter Kaiser Wilhelm dem Großen gefolgt, ebenso wie unter der Regierung Kaiser Wilhelms II. Schwabenland hat schon manchen seiner Söhne der deutschen Marine zum Dienste seines Kaisers geliefert und damit bekundet, daß es nicht hintenan stehen wolle hinter anderen deutschen Stämmen, welche ihre Kräfte einsetzen zum Blühen und Gedeihen der deutschen Marine. Die Schiffe, die in jüngster Zeit aus dem fernsten Osten zurückgekehrt sind, haben dort dem deutschen Namen Nachdruck verliehen und Ruhm und Ehre gebracht. Unser innigster Wunsch ist, daß auch dieses Schiff sich glorreich den Schwesterschiffen anschließen möge. Daß dies auch die Gesinnungen in Schwabens Gauen sind, soll unsere Anwesenheit beweisen. Eine besondere Bedeutung gewinnt der Name, welchen der Kaiser für das neue Linienschiff gewählt hat, dadurch, daß einst in grauer Vorzeit die Wiege der Hohenzollern auf schwäbischem Boden gestanden hat, und Ich erkläre im Namen des ganzen Stammes, daß wir allezeit treu und fest stehen wollen zu Kaiser und Reich. So rufe ich denn in dieser weihevollen Stunde: „Seine Majestät der Kaiser hurrah!"
Ihre Majestät die Königin sprach hierauf die Worte: „Im Namen der Majestät des Deutschen Kaisers taufe Ich dich „Schwabe n".
Nach beendetem Stapellauf nahm der König Meldungen entgegen, beglückwünschte den stellt). Staatssekretär und ließ an die am Bau des Schiffes Beteiligten, sowie in der Ehrenwache (die zumeist aus Württembergern gebildet war) stehenden Offiziere Orden und Ehrenzeichen verteilen. Von der Werft aus begaben sich die Majestäten zum Stationsgebäude, wo ein Frühstück zu 22 Gedecken stattfand. Die Ehrenplätze hatten die Majestäten inne. Die Tafelmusik gab das vor dem Gebäude aufgestellte Musikkorps des 2. Ersatz-Seebataillons. Nach Beendigung des Frühstücks im Stationsgebäude begab sich das KönigSpaar in den Stationsgarten, wo sich auf dem mit Kübelpflanzen reich geschmückten Vorplatz die hier lebenden Württemberger unter Führung des Marineobermeisters Ammann aufgestellt hatten, um dem angestammten Herrscherpaar ihre Huldigungen darzubringen. Ter König ließ sich jeden der 19 erschienenen Württemberger
vorstellen, fragte nach Geburtsort und Beruf und reichte jedem die Hand. Währenddessen sprach die Königin mit den 3 Württembergerinnen in sehr herzlicher Weise. Hernach wurden noch von der ganzen Gruppe photographische Aufnahmen gemacht. Der König dankte in zu Herzen gehenden Worten seinen Landeskindern. Auf der andern Seite hatten die aus China heimgekehrten und dekorierten Württemberger Aufstellung genommen. Als die Majestäten sich den Württembergern näherten, sprach eine Lehrersfrau ein Huldigungsgedicht und überreichte am Schluß desselben einen prachtvollen Blumenstrauß mit einer Schleife in den württemb. Landesfarben. Die Schleife trug die Inschrift: „Furchtlos und treu. Die getreuen Schwaben in Wilhelmshaven." Nach der Huldigung, durch welche die Majestäten sichtlich sehr angenehm berührt wurden, fuhren sie zum neuen Hafen und von dort aus mit dem Torpedo-Divisionsboot „v 2", in dessen Gefolge sich die Torpedobootflottille befindet, nach dem bei Schilfig liegenden Geschwader. Nach der Umfahrt um dasselbe wurde gegen 5 Uhr an Bord des Linienschiffes „Württemberg" der Thee eingenommen. Nach der Rückkehr nahmen die Majestäten um 7'/, Uhr im Stationsgebäude das Abendessen ein und traten um 9 Uhr 20 Min. die Heimreise mittelst Sonderzugs nach Friedrichshafen an.
Berlin, 19. Aug. Wie verlautet, wird Graf Waldersee bis zur Ankunft des Prinzregenten Luitpold von Bayern in Berchtesgaden verbleiben und bei dieser Gelegenheit auf Einladung des Prinzregenten an den von diesem zu veranstaltenden Hofjagden teilnehmen.
Berlin, 19. Aug. Bezüglich der wiederholten Mitteilung, daß die Bildung einer deutschen Kolonialarmee erwogen werde, wird der Deutschen Tageszeitung von kundiger Seite versichert, daß eine solche Absicht überhaupt seit einem Jahre gar nicht zur Erörterung gekommen ist.
Berlin, 19. Aug. Der Deutschen Tageszeitung wird mitgetcilt, daß es sich bei der Ver - Hökern ng des Zolltarifes nicht um den Entwurf gehandelt habe, wie er dem Bundesrat zugegangen ist, sondern um ein Exemplar des vorläufigen Entwurfs, wie er von den Dezernenten zusammengestellt und den preußischen Ministerien zugegangen ist. Die Untersuchung soll bisher, was die beteiligten Beamten anlangt, kein Ergebnis gezeitigt haben.
Berlin, 20. Aug. Der Lokal-Anzeiger meldet aus Paris: Der Zar hat die Einladung der französischen Regierung zu der Schluß- Parade der diesjährigen großen Manöver, die am 19. September in Reims abgehalten wird, an- genommen. Er wird in Dünkirchen landen, wo das ganze Nord- und Kanal-Geschwader zusammen- gezogen sein wird. In Paris herrscht aus diesem Anlaß freudige Bewegung.
Berlin, 20. Aug. Dem Lokal-Anzeiger wird aus London telegraphiert: Nach einer Depesche
aber bei dieser edlen Natur tiefliegenden Gründen entspringen mußte. Er sah sie forschend an, aber er wagte nicht, die Frage, die ihm auf den Lippen schwebte — ob sie ihm des Briefes wegen oder ob sie Frau von Els ihrer unpassenden Worte wegen zürnte — auszusprechan. Nach dem Essen sagte er:
„Sie sind mir böse, Schwester. Ich verspreche Ihnen, wenn Sie jetzt den Brief vollenden wollen, nichts zu diktieren, was Ihnen mißfällig sein könnte."
„Ich habe den Brief schon vollendet und abgeschickt," antwortete sie. „Ruhen Sie jetzt, es ist auch nach der lebhaften Unterhaltung das beste für Sie."
Mit diesen Worten legte sie ihm die Kissen zurecht. Er ergriff ihre Hände. „Seien Hie mir wieder gut," sagte er, indem er ihre Hand küßte.
Sie entzog sie ihm und trat einen Schritt zurück. „Ich sehe Sie nicht mehr krank," bemerkte sie ernst.
„Doch," versicherte er. „Ich kann mich ja noch nicht rühren. Bitte, helfen Sie mir!"
Sie richtete ihn auf, um ihn in eine bequemere Lage zu rücken; dann wollte sie wieder zurücktreten. Aber er umfaßte sie plötzlich, und sie bemühte sich vergebens, sich aufzurichten.
„Warum schauen Sie mich nicht an?" sagte er vorwurfsvoll. „Gönnen Sie mir einen Blick Ihrer lieben Augen!"
Das liebliche Gesicht bedeckte sich mit heißer Röte.
„Bitte, geben Sie mich frei," sagte sie erzürnt.
„Erst seien Sie mir wieder gut," bat er.
Aber der ernste Ausdruck, mit dem sie ihn ansah, bestimmte ihn sofort, ihrem Wunsche nachzukommen.
„Sind Sie mir wirklich böse?" fragte er.
Sie antwortete ein ausweichendes „Nein" und setzte sich mit ihrer Arbeit ans Fenster.
Zum Lesen kam Andrea an diesem Nachmittage nicht, denn ein Besuch löste den andern ab, und Andrea äußerte abends die Besorgnis, Nordaus Nachtruhe werde darunter leiden müssen.
„Wenn Sie nur bei mir sind, ist es mir ganz gleich, ob ich schlafe oder wache."
Sie schwieg einen Moment. „Ich kann nicht bei Ihnen bleiben," sagte sie dann. „Ich fühle mich nicht wohl."
Besorgt sah er sie an. „Das thut mir leid. Aber dann lassen Sie alle Pflichten und ruhen Sie. Sie haben sich schon zu viel für mich angestrengt."
Andrea schickte den Hausdiener ins Kloster, eine Ablösung zu rufen, und
traf die Vorbereitungen für die Nacht. Nordau lag schon im Bett, als die
Vertreterin erschien. Er hatte die Augen geschlossen und bemerkte nicht, daß An
drea bei ihm stand, um sich von ihm zu verabschieden. Sie stand lange da, ohne ihn zu stören. Dann blickte er auf.
„Ich wollte Ihnen gute Nacht sagen," sprach sie und reichte ihm die Hand. Er drückte ihre Hand herzlich und sagte: „Nicht wahr, Sie haben mir verziehen, und wir scheiden als Freunde?"
„Gewiß," antwortete sie. „Gute Nacht."
Der Doktor wunderte sich am andern Morgen, Andrea wieder nicht anzutreffen. Da sagte ihre Vertreterin: „Sie wird heute nicht kommen."
„Nicht?" fragten beide Männer zu gleicher Zeit.
„Nein. Ich bin bestimmt, hier zu bleiben. Die Frau Oberin hat hergeschickt und mir diesen Befehl erteilt."
(Fortsetzung folgt.)