782
bekehren konnte er seine Frau doch nicht, und hätte er Engelszungen gehabt
Am nächsten Morgen Punkt sieben Uhr stand der Wagen des Gutsbesitzers Schmidt aus Hasenfelde vor der Thüre des Polizeirats.
Seine kleine Frau, sonst eine Langschläferin, hatte es sich trotz des lebhaften Protestes ihres Gatten nicht nehmen lassen, das warme Bett zu verlassen und ihm das Geleit zu geben.
Wenn nur erst die Stiefel da wären!
Ernestine, das Mädchen für Alles mußte zum Schuster geschickt werden und brachte sic glücklicher Weise mit.
Die Frau des Polizeirats wäre bei ihrem Anblick fast ohnmächtig geworden.
„Aber Otto, das können doch unmöglich die von Dir bestellten Stiefel sein; die sind gewiß für einen Landwirt oder Kutscher bestimmt."
Otto fühlte indessen die vom Schuster eingelegte Filzsohle und war innerlich befriedigt; so hatte er sich die „derben Stiebeln", von denen Her Schmidt ihm als notwendige Requisiten bei der Jagd gesprochen halte, auch vorgestellt.
„Hat der Kerl mich wirklich falsch verstanden," brummte er. wie tief verstimmt, vor sich hin; „hat er mir aus ein Paar Schaftstiefel, die ich bestellt habe, richtig ein Paar Wasserstiefeln gemacht. Ja, nun hilft cs nichts mehr, nun muß ich sie verbrauchen, wie sie sind, damit der Kutscher unten nicht die Geduld verliert," und er stieg in die Wasserdichten hinein.
Ein flüchtiger Bl'ck in das Gesicht seiner Ehefrau zeigte ihm, daß ein Gewitter im Anzuge war. Schnell preßte er sie in die Arme und sprang aus der Thür, doch auf der Treppe drehte er sich noch einmal um, warf ihr eine Kußhand zu und versprach ihr, mindestens einen Hasen mitzubringcn. Er sah noch, wie sie mit um- wölkter Stirn und strengem Munde ihm zunickte, dann war er unten und im Wagen, die Pferde zogen an, noch ein Blick zurück — Waidmannsheil
Unterwegs sielen ihm seine Sünden ein, sollte seine kleine kluge Frau doch etwas von dem Streiche, den er ihr spielte, ahnen? Sollte sie die unförmlichen Wasserstiefel, ihr rechtzeitiges Erscheinen und seine Jagdeinladung zusammenreimen können? Es wäre doch nicht nett; aber wie sollte sie auch? Freilich, böse genug hatte sie zuletzt auf der Treppe ausgesehen; na, wenn auch, es war doch kein Verbrechen von ihm, aus Jagd zu gehen, und eine kleine List zweifellos erlaubt, wenn man sich seinen Hausfrieden sichern wollte. Wenn er nur mit guter Beute heimkehrte und sein Lenchcn ihre Küche für die nächsten Tage gut versorgt sah, dann legte sich gewiß bald ihr Zorn.
Und einen Hasen, vielleicht sogar den Rch- bock, sicher aber ein Dutzend Rebhühner legte er ihr ohne Zweifel zu Füßen; zwar war er niemals auf der Jagd gewesen, aber was machte das aus bei einem früheren Einjährig Freiwilligen des Garde-Schützen-Bataillons.
(Fortsetzung folgt.)
Herr Schulze, ein sozialistischer Kandidat, hielt in der evang. Stadt Grimma i. Sachsen seine Wahlrede, welche schloß: „Darum sage ich Euch, Genossen, es wird nicht eher besser in der Welt, ehe wir nicht loskommen von dem Drucke der Junker und Pfaffen." Donnernder Beifall; Herr Schulze setzt sich mit siegesbewußtem Lächeln. Als die.Diskussion" beginnt, meldet sich einer aus dem Hintergründe zum Worte. „Pfarrer L.l" murmelte cs im Saale. Alle hingen mit Spannung an seinem Munde. Und er begann: „Herr Schulze hat zum Schluß von dem Drucke der Junker und Pfaffen geredet. Was nun die Junker betrifft, so habe ich eigentlich zu wenig mit Adeligen zu thun gehabt, um beurteilen zu können, ob sie die Leute drücken. Einige habe ich kennen gelernt, das waren recht menschenfreundliche Herren. Wahrscheinlich hat Herr Schulze als Arbeiter mehr in höheren Adelskreisen verkehrt, vielleicht ist er so freundlich und nennt uns nachher die Junker mit Namen, unter deren Druck er zu leiden gehabt hat! — Aber nun die Pfaffen. Ich gehöre ja selbst zu dieser verwerflichen Menschenklasse. Und da muß ich leider mit dem Geständnis beginnen: „Ich habe Herrn
Schulze auch gedrückt!" —Allgemeines „Aha!" — „Ja, ich habe ihn wiederholt gedrückt!" fuhr L. unbeirrt fort. „Es sind nun 4 Jahre her, da starb seine Frau. Ich habe ihr damals die Grabrede gehalten, und da mir das Herz warm war, auch dem betrübten Gatten in herzlicher Teilnahme die Hand gedrückt Das war der erste Druck. Danach über eine Zeit hörte ich, daß Herr Schulze wegen sozialistischer Umtriebe aus der Arbeit entlassen worden und nun mit seinen hilflosen Würmern in arge Not geraten sei. Da bin ich wieder zu ihm gegangen und habe ihm abermals die Hand gedrückt und auch etwas in die Hand, soweit meine Kräfte reichten. Das war der zweite Druck! Und vier Wochen danach klopfte es an meine Thür und herein trat Herr Schulze und bat. ob ich nicht ein gutes Wort cinlegen wolle bei dem Herrn, daß er doch wieder in Arbeit käme. Da habe ich ihm abermals die Hand gedrückt und versprochen, daß ich es versuchen wolle. Und ich freue mich, daß er auf meine Befürwortung wieder angenommen worden ist. Das war der dritte Druck! Und darum, meine Herren, stehe ich heule als armer Sünder vor Herrn Schulze und muß Ihnen allen bekennen: „Ich habe ihn wiederholt gedrückt!" Ein Lächeln ging durch den Saal: Aller Augen waren auf Herrn Schulze gerichtet. Der aber schien thatsächlich etwas bedrückt zu sein.
Durch das in dcn Kaiser Wilhelm- Kanal eindringende Salz Wasser haben sich nicht nur Flora uud Fauna der in den Kanal fließenden oder von ihm durchschnittenen Gewässer wesentlich verändert, bei dem zunehmenden Salzgehalt des Wassers werden auch große Schwärme von Salzwasserflschen von den Anwohnern des Kanals gefangen, wie Krabben, Schollen und Dorsch. Die Süßwasserfische verschwinden mehr und mehr aus den Zuflüssen, namentlich aus dcn großen ertragreichen Eider- Seen. Man hat bereits begonnen, Salzwasser- Fische künstlich zu züchten und zu diesem Zweck Schnäpel ausgesctzt. Aber das Salzwasser des Kanals hat auch seine Nachteile, da durch den Gebrauch des jetzt salzigen Wassers der Auen verschiedentlich bei industriellen Etablissements Dampfkeffelbeschädigungen vorgekommen sind. Die industriellen Werke haben sich veranlaßt gesehen, teils mit großen Kosten, sich auf anderem Wege Süßwasser zu verschaffen:
Mergentheim, 13. Nov. Unter den gestrigen Wahlzeltein befand sich auch der folgende:
Guäl Wärttäberchisch bin i zwar Dös kann i Aich schon iüchä,
Doch „Schwarz" noch „Rot" in Bolidik,
Säll konn i net vertrochä!
Drum wehl i kan von dennä zwa,
Die Ihr halt faal thuät haltä;
Mei „Fraktschion" stäht allweil fescht Und bleibt a schtets bom Altä.
Fälscht Bismarck is vor vielä Johr Und a durch alli Zeitä Mei Moü scho gwest und soll es a Für alli Zeitä bleiwä:
Fürst Bismarck.
Eine Million Frauen und Mädchen giebt es nach den neuesten Zusammenstellungen des Statistischen Amtes in Deutschland mehr als Männer. Die genauen Zahlen lauten: 26 352 430 gegen 25 405 934. Nur im Elsaß ist das Verhältnis umgekehrt infolge der starken Garnisonen.
Die Stadt Paris ist wieder um einen Angestellten reicher geworden, der Beschäftigung genug haben dürfte. Gegen 4000 Frcs. Gehalt verpflichtet er sich, die Ratten aus dem Rathaus und allen städtischen Gebäuden zu vertreiben, dabei keinerlei schädliche Stoffe anzuwenden. Der Mann wird in etwa 500 Gebäuden seines Amtes walten müssen. In den Markthallen, Schlachthäusern und Niederlagen Hausen unendliche Rattenschaacen, so daß leicht einige Zehntausend gefangen und vertilgt werden könnten. Da ein Rattenbalg einige Pfennige wert ist. kann der Rattenfänger noch einen ansehnlichen Nebenverdienst herausschlagen; der Rattenbraten,
> des Rattenpseffers, der Rattenpasteten u. s. w. nicht zu gedenken, wie sie ja während der Pariser Belagerung gegessen wurden.
Der bekannte „Wunderdoktor" Schäfer Heinrich Ast wird jetzt international. In dem in Milwaukee erscheinende „Secboten" findet sich nämlich folgendes Inserat: „Der Wunderdoktor Schäfer Heinrich Ast Hut hier seinen Bruder bevollmächtigt, für Amerika die Vertretung zu übernehmen: derselbe schneidet die Haare und schickt sie seinem Bruder zur Untersuchung. Wm. Ast, 463 Ostwasserstraße."
(Oelfarbenflecken) werden nicht mehr wie früher mit Terpentinöl, sondern einfach mit Chloroform beseitigt. Die Anwendung ist ganz einfach; man befeuchtet ein reines Läppchen mit Chloroform, reibt den Fleck damit und wird sich freuen, wie schnell derselbe verschwindet. Da Chloroform betäubend wirkt, jo ist vorsichtiges Verfahren damit geboten.
(Kartoffeln von schlechter Qualität zu verbessern). Ein Stück Kalk von der Giüße einer welschen Nuß, welches man in das Wasser giebt, in welchem schlechte Kartoffeln gckochl werden, wird die Qualität derselben sehr verbessern.
(Der Sohn seines Baters.j Oberlehrer: „Wie einfach und erhaben klingt die schöne ausführliche Beschreibung, welche Pliuius der Jüngere von seinem Hause gemacht hat!" — Salomon II. (leiie zu seinem Nachbar): „Wahrscheinlich hat cr's verkaufen wollen!"
(Modern) Lehrerin: „Das Zicklein springt von Stock zu Stock, von Stein zu Stein. Es ist ein unruhiges Tierchen, das nirgends stille stehen kann. Also, Aennchen. wie ist das Zicklein?" — Aennchen: „Es ist nervös!"
(Aus der Jnslruklionsstunde j Müller, was macht der Rekrut, wenn er einen Stein im Kommißbrot findet?" — „Er wirft ihn fort." — „Falsch! — Schulze?" — „Er besieht 'n sich!" — „Unsinn! — Lehmann?" — „Er — er meldet es!" — „Quatschkopf! — 'N dummes Gesicht macht er!"
Auflösung des Arithmogryph in Nr. 182.
Harlekin, Oöaliske, Fuder, Fernrohr, Elektra, Nilsson, Urbarium, Namslau, Duodez, Helikon, Aprikose, Roderich, Radic, EupiN, Naphta, Mannheim, Ararat, Christoph Hoffen und Harren macht manchen zum Narren.
Richtig gelöst von Ernst Gottschalk, Paul Rubens- dörffer in Neuenbürg, Gustav Hermann in Rothenbach.
Fünfsilbige Charade.
Die beiden Ersten.
Ein oft gebrauchtes Börsenwort Das soviel heißt wie: hier am Ort, So meldet in der Uebersicht Die Zeitung es im Marktbericht.
Die drei Letzten:
Es sind des Künstlers Grundidee'», Die wir im Werk verkörpert seh'n;
Im Tonstück muß durch Melodie'n Es wie ein roter Faden zieh'«.
Das Ganze:
Bald rolll's dahin auf glattem Steg, Bald sucht's in Ketten seinen Weg,
So stürmt es keuchend himmelan, Festbeißend sich mit Eisenzahn.
Es übt die größte Zugkraft aus,
Es zeigt sich Dir in Saus und Braus, Und doch vertraust du dich ihm gern Und machst zur Nähe dir die Fern',
Telegramme.
Be rin, 20. Nov. Graf Herbert Bismarck hielt am 17. Nov. in Sandan, Prov. Sachsen, in einer Versammlung des Bundes der Landwirte eine Rede über den Antrag Kanitz, den Bimetallismus und die Tariffragen.
Das „Kleine Journal" erfährt aus Sofia: Prinz Cyrill wird am Sonntag katholisch getauft.
Neapel. 20. Nov. Der amerikanische Kreuzer San Francisco ist mit dem Kontre- admiral Kirkland an Bord nach der Levante abgegangen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.