Aus Stadt. Bezirk und Umgebung.
0. Neuenbürg, 26. Juni. Wenn man von einem einseitigen Gesühlsstandpunkt ausgehen wollte, so müßte man es herzlich bedauern, daß nicht häufiger Abschiede gefeiert werden. Man hört da so viel Gutes und Schönes, so viele Worte der Bewunderung und Anerkennung, so viele Versprechungen und Segenswünsche, daß es einem dabei ganz warm ums Herz wird. Gewöhnlich freilich wird darin des Guten zu viel gethan. Aber wenn einmal diese Einschränkung nicht zutriffl, wenn in Wahrheit das Gesprochene auch rechten Grund und Boden hatte, so war das gestern der Fall bei der im Gasthaus z. A d l e r in Schwann abgehaltenen Abschiedsseier zu Ehren des aus unserem Bezirk scheidenden Hrn. Oberförsters Hirzel. Die lange Reihe der Reden und Ansprachen zeigten jedem Unbefangenen, daß Hr. Oberförster Hirzel nicht nur das verdiente Lob seiner Vorgesetzten fand, sondern auch die allgemeine Liebe und Achtung der zu seinem Revier zählenden Gemeindeverwaltungen, wie einzelner Untergebener sich zu erwerben verstand. Ich hebe aus der großen Summe der Ansprachen nur Einzelnes hervor. Hr. Forstrat Graf Uxkull feierte den Scheidenden in seiner unermüdlichen Pflege des Waldes, der ihm nicht blos als ein Schatz erschien, der recht viel Gewinn für den Staat abwerfen sollte, sondern auch gleichsam als ein großer Gottesgarten, der durch die Mannigfaltigkeit seines Anbaus, die Abwechslung der Pflanzungen, durch Herstellung schöner Lager- und Aussichtsplätze u. s. w. Herz und Gemüt des Wanderers erfrischen sollte. So werden z B. jeden Kenner die herrlichen Lärchen, Weymouthskiefern und Douglas-Tannen vom Schwanner Stich nach der Kanzel hin lange noch mit Dank an den Namen Hirzel erinnern. Und wer kennt nicht die 2 großen Tannen aus der steilen Kante zwischen Eyach- und Enzthal. die schlank und gerade, bis heute trotz großer Stürme ausdauernd, gleichsam als Thorwächter und Hüter dastehen des herrlichen Eyachthales und weiter zurück der vielbesuchten Teufelsmühle? Als Andenken an den Schöpfer dieser land- schaftlichen Verschönerung laßt sie uns in Zukunft „Hirzel-Tannen" nennen! Noch viele andere Zeichen seines Sinnes für landschaftliche Schönheit kennen wir Forstleute heute schon. Aber wenn erst 10 und 20 Jahre weiter dahingegangen sind über diese Pflanzungen, dann werden sie auch für den Uneingeweihten sichtbarer hervortreten. 1*/s Jahrzehnte hat der Scheidende seines Amts gewaltet ohne Menschenfurcht, ohne nach oben und unten zu sehen, sondern nur den Blick auf das, was gerecht ist, gerichtet. Nur ungern sehen wir ihn scheiden. Möge er sich in seinem neuen Aufenthaltsort (Rottenmünster bei Rottweil) solche Freunde sich wieder erwerben, wie er diese hier zurückläßt! Ihm, seiner Familie, seinen Kindern gelten unsere Wünsche. Hoffen wir, daß er bald auch wieder nach uns schaut! Hr. Schultheiß Keßler von Ottenhausen dankte dem Scheidenden im Namen von Ottenhausen, Schwann, Oberniebelsbach für sein Entgegenkommen in der Wald- und Slreunutzungsfrage. Hr. Verwalter Loos feierte den offenen, ehrlichen, kameradschaftlichen Sinn und das treue Festhalten alter Waffenbrüderschaft. Nicht minder herzlich und gewinnend im Umgang sei die verehrte Frau Oberförster selbst. Ihr gelte sein Hoch. Möge es ihr und der ganzen Familie Hirzel immer wohl ergehen! (In das Hoch auf Frau Oberförster stimmte begeistert auch die vor dem Hause versammelte Kinderschaar ein.) Herr Pfarrer Dieterich schilderte uns in Hirzel den echten deutschen Mann und den echten Schwaben. Sein Händedruck sei herzlich und gewinnend, offen und frisch sein Wort, deutsch sein Fühlen und Denken, deutsch sein Handeln und Thun. In seiner Erwiderung dankte Hr. Oberförster Hirzel für all die erwiesene Ehre und Anerkennung. Was er gethan, sei seine Pflicht gewesen. Es habe ihm auch nie an Arbeit gefehlt. Er habe sich bemüht, allen Anforderungen einzelner wie ganzer Gemeinden stets leidenschaftslos gerecht zu werden. Er bitte das Wohlwollen, das ihm
> so entgegengebracht worden sei, auch auf seinen Nachfolger Hrn. Oberförster Baron v. Gaisberg zu übertragen. Herr Oberamtmann Maier dankte dem Scheidenden im Namen des Schwarzwaldvereins (Schwanner-Warte.) Derselbe habe sich namentlich auch den Dank aller Gemeinden verdient. In heiteren Scherzworten gedachte Hr. Pfarrer Mayer aus Dobel des Schwanner Kranzes, in dem er eigentlich niemals gewesen sei. und der Seele desselben, des Hrn. Oberförsters und schüttete die Schale sernes tiefen Unmutes in einem vollen Glas über das Haupt des Scheidenden aus. Manche Reden und Gesänge verschönten noch den herrlichen Abend und der scheidende Herr Oberförster darf die feste Ueberzeugung mitnehmen, daß er viele wahren Freunde in unserem Bezirke zurückläßt. Möge es ihm mit seiner ganzen Familie m der neuen Heimat recht gut gehen!
Wildbad, 24. Juni. Die Badezeit ist hier in vollem Gange. Die letzte Kurliste weist die Ziffer 2210 auf, etwas weniger als im Vorjahr um diese Zeit, als die Anwesenheit der Königin belebend auf unser Kurleben einwirkte. Neben den als vorzüglich bekannten, täglich mehrmaligen Leistungen unserer Kurkapelle, die dieses Frühjahr von 25 auf 32 Mann verstärkt wurde, bieten die Vorstellungen unseres auch für heurige Saison mit tüchtigen Kräften ausgestatteten Kurthealers, die von der Badverwaltung veranstalteten Tanzreunionen und das Auftreten hervorragender Künstler und Künstlerinnen im Kursaale unseren Kurgästen angenehme und abwechslungsreiche Unterhaltung. Letzten Sonntag fand in den Anlagen ein Wohlthätig- keits Konzert zu Gunsten der Ueberschwemmten von Balingen und Umgebung statt, das die hübsche Summe von über 500 einbrachte; überdies ergaben die Sammlungen für dieselben in der hiesigen Stadt bis jetzt zusammen den ansehnlichen Betrag von 1432 ^
Von der K. Regierung des Neckarkreises wurde unterm 25. d. Mts. die Wahl des Verwaltungsaktuars Heinrich Bätzner jr. in Wildbad zum Ortsvorsteher der Gemeinde Pleidelsheim, OA. Marbach, bestätigt.
— Wildbad, 25. Juni. Ergebnis der am 14. Juni vorgcnommenen Berufs- und Gewerbezählung: 4908 ortsanwesende Bevölkerung, (gegen 3446 am 1. Dezember 1890.)
Beinberg, 24. Juni. Seit etwa vier Wochen haust bei uns ein sehr unliebsamer Gast, der Brach- oder Junikäfer, ein dem Maikäfer an Gestalt und Farbe sehr ähnlicher, jedoch bedeutend kleinerer Käfer. Viele Obstdäume, ebenso Rosenstöcke und Beerensträucher sind ihrer Blätter und Früchte beraubt und stehen kahl wie im Spätherbst. Der lästige Käfer zeigte sich bei uns fast jedes Jahr, jedoch nie in solch großer Menge wie Heuer.
Calw, 26. Juni. Für die Ueberschwemmten im Oberamt Balingen sind hier mehrere Sammelstellen errichtet worden, bei denen gegen 2500 vkL eingegangen und an die Verunglückten abgesandt worden sind. Auch sind eine große Anzahl Naturalgaben gespendet worden. — Die am 14. d. M. vorgenommene Berufs- und Gewerbezählung hat für unsere Stadt eine Bevölkerungsziffer von 4600 Einwohner ergeben. Im Vergleich mit den letzten Zählungen ist sich somit die Einwohnerzahl der Stadt Calw im ganzen gleich geblieben.
Aus dem CalwerWald, 22. Juni. Daß bei rationellem Betrieb der Hühnerzucht unser Landwirt noch manche schöne Einnahme erzielen kann, liegt klar auf der Hand. Nur muß er die richtige Hühnerrasse, die bei uns am besten sich bewährt, halten. Da machte Herr Hirschwirt Seeger von Neuweiler gute Erfahrungen mit einer Kreuzung von Italiener- und unserem Landhuhn, die er von H. Schullehrer Dinkelmann in Gaugenwald bezog. Diese Hennen sind vorzügliche Legerinnen und liefern Eier, die regelmäßig 100—105 Gr. wiegen. Dieser Tage legte eine solche Henne ein Ei mit 123 Gr. Dasselbe wurde dem Naturalienkabinett in Stuttgart übersandt, dort mit Dank angenommen und bemerkt, daß das das größte bisher gelegte Ei einer Nutzhenne sei. (Ges.)
Deutsches Weich.
Kiel, Frankreich und Rußland. Die „Kreuz-Ztg." will wissen, der russische Kaiser habe sich über die friedlichen Reden des deutschen Kaisers sehr herzlich ausgesprochen. Er habe sich ferner sehr mißfällig geäußert über das „unwürdige" Benehmen der Pariser und scharf das auffällige Verhalten der französischen Flotten- Abteilung gerügt, das seiner Ansicht nach unmöglich im Einvernehmen oder gar auf Befehl des Marine- oder Kriegsministers erfolgt sein könne, die sich dadurch in direkten Gegensatz zu den Absichten des Präsidenten Faure und des Ministers des Auswärtigen Hanotaux gesetzt haben würden.
Breslau, 26. Juni. Rektor und Senat der hiesigen Universität haben beschlossen, denjenigen Damen, welche die Prüfung als wirt- tchaftliche Lehrerinnen für höhere Schulen bestanden haben, als Hospitanlinncn zu den Vorlesungen zuzulassen.
K a r l s r u h e, 19. Juni. Da eine größere Anzahl von Aufnahmegesuchen lungenkranker Arbeiter vorliegen, als Plätze in den Heilanstalten frei sind, die ärztliche Begutachtung aber oft mangelhaft ist, so plant die Versicherungsanstalt laut „Karlsr. Zeitung" die Errichtung einer großen Lungenheilanstalr.
Wörth, 24. Juni. Der Besuch der Schlachtfelder ist gegen das Vorjahr recht rege. Einesteils die schlechte Witterung, dann aber der damals hier herrschende Typhus waren die Ursache, daß unsere Geschäftsleute im vorigen Sommer zu klagen hatten. Der Verkehr in Wörth, Niederbronn und Reichshofen wird allem Anscheine nach Heuer sehr stark, da vom Monat Juli ab den Veteranen die Erleichterung ge- gewährt wird, die Schlachtfelder mittels Militärfahrkarte besuchen zu können.
Württemberg.
Stuttgart. In der Kammer der Abgeordneten kam letzten Freitag der Antrag des Abg. Schach u. Gen. über die Besteuerung der Kunstweinsabrikation zur Verhandlung. Geß (D. P). befürwortete der Antrag angesichts der schwierigen Lage der Weingärtner, Lang und Betz (B.-P.) desgleichen, Kloß würde eine Deklarationspflicht sorziehen; jeder Wirt müsse gezwungen sein, den Wein, den er vorsetze, richtig zu bezeichnen. Gröber setzte auseinander, daß die Deklaration Sache der Reichsgesetzgebung sei. Leider habe man im Reichstage die Deklarationspflicht nicht angenommen, da besonders die norddeutschen Konsumenten versüßten Wein vorziehen. Wenn auch nicht eine Besteuerung nicht alle Schäden beseitige, könne sie doch teilweise helfen. Rath (B.-P.) und Haffner (D. P.) wollen die Steuerfreiheit des kunstmäßig hergestellten Haustrunkes. Finanzminister Dr. v. Riecke erklärte: Die Regierung hätte den früheren Gesetzentwurf schon wieder eingebracht, wenn sie nicht bezweifelt hätte, daß er einen praktischen Erfolg haben werde. Er habe vom Minister des Innern auf geschehene Anfrage die Antwort erhalten, die Befürchtung, daß sich aus Mangel einer Besteuerung die Kunstweinfabrikation nach Württemberg verziehen werde, sei ungerechtfertigt. Größer sei der Schaden durch die zunehmende Einfuhr rheinhessischen Kunstweins. (Hört! hört!) Am ehesten lasse sich durch eine gemeinsame Regelung im Reiche etwas erzielen. Bedenklich sei, daß der Rosinenwein getroffen werde; das lasse sich vermeiden, wenn der Konsument den Rosinenwein selbst herstelle. Die Regierung lege großen Wert darauf, die Meinung des Hauses kennen zu lernen und werde, wenn dieses zustimme, die Vorlegung eines Gesetzentwurfes beschleunigen. (Beifall). Der Antrag wurde darauf angenommen. — Es kam alsdann der Gesetzentwurf betr. die Abstufung der Malzsteuer (wie schon kurz berichtet) zur Beratung. Derselbe will bei Privatbrauereien 50°/o Ermäßigung gewähren; Bierbrauer, die weniger als 2000 Zentner Malz verbrauchen, sollen für die ersten 1000 Zentner 10 °/o Nachlaß erhalten. Wer mehr als 10 000 Ztr. verbraucht, soll für die nächsten 30000 Ztr. einen