75.

für dm Aezirk Aalw.

76. Jührgaug.

Erscheint DieaStagS, Donnerstags nnd Sa^ » Die EinrückrngSqeÜühr beträgt im Bezirk und . ' NmSebung S Pfg. die Zeile, ueiter entfernt 12 Pfg. nacyper

Dienstag, dm 25. Juni 1901.

Vierteljährlicher Abonnementspreis in der Stadt Mk. 1.10 ins Haus gebracht, Mk. 1. 15 durch die Post bezogen im Bezirk; nutzer Bezirk Mk. 11 35.

Amtliche Bekanntmachungen.

Bekanntmachung des Ministeriums des Innern, betreffend die Ausführung des Rcichsgesetzcs über den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 24. Mai 1901.

Nach 8 22 Absatz 2 des Reichsgcsetzcs, be­treffend den Verkehr mit Wein, weinhaltigen und weinahnlichen Gerränken vom 24. Mai 1901 (R.-G.-Bl. S. 175) findet die mit dem 1. Oktober ds. Js. in Kraft tretende Bestimmung im 8 3 Abs. 2 des Gesetzes, wonach das Feilhalten und Verkaufen von Getränken, die den Vorschriften des 8 3 Abs. 1 zuwider oder unter Verwendung eines nach 8 2 Ziff. 4 nicht gestatteten Zusatzes wässer­iger Zuckerlösung hergestellt sind, verboten ist, auf Getränke der verzeichneten Art, die bereits bei der Verkündigung des Gesetzes hergestellt waren, bis zum 1. Oktober 1902 dann keine Anwendung, wenni sie innerhalb eines Monats nach der Verkündigung des Gesetzes (d. i. späte­stens am 29. Juni d. I.) der zuständigen Behörde angemeldet werden, die Vertriebsgefässe amtlich ge­kennzeichnet sind und das Festhalten und Verkaufen unter einer die Beschaffenheit der Ware erkennbar machenden Bezeichnung erfolgt. Es werden daher diejenigen, welche sich die in dieser Uebergangsbe- stimmung enthaltene Vergünstigung sichern wollen, unverzüglich die betreffenden Getränke der zustän­digen Behörde anzumelden haben, wobei die Menge, die Beschaffenheit sowie der Ort und die Art der Aufbewahrung der Getränke genau angegeben werden müssen.

Zuständig sowohl zur Entgegennahme der Anmeldungen als zur Vornahme der amtlichen Kennzeichnung der Vertriebsgefässe ist diejenige

O r t s p o l iz e ib e h ö r d e, in deren Bezirk die betreffenden Getränke lagern.

Als amtliches Kennzeichen, dessen Anbringung übrigens nicht im unmittelbaren Anschluß an die Anmeldung zu erfolgen braucht, dient eine kreis­runde, feuerrote Marke aus Papier, welche die deutliche UmschriftVerkauf nur bis 1. Okt. 1902 gestattet" trägt und mit dem Amtsstcmpel der be­treffenden Polizeibehörde versehen ist. Die Marke ist mit einem gut klebenden Stoffe bei Flaschen oberhalb der Stelle, an welcher die Etiketten auf­geklebt zu werden pflegen, bei Gebinden oberhalb der für den Faßhahn bestimmten Oeffnung anzu­bringen. Gebinde sind außerdem dadurch zu kenn­zeichnen, daß um die Mitte des Fasses parallel mit den Faßreifen mittelst Oelfarbe ein 5 am breiter feuerroter bandförmiger Streifen gezogen wird. Sollte sich in einzelnen Fällen wegen der Schwere der Fässer oder aus anderen Gründen die Anbring­ung eines um das ganze Faß sich herumziehenden geschlossenen Streifens als unthmstich erweisen, so ' tonnen Unterbrechungen des Streifen zugelasscn werden, sofern nur der Streifen deutlich sichtbar ist; hinsichtlich der zum Versandt gelangenden Fässer ist eine solche Ausnahme jedoch nicht statthaft.

Die Kosten der Kennzeichnung trägt der An­tragsteller, welcher die nötigen Vorkehrungen zur Kennzeichnung zu treffen hat.

Stuttgart, den 21. Juni 1901.

K. Ministerium des Innern.

P i s ch e k.

Tagesneuigkeiten.

Stuttgart. Ein hochgeschätztes Mitglied der Stuttgarter Hofbühne, Kammersänger Hromada, ist am Freitag abend infolge eines Schlaganfalls aus dem Leben geschieden. Ter Tod dieses Künst­

lers wird an der Hofbühne und im Stuttgarter- Musikleben eine empfindliche Lücke hinterlasseu.

Stuttgart, 22. Juni. Die gestern statt­gehabte akademische Bismarcks-Gedenk­feier der Studentenschaft der technischen Hoch­schule, sowie der tierärztlichen Hochschule auf dem Gähkopf wurde nach '/,9 Uhr durch eine Begrüßungs­rede des zweiten Vorsitzenden der Studentenschaft der technischen Hochschule eingeleitet. Hierauf hielt Prof. Dr. Diez die Festrede, in welcher er die Größe Bismarcks als Mensch feierte. Unter dem Gesang des LiedesDeutschland, Deutschland über alles" wurden die beiden aufgebautcn Säulen an­gezündet, deren Schein weithin alles erleuchtete. Die Musik, mit welcher nachher die Studentenschaft mit Fackeln abzog, stellte die Premsche Kapelle.

Stuttgart, 22. Juni. Nächsten Montag kommt im Festsaal der Liederhallc erstmals eine Neuheit zur Darstellung, die unter dem Namen F o n o - K in e m a - T h e a t er, eine sinnreiche Verbindung des Fonografen mit dem Kinemato- grafen vorführt. Nach dem Programm hört und sicht man dort z. B. Sarah Bernhardt, sodann den Pariser Künstler Coquclin u. A. Neben Darstel­lungen erster Kunstgrößen auf dem Gebiet des Theater- und Sangeswesens kommen humoristische Szenen zur Vorführung.

Stuttgart. EngroS-Markt bei der Markthalle am 22. Juni: Kirschen 1320 A, Erd­beeren 5060 ^., Prestlinge 4060 o)., Stachel­beeren 1214 A, Johannisbeeren 50 (?) c)., Heidel­beeren 15 A pr. V» Kilo. (Zentralvermittl.-Stelle für Obstverwertung in Stuttgart.)

^ lklllllltlö 11. Nachdruck verboten.

Dein Leben zurückgegeben.

Roman von B. Ern st.

(Fortsetzung.)

Er ging ein paarmal im Zimmer auf und nieder; dann setzte er sich wie­der zum Freunde und begann:

Du weißt, welch ein liebliches Mädchen Carola war. Trotz der spärlichen Sonne in unserem Vaterhause erblühte sie zu einer holden Blume, und mein ganzes Her; hing an ihr. Sie erheiterte und tröstete mich und verstand mich immer. Niein Vater gestattete sich vor fünf Jahren noch eine Reise nach Karlsbad. Dort lernte er einen sehr reichen russischen Grafen kennen, eine ihm verwandte Natur und gleich und gleich zog sich an. Der einzige Unterschied zwischen ihnen mochte sein, daß der Russe sein Vermögen noch nicht durchgebracht hatte. Im Gegenteil, als die Ebbe in der Kasse meines Vaters sich nicht mehr verdecken ließ, griff er ihm mit recht hübschen Summen gegen Wechsel unter die Arme, und beide setzten ihr lockeres Leben fort. Endlich ich weiß nicht, warum brachte mein Vater ihn nach Bergau als Gast mit. Der Russe war in meines Vaters Alter aber nicht so rüstig, so stattlich und gewandt; man sah ihm ein stürmisch ver­brachtes Leben an, mit achtundfünfzig Jahren war er ein Greis. Und diesem Menschen, denke dir, ist es gelungen, meine Schwester als seine Frau mit sich zu nehmem! Noch heute könnte ich rasend werden, wenn ich mich in diesen Ge­danken vertiefe.

Ich glaube, daß selbst mein Vater anfangs vor dem Verbrechen scheute, sein liebliches Kind in solche Hände zu geben; aber der Zufall oder vielmehr die böse Frucht einer bösen Saat kam dabei zu Hilfe. Auf ein Telegramm von Onkel Franz hatte ich plötzlich eine Reise zu ihm und mit ihm machen muffen.

Während meiner Abwesenheit war eine ähnliche Katastrophe wie die, die du heute mit ihren Folgen nnterlebst, über uns hereingebrochen. Ein unbarmherziger Gläubiger wollte all unser Hab und Gut pfänden lassen, und meine arme Schwester flüchtete in ihrer Todesangst zu dem Russen und flehte ihn um Hilfe an. Er gewährte dieselbe unter der Bedingung, daß die schöne Bittstellerin seine Gattin würde. Ein anderer Vater hätte dies Opfer nicht angenommen, hätte um diesen Preis nicht gerettet werden wollen. Der meinige fand es naturgemäß, daß ein Kind dieDankbarkeit", die es feinen Eltern schuldet, auf diese Weise abtrug. Als ich die 'Nachricht von dem Geschehenen erhielt, war ich fassungslos; nie war es mir in den Sinn gekommen, daß der Russe andere als väterliche Gefühle für Carola hegen könne. Ich reiste auf der Stelle nach Hause, kam aber zu spät. Der Russe hatte unter dem Vorwände, daß er eine wichtige Nachricht erhalten habe, die seine ungesäumte Abreise notwendig mache, die Hochzeit beschleunigt. Mutmaßlich wollte er meine Ankunft nicht abwarten, den er konnte sich sagen, daß ich alles aufbieten würde, um ihm seinen Raub zu entreißen. Es gab furchtbare Scenen zwischen mir und Papa, obgleich ich mich oft meiner Selbstbeherrschung rühme, hätte ich mich damals doch fast hinreiben lassen, mich an ihm zu vergreifen,"

Die arme Carola!" sagte Kuno leise.

Ja, das arme Kind! Sie fügte sich anscheinend ruhig in ihr schreckliches Los. Sie tröstete mich sogar und behauvtete sich nicht unglücklich zu fühlen. Aber du wirst mir trotzdem Glauben schenken, wenn ich dir sage, daß jene Tage die furchtbarsten meines nie glücklichen Lebens waren. Papa hörte sehr rasch auf, sich Gewissensbisse ob seiner Herzlosigkeit zu machen. Tante Martha, seine einzige Schwester du hast sie ja auch gekannt mußte sein Haus verlassen, weil sie ihn den Mörder seiner Kinder genannt hatte. Er genoß ein paar Jahre ver­gnügt den Vorzug, der Schwiegervater eines reichen Mannes zu sein, bis all­mählich der Russe zu derselben Einsicht kam wie so und so viel andere, daß Papa ein unverbesserlicher Verschwender sei, und dieser mit der Erkenntnis einen Strich