690

reine Butter oder Schweineschmalz in den Magen bekämen.

Der Küferstreik in Stuttgart hat sein Ende erreicht, indem alle Streikenden abgereist sind. Der Streik ist verloren gegangen, weil viele Küfergesellen nicht mitgemacht haben, ob­wohl sie für denselben gestimmt hatten. Die Tagw. findet es kaum glaublich, daß Arbeiter, welche in so trauriger wirtschaftlicher Lage leben, den Mul nicht einmal finden, für die Besserung derselben einzutrcten. Aus den Angriffen der Tagwacht, die jetzt die Mehrzahl der Gesellen, die den sicheren Gewinn dem Unsicheren vorge­zogen haben, mit Schimpf und Hohn überschüttet, können aber nur die Küfergesellen ersehen, daß es der Sozialdemokratie weniger um die Besser­stellung der Streikenden zu thun ist, als um politische Verhetzung, die ihr diesmal nicht ge­glückt ist. Der verkrachte Streik wurde angc- fangen auf die Hetzereien sozialistischer Führer, obgleich die Küfermeister den Gesellen finanziell sehr entgegengekommen waren; aber die Küfer­meister erhielten Arbeiter genug von auswärts und als die Stuttgarter Streikenden sahen, daß sie bei längerem Zuwarten samt und sonders dauernd ihre Stellung verlieren, kehrte die Mehr­zahl der Streikenden zur Arbeit zurück, während die Minderzahl, welche den sozialistischen Hetzereien Gehör schenkte und weiter streikte, nunmehr ge­nötigt ist, auswärts Arbeit zu suchen, da in Stuttgart alle Stellen besetzt sind.

Stuttgart. 17. Okt. (Freud und Leid.) Professor Förstler, Gesangdirektor des Stutt­garter Liederkranzes, wurde gestern durch die Verleihung des Ritterkreuzes des Friedrichordens hoch erfreut. Kurz nach Empfang dieser Aus­zeichnung glitt er aus und stürzte so unglücklich, daß er ein Bein brach.

Stuttgart, 18. Okt. Der Württemb. Wcinbauverein erachtet es unter den be­sonderen, leider schwierigen Verhältnissen, mit welchen die bevorstehende Weinlese verbunden sein wird, deren Beginn allgemein am nächsten Montag erfolgen dürfte, sowohl im Interesse der Weinproduzentcn als der Konsumenten für dringend angezeigt, bei dieser Weinlese diesesmal mit ganz besonderer Sorgfalt zu Werke zu gehen. Als selbstverständlich erscheint es, bei der Verschiedenheit der Reifegrade der Trauben für die beste 1. Sorte nur vollkommen brauch­bare zu bestimmen, alle minder reifen und stärker angefaultcn Trauben aber für eine Lese 2. Sorte auszuscheiden, deren nutzbringende Verwertung für Hausbrauchzwecke sicher möglich werden wird.

Weinsberg, 15. Okt. Gestern machten die bürgerlichen Kollegien unter Führung von Stadtschultheiß Seufferheld einen Ausflug nach Unter eichenbach zur Besichtigung der von Baurat Kröber aus Stuttgart dort erbauten Wasserleitung. Der Erbauer selbst war er­schienen und unter seiner Leitung wurden sämt­liche Einrichtungen genauer Besichtigung unter­zogen. Hochbesriedigt von der einfachen aber zweckmäßigen Einrichtung dorten kehrten die Teilnehmer zurück.

, Weinpreiszettel vom 16 . 18 . Oktober.

Hohenstein. Lese in vollem Gang. Qualität bei sorgfältiger Auslese, wie hier üblich, ganz ordentlich; eiüige Käufe zu 75 «4L pr. 3 Hektl. Menge etwa 1000 Hektol. Käufereingeladen. Lauffen a. N. Preise per 3 Hektol. 75, 76, 80, 85, 88, 90, 93, 95, 100, 105, 110 und 120 vkk. Cleebronn. Ziemlich Käufe zu 4050 <41 pr. 3 Hektol. Mundelsheim. 1 Kauf zu 60 -4L pr. 6 Hktol. aus ebenen Lagen. Frühgew. rot zu 90 und 100 -4L pr. 3 Hl Rotes Mittelgew. zu 95, 100, 110 pr. 3 Hektol. Einige Käufe Käs­berger zu 140, 143, 145 und 150 -4L per 3 Hektol. Lese wird voraussichtlich morgen beendigt. Horr­heim. Käufe zu 7075-^, Frühgewächs 80 -4L per 3 Hektol.

Obstpreiszettel.

Stuttgart, 18. Okt. Zufuhr auf dem Wilhelms­platz: 800 Ztr. Mostobst, Preis 5 Mk. 20 Pf. bis S Mk. 80 Pst per Ztr. 17. Oktbr. Güterbahnhof. Zufuhr: 63 Waggon - 12 600 Ztr. Mostobst und zwar: 15 bayr., 18 belg., 19 Hess., 4 östr., 7 schweiz. Preis per Waggon L 200 Ztr. 860 bis 940 Mk., sackweise per Ztr. 4 Mk. 40 Pf. bis 4 Mk. 80 Pf.

Eßlingen, 17. Okt. Güterbahnhof. Zugeführt 10 Wagen rheinisches, belg., österr., Hess. Obst, der Ztr. zU 4 -4L 80 ^ bis 5 -4L

Ausland.

Wien, 17. Okt. Es wird hier behauptet, daß der Zar die Reise nach Korfu aufge­geben habe und demnächst bis auf Weiteres in Livadia bleiben wolle. Man zieht daraus den Schluß, daß sein Befinden sich verschlechtert habe.

Petersburg, 17. Okt. Ein Extrablatt desRegierungsboten" bringt eine Mitteilung der Professoren Leyden und Sacharjin, des Doktors Popow, sowie des Ehren-Leibchirurgen Welljaminow. Laut deren haben sich nach dem bei der heutigen Beratung über den Gesund­heitszustand des Zaren festgestellten Befunde die Nierenkrankheit nicht gebessert, die Kräfte dagegen verringert. Die Aerzte hoffen, daß das Klima der Südküste der Krim wohlthätig auf den Gesundheitszustand des Kranken einwirkcn werde.

Brüssel, 17. Oktbr. Der französische Sozialistenführer Jules Guesde erklärte heute, er sei nach Belgien gekommen, um die belgischen Sozialisten zu beglückwünschen und mit ihnen über die Grundlagen für die internationale sozialistische Bereinigung zu beraten, damit in allen Ländern gleichzeitig dieselben Reformen von den Sozialisten beantragt werden. Durch die Aktionseinheit werde in absehbarer Zeit in Europa der große Tag der internationalen Re­volution herbeigesührt. Ueber die Stichwahlen äußerte Guesde, die Sozialisten müßten nächsten Sonntag die Klerikalen stürzen, damit im Parla­ment eine Reaktion gegen die Sozialisten un­möglich werde. Für das Industrieland Belgien sei der Tag nicht fern, wo die Sozialisten in der Kammer die Majorität haben werde und der König abdanken müßte.

In Belgien haben letzten Sonntag die Wahlen für Kammer und Senat nach dem neuen Wahlgesetz und auf Grund des allgemeinen Stimmrechts stattgefunden. Obgleich noch 60 Stichwahlen auf nächsten Sonntag anberaumt werden mußten, zeigt sich doch jetzt schon mit großer Sicherheit das Resultat, daß die Liberalen eine ganze Reihe von Sitzen teils an die Kleri­kalen und größeren Teils an die Sozialdemo­kraten verlieren. Letztere waren in der zweiten Kammer bisher gar nicht vertreten, die Katholiken haben aber eine sichere Mehrheit behauptet und dem Ministerium.wird es nicht unan­

genehm sein, daß der frühere Ministerpräsident und Führer der Klerikalen, Woeste, der fort­gesetzt gegen das Ministerium intriguierte, nicht mehr gewählt worden ist. Wahrscheinlich wird der vor einigen Monaten zurückgetretene Bernaert wieder Ministerpräsident.

Paris, 17. Okt. In St. Jean de Tho- lome bei Bonneville in Savoyen ist ein scheuß­liches Verbrechen begangen worden. Eine junge Frau von 23 Jahren wurde von ihrer Tante mit Petroleum übergoffen und dann mit einem Streichholz angezündet. Die Aermste verbrannte bei lebendigem Leibe.

Der König von Serbien macht z. Zt. in Berlin nicht nur eine Art polit. Antritts­visiten, sondern wird bei dieser Gelegenheit auch Ausschau nach heiratsfähigen Prinzessinnen halten.

Die Engländer sind für ihre Missionen in China in großer Sorge, weil der im nörd­lichen China ausgebrochene Aufstand immer weiter um sich greift und nicht nur gegen die Lottere! der chinesischen Beamten, sondern vor allem gegen die Ausländer sich richtet.

DieNowoje Wremja" spottet über die englischen Blätter, die das Himmlische Reich be­reits in allen seinen Fugen krachen lassen und für die allernächste Zeit seinen völligen Zerfall Voraussagen:Eine solche Ansicht haben sie sich zurechtgelegt über ein Reich von 400 Millionen Bewohner, nach der Besiegung einer chinesischen Truppe von allerhöchstens 18000 Mann, und nach der durchaus nicht vollständigen Niederlage des chinesischen Nordgeschwaders." Auf Grund der Darlegungen gewiegter Kenner der ost- asiatischen Verhältnisse sei darauf hingewiesen, wie schwer es Japan trotz seiner Siege fallen würde, China ganz zu Boden zu schmettern, zu unterwerfen oder gar in Unterwerfung dauernd zu halten.

Ueber russische Wünsche läßt sich Rußk. Shisn. wie folgt vernehmen: Rußland solle den Süden Koreas den Japanern lassen, den Norden und damit die begehrenswerten Häfen selbst sich nehmen. Außerdem solle es sich zum Schutze der sibirischen Eisenbahn. Kuldscha, die Mongolei und die nördliche Mandschurei angliedern. Das ist nicht sehr bescheiden, aber wenigstens offen­herzig, und man wird es den Engländern nicht verdenken können, wenn sie zu der unter dem Admiral Freemantle stehenden Flotte von 17 Kriegsfahrzeugen immer neue Verstärkungen abgehen lassen. zumal da es auch heißt, daß Rußland seine ostsibirischen Truppen in großer Zahl an der chinesischen Grenze zusammenzieht. Wenn in Paris und London versichert wird, daß ein vollständiges Einvernehmen unter den Mächten hergestellt sei, so bezieht sich dies selbst- verständlich blos auf die Maßregeln zum Schutz der Europäer, nicht aber auf die politischen Rückwirkungen des Krieges, dessen entscheidende Schläge übrigens immer noch ausstehen.

Vom ostasiatischen Kriegsschauplatz liegen keine weiteren beglaubigten Nachrichten vor, als daß die japanische Landarmec die be­festigte Stadt Wiju am Aalufluß, welcher die Grenze zwischen Korea und der chinesischen Mand­schurei bildet, eingenommen habe. Am rechten (nördlichen) Ufer des Jalu soll eine chinesische Armee von 25000 Mann stehen, und der japa­nische Marschall Jamagata will noch schweres Geschütz abwarten, um den Fluß überschreiten und die Chinesen angreisen zu können. Alle gerüchtweise gemeldeten Landungen japanischer Truppen auf chinesischem Boden haben sich bis jetzt als unwahr herausgestellt, ebenso aber auch die Meldungen, daß China Friedensvorschläge gemacht habe.

Telegramme.

Berlin, 19. Okt. DerNat.-Ztg." zu­folge dürften in der nächsten Sitzung des Staats­ministeriums einzelne Minister über die Vorlagen gegen die Umsturzbestrebungen ihr Votum ab­geben, was aber noch nicht mit einer Abstimm­ung gleichbedeutend zu sein brauche; vielmehr könnten sich noch mehrere Verhandlungen an­schließen, so daß die Schlußentscheidung sich noch verzögert.

Darmstadt, 18. Oktbr. Die auswärts verbreitete Nachricht von der Abreise des groß­herzoglichen Paares nach Livadia bestätigt sich nicht. Prinzessin Alix reist morgen über Berlin und Warschau nach Livadia. Prinzessin Viktoria begleitet sie nach Warschau, wo die Prinzessin mit den russischen Herrschaften zusammentrifft. Von einer beabsichtigten Abreise des großherzogl. Paares ist bisher nichts bekannt. Das Be­finden des Zaren wird übrigens als sehr be­denklich angesehen.

Wien, 19. Okt. Eine Arbeiterversamm­lung zu Gunsten des allgemeinen Wahlrechts beschloß event. die Einleitung eines Massenstreiks. Die Arbeiter wurden beim Versuch, nach dem Parlamentsgebäude zu ziehen, von der Polizei, welche mit flacher Klinge vorging, zerstreut. Mehrere wurden verletzt und verhaftet. Ein Wachmann wurde durch einen Messerstich ver­wundet. Um 10"/i Uhr herrschte vollständige Ruhe.

Petersburg,18.Okt. In hiesigen diplo­matischen Kreisen befestigt sich der Glaube, daß die vielgenannte Prinzessin Helene von Or­leans, zweite Tochter des jüngst verstorbenen Grafen von Paris, sich demnächst mit dem künftigen österreichischen Thronfolger, Erzherzog Franz Ferdinandvon Oesterreich-Este, verloben werde. Insbesondere wird in dieser Hinsicht auf den jüngsten Besuch der Prinzessin Helene bei der Prinzessin Clementine von Koburg in Wien ver­wiesen, welch letztere als eine besondere Freun­din dieses Heiratsplans gilt.

Petersburg, 19. Okt. Das Depeschen- Bureau meldet: Bis gestern abend ist in dein Befinden des Kaisers keine Aenderung eilige- treten.

Mit einer Beilage.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.