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zurückfuhr. Nachmittags entwickelte sich auf dem mit Schau« und Wirlschaftsbuden reich ausge- staltelen Festplatz bei ungeheurem Volkszudrang das bekannte lärmende Volksiesttrciben.
lieber die Preisverteilung bei der letzten Bäckerei-Ausstellung in Stuttgart mehren sich die abfälligen Urteile, ohne daß die Mitglieder ves Preisgerichts es bis jetzt gewagt hätten, ihr Verfahren zu rechtfertigen und sich gegen die verschiedenen wider sie erhobenen Anklagen zu verteidigen.
Nagold, 25. Sept. Wie man hört, wird Regierungspräsident v. Luz die Kandidatur als Landtagsabgeordneter für unfern Bezirk wieder annehmen. Trotzdem wird uns ein Wahlkampf kaum erspart bleiben. Auch die Sozialdemokraten haben am Sonntag Flugblätter verbreitet.
Von den Geld- und Warenbörsen
Stuttgart, 27. Sept. Die glatte Abwickelung der Ultimoregulierung an den deutschen Börsen, ohne daß der Geldstand eine wesentliche Versteifung erlitten hätte, ferner günstige Kohlenverkaufsabschlüste an die preußische Staatsbahnverwaltung, die nicht ungünstigen politischen Aussichten für die ungestörte Fortdauer des europäischen Friedens, einerseits hervorgerufen durch die zurückhaltende Rede des neuen Präsidenten der französischen Republik und anderseits durch die Meldungen über den bedenklichen Gesundheitszustand des Zaren, welcher an der bekanntlich unheilbarenBright'schen Nierenkrankheit leiden soll, die von dem Herrscher aller Reußen jeden Kriegsgedanken fernhalten dürfte, wirkten in der abgelaufenen Woche zuiammen, um den Geldbörsen ein ziemlich freundliches Bild zu verleihen und die Kurse der meisten Spekulationspapiere, namentlich der Banken und Montanwerke zum Steigen zu bringen. Mit wenig Ausnahmen find deshalb auf dem Aktienmarkt fast durchweg Kursbesserungen zu verzeichnen. — An den Getreidebörsen herrschte in der abgelaufenen Berichtswoche eine recht matte Stimmung infolge des starken Angebots von Brotsrüchten aus Rußland und Amerika, namentlich in Weizen aus letzterem Lande. Nur effektiver Hafer konnte sich im Preise gut behaupten; sonst sind durchweg erhebliche Preisabschläge zu verzeichnen. Roggen pro Sept. fiel in Berlin von 120.75 aus 119.75, pro Ott. von 110.75 aus 110.20, pro Rov. von 116 auf 111.20, Weizen pro Sept. von 132 auf 127.50, pro Okt. gleichfalls von 132 auf 127.50 Weizenmehl Nr. 0 blieb unverändert aus 15 pro Doppelzentner, Roggenmehl Nr. 0 fiel von 14.75 auf 14.50, Hafer pro Sept. stieg von 122.25 auf 122.50, fiel dagegen pro Okt. von 119.25' auf 116. Auch von Wien und Pest wird flaue Stimmung gemeldet. — Auf den Baumwollmärkten macht die nun schon so lange andauernde Mattigkeit immer weitere Fortschritte, und die Preise, sowohl für amerikanische als ägyptische und indische Sorten, sind abermals erheblich zurückgegangen. Die Terminpreise für amerikanische Sorten verloren gegenüber dem Schluß der Vorwoche weitere 9 Pomts. Aus den Baumwollgarn- und Tüchermärkten herrscht nun gleichfalls überall ausgesprochen flaue Stimmung. Sowohl die Spinner als die Weber haben ihre Preise nicht uuerheblich herabsetzen müssen, und die.Abschlüsse neuer Kontrakte vollziehen sich zudem äußerst schwer, da die Käufer die Flauheitsperiode noch lange nicht sür abgeschlossen erachten. — Nach der vorwöchigen Verstauung ist auf den Zuckermärkten wieder eine bessere Stimmung eingetreten und die Preise beginnen wieder anzuziehen, da der Zuckergehalt der diesjährigen Rübenernte hinter den Erwartungen zurückbleibt. Rübenzucker 88°/„ Rendement stieg in Hamburg pro Sept. von 11.17 >/2 auf 11.20, pro Okt. von 10.47'/z aus 10.55, pro Dez. von 10.32 auf 10.45 und pro Marz von 10.50 auf 10.62'/z. — Dagegen hat aus den Kaffeemärkten die Erholung der letzten Woche nicht stand gehalten. Die Umsätze sind allenthalben nur als geringfügig gemeldet und die Preise wieder im Weichen begriffen.
Ausland.
In Noget sur Seine, dem früheren Wahlbezirk Casimir Persers, ist an Stelle des von dem Präsidenten der Republik empfohlenen Kandidaten Robert ein Radikaler namens Bachi- mont gewählt worden, was dem Präsident selbst wie dem Kavinet eine große Verlegenheit ist.
Das Brigantentum blüht auf dem klassischen Boden? Griechenlands üppiger denn je, wie der bekannte Vorfall mit der Bande Papakyritzopoulo erst neuerdings wiederum bekundete. Freilich sind die fortwährenden Begebenheiten in dieser Richtung in Griechenland auch nur dadurch möglich, daß das Landvolk nur den Räubern vielfach unter einer Decke steckt und ihnen allen erdenklichen Vorschub leistet. Ja, die Beziehungen des RäubcrtumS reichen bis in die Kreise des Parlaments und des Gerichts selbst hinein; stand doch unlängst ein Mitglied der Deputiertenkammer vor dem Larissaer Kriminalgericht unter der durch Zeugenaussagen erhärteten Anklage, an einem Kirchen- raube teilgenommen zu haben — und der ehrenwerte Deputierte wurde sreigesprochenl
Südrußland hat eine ganz vorzügliche Getreideernte gemacht; infolge des Ueberflusses sind die Preise auf die Hälfte herabgesunken. Ein in Südrußland lebender Schweizer schreibt dem „Neuen Winterth. Tgbl.": „Der russische Gutsbesitzer steht trostlos vor seinem Getrcide- scgen, denn bei den nachstehenden Preisen erzielt er nicht einmal seine Arbeitslöhne! Die größten Flächen werden nicht geerntet, sollen vielmehr stehen bleiben und verfaulen, da der Arbeitslohn mehr beträgt, als der Wert des Getreides ist. Die Nachfrage des Auslandes ist ganz schwach." Für den Doppelzentner Getreide, auf die Bahn- stationen geliefert, (ohne Säcke) wird bezahlt: Roggen, beste Qualität 4^L 30^, Weizen 5vfL 75^, Hafer, leichter 3-^6 40-»f, Hafer, besserer 4c^L 75 Gerste 2-M 65^. Leinsaat 13 50 ^Z. Zur Zeit beträgt die Fracht für den Doppelzentner Getreide von Odessa bis Mannheim nur I 13^! (Amerikanisches Getreide wird von Baltimore bis Rotterdam um 23 per Doppelzentner herübergcbracht.)
Anteryattender Heil.
Der schwarze Lude.
Eine Wilderergeschichte aus dem Rothaargebirge von Chr. Fleischhauer.
(Nach einer wahren Begebenheit.)
(Nachdruck verboten.)
(Fortsetzung.)
11 .
Am Ufer der Eder erheben sich auf jähem Fels die Mauern einer festen Burg Hoch ragen Thürme und Zinnen hinein in die Lande und unvergleichlich schön ist der Blick von oben auf die Berge und Thäler, den glitzernden Fluß, die Schlösser, Städte und Dörfer im Umkreis.
Aber stolze Ritter und anmutige Edelfrauen wohnen zur Zeit unserer Erzählung nicht in den weiten Räumen. Dieselben sind herabgestiegen von stolzer Höhe, sind der Aufenthalt geworden für die Verbrecher des Landes, das Schloß ward zum Zuchthaus.
Hier sitzen sie, die gegen die Ordnung der menschlichen Gesellschaft verstoßen, in engen Zellen, je nach der Schwere der begangenen That, oder sie arbeiten in weiten Sälen am Webstuhl, schleifen und sägen Marmor oder sind anderweit beschäftigt.
Draußen am kleinen Eingangspförtchen des sonst stets verschlossenen mächtigen Thores steht die Wache mit aufgepflanzem Bajonett, mit schußbereitem Gewehr.
Hier finden wir Lude. Er hat es gewußt, was seiner wartete und sein Freund weiß, wo er zu finden.
Ach, wie ist's dem Wilderer so eng zwischen den Mauern. Eng ist der Schloßhof, klein das Stück Himmel, das über ihm blaut und drüben, man könnte sie fast mit der Hand greifen, die blauenden Berge, die letzten Ausläufe des Rothaar. Und der Fluß tief unten, er kommt aus seinen geliebten Bergen und sein Rauschen hat ihm oft Grüße gebracht, Grüße aus der Ferne in seine einsame, dumpfige Zelle. Ach einmal, einmal nur hinaus!
Ob sie ihn reut, die That, zu der ihn sein gutes Herz getrieben?
Und wie peinigen sie seinen Körper! Als sei er ein Mörder. Ja, wurde ein Wilddieb denn nicht härter bestraft, als ein Mörder? O, er wußte es wohl. Und doch, er hat es sich leichter gedacht. Man hatte ihm den Fuß an eine Kette geschlossen! Und am anderen Ende der Kette die schwere, schwere Steinkuzel. Sie machte ihm das Gehen nur möglich, wenn er sie aufhob und im Arm mit sich schleppte.
Noch war ihm das Urteil nicht gesprochen. Aber man fürchtete den verwegenen Mann und hatte alle Vorsichtsmaßregeln getroffen, ein Entweichen zu verhindern. Der tägliche Spazier- gang im Verein mit anderen Gefangenen beschränkte sich nur auf den Raum des inneren Burghofs unter steter Aufsicht eines Aufsehers.
Und doch hoffte Lude. Hier in den Mauern, das fühlte er, hielt er es nicht lange aus, es war sein Tod. Dazu die Gedanken, welche unruhevoll in die Ferne schweiften, nach seinen Bergen, nach den Menschen dort. Hatte dem Hans Wänger sein Thun etwas genützt, waren
ihm die erwarteten Vorteile geworden? Hatte der Lindenwirt, dadurch vielleicht milder gestimmt, dem Wunsche der Liebenden nachgegeben, beharrte er noch trotzig auf seiner Weigerung? Wie stand es um Kaspar, seinen Geiährten, dachte er seiner? Wer gab auf die peinigenden Fragen Antwort?
„Der schwarze Lude darf von heute an wegen seiner tadellosen Führung mit den übrigen Gefangenen seinen Spaziergang auf die nähere Umgebung des Schlosses ausdeynen. Dem betreffenden Aufseher wird zur Pflicht gemacht, keine bei der Aufsicht nötige Vorsichtsmaßregel außer Acht zu lassen!"
Als dem Wilderer dieser Befehl des Kommandanten vorgelesen, spielte ein triumphierendes Lächeln um seine bartlosen Lippen. Denn der schöne volle Bart war gefallen, das krause Haar kurz geschoren, und ln der Sträflings- kleidung hätte wohl selbst Kaspar nicht auf den ersten Blick seinen Genossen erkannt. Doch dieses veränderte Aussehen machte dem Wilderer die wenigste Sorge, es konnte ihm für später nur noch dienlich sein.
Zum zweiten Male ist er mit draußen in der näheren Umgebung der Burg. Wie hatte sich seine Brust geweitet. Wie hatte sein Auge geblitzt! Da lagen sie frei vor ihm, die Berge und Wälder, die er liebt. Werden sie ihn wieder einmal aufnehmen in ihren kühlen Schatten? Träumend schaut er hinüber.
Der Aufseher ist eine Strecke weiter mit einem anderen Gefangenen beschäftigt, der eine Gartenarbeit besorgt.
Da tönt aus dem nahen Gebüsch der Schlag einer Amsel. Eine» Moment zuckt es über das Antlitz des Wilderers, einen Moment nur. Der Aufseher, der eben herüberschaut, steht ihn an einen Baum gelehnt, die schwere Kugel im Arm, den Blick auf die Berge gerichtet.
„Er jammert! Er sehnt sich wieder hinaus, wer mag's ihm verdenken?" denkt der Mann und wendet sich wieder zu seinem Gefangenen.
Klirrend fällt neben Lude ein blitzender Gegenstand zur Erde. Unbeweglich, wie aus Stein gehauen, steht der ÜLilddieb. Jetzt fällt ihm die schwere Kugel aus dem Arm. Er läßt sie einige Minuten liegen und bückt sich dann müde zur Erde, sie wieder aufzunehmen. Das kleine blitzende Ding ist in seinen Händen und ein leichtes Lächeln verklärt das gefurchte Antlitz, als er mit den anderen Schicksalsgenossen durch das enge Psörtchen im Thore den inneren Schloß- Hof betritt.
„Guten Tag, Lude!" Der Angeredete blickt auf. Neben dem Wachtlokale steht der Unteroffizier, der das Kommando im Rothaar führte, als man ihn gefangen nahm. Am Nachmittage hat eine Ablösung des Wachtkommandos statl- gefunden.
„Ist hier halt nicht so schön wie drüben im Walde!" höhnte der Soldat. „Und wie habt Ihr Euch verändert. Hält' Euch wahrlich nicht wieder erkannt, wenn man mir nicht gesagt hätte: der mit dem Kügelchen da und dem Kettchen ist Eu'r Lude. Ein schön Uhrwerk!"
Ein Blick der Verachtung streift den Spötter. Ruhig geht der Wilderer an ihm vorüber.
„Wie stolz der Kerl noch ist! Na warte, sie machen Dich zahm!"
Er hört's nicht mehr-
Früh ist's am Morgen.
Ein dumpfer Kanonenschuß weckt die Schläfer der Burg. Und drüben in den Bergen bricht sich das rollende Echo des Schusses und in das Echo mischt sich das Lachen eines Mannes, der mit vollen Zügen sie einsaugl die erfrischende Luft des Waldes. Er ist frei!
Der Kanonenschuß hat, wie es üblich, dem Schlosse, der nahen Stadt verkündet, daß ein Gefangener entflohen.
„Wer ist's" fragte man in der Stadt, fragte man sich auf der Burg, fragte ein Gefangener den anderen und neivvolle Gesichter warteten der ersehnten Antwort.
In Ludes Zelle stand neben dem ratlosen Schließer der Schloßkommandant. Die Zelle war leer, bis auf die Kugel und Kette, die der frühere Bewohner wohl als Andenken zurückge-