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gegen das Küssen erlassen, weil dieser Brauch ein Mißbrauch sei und nach den neuesten Forschungen unzählige Male die gefährlichsten Krankheiten übertrage. Es heißt sogar, die Regierung des Staates wolle ein Gesetz gegen das Küssen einbringen, das Zuwiderhandelnde mit harter Strafe bedroht. (Da die Uebertrctung dieses Gesetzes gewöhnlich im Geheimen zu geschehen pflegt, vermissen wir einen Paragraphen, der dem Angeber eine Belohnung zusichert!)
(Sonnenschirme als Rangzeichen.) In den malayischen Ländern zeigen die Sonnenschirme den Rang des Besitzers an, wie in Europa die Epauletten den Rang der Offiziere. In Java werden 27 Rangstufen durch die Sonnenschirme kenntlich gemacht, deren Farben im großen Rat genau festgestellt sind. Die vornehmsten sind weiß mit goldenen Rändern, dann folgt dem Range nach grün, blau, braun in verschiedenen Anordnungen. Nur bei den ersten sechs S.ufen sind die Ränder von Gold, bei den übrigen gelb. In Siam ist der Sonnenschirm von vielen Stockwerken ein Attribut des Königs und figuriert auf dem Staatssiegel zu beiden Seiten der pyramidalen Krone.
(Ein Mißverständnis.) Aus Nürnberg wird berichtet: Hier finden tüchtige Biertrinker dauernde Beschäftigung! So steht am Fenster einer Gastwirtschaft in der hiesigen Texelgasse deutlich zu lesen. Dieser Aufforderung vermeinte gestern ein derart „Arbeitsloser" Nachkommen zu sollen und fand denn auch richtig „Beschäftigung". Um Bezahlung ersucht, verweigerte er sie, indem er sich auf die obige Offerte berief. Trotz eifriger mündlicher Verhandlungen konnte eine Verständigung nicht erzielt werden, so daß der „Arbeitgeber" alsbald den Beschästig- ungsuchenden grausamen Herzens in sanfter Weise an die Lust setzte.
Um Apfelmost einzufieder», wird derselbe unmittelbar von der Presse in einen gut verzinnten Kessel gebracht, dort erwärmt und zum Sieden gebracht. Je mehr man denselben einsieden läßt, desto bessere Qualität wird erzielt. Most, der zur Hälfte eingesotten wird, steht an Gehalt keinem Weine nach. Nach dem Sieden wird der Most in eine Stande gebracht und erst nach dem vollständigen Erkalten ins Faß geschüttet. Die Füllung des Fasses soll aber nicht in tagelangen Zwischenräumen erfolgen. Auf größtmöglichste Reinlichkeit ist ebenfalls zu achten. Most, der zu V« oder mehr emge- sotten wird, bleibt auf Jahre hinaus haltbar, im zweiten oder dritten Jahre wird er sogar noch viel angenehmer zu trinken. Verwendet man so einen Ueberfluß wie 1893 in dieser oder einer andern Art, so daß etwa der Aufbewahrungsraum verringert und die Aufbewahrungszelt verlängert wird, so ist das jedenfalls vernünftiger, als das Beispiel eines Obstbauern, dem beim Ausbleiben der Obsthändler sein zu Spottpreisen verkäuflicher Lbst- reichtum so zu Herzen ging, daß er hinging und sich erhängte. So geschehen im Herbst 1893.
Der (Geradehalter) (Patent Nr. 69 580) des C. Freiherrn von Wolfs, welcher von der Firma Ludwig Augenmüller u. Comp, in München auf den Markt gebracht wird, ist im Gegensätze zu andern, für den gleichen Zweck bestimmte Apparaten außerordentlich einfach und deshalb wenig kostspielig. Er besteht aus einem über die Schultern zu legenden Lederkoller, welcher als Stütze eines runden Bügels dient, der, sobald der Träger die normale Haltung ausgiebt, unter das Kinn drückt uno hierdurch die Rückkehr zur guten Haltung veranlaßt. Dieser Bügel ist mit dem Tarllengurt durch Rückenriemen verbunden, welche die Schulter nach hinten ziehen und die Wirbelsäule in die gehörige Lage bringen. — Das Gerät, welches ein voller Ersatz für die hygienischen Schreibpulte ist, braucht nur wenige Stunden am Tage getragen zu werden, um die Körperhaltung dauernd zu verbessern. Es ist verstellbar uud läßt sich den verschiedenen Körpergrößen anpassen.
Dem bekanntlich bisher durch Schlagen gewonnenen Blattgold, welches man zum Vergolden von Gegenständen aller Art benutzt, droht in elektrisch niedergeschlagenen, äußerst dünnen Goldhäuten eine Konkurrenz zu entstehen. Der Erfinder des bekannten Glühlampensystems Swan hat, wie das Patentbureau Ger- son u. Sachse mitteilt, durch Elektrolyse derartige dünne Niederschläge von Gold, die sich ursprünglich aus einer später zerstörten Kupferunterlage befanden, gewonnen. Es ist bekannt, wie dünn schon das geschlagene Plattgold ist. Die nach den neuen Verfahren gewonnenen Blätter haben jedoch nur den fünften bis zehnten Teil jener Stärke.
Gegen das Rosten der Gartengeräte. Man schmilzt zu diesem Behufe 3 Teile Speck mit 1 Teil Harz zusammen und trägt die Mischung mit einer Bürste oder einem Lappen auf. Die feinsten, wie die gröbsten Gegenstände aus Stahl und Eisen können auf diese Weise vor Rost geschützt werden. Diese Salbe sollte deshalb immer in Bereitschaft sein. Das Verhüten
des Rostes besteht darin, den Sauerstoff der Luft von den Sachen abzuhalten, und dies ist durch den in Rede stehenden Fcttsirnis zu erreichen.
(Um Flecke von Rotwein, Hndelbeerwein und dergleichen aus weißer und bunter Wüsche zu entfernen,) wird empfohlen, einige Tropfen umgerührter, gestandener oder saurer Milcy auf den frischen Fleck zu gießen, dieselbe einige Zeit auf dem Stoff liegen zu lassen, und dann mit lauem Wasser nachzuwaschen. Auch bei farbigen wollenen Kleidern hat sich dieses Erfahren erprobt. Aus Holz- und Steinböden kann man nicht zu sehr veraltete Heidelbeer- und Kirschflecke auf diese Weise entfernen.
sStocklose, zusammenlegbare Regenschirmes von Karl Dürrigl in Wien, bestehen aus einem kreisrunden, wasserdichten Stoffstück, welches am Rande mit Rcifenanlagen gesäumt ist, die durch Schieber zu einem steifen Ganzen verbunden werden, wenn der Schirm in Gebrauch genommen werden soll; in der Mitte trägt der Schirm rin Gummiband, welches, nachdem der Schirm auf den Kopf gestülpt, unter das Kinn gelegt und so der Schirm befestigt wird. Durch Kara- binerhackeu am Umfang des Schirmes kann derselbe am Körper befestigt werden. (Mitgete.lt vom Patent- und technischen Bureau von Rich. Luders in Görlitz.)
(Die junge Hausfrau.) Junge Frau: Minna, mein Mann hat mir gesagt, er möchte mal gerne Aal zu Mittag essen. — Köchin: Schön, Madame; wie viel soll ich kaufen? — Junge Frau : Na, ich denke, drei bis vier Meter werden genügen! — (No! Na!) A.: Ich wußte garnicht, daß Sie den Doktor Springer kennen. — B: Ob ich ihn kenne; ich kannte ihn schon, als sein Vater noch ein ganz kleiner Junge war. — (Wörtlich befolgt.) Er: Das geht aber nicht, liebes Kind: Du verleugnest Dich, sobald sich eine Dir nicht ganz sympatische Person zum Besuch meldet. — Sie: Hast Du mich nicht gelehrt, der Mensch, dem gesell- schastlichc Pflichlen obliegen, müsse Selb st- vcrleugung üben?! — (Der bescheidene Liebhaber) Dame (zum Mädchen): Haben Sie auch einen Schatz? — Mädchen: Ja, gnädige Frau! — Dame: Was ist er denn? — Mädchen: O, gnädige Frau, er ißt nur, was übrig bleibt.
(Abwechslung.) „Warum machen Sie denn von den Klößen einen immer groß und den andern klein, Frau Nachbarin?" — „ „Weil mein Mann sich immer beklagt, baß er zu wenig Abwechselung im Essen hat!"" — (Feine Ausrede.) Hausfrau: Die Milch sieht so blau aus seit einigen Tagen, Sie schütten wohl Wasser hinein?
— Bauer: Ich bewahre; das wird daher kommen, weil die Kühe jetzt so viele Kornblumen fressen!
— (Gegen Ende des Monats) „Wollen Sie nicht ein Spiel mit uns machen, wir warten auf den Dritten!" — „Danke, ich warte auf den Ersten!"
(Sicheres Zeichen.) „Sagen Sie, Herr Lieutenant, kennen Sie die Frau Geheimrätin näher!?" — „Jewiß — sehr geistreich! Neulich Witz jemacht — sie sofort kolossal jelacht." — (Schneidig.) Lieutenant (Casinovor- stand die Tafel musternd): „Ordonanz, Sie sind ein Kameel! Ist ja Alles schief gedeckt! ...Sie sind wohl Schieferdecker, he?" — (Immer Geschäftsmann.) „Herr Teibeles, Ihne' fehlt nie was . . . Sagen Se, vun wo beßieh'n Se Ihre Gesundhheit?" (Fl. Bl.)
(Jaso!) Tourist (zum Führer, der ihn zu zu einem berühmten Wasserfall geführt): „Was verlangen Sie?" — Führer: „Fünf Mark!" — Tourist: Wie kommt das? Mein Freund war vor einigen Tagen hier und von dem verlangten Sie nur drei Mark! — Führer: „Heut' ist eben Alpenglüh'n dabei." (Fl. Bl.)
(Aus einem Vortrag ) ... Aristoteles war sozusagen der Privatdozent des kleinen Alexander des Großen!"
Gedankenspäne.
Der Ungebildete wird dann am ungemütlichsten, wenn er gemütlich werden will.
Der wahre Pessimist freut sich im Grunde über jedes Unglück, das ihn trifft.
Telegramme.
Berlin, 25. Sept. Von guter Seite wird gemeldet, der Kaiser habe bei seiner Abreise von Thorn auf dem Bahnhofe zum Bürgermeister Kohli geäußert: „Was ich heute gesagt, mag wohl beachtet werden; ich kann auch sehr unangenehm werden.
Bückeburg, 26. Sept. Die regierende Fürstin von Schaumburg-Lippe wurde gestern Abend von einem Prinzen glücklich entbunden. Die Fürstin und der Prinz sind wohl.
Berlin, 26. Sept. Ein Prozeß Treuherz verspricht einen Umfang anzunehmen gegen den der Hannoversche Spiclerprozeß weit zurück bleibt. — Die „Kreuz-Ztg." erfährt aus Warschau, daß in den letzten drei Tagen wiederum zahlreiche Verhaftungen stattgcfunden haben angeblich wegen Teilnahme an einem Geheimbund. Unter den Verhafteten befunden sich Literaten, Pharmazeuten, Studenten und Schriftsetzer.
Breslau, 25. Sept. In der Malthias- straße kam cs gestern zu argen Ausschreitungen. Ein betrunkener Arbeiter, dem in einer Wirtschaft keine Getränke mehr verabreicht wurden, tobte so, daß zwei Schutzleute ihn vergeblich zu bändigen versuchten. Ein Bande Rowdics riß die Schutzleute zu Boden, begab sich dann nach dem Wachtlokal uud warf dort die Fenster ein. Der Urheber des Skandals und die Hauptruhe- störer sind verhaftet.
Haag, 25. Sept. Publikum und Presse erörtern leidenschaftlich die Thalsache, daß sich in St. Ludwig im Elsaß ein Ausschuß gebildet hat, welcher den Erben des im Jahre 1691 als Gouverneur von Breda verstorbenen Generals Metzger aus diplomatischem Wege zu ihrem Rechte verhelfen will. Das Erbe betrug 140 Millionen und soll jetzt auf 1256 Milliarden angewachsen sein.
Ulm, 26. Sept. Die „Ulmer Zlg " erhielt gestern vormittag nach 11 Uhr den Besuch der Staatsanwaltschaft. Es wurde die Nr. 221 wegen des Leitartikels „Von Gottes Gnaden" beschlagnahmt, die Redaktions- und Druckereiräumlichkeiten wurden nach dem Manuskript durchsucht. Diese Maßnahmen geschahen, wie man annimmt, auf Betreiben der Konstanzer Staatsanwaltschaft, die bekanntlich einen Tag vorher die dort erscheinende „Abendztg." wegen des gleichen Leitartikels konfiszierte. Nachmittags 4 Uhr wiederholte die Staatsanwaltschaft ihren Besuch bei der „Ulmer Zeitung". Diesmal wurde die Nr. 222 beschlagnahmt und zwar w'gen des zweiten Absatzes des Leitartikels, der eine Kritik der Kaiserrede enthält.
Ulm, 26. Sept. Gestern abend '/,8Uhr hatten wir hier ein starkes Gewitter. Der Blitz schlug auf den Striebelhöfen, eine halbe Stunde von hier im bayrischen in eine Scheune, die vollständig abbrannte.
Ulm, 26. Sept. Ein Knecht des Güterbeförderers Hon old verunglückte gestern nachmittag dadurch, daß ihm der Sockel eines Grabsteins, den er ausladen wollte, den Kopf zerschmetterte, so daß er noch am Abend starb.
Göppingen, 26. Sept. Gestern abend '/s8 Uhr wurde während eines heftigen Gewitters im Garten der Frau Seefried Witwe St. Elmsfeuer beobachtet, welches sich in einer Höhe von 5 Meter über einem Baume zuerst als feurige Kugel zeigte und sich dann in blauen Flammen auflöste. Die Erscheinung dauerte ca. 1 Minute
London, 26. Sept. Pekinger Depeschen zufolge hat der Kaiser beschlossen, falls die Japaner die Hauptstadt besetzen sollten, sich mit dem Hofe nach Nanking zurückzuziehen. — Ein Orkan verwüstete in den japanischen Distrikten von Okita und Jwante 1500 Häuser. 300 Menschen sind umgekommen.
Warschau, 25. Sept. In Llaski hat ein Brand 60 Häuser vernichtet. In einem Hause verbrannten drei Personen.
Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.