616

Schuß. Er weckt das Echo der Berge. Dann tiefe Ruhe wieder, nur das Atmen des Waldes

Der einsame Jäger wandert dem Forsthause zu. Auch da drinnen hat die Ruhe gefehlt. Der alte Förster wirft sich ruhelos auf seinem Lager umher, gepeinigt von der Gicht und sorgenden Gedanken.

7.

In einer eigentümlichen Stimmung befand sich während dieser Tage der Wirt zur Linde am Kreuzweg. Hatte ihn schon die Entdeckung der Liebschaft, die seine Tochter hinter seinem Rücken angefangen, weidlich erregt, so hatte sich diese Erregung bedeutend gesteigert nach der Unterredung mit Lude. Er hatte dem Wilddieb nicht offen widersprochen, doch je mehr er darüber nachdachte, welchen Druck derselbe auf ihn aus­zuüben suchte, um eine Verbindung der Liebenden zustande zu bringen, desto mehr empörte sich sein Inneres gegen diesen Einfluß, die ein Anderer auf seine Entschließungen auszuüben wagte. Hatte er nicht eigentlich schon lange über die Hand seiner Tochter bestimmt? War er nicht schon, wenn auch nur gelegentlich, in Unterhandlungen getreten mit seinem Geschäftsfreund, dem Kronen­wirt in Anselbach? Wahrhaftig, vessen zweiter Sohn, ein Wirt durch und durch, paßte in sein Anwesen. War er nicht willens gewesen, in nächster Zeit die Sache weiter zu ordnen, die Rosel einmal unter einem passenden Vorwände mitzunehmen zum Kronenwirt, damit die jungen Leute sich kennen lernten? Und nun kommt ihm, wie ein Blitz aus heiterem Himmel ist's ihm gekommen, nun kommt ihm die Liebschaft mit dem Jäger in die Quer und dieser Lude! Was bewegt den Fremden, sich in seine Familien­verhältnisse einzumischen? Wohl ist ihm in den Stunden des Ueberlegens, des Nachdenkens ein Zusammenhang gekommen. Er kennt Lude's Geschichte so genau, vielleicht noch genauer, als seine Tochter sie kennt. Er fühlt es, der Lude will dankbar sein für das, was man ihm gethan. Pah! Dankbarkeit! heutzutage! Eine unbekannte Größe! Ein Narr, ein verdammter Narr, der Lude, daß er noch an Vergangenes überhaupt denkt, das muß man vergessen, aber dazu noch des Vergangenen dankend gedenken. Dop­pelter Unsinn! Aber will er denn dankbar sein, der Lude? nun so sei's doch. Ist er's nicht schon gewesen? Hat er nicht, wie einer der Wilderer es ihm beim Glase ausgeplaudert, den Jäger vor bösem Schicksal gerettet? Nun ja, nun sind sie ja quitt, er und der Alte! Was mehr noch?! Donner und Doria, will er noch mehr thun, er mag's, aber aufseine Kosten, nicht auf die anderer Leute. Sein Mädcheu dem Burschen zuspielen, dazu sein schönes Anwesen. Ha! ein schöner Gedanke das. Nein, und dreimal nein, der Teufel hol's!

Schwer sauste die Faust nieder auf den Eichentisch, daß die Gläser tanzten und hüpften.

Was der Lude nur noch vor hat? In Gedanken geht er herum, man mag ihn kaum aureden und auf jede Frage nur eine kurze ab­weisende Antwort. Ha! Möchte sich vielleicht dem Wänger ganz überliefern mit Haut und Haar, wie der Bursch sich es gewünscht, daß er hinauf steige auf der Leiter des Glücks? Halt, Bürschen, bei mir findet die Leiter keine Sprosse auf der Du emporklimmst, wahrhaftig nicht. Und so leicht ist die Sache auch nicht, lieber Lude, der Jäger schont Dich nicht, wenn die Gelegen­heit für ihn günstig, darauf verlaß Dich, und fest bist Du nicht gegen Hieb und Stich, das weiß ich so gut wie Du. Bei Gott, bald könnte ich wünschen, daß eine Kugel baldigst die Sache entschiede, in meine Angelegenheiten lasse ich mir von Dir nicht pfuschen, Lude. In meine Ange­legenheiten. Ha! Die zuckende Hand fährt durch die ergrauenden Haare. Ha, hier Dein Haar in Ehren grau geworden, Christoph, bist Du der Ehrenmann, jfür den Dich die Welt hält? Hat der Wilderer nicht die Macht, einen Druck auf Dich auszuüben? Sagt er nicht selbst, der Hehler sei so gut wie der Stehler? Verdammt, so sagt auch der Richter! Aber wenn auch, ich will den Forstmann nicht zum Eidam, in Teufels Namen, nein, zehnmal nein!

(Fortsetzung folgt.)

Aus der Pfalz, 9. Sept. Eine erschwerte Briefbestellung kann man es nennen, wenn man von Seiten des Empfängers mit Schüssen begrüßt wird. Dies widerfuhr jüngst, wie diePfälzische Bolksztg." mitteilt, in Kaiserslautern einem Post­unterbeamten. als er nach Mitternacht einem dortigem Kassenbeamten einen Eilbrief zustellen wollte. Auf sein Klopfen an der Thür zeigte sich im oberen Stockwerk Licht, und bald darauf wurden mehrere Schüsse abgefeuert, von denen zum Glück keiner traf. Der Bote zog es unter diesen Umständen vor, seine Bestellung bis zum I Hellen Tage zu verschieben, wo sich dann heraus­stellte, daß der Empfänger, bei dem schon ver- schiedentliche Einbruchsversuche unternommen worden waren, in ihm einen Dieb vermutet hatte.

(Eine Fünfzig-Millionen-Erbichaft.) Aus Amsterdam wird geschrieben: Ein Franzose namens Colmon, der früher Brigadier und Führer der Bürgcrsoldaten in Niederländisch-Jndien war, starb 1792 in Batavia und hinterlu-ß ein Ver­mögen von mehreren Millionen. Drei Viertel davon hatte er holländischen Verwandten hinter­lassen, und das letzte Viertel einer Nichte, die geistesgestört war und 1820 im Jrrenhause starb, ohne im stände gewesen zu sein, die große Erb­schaft anzutreten. Seit jener Zeit haben sich die Zinsen angehäuft und die Erbschaft beträgt heute an 50 Millionen Gulden. Die Zahl der Erben hat sich aber bedeutend vermehrt, in den 74 Jahren sind cs 154 geworden. Die Regierung von Niederländisch-Jndien sträubt sich jedoch, die Riesensumme auszuzahlen, und die 154 Erben, die sich vereinigt haben und von der französischen Regierung unterstützt werden, haben die nieder­ländische Regierung verklagt und werden ohne Zweifel ihre 50 Millionen erhalten.

Die höflichsten Leute derW el t dürften die Koreaner sein. Wird ein Koreaner gefragt, wie es ihm geht, so antwortet er:Danke für die Gunstbezeigung, welche Du mir erweist, in­dem Du eine solche Frage an mich richtest, meine Gesundheit ist gut." Ein Kranker antwortet seinem Besucher:Danke für den Besuch, es geht mir jetzt viel besser." Redet ein Koreaner einen Japaner an, so ist er besonders höflich. Stets leitet er seine Rede mit den Worten ein: Du bist so weise" oderDu bist so groß". Begegnet ein Koreaner einem Leichenzug, so hält er den Zug an, beugt sich über den Sarg und spricht:Ich bedauere aus's Tiefste den Verlust dieses höchst tugendhaften Mannes". Und dabei mag er den Toten nie im Leben gekannt haben.

sFatal.j. . Sehen Sie, es würde mich blos ein Wort kosten, um meine Frau zu be­sänftigen, wenn sie mir eine Gardinenpredigt hält!" Ja, weshalb thun Sie's denn nicht?" Za, seh'n Sie, ich komm'halt nicht da­zu!" sJm Gegenteil.) Schneider (zu seinem Lehrjungen, den er mit einem Mahnbrief zu einem säumigen Kunden geschickt):Na, war's ihm recht unangenehm, daß Du kamst?" Lehrjunge:Im Gegenteil er sagte, ich solle wieder kommen!" (Beim Barbier.)Der Arzt meint, es wär' gut für mich, wenn ich mir 'mal etwas Blut abzapfen ließe!"Schön, soll ich Sie rasieren oder schröpfen?"

Telegram nrle.

Berlin, 19. Sept. Der Verband der deutsch-nationalen Antisemiten Berlins hat gestern abend 12 Versammlungen in den verschiedenen Gegenden gegen den sozialdemokratischen Bier­boykott einberufen. Die Referenten, darunter Böckel, sprachen sich energisch gegen den Boykott aus, deren Führung hauptsächlich in jüdischen Händen liege. Die Versammlungen nahmen sämtlich Resolutionen gegen den Bierboykott an.

Magdeburg, 18. Sept. Der Afrika­forscher Major v. Wißmann hat sich mit einer Tochter des Geh. Kommerzienrats Eugen Langen in Köln verlobt.

Berlin. 18. Sept. Wie das Berl. Tagebl. mitteilt, hat die Staatsanwaltschaft heute bei der Rheinisch-Westfälischen Bank eine Büchcrrevision vorgenommen, was mit dem Prozeß zusammen- hängen soll, welcher gegen die Bank wegen ihrer

Beziehungen zu dem AktienbauvereinUnter den Linden" geführt wird.

Kiel, 18. Septbr. Die Kreuzerkorvette Prinzeß Wilhelm" ist während der Manöver in der Ostsee auf den Grund geraten.

Bayreuth, 19. Sepibr. Im Walde bei Rehau wurde die 18jähr. Beerensucherin Wolf­rum ermordet aufgefunden.

Stuttgart, 19. Sept. Prinz Ernst zu Sachsen-Weimar, Sohn des Prinzen Hermann zu Sachsen-Weimar, welcher bisher Rittmeister im 25. Dragoncrreg. in Ludwigs­burg war, wurde nach Preußen als Eskadrons­chef im 2. Gardedragonerregiment kommandiert. Der Prinz ist 36 Jahre alt und unvermählt.

Stuttgart, 19. Septbr. Die gestrige Küfcrgehilfenversammlung im Gasthaus zum Hirsch war von etwa 120 Gehilfen besucht. Nach einer vom Bureau vorgenommenen Zähl­ung befanden sich darunter 66 Gehilfen, die bei Küfermeistern und in Weingroßhandlungen in Arbeit stehen; insgesamt giebt es deren in Stuttgart rund 150. Für die Fehlenden glaubte sich eine größere Anzahl von Sprechern im Ernstfälle verbürgen zu können. Zur Debatte standen zwei Anträge. Der eine verlangte, daß die Lohnkommission, bevor ein Streik prokla- i miert würde, zwecks gütlicher Vermittelung un­verzüglich den Gewerbeinspektor und das Ge- wcrbegericht als Einigungsamt angehe, der andere forderte die sofortige Proklamation des Streiks. Mit 45 gegen 13 Stimmen wurde dem letzteren Antrag stattgegeben. Das Resultat der Abstimmung wurde mit einem lebhaften Bravo entgegengcnommcn. Der Beschluß ist heute früh in Kraft getreten. (So werden Streike in's Szene gesetzt.)

L e m b e r g, 18. Sept. In Ottyma hat die Cholera, da sich das Volk, wie vor einiger Zeit gemeldet, den behördlichen Maßregeln aus Aber­glauben widersetzt, bedenkliche Dimensionen an­genommen, besonders nachdem der Ortsvorstand, bewogen durch einen Uebersall auf das Cholera- spital, bei dem die Beamten mißhandelt und zwei kranke Frauen entführt wurden, erlaubt hatte, die Kranken in ihren Häusern zu pflegen.

In vergangener Nacht wurde das Haus des Ortsvorstchers in Brand gesteckt, weshalb noch heute ein Regierungskommissar abgesandt ist.

Budapest, 19. Sept. An der galizischen Grenze im Komitat Marmaros wurde die Cho­lera eingeschleppt. Die Seuche grassiert dort heftig unter den beim Bahnbau sich befindlichen Arbeitern. Die Regierung trifft Maßregeln zur Verhinderung der Weiterverbreitung. ,

London, 18. Sept. Ueber den Sieg der Japaner meldet ein Berichterstatter des Central News" von heute aus Pingyang, daß mit jeder Stunde der Eindruck von der Größe der chinesischen Niederlage wachse. Der Gesamt- Verlust der Chinesen ist in der ersten Meldung noch unterschätzt worden; er übersteigt, wie es sich jetzt herausstellt, die Zahl 17 000, darunter 15 000 unverwundete Gefangene. Außer dem berühmten Mandschuh-General Tso Fonkwai wur­den noch viele andere Generäle, also thatsächlich der gesamte Gesamtstab gefangen. Die Japaner haben ihren Sieg mit unglaublicher Schnellig­keit ausgenützt. Sie stellten innerhalb 10 Stun­den dieBerbindungen zwischen Pingyang, Pongson und Soeul durch Feldtelegraphen her und durch­suchen die Häuser nach chinesischen Flüchtlingen.

Sie sandten eine fliegende Heersäule nordwärts, um die Pässe zu besetzen, ohne welche chinesische Truppendurchzüge unmöglich sind. Die Chinesen wurden geradezu in einer Falle gefangen. Der japanische Feldmarschall Aamagata ließ in der festen Voraussetzung, daß die Chinesen innerhalb der Befestigungen verbleiben würden, alle vor­geschobenen chinesischen Posten wie in ein Netz zurücktreiben, so daß die Chinesen thatsächlich bei dem letzten Angriff schon umzingelt waren. Viele Tausende flohen dem Thale nach nordwärts, fanden den Rückzug abgeschnitten und ergaben sich regimenterweise. Die japancsischen Verluste sind leicht, da die Chinesen nur wenige Augen­blicke Stand hielten.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh in Neuenbürg.