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mochte. Da war vor allem das Zeugnis des Bauern, das gar schwer in Wagschale fiel, denn Peter Tomm blieb steif und fest dabei, es sei kein anderer gewesen, als Heinrich, der ihn über­fallen und ihm die fürchterlichen Schläge beige­bracht habe. Er habe das Gesicht, die Gestalt und die Stimme ganz genau erkannt, und es sei gar kein Zweifel möglich. Aber auch noch anderes wurde als belastend für den Knecht an­gesehen: die Drohung, welche er auf der Wiese ausgesprochen hatte, und welche er selbst nicht in Abrede stellen konnte, und dann sein vergeb­liches Bemühen, einen Beweis dafür zu erbringen, wo er sich an dem verhängnisvollen Abend auf­gehalten habe! Er war etwas verlegen geworden, als man ihn danach fragte; dann aber hatte er erklärt, er sei sehr aufgeregt und traurig gewesen und sei planlos umhergelaufen, bis er bei Ein­bruch der Nacht auf einen wandernden Handwerks­gesellen gestoßen sei, der sich ein wenig verirrt und ihn gebeten habe, ihn wieder zurecht zu führen. Das habe er denn auch gethan, und weil der Wanderbursch anscheinend ein sehr kluger und auch warmherziger Mensch gewesen, so sei ihm das Herz auf die Zunge gekommen, und er habe ihm all' sein Mißgeschick und Herzeleid ge­klagt. Da der Gesell müde gewesen, hätten sie sich während des Erzählens auf den Rand des Chausseegrabens gesetzt, und er hätte ihn schließ­lich bis zu der Eisenbahnstation begleitet, wo sie um zwei Uhr nachts angekommen seien, also zu einer Zeit, in welcher der verwundete Bauer be­reits aufgefunden war. das Verbrechen also längst verübt sein mußte. Wenn man dieser Erzählung glauben schenken konnte, so war Heinrich ge­rettet, aber das Unglück war eben, daß das außer seinem armen Mütterlein und außer der verzweifelten Grethe keine Menschenseele that. Auf dem Wege, den er mit dem Gesellen gemacht haben wollte, lagen viele Wirtshäuser, aber in keinem hatte man sie gesehen, wie er denn auch offen erklärte, sie wären nirgends eingekehrt, eine Behauptung, die bei dem bekannten Durste der wandernden Handwerksgesellen die ganze Geschichte nur um so glaubwürdiger machte. Der einzige Zeuge aber, der ihn, wenn er über­haupt vorhanden war, wirklich aus der Not hätte retten können der Wanderbursche näm­lich war spurlos verschwunden, so spurlos, daß man zweifeln mußte, ob er jemals existiert habe. Alle Nachforschungen und selbst die Auf­forderungen in den Zeitungen blieben ohne Er­folg, und das war um so weniger verwunder­lich, als Heinrich gar nichts von des Handwerks­burschen Namen und Herkunft sagen und nicht einmal eine genaue Beschreibung von seinem Aeußeren geben konnte. Auch noch viele andere an und für sich geringfügige Dinge, welche der Herr Untersuchungsrichter und viele andere ge­lehrte Herren mit sehr viel Scharfsinn und Schlauheit herausgetüftelt hatten, wurden jetzt zu Heinrich's Schaden gedeutet, und da er den Beweis seines Aufenthaltes schuldig bleiben mußte, und kein anderes Mittel hatte, feine Unschuld darzuthun, so wurde er nach einigen Wochen vor das Schwurgericht in der Hauptstadt der Pro­vinz verwiesen.

Der Bauer Tomm war unterdessen so ziem­lich wieder hergestellt worden. Ganz ohne Schaden für seine Gesundheit war es dabei nun freilich nicht abgegangen, denn er war ein stiller, ein­silbiger Mann geworden, der seine Gedanken mitunter mühsam zusammensuchen mußte und und der meist trübselig vor sich hinstarrte. Aus seinem Hause waren seit jenem verhängnisvollen Tag Glück und Friede entwichen, denn Grethe hatte sich nur noch entschiedener geweigert als zuvor, dem reichen Niklas Feldmann ihre Hand zu reichen, obwohl sich jetzt auch Frau Katharina auf ihres Mannes Seite stellte. Das junge Mädchen blieb dabei, Heinrich Witte könne der feige Meuchelmörder nie gewesen sein, wenn ihn ihr Vater auch hundertmal erkannt zu haben glaube. Sie war überzeugt, daß seine Unschuld an den Tag kommen müsse und daß man ihn an dem Gerichtstag glänzend freisprechen werde, und sie war unerschütterlich entschlossen, ihm ihre innige Liebe und Treue totz alles Mißge­schicks zu bewahren.

Was aber Heinrich's Freisprechung anbe­traf, so sollte sie sich mit ihren Hoffnungen recht gründlich getäuscht haben, denn obwohl er auch am Tag der Schwurgerichtsverhandlung bei den Versicherungen seiner Unschuld be» harrte, und obwohl er einen braven und ge­schickten Verteidiger hatte, der alle seine Kunst aufbot, um die verlorene Sache zu retten, so war doch der Liebe Müh umsonst, und nach einer unendlich langen Beratung verkündeten die Ge­schworenen, die das junge Blut dauern mochte, und die darum, soweit es ihre Ueberzeugung zuließ, noch ein Auge zudrückten, daß er zwar nicht schuldig sei des versuchten Mordes, aber schuldig des versuchten Todschlags, und der Ge­richtshof verurteilte ihn darauf zu einer Ge­fängnisstrafe von zehn Jahren. Als ihm der Spruch vorgelesen wurde, richtete er sich hoch auf, streckte seine Hand gen Himmel und sagte noch einmal mit lauter feierlicher Stimme:

So wahr mir Gott helfe ich bin un­schuldig an dieser That!"

Aber es half ihm nichts mehr und er wurde in das Gefängnis abgeführt. Vorher aber schrieb er noch einen Brief an seine Mutter, bei dem es am letzten Ende hieß:

Sei getrost! Gott wird mir helfen!"

II.

Zweimal waren Sommer und Winter in's Land gegangen seit dem nächtlichen Ueberfall auf den Bauern Tomm, die Leute von Linden­dorf hatten die Sache fast vergessen und auch in Heinrich's Heimatsdörfchen dachte niemand mehr daran, außer seinem unglücklichen Mütter­lein, welche langsam dem Grabe entgegenwankte. Da geschah es eines Tages, daß ein gut ge­kleideter junger Mann in das Wirtshaus des kleinen Dorfes trat, sich einen Schoppen be­stellte und eine Unterhaltung mit dem Wirt begann.

Habt Ihr hier im Orte nicht einen ge­habt, Namens Heinrich Witte?" fragte er.Ich habe ihn vor zwei Jahren auf der Wanderschaft kennen gelernt und er hat mir damals sehr wohl gefallen. Nun mich mein Weg gerade in die Nähe führte, wollte ich's nicht versäumen ein­mal nach ihm zu sehen!"

Der Wirt erzählte ihm nun natürlich die ganze Geschichte. Nur Heinrich's Erzählung von dem Handwerksgesellen ließ er aus, weil er sie vergessen hatte. Der Fremde hörte ganz still zu und war sichtlich tief bewegt. Als der Wirt geendet, schüttelte er den Kopf und meinte:

Wenn sie da nur nicht am Ende doch einen Unschuldigen verurteilt haben! Der Mann sah mir wahrhaftig nicht nach einem Mörder aus, und am wenigsten nach einem verstockten Lügner!"

(Schluß folgt.)

Einen Weinstock von seltener Größe hegt der Gasthosbesitzer Kontner in Steyr-Enns- dorf im Hofe seines Gasthauses. 88 gm beträgt insgesamt die Fläche,, fvelche der Weinstock ein­nimmt. Die Lehrer einer niederösterreichischen Weinbauschule, die den Stock sahen, schätzten sein Alter auf 250 Jahre. Der Stock trägt Heuer über 1000 Trauben, verspricht daher eine reiche Ernte.

(Für zukünftige Kriege) ist in allen größeren Herren ein vollständiger Luftschifferdienst vorge­sehen. Das Wasferstoffgas wird in komprimiertem Zustande in eisernen Flaschen mitgenommen, die ähnlich den Behältern für flüssige Kohlensäure und nur auf stärkeren Druck geprüft sind. Aus diesen Flaschen wird der Ballon mitlelst eines Schlauches gefüllt und dann meist als Fessel­ballon zur Erkundung benutzt. Steigt man mit dem Bvllon bis zu 1500 Meter auf, wie dies bei uns im Manöver wiederholt geschehen ist, so hat man auf 10 bis 12 Kilometer bei einiger­maßen klarem Wetter einen Ueberblick, der jede Turppenbewegung zu erkennen gestattet. In dem Halteseil befindet sich eine Kupferader, welche als Leitung zwischen zwei Fernsprechern dient, so daß der vom Ballon aus erkundende Ossizier sich in fortwährender Verbindung mit dem auf der Erde befindlichen Truppensührer erhalten kann. Auch können vom Ballon aus Photographien ausge­

nommen werden, welche zur größeren Deutlich, keit des Gemeldeten wesentlich beitragen; der­gleichen Photographien werden sowohl von den Fesselballons aus, als von den Freifahrtballons ausgenommen und die zu Luftschiffern ausgebildeten Offiziere verstehen diese Kunst aufs Beste zu hand­haben.

(Unterschied.)Sie fahren zweiter Klaffe?"

Wegen meines Ranges! . . Und Sie?"

Dritter Klaffe wegen meiner Rangen!"

(Bei'm Turnen.) Feldwebel:Einjähriger, Sie wollen Professor werden und können nicht einmal den Bauchaufschwung?! Wie wollen denn Sie auf Ihr Katheder kommen?" (Viel ver- langt.) Käufer:Ich möchte zehn Zigarren

nicht zu leicht und nicht zu kräftig!"

Verkäufer:Jawohl, mittel!" Käufer: Aber nicht zu mittel!" (Genaue Angabe!) Er: . Ich möchte Dich so oft küssen, als das

Meer Tropfen hat!" Sie:Was für ein Meer?" (Fl. Bl.)

(Wetterbericht von Falb.) Berlin, 24. Aug. Der Verlauf der Augustwitterung entsprach den Erwartnngen. Ein Regentag löste den anderen ab, wobei die größten Niederschlags­beträge auf den 13. und 16. fielen, also am kritischen Tag selbst und drei Tage zuvor. Es hat sich somit der kritische Termin vollkommen bestätigt. Unter dem 16. wurde auch vom Aetna das Bevorstehen eines Ausbruches ge­meldet, welcher unmittelbar darauf eintrat. Der 30. August ist theoretisch der stärkste kritische Tag des Jahres und dementsprechend neuerdings eine Zunahme der Niederschläge wahrscheinlich. Damit dürften Schneefälle im Hochgebirge und ein merklicher Rückgang der Temperatur ver­bunden sein. Erst vom 3. September ab er­warten wir eine anhaltende Besserung des Wetters.

Telegramme.

Essen, 27. August. Auf dem gestrigen Delegiertentag zur Organisation der christlichen Bergleute im Oberbergamtsbezirk Dortmund waren 185 Vereine mit 425 Delegierten ver­treten. Die Versammlung beschloß einstimmig eine gewerkschaftliche Organisation der christlichen Bergarbeiter des niederrheinisch-westphälischen Kohlenreviers. Jedes Mitglied muß einen Re­vers gegen die Sozialdemokraten unterschreiben. Religiöse und politische Parteipolemik ist gänz­lich ausgeschlossen. Der Verein bezweckt nur die Herbeiführung eines gerechten Lohnes, welcher dem Werte der geleisteten Arbeit und der durch die Arbeit bedingten Lebenshaltung entspricht.

Wien, 26. Aug. Die Czernovitzer Landes­regierung beschlagnahmte eine große Sendung russischer Gebetbücher, welche zur Verteilung an die österreichischen Ruthencn bestimmt waren. Die in den Gebetbüchern befindlichen Gebete für die Familie des Zaren werden als hochver­räterisch angesehen.

Jnterlaken, 26. August. Das Hotel Viktoria steht in Flammen. Das Feuer brach während der Table d'hote aus, an welcher 180 Personen teilnahmen.

Paris, 26. August. Der Minister des Innern richtete an sämtliche Präfekten ein Rund, schreiben, worin wegen der Anarchisten größte Sorgfalt und Ueberwachung der Verkehrswege empfohlen wird.

Madrid , 27. Aug. Am Samstag herrschte in ganz Spanien ein furchtbarer Orkan. Die Telegraphenleitungen sind unterbrochen. In den Provinzen hat er vielfachen Schaden angerichtet.

Athen, 27. August. Gestern vormittag wurden mehrere starke Erderschütterungen auf Euböa verspürt, eine davon wurde auch in Athen wahrgenommen, sie richteten jedoch keinen Scha­den an.

Washington. 26. Aug. In der Grube Franklin fand eine Explosion schlagender Wetter statt, wobei 27 Arbeiter getötet wurden.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Me eh in Neusenbürg.