füllt wenn nur die Herde sich vermehrt. Daher wird auch kein Stück Muttcrvieh. überhaupt kein Kalb, kein Lamm geschlachtet, ja auch von den Ochsen und Hammeln wird, außer bei ganz außerordentlich festlichen Ereignissen (Begräb­nissen u. dergl.) nichts angegriffen: sonst ist man zufrieden, von der Milch der Herden zu leben, von dem, was die Jagd bietet, von dem. was in der Herde von sich selbst stirbt. Denn selbstverständlich läßt man nichts umkommen, und dem gewöhnlichen Manne ist es schon recht, wenn die Herden der reichen Leute durch irgend eine Seuche heimgesucht werden, weil dann auch etwas für ihn übrig bleibt. Noch heute wird selbst der reiche Herero, wenn in dürrer Zeit die Milch knapp wird, lieber mit Weib und Kind Hunger leiden und den Leibgürtel (der deshalb in der LandesspracheHungcrstützer" heißt) alle paar Tage um ein Loch enger schnüren, als daß er einen seiner vielen lieben Hammel oder Ochsen blos aus dem Grunde schlachtete, sich satt essen zu können.

Neben diesen reichen Nomaden und stamm­verwandten Vasallen und Knechten treibt sich im Lande ein rätselhaftes, schwarzes Volk um­her, als wie eine Art Zigeuner, die Berg- damara, aus der tiefsten Stufe der Kultur stehend. Obwohl an Zahl verhältnismäßig nicht gering, haben sie unter sich nicht den geringsten Zusammenhalt ein Volk von Sklaven und Vagabunden, das nur einen Gedanken hat, sich den Bauch mit irgend etwas, das nach Eßbarem aussieht, vollstopfen, sei es Gummi arabikum oder seien es zerklopfte Baumwurzeln, sie holen den Ameisen den gesammelten Grassamen aus den Löchern hervor, um ihn zu verzehren und kennen keine größere Freude, als wenn Heu­schreckenscharen das Land überfallen, weil sie dann Nahrung in Hülle und Fülle haben. Daneben betreiben sie auch allerlei schwarze Künste, kennen die heilsamen Kräuter und röt­lichen Gifte, beschwören die Schlangen und wissen auf geheimnisvolle Weise den Kranken aus den schmerzenden Stellen die Krankheit herauszuzaubern, die irgend ein Bösewicht hinein­gezaubert hat. Daß sie ihre Hände nicht von den geheiligten Ochsen der Herero zurückhalten, ist selbstverständlich, wie es natürlich ist, daß die Nomaden, um den Raub zu rächen, die Bergdamara überfallen, die Alten erschlagen und die Kinder als Sklaven mitnehmen.

Nach der Schöpfungsgeschichte der Herero - gab es im Anfang aller Dinge einen Baum, der Baum gebar alles Andere, was da lebt, nämlich die Hereros, Ochsen, Zebras und Busch­männer. Die Häuptlinge haben mehr priester- liche als kriegerische und politische Autorität. Sie segnen die Ochsen und ihre Töchter bespritzen alle Morgen die fettesten Ochsen mit einem in Wasser getauchten Graswisch, ehe das Vieh auf die Weide geht. Sie erwarten kein zukünftiges Leben, noch wissen sie etwas von einem Jenseits; doch betet man über den Gräbern um Ochsen und Schafe und zwar um recht fette und von rechter Farbe. So sind die Herero ein habsüchtiger, herzloser und dummer Schlag von Wilden.

Das neugeborene Kind gewaschen das einzige Mal in seinem Leben! Da die Herero keine Jahresrechnung haben, so ist es kaum möglich, über ihr Alter Gewißheit zu erhalten. Etwa mit 15 Jahren heiraten sie, indem sie für einen oder zwei fette Ochsen oder einen oder zwei fette und einen oder zwei magere sich eine Frau kaufen. Nach dem Tode wird der Leich­nam in eine kauernde Stellung gebracht, wobei das Kinn auf den Knien ruht, und in dieser Stellung werden sie in eine alte Ochsenhaut genäht, das Ding, worauf sie gewöhnlich schlafen, und dann in ein Loch Hinabgelaffen, das dazu gegraben worden ist, das Gesicht nach Norden gewendet uud zugedeckt; dann springen die Leid­tragenden rückwärts und vorwärts über das Grab, um zu verhindern, daß die Krankheit herauskomme.

Eine kranke Person findet kein Mitleid; sie wird von ihren Angehörigen aus der Hütte vom Feuer weg in die Kälte getrieben; sie thun Alles, was sie können, um den Tod zu be­schleunigen, und wenn Jemand im Sterben zu

liegen scheint, häuft man Ochsenhäute über ihn, bis er erstickt. Nur wenige sterben eines natür­lichen Todes.

Die Hütten werden von den Frauen ge­baut. Man steckt im Kreise bis zehn Fuß hohe Stöcke in die Erde und biegt und bindet sie oben zusammen unddas neue Haus ist auf- gerichtct!" Die Stöcke werden mit Reisig u.s w. verflochten, oben drauf werden Ochfenfelle ge­bunden. Ein Loch zum Durchkriechen bildet die Thür. Einige Ochsenhäute als Lager bilden neben einigen hölzernen Milchgefäßen das ge- sammte Meublement und die ganze Küchen­einrichtung.

Die Hautfarbe der Herero ist nicht leicht zu bestimmen. Bei trockeyem Wetter erscheinen sie dunkelrotbraun und fettig glänzend wie ein alter, gut polierter Mahagonitisch ; sie siechen dann übel nach ranzigem Oel, ihr Aussehen ist aber munter und warm. Doch wehe! Einige Stunden anhaltenden Regens verändern den Menschen gänzlich: die Haut bekommt ein totes Aussehen und verliert allen Glanz keine Spur von Dunkelrot darauf, sie ist nicht einmal schwarz, sondern wie ein altes ver­rostetes Eisengitter, das frisch gestrichen werden müßte ein höchst schäbiger Gegenstand.

Lernt man solcheWilden" genauer und länger kennen, so wird man finden, daß sich ihre Entwick­lung nicht in aussteigender sondern in absteigender Linie bewegt, dafür zeugt ihr Schmutz, die Unkultur und Denkweise; alles weist darauf hin, daß die wilden" Völker zu der übrigen Menschheit in einem Verhältnis stehen, wie die Vagabunden zu den Stammcsgenoffen, zwischen denen sie umherschweifen. Und doch wieder haben diese Völker geistige Gaben und Fähigkeiten ebenso gut wie der Kulturmensch, aber wie kommt es dennoch, daß trotz alledem diese Völker aus solch entsetzlich niedriger Stufe stehen? Woher dieses traurige Schauspiel, daß der Menschengeist mit allen seinen Fähigkeiten und Entwicklungs- Möglichkeiten als wie mit Ketten und Banden gefesselt erscheint? Da sind bei näherem Zu­sehen nur die moralischen Schwächen und Mängel als Ursache des liefen Verfalles zu finden. Denn auf diesen Völkern lastet der schlimmste Egoismus, der sich denken läßt, der sich bei den Reichen und Vornehmen als der schmutzigste Geiz und bodenloseste Habsucht, bei dem geringen Volke als die verstockteste Trägheit' und Faulheit offenbart. Sie sind alle mit­einander in ihr Elend verkettet, Keiner hat Lust, dem Andern zu helfen, Keiner hat die Macht, sich selbst herauszuretteu.

Dazu kommt noch eine andere merkwürdige Erschcinig. Während es dem Kulturmenschen sozusagen in Fleisch und Blut übergegangen ist, daß die Menschheit in fortwährendem Fortschritt begriffen oder doch wenigstens zu fortwährendem Fortschritte berufen ist, findet man bei diesen wilden" Völkern immer und ewig den einen un­abänderlichen Gedankengang:Alles ist eben so, wie es ist; es ist niemals anders gewesen, als es jetzt ist, und es wird deshalb auch nie­mals anders werden; es ist nirgends anders, als bei uns, und was sonst von anderen Menschen und anderen Sitten erzählt wird, sind Lügen und Märchen." Nun mache man einmal etwas mit solchen nicht zu widerlegenden An­schauungen!

Deshalb imponiert dem Herero auch das­jenige, was er von Europäern, die in sein Land kommen, hört und sieht, sehr wenig kommen sie doch eingestandenermaßen aus einem Lande, wo die Leute viel weniger Ochsen besitzen, wie die Herero; wie kann es also in einem so arm­seligen Lande überhaupt nur Besseres geben! Die Versuche der Weißen, Kornfelder und Gärten anzulegen, erschienen den Nomaden als törichte und kindliche Spielereien im Sande, welche ernster Männer unwürdig sind. So wird es wohl noch lange dauern, ehe wir unsereLandsleute" drüben aus ihrem bisherigen, nur von Ochsen, Kühen, Schafen und Ziegen erfüllten Gedankenkreise heraüszureißen vermögen.

(Kaiser Wilhelm II. angeblich gefordert.) Durch einen Teil der Presse geht folgende Er­zählung des PariserMatin":Im Jahre 1891

sprach Kaiser Wilhelm II. in Erfurt bei dem Manöverbankctt einen Toast, worin er Napoleon l. denkorsischen Parvenü" nannte. Prinz Viktor Napoleon wollte ihn deswegen fordern lassen, und schon waren Marschall Canrabert und General du Barail auserwählt, das Kartell zu überbrmgen. Indessen erschien der offizielle Text des Toastes, worin nur vom korsischen Eroberer die Rede war. Diese Publikation machte den Zweikampf überflüssig.

Aus Bayern, 12. Mai. Welch kostspielige Liebhaberei das Briefmarke »sammeln ist, ersieht man ans einer Mitteilung desFränk. Kur.", derzufolge ein Regensburger Sammler eine Mauritiusmarke zu zwei Pence vom Jahre 1847 (blau) um den kaum glaublichen Preis von 4000 Ml. nach Hamburg verkauft hat. Das ganze Album des Sammlers, in dem sich unter etwa 3000 verschiedenen anderen Marken diese Seltenheit befand, wäre früher bereits um den Preis von 400Mk. käuflich zu haben gewesen.

Der Herzog Karl von Württemberg, der im vergangenen Jahrhundert gelebt hat, war ein gar gestrenger Herr und wollte Alles in der Welt, d. h. in seiner württembergischen Welt, nach seinem eigenen Kopf ummodeln. Einstmalen reitet der Herzog Karl auf einem schönen Schimmel durch das Städtchen Calw im Schwarzwalde. In dieser Stadt war ein sehr berühmter Färber, er steht eben vor dem Hause und zieht seine Mütze ab.Hör' Er einmal," sagt der Herzog, kann Er mir den Schimmel da blau färben?" Ja, Durchlaucht, wenn er das Sieden verträgt," antwortet der Färber. Der Herzog ist still davon geritten..

Eine italienische Adele Spitzeder. Aus Como ist seoben eine Lehrerin, Signora Kaufmann mit Hinterlassung von 100 000 Lire Schulden verschwunden. Die Holde hatte es verstanden, durch ehren scheinbar gottesfürchtigen und unsträflichen Lebenswandel eine Unzahl kleiner Leute zu bethören; sie spiegelte ihnen vor, sie sei in der Lage, ihre kleinen Erspar­nisse in gewinnbringendster Weise anzulegen, und als sie die oben erwähnte Summe beisammen hatte, verschwand sie. Auch verschiedene Geist­liche sind unter den Geprellten.

In der Gewerbe-Ausstellung zu N hing ein Stück Sohlenleder mit einem Zettel daran, woraus geschrieben stand:Dieses. Sohlenleder ist von einem inländischen Ochsen verfertigt."

(Im ersten Schrecken.)Hab'n die Herren schon von dem Unglück gehört?"Nein! Was denn? Was denn?Der Herr Vor­stand ist die Treppe hinutergefallen . . . hat sich aber nix 'than!"

Telegramme an den Enzthäler.

Karlsruhe, 17. Mai. Der Kölner Männergesangverein ist heute abend hier eingetroffen. Für den Empfang hatte die unter dem Protektorat des Großherzogs stehende Liederhalle" Vorsorge getragen. Die Kölner werden morgen früh dem Großherzog im Schloß­park ein Ständchen bringen; abends findet großes Konzert in der Festhalle statt, dem der Groß­herzog anwohnen wird. Das Konzert findet zum Besten des Ludwig-Krankenheims statt.

Antwerpen-, 17. Mai. Während des Besuchs des Königs in der Ausstellung näherte sich ihm die Tochter des wegen des dreifachen Mordes verhafteten Frau Joniaux und über­reichte ihm eine Bittschrift, welche die provi­sorische Haftentlassung der Mutter verlangt. Obwohl dem König vor der Verurteilung kein Begnadigungsrecht zusteht, nahm er doch die Bittschrift an.

Roubaix, 17. Mai. Gestern abend er­folgte ein blutiger Zusammenstoß zwischen Polizei und Anarchisten. Letztere durch­zogen die Straßen unter dem Rufe:Nieder mit Frankreich! Es lebe die Inter­nationale!" Mehrere Ruhestörer erhielten Wunden. Sechs Verhaftungen wurden vorge­nommen.

Redaktion, Druck und Verlag von C. Meeh ln Reuenbürg.